Berlin: BVG-Streik light

rg 12.02.2008 08:42
Verdi kündigt für Mittwoch Warnstreik "light" an. BVGler wandern zur Lokführergewerkschaft GDL ab. Aber Betriebsvertrauensleute schrecken vor Verschärfung zurück. Auch Berliner Linkspartei fürchtet weitere Eskalation. "Linke" FÜR und GEGEN Streik.
Nach dem überfallartigen "Blitzstreik" (BZ und BILD) von letzter Woche setzt ver.di nun auf Deeskalation und kündigt für Mittwoch entschärfte Kampfmaßnahmen an. Der Streik werde deutlich kleiner ausfallen als der erste Warnstreik und möglicherweise nur Verspätungen verursachen, wie ver.di-Sprecher Andreas Splanemann am Montagabend sagte. Trams, U- Bahnen und Busse sollen fahren. Dafür sollen von 5.00 bis 15.00 Uhr Bereiche wie Technik oder Verwaltung lahmgelegt werden. «Wir planen einen Warnstreik, der nicht vorrangig den Fahrgast trifft», sagte Splanemann.

Ver.di steht unter Druck ihren Mitgliedern ein gutes Verhandlungsergebnis zu liefern. Aber der Aufsichtsratsvorsitzende des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Thilo Sarrazin, Berlins berüchtigter Finanz und Sparsenator, mauert und droht mit Fahrpreiserhöungen falls sich ver.di durchsetzt. Ver.di hat aber allen Grund hart in ihren Forderungen zu bleiben.

Ein Teil der ver.di Basis in der BVG war nach dem Lokführerstreik im Winter kaum im Zaum zu halten. Es bestand die Gefahr von wild-cat Streiks. Auch wandern einige Ver.di Mitglieder zur radikaleren GDL ab. Bei der Lokführergewerkschaft fällt zudem der Mitgliedsbeitrag geringerer aus. Auch mit dem unwahren Hinweis GDL-Mitglieder bei der BVG würden im Streikfall kein Streikgeld erhalten, lassen sich BVGler nicht mehr bei der ver.di Stange halten. Deshalb preschte die Ver.di-Führung mit dem Blitzstreik am vorletzten Freitag vor. Mal ordentlich Dampf aus dem Kessel lassen!

Natürlich gibt es auch die Kollegen, die vor einer Radikalisierung zurückschrecken. Einige Betriebsräte und Vertrauensleute sollen massive Kritik an der bisherigen Führung der Tarifauseinandersetzung geübt haben. Offenbar verfängt bei einigen die BILD-Hetze gegen den Streik. Dem soll mit Rücksichtnahme auf den Fahrgast begegnet werden. Damit schwinden aber die Druckmittel im Arbeitskampf.

Gleichzeitig will die Ver.di-Führung den Berliner Senat nicht destabilisieren. Der Senat ist der eigentliche Arbeitgeber der BVG - offiziell ist das der "Kommunale Arbeitgeberverband". Die deutsche Vorzeigeregierung in der Hauptstadt - aus "Linkspartei-SPD" - steht wegen ihrer Kürzungspolitik unter massivem Legitimationszwang gegenüber den eigenen Parteien und der Wählerbasis. Zusätzlich stehen weitere Arbeitskämpfe im öffentlichen Dienst in Berlin an. Ein BVG-Streik würde die Gelenke des Senats empfindlich quietschen lassen. ver.di-Verhandlungsführer Frank Bäsler geht indirekt auf den Senat zu. Die "Linke" solle nicht aus der Regierung treten. Ein CDU geführter Senat sei auch nicht im Interesse von ver.di, so Bäsler auf einer Veranstaltung der Berlin-Neuköllner Linkspartei.

Die GDL, kämpferische und weniger kämpferische Basis, die Boulevardpresse, der Senat, die "Linke" - alles zerrt aus unterschiedlichen Richtungen an ver.di. Und die "Linke" zieht in zwei Richtungen gleichzeitig.

Für die Linkspartei steht mit der Hamburger Landtagswahl ein weiterer möglicher Sprung über die 5%-Hürde an. Und es sieht in der Hansestadt sehr gut aus für die "Linke". Streiks gegen den Berliner Senat kämen daher ungelegen und passen nicht ins Bild des neuen Hoffnungsträgers der Arbeiter und Arbeitslosen von der Linkspartei. Andererseits möchte man sich der bürgerlichen Öffentlichkeit als staatstragend und zuverlässige Regierungspartei präsentieren. Die Linke-Verkehrspolitikerin Jutta Matuschek griff in der „Berliner Zeitung“ sowohl ver.di als auch die GDL an. „"Verdi will die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer offenbar in puncto Härte übertrumpfen. Das können wir nicht akzeptieren."

Das widersprüchliche Bild der Protest und Regierungspartei kann man anhand von zwei Pressemitteilungen der "Linken" deutlich machen. Unter der Überschrift "Solidarität mit den Beschäftigten der BVG" übt Thomas Hecker, Mitglied des Bundessprecherrates der "Linken" unverholene Kritik am Berliner Links.senat: "Die Kolleginnen und Kollegen der BVG haben seit 2003 keine Lohnerhöhungen bekommen. Allein schon wegen der zwischenzeitlichen Preiserhöhungen sind auch hier kräftige Lohnsteigerungen dringend notwendig - natürlich auch für die Alt-Beschäftigten. (...) Dem gegenüber ist die seitens der Berliner Fraktion DIE LINKE verbreitete Presseerklärung kaum anders zu verstehen als eine Entsolidarisierung gegenüber den berechtigten Interessen der streikenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter."

Diese schallende Ohrfeige zielt auf Stefan Liebich. Der Frontmann der Berliner Regierungslinken fleht in einer Presseerklärung die Gewerkschaft Ver.di förmlich an den Streik zu beenden.

"Verhandeln statt eskalieren. (...) Dabei muss sowohl von Arbeitnehmer- als auch von Arbeitgeberseite berücksichtigt werden, dass die BVG als öffentliches Unternehmen durch den rot-roten Senat gesichert wurde und dazu weiter saniert werden muss. Die Zerschlagung der BVG, z.B. durch Ausschreibung von Strecken, wie es die Opposition vorschlägt, wird es mit Rot-Rot nicht geben."

Mit anderen Worten: wenn ihr nicht artig seit kommt der böse Onkel. NUR unter der CDU wird privatisiert, wir wollen und tun doch so was nicht! ...Höchstens in Sachsen.

Liebich weiter: "Die Fraktion DIE LINKE hält es für wichtig, dass einerseits die Einkünfte der neuen und der länger Beschäftigten angenähert werden und andererseits eine sozial gerechte Tarifstruktur für die Fahrgäste gesichert und ausgebaut wird. Für diese unterschiedlichen Interessen Rahmenbedingungen zu schaffen ist auch die Aufgabe der Tarifparteien. Hierbei ist Augenmaß gefragt. Unnötige Eskalationen beider Seiten helfen nicht weiter." Anders ausgedrückt: Wer streikt, ist schuld an zu hohen Fahrpreisen.

Die Linkspartei in Berlin und Sparsenatoir Zarrazin nehmen quasi die Fahrgäste als Geiseln ihrer Argumentation im BVG-Lohnkampf und versucht Streikende und nicht streikende Bevölkerung gegeneinander auszuspielen. Erinnert an Mehrdorn, der sich mit Fahrpreiserhöungen an den Bahnkunden für den GDL-Streik rächen will.

Als im Ersten Weltkrieg die Berliner Munitionsarbeiter mit Arbeitsniederlegungen "unsere Frontsoldaten in den Rücken fallen", gab es Flugblätter der Reichsregierung: "Wie Hindenburg über das Streiken denkt". Auch Seine Majestät, der Kaiser soll über den Streik seiner Untertanen ungehalten gewesen sein und begab sich in die Munitionsfabriken auf "Durchalten!" Tour. Gutes Vorbild für den Berliner Senat. Aufforderungen zum Maßhalten haben in Deutschland Tradition.
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Ergänzungen

GDL kontra Verdi

Bahnfahrer 13.02.2008 - 08:55
Verdi ist ganz offensichtlich nicht die GDL. Das zeigt sich gerade jetzt, wenn die Bereitschaft für einen Streik zwar gegeben, bzw potentiell vorhanden ist, die Führung jedoch auf "radikale" Maßnahmen verzichtet.

Hier spielen Faktoren, wie zum Beispiel die Nähe zur Regierungspartei SPD und die Angst vor einer "Anti-Stimmung" eine Rolle, auch wenn die GDL längst bewiesen hat, dass man auch mit umfassenden Streiks erfolgreich sein kann.

Bleibt nur noch zu hoffen, dass der Druck der Verdi-Mitglieder groß genug wird.

Neonazi-Regner wird aus Haft entlassen

http://www.welt.de/ 13.02.2008 - 20:28
Die Liedtexte von Michael Regner wurde vom Generalbundesanwalt als rassistische Hasstiraden eingestuft - der nach einer DDR-Wodkamarke "Lunikoff" genannte Rechtsextremist wurde zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Ende des Monats soll der Ex-Sänger der Neonazi-Kapelle "Landser" nun auf freien Fuß kommen.

Michael Regener, der ehemalige Sänger der Neonazi-Band "Landser", wird Ende Februar aus der Haftanstalt Tegel entlassen. Das erfuhr WELT ONLINE aus Justizkreisen. Regener, der in der Szene als Lunikoff bekannt ist, wurde im Jahr 2001 als Sänger und Liedtexter der rechtsextremen Band wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Der Generalbundesanwalt teilte damals mit, unter Verzicht auf öffentliche Auftritte hätten die Bandmitglieder spätestens 1993 eine auf Heimlichkeit und Konspiration aufbauende Organisationsstruktur geschaffen.

"Die Liedtexte (...) waren geprägt von rassistischen, nationalistischen und antisemitischen Hasstiraden. Sie riefen zu Gewalt gegen Ausländer, Juden und politisch Andersdenkende auf und waren darauf angelegt, den Staat sowie seine pluralistische Ordnung als untragbar zu diffamieren“, hieß es von der Bundesbehörde.

Ende Dezember 2003 ist Regener zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt worden. Sein Anwalt ging gegen das Urteil in Revision; Regener blieb bis zum April 2005 auf freiem Fuß.
Nachdem der Bundesgerichtshof das Urteil des Kammergerichts bestätigt hatte, trat Regener im April 2005 seine Reststrafe von zwei Jahren und zehn Monaten in der JVA Tegel an. Innerhalb der Neonazi-Szene gilt er als Kultfigur mit Märtyrerstatus.