Berlin-Pankow: Spontandemo nach Naziangriff

Britta Senç 24.02.2008 00:29 Themen: Antifa
120 Menschen beteiligten sich am Samstag abend an einer spontanen und lautstarken antifaschistischen Demonstration durch den Berliner Stadtbezirk Pankow - Hintergrund war ein Übergriff auf Antifaschist_innen am frühen Samstag morgen am S-Bahnhof Wollankstraße. Die Demonstration begann gegen 21 Uhr auf dem Garbáty-Platz am S- und U-Bahnhof Pankow, führte über Berliner, Breite und Florastraße und endete gegen 22.30 Uhr wieder am Sammelpunkt.
Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß trotz der vergleichsweise kurzen Vorlaufzeit von wenigen Stunden über 100 Menschen in Pankow zu mobilisieren waren bzw. sich aus anderen Stadtteilen in den Berliner Nordostbezirk auf den Weg gemacht haben. Immer wieder solidarisierten sich Pankower Bürger_innen während der Demonstration mit dem Anliegen der Antifaschist_innen.

Per Megaphon wurde auf den Hintergrund der Demonstration aufmerksam gemacht: Am frühen Samstag morgen gegen ein Uhr attackierte eine Gruppe von 15 Neonazis in der Umgebung des Pankower S-Bahnhofes Wollankstraße einige linke Jugendliche, die gerade von einer Party des im benachbarten Wedding gelegenen Jugendclubs "Café Bohne" (Wedding) kamen (siehe dazu auch Pressemitteilung der Antifaschistischen Initiative Reinickendorf,  http://antifa-pankow.de.vu/localair.htm). Die Angreifer gingen demzufolge mit Flaschenwürfen und Schlagstöcken gegen die Linken vor. Dabei erlitt ein Jugendlicher eine tiefe Platzwunde am Kopf, die ambulant behandelt werden musste.

Übereinstimmend heißt es, dass die Neonazis aus der nahe gelegenen Kneipe "Musik-Café" (Wollankstraße/Ecke Brehmestraße) gekommen sein sollen. Anwohner_innen und Pankower Antifaschist_innen stellten zuletzt fest, dass das "Musik-Café" seit einem Betreiberwechsel vor einigen Monaten zum Treffpunkt von Neonazis geworden ist. Gerade an Wochenenden ist den Rechten das "Musik-Café" ein beliebter Ort zum Feiern und Saufen, auch bekannte Aktivisten der lokalen NPD lassen sich hier gern blicken. So muß es nicht verwundern, dass im Umfeld des Lokals immer wieder Aufkleber von Neonazigruppierungen auftauchten. Auch am Samstag abend fanden wieder zahlreiche Rechte ihren Weg in das "Musik-Café".

Die Kneipe hat zudem Verbindung zum kriminellen Rocker-Milieu. Im "Musik-Café" verkehren stets Mitglieder einer Rocker-Gruppierung namens "Nordische Bruderschaft". Mitglieder dieser Gruppierung sind in der Vergangenheit bereits mehrfach durch Beteiligung an rechten Übergriffen und Bedrohungen aufgefallen.

Antifaschist_innen aus Pankow und Berlin haben gerade die zurückliegenden Auseinandersetzungen mit rechten Treffpunkte gezeigt, dass die Existenz derselben eine Gefahr für alle darstellt, die zu den potenziellen Betroffenen neonazistischer Gewalttaten zählen. Und zwar egal, ob es sich um das "Musik-Café", die mittlerweile geschlossene Kneipe "Kiste" im Lichtenberger Weitlingkiez, den Tönsberg in Berlin-Mitte oder das ebenfalls nicht mehr existierende "Spasseck" in Pankow-Niederschönhausen handelt - in diesen Locations fanden und finden Neonazis nicht nur Rückzugsräume und Infrastruktur, sondern von hier aus begingen und begehen sie gehäuft Propagandaaktionen und gewalttätige Übergriffe. Das Umfeld der entsprechenden Einrichtungen wird so schnell zu einer Angstzone. Die antifaschistische Bewegung darf die Existenz solcher Gefahrenherde nirgendwo dulden und muß ihre kreativen und vielfältigen Proteste so lange fortführen, bis das "Musik-Café" entweder seine Neonazi-Kundschaft hinauswirft oder schließen muss, wie es bei "Kiste" und "Spasseck" bereits geschehen ist.

Zu kritisieren ist das Verhalten der Polizei am Samstag abend. So wurde der Beginn der Demonstration mit fadenscheiniger Begründung um fast eine Stunde verzögert. Wieder einmal haben die Beamten, darunter die der berüchtigten Einsatzhundertschaft 23, bewiesen, wie viel ihr das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit wert ist. Den antifaschistischen Demonstrant_innen wurde zudem verwehrt, ihren Protest in unmittelbarer Nähe des "Musik-Cafés" zu artikulieren. Die Demonstration wurde vielmehr durch gepanzerte, behelmte und mit Schlagstöcken ausgerüstete Polizei gestoppt. Einmal mehr hat die Berliner Polizei antifaschistischen Protest behindert, Neonazis beschützt und bewiesen, dass das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit in Deutschland jederzeit und willkürlich eingeschränkt und damit entwertet wird.

Lokale antifaschistische Initiativen:

Emanzipative Antifaschistische Gruppe [EAG-Berlin]: www.antifa-pankow.de.vu
Antifa Prenzlauer Berg (APB): www.antifa-pberg.de.vu/
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Ergänzungen

ergänzung und kritik

kritikerin 24.02.2008 - 04:02
grundsätzlich guter artikel, allerdings ist doch zu ergänzen, dass es im bezirk pankow nicht nur die eag und die apb gibt, sondern auch die
NEA (North East Antifascists) www.nea.antifa.de
und auch die Antifa Klein Pankow sollte berücksichtigt werden. www.antifakp.de.vu

mehr ist dazu nicht zu sagen und es wäre hilfreich auch in zukunft möglichst alle aktiven gruppen vor ort zu verlinken...

hm

hmhm 24.02.2008 - 14:45
die bullen schienen nichts von einer spontidemo gewusst zu haben.
um 20 00 waren keine bullen vor ort gewesen. erst als eine streife(?) vorbeigefahren war ließen sich die ersten zivilbeamten blicken, kurz darauf zwei wannen und eine handvoll bullen.

Auseinandersetzung -> Polizeibericht

Leser 24.02.2008 - 16:38
Eingabe: 23.02.2008 - 17:15 Uhr
Auseinandersetzung zwischen „Linken“ und „Rechten“ – Ein Verletzter
Pankow
# 0580

Bei einer Auseinandersetzung zwischen 10 Personen, die augenscheinlich dem linken Spektrum und zirka 20 Personen, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, wurde heute kurz nach Mitternacht in Pankow ein Mann verletzt. Die zehnköpfige Gruppe befand sich auf dem Gehweg der Wollankstraße, als aus einem Musikcafe etwa 20 Personen herausstürmten, auf sie zu liefen, mit Flaschen bewarfen und sie als „Zecken“ beschimpften. Daraufhin teilte sich die „linke Gruppe“ und die Personen flüchteten in Richtung S-Bahnhof Wollankstraße und Nordbahnstraße. In einem Park an der Wollankstraße wurde ein 23-Jähriger aus der linken Szene von einem der „Rechten“ mit einem Teleskopschlagstock am Kopf verletzt. Die alarmierten Polizeibeamten überprüften in Tatortnähe insgesamt 18 Personen, von denen vier Männer im Alter von 29- bis 40-Jahren festgenommen wurden. Gegen sie ermittelt der Polizeiliche Staatsschutz wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch.

Neonazis im Partykiez

Tagesspiegel 24.02.2008 - 21:43
Erneut gehen Rechtsextreme und Linke aufeinander los. Die Rechten suchen sich ihre Opfer immer öfter in Szenegegenden wie Prenzlauer Berg oder Friedrichshain. In den letzten fünf Jahren verzeichnet die Statistik über 500 rechte Gewalttaten.

Pünktlich zum Todestag des bei den Neonazis als Märtyrer verehrten Horst Wessel ist die Gewalt zwischen Linken und Rechten in Berlin eskaliert. Aus Protest gegen einen Überfall von Rechtsextremisten auf zehn Linke am Samstagmorgen demonstrierten am späten Abend 120 Linke gegen die Attacke. Wie berichtet, hatten etwa 20 Angehörige der rechten Szene, die im „Musik-Café“ an der Pankower Wollankstraße feierten, zehn Linke mit Bierflaschen und Schlagstöcken angegriffen. Ein Mann wurde durch einen Hieb verletzt.

Die Polizei überprüfte 18 Rechte und nahm vier fest. Gegen sie ermittelt der für politische Delikte zuständige Staatsschutz. Am Samstagabend soll es nach Angaben der Antifa zudem Steinwürfe auf ein linkes Lokal in der Rigaer Straße in Friedrichshain gegeben haben. Die Polizei konnte das nicht bestätigen.

Bei der Demo am Samstagabend dann riegelte die Polizei das Lokal an der Wollankstraße ab. Das „Musik-Café“ ist nach Angaben der Antifa ein neuer Treffpunkt von Neonazis und Hooligans. Wie es in der linken Szene heißt, hatte es vor dem Überfall eine „Outing-Aktion“ gegeben, mit der der Wirt unter Druck gesetzt werden sollte. „Die antifaschistische Bewegung wird die Existenz solcher Gefahrenherde nirgendwo dulden“, heißt es. Im letzten Jahr hatte sie nach eigener Auskunft schon Erfolg: Der Wirt des „Wohlklang“, ebenfalls in der Wollankstraße, schloss das Lokal. Die rechte Szene wiederum brüstet sich im Internet damit, dass „ein Angriff auf das Musik-Café abgewehrt wurde“.

Auffallend ist, dass sich die Angriffe rechtsextremistischer Schläger in den letzten Jahren immer häufiger in beliebten Kneipengegenden von Friedrichshain und Prenzlauer Berg ereignen. Die Opfer sind dabei oft keine Linken. Nach der gerade veröffentlichten Chronik der Opferberatungsstelle Reach Out ist Friedrichshain für 2007 mit 24 rechten Gewalttaten, wie schon im Jahr zuvor, der Bezirk mit den meisten Attacken. 2006 gab es dort sogar 51 Übergriffe. Bei der von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kürzlich vorgestellten Polizeistatistik zu rechten Gewalttaten von 2003 bis 2006, rangiert hingegen Prenzlauer Berg auf dem Spitzenplatz.

Dass ausgerechnet hier die Rechtsextremisten besonders häufig zuschlagen, hat viele Gründe. „Man sucht sich seine Gegner dort, wo man sie findet“, sagt Oberstaatsanwalt Jörg Raupach. „Die Rechten finden an diesen Orten schneller potenzielle Opfer – vor allem Menschen, die äußerlich der alternativen Szene zugerechnet werden können“, bestätigt Helga Seyb von Reach Out.

Oft würden die Schläger ganz in der Nähe wohnen. Dies bestätigt auch Körtings Studie: Bei mehr als einem Drittel der Übergriffe, die die Polizei aufklären konnte, wohnten die Täter etwa 2,5 Kilometer vom Tatort entfernt. Linke Gruppen sprechen von insgesamt acht Kneipen in Friedrichshain und Prenzlauer Berg, in denen Neonazis angeblich zu den Stammgästen gehören. Helga Seyb kennt das Problem, dass die Überfälle meist unbeobachtet geschehen und die Rechten äußerlich als solche nicht erkennbar sind. Über 500 rechte Gewalttaten aus den letzten fünf Jahren hat die Beratungsstelle dokumentiert. In vielen Fällen fehlt es an Zeugen. Dass die Polizei andere Zahlen als Reach Out angibt, liegt daran, dass Betroffene aus Angst oft keine Anzeige erstatten. Manche melden sich aber bei Reach Out, wo der Vorfall dokumentiert wird. „Es gibt Fälle, in denen Neonazis in Friedrichshain eine Gruppe Jugendlicher zusammengeschlagen haben. Die Opfer trauen sich aber nicht Anzeige zu erstatten, da die Rechten über ihre Anwälte die Namen und Adressen der Geschädigten erfahren können“, sagt Seyb.

Erschreckend sei die Brutalität der Überfälle. Oft seien die Täter mit einem Mundschutz wie beim Boxkampf, Schlagstöcken und Sturmhauben ausgerüstet. Das bestätigt auch Staatsanwalt Raupach. „Wir haben festgestellt, dass solche Gegenstände für manche zur täglichen Ausrüstung gehören und dann bei Bedarf eingesetzt werden.“ Rechtlich könne man dagegen kaum etwas ausrichten. Schlagstock und Mundschutz sind nur auf Demonstrationen strafbar.

Toni Peters vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum bestätigt die örtliche Verschiebung der rechten Angriffe: „Rechtsextreme tauchen immer öfter in vermeintlich alternativen Szenebezirken auf.“ Sie seien aber meist nur für Szenekenner sichtbar, weil Neonazis inzwischen auf „dezente Symbolik anstatt auf den altbekannten martialischen Nazi-Look“ setzten. Gewalt gegen andere Menschen sieht Peters als festen Bestandteil eines „rechtsextremen Lifestyles“.

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fischladen — war da

@Fischladen — Antifa heißt Angriff

Bullen? — -

richtigstellung — hans

Urban Legends — FAU Sau

Antifa heißt Angriff! — xxantifaxx

@bullen? — local Antifascist

@ udo — Muck

@Muck — keina ist gemaina, als der f-haina