Staatschutz überwacht Fotografinnen

Dreyfus 23.10.2007 13:11
Das Landeskriminalamt (LKA) Berlin überwachte in den letzten Monaten ein dutzend PressevertreterInnen u.a. der Berliner Morgenpost, TaZ, RTL und Tagesspiegel. Grund für die Oberservationen war laut Eigenbemerkung der Polizei das Fotografieren von Neonazis bei Naziaufmärschen.
"...dass in der Vergangenheit mehrfach beobachtet werden konnte, dass dem äußeren Anschein nach Personen aus der linken Szene gezielt Fotos von Neonazis bei deren Veranstaltungen machten. Die Lebenserfahrung der Beamten bestätige, dass diese Aktivitäten eine journalistische Neugier bei weitem überstiegen habe." Das zumindest die öffentliche Begründung für die in den vergangenen Monaten angestrengten Ermittlungsverfahren.

'''Der Hintergrund'''

Am 14 November 2005 drangen Polizeibeamte in die Räume einer Berliner Wohngemeinschaft ein. Dort wurde ein Plakat sichergestellt, auf dem sich die Portraits von insgesamt 36 Neonazis befunden hätten. Die Beamten stellten daraufhin, in Unkenntnis des Presserechtes Strafanzeige gegen die vermeintlichen Fotographinnen der dort abgedruckten Bilder.

Insgesamt rückten in den darauffolgenden Monaten rund ein Dutzend Personen, die sich am Rand von Neonazidemonstratiopnen mit Kamera, bzw. Fotokamera aufhielten in das Visier der Staatschützer. Die Hundertschafts-polizeibeamten auf den Demontrationen gaben an, das jenes Verhalten einiger Pressevertreterinnen, laut ihrer eigenen "Lebenserfahrung" eine "journalistische Neugier" überstiegen hätte. In Anbetracht dessen das die Lebenserfahrung von "kasernierten Polizisten" im Bezug auf journalistische Neugier immens umfangreich ist, folgten das LKA Berlin den Mutmassungen der Bereitschaftspolizei und wählte nach diesem Kriterium Journalisten für Oberservationen aus.

Das bedeutet im Klartext, Fotografinnen die mehrfach auf Neonazidemonstrationen gesichtet wurden, die gezielt Neonazidemonstrationen mit der Kamera begleiten fielen in das Raster für die Fahndung des LKA. Die Auswahl der später überwachten zeigt auf, dass dieses Berliner LKA gezielt Pressevertreterinnen observierte.
"In einem internen Papier des Staatschutzes heißt es später sinngemäß, dass in der Vergangenheit mehrfach beobachtet werden konnte, dass dem äußeren Anschein nach Personen aus der linken Szene gezielt Fotos von Neonazis bei deren Veranstaltungen machten" (Berliner Morgenpost - 22.Okt. 2007)

'''Der Ablauf'''

Die Kenntnis das Polizei und ihre Ermittlungsbehörden die Presse der "linke Szene" zuordnet, eröffnete der Überwachung dann Tür und Tor. "Mit Hilfe von Internetrecherchen weiterer Polizeidienstellen, Überprüfungen von Fotografen bei Demonstrationen sowie der Inaugenscheinnahme von Fotoausrüstungen ermittelte man unter der Vorgangsnummer 051212-1400-022517 schließlich zwölf Tatverdächtige"! Pressevertreterinnen der Berliner Morgenpost, TaZ, RTL, Tagesspiegel sowie Fotographinen des Bündnis90/Die Grünen wurden gezielt unter die Lupe genommen.

"Das Berliner LKA 522 erstellte dennoch zu allen Beschuldigten sogenannte Personagramme: Meldedaten und Autos wurden vor Ort überprüft, Arbeitgeber ermittelt, Observationsberichte geschrieben. Sogar Dialekte und körperliche Behinderungen sind auf den Blättern vermerkt.
In einem neunseitigen Schlussbericht forderten die LKA-Ermittler Durchsuchungsbeschlüsse für Wohnungen, Fahrzeuge und Arbeitsstätten der Beschuldigten sowie das Recht, Handys beschlagnahmen zu dürfen."

Das die Ermittlungen won der Berliner Staatsanwaltschaft nun schlußendlich abgewiesen wurden, dürfte dem Ermittlungswahn der Polizeibeamten in Zukunft keinen Abbruch tun. Das Fotografieren von Neonazis ist laut Logik des Berliner LKA ein Ermittlungsverfahren wert und stellt somit eine potentielle Straftat dar. Die angekündigten Gesetzesvorlagen werden die Arbeit vom Fotografinnen in Zukunft weiter erschweren. Das die Durchleuchtung von Personen mit Hilfe der neusten Gesetzesvorlagen auf so genannte "Terroristen" beschränkt bleiben wird...erntet bei Betrachtung des -Status Quo- Hohn und Spott.

Unter dem Vorwand "Für Recht und Gesetz" einzutreten, untergräbt der Polizeiapparat nicht nur die Persönlichkeitsrechte aller "Zivilpersonen". Er trägt ebenfalls zur Kriminalisierung aller Pressevertreterinnen bei, die als "4te Gewalt" die Tätigkeiten des Staates "kontrollieren soll"..wie es so schön im Fachjargon heißt.

Die Pressevertreterinnen die in der Ermittlungsakte des LKA Berlin auftauchen wissen übrigens bis heute nicht das gegen sie ermittelt würde.

Schöne neue Welt....
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Ergänzungen

Presse wird stark eingeschränkt!

Fotograf 23.10.2007 - 15:42
"... dass in der Vergangenheit mehrfach beobachtet werden konnte, dass dem äußeren Anschein nach Personen aus der linken Szene gezielt Fotos von Neonazis bei deren Veranstaltungen machten. Die Lebenserfahrung der Beamten bestätige, dass diese Aktivitäten eine journalistische Neugier bei weitem überstiegen habe."
Das ist unglaublich und - bevor Schäuble und Co. kamen - nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Ich finde es scheiße, wenn auf Antifa-Demos irgendwelche Fotografen/Kamerleute mit "Kameramann - Arschloch" beschimpft werden (macht das bitte nur bei Nazi- und Polizei-Kameramännern, danke). Aber diesen Einschnitt in die Pressefreiheit dürfen wir uns nicht gefallen lassen.

"Die Lebenserfahrung der Beamten bestätige, dass diese Aktivitäten eine journalistische Neugier bei weitem überstiegen habe." - Also: 1.) Die meisten Bereitschaftspolizisten haben eine sehr eingeschränkte Lebenserfahrung, weil sie das "wirkliche" Leben nie gesehen haben - sie sind eben Beamte/Cops... 2.) Hat irgendein Cop eine Ahnung, was Presse-Recherche, und -Arbeit wirklich heißt? Nein! 3.) Hat es die Beamten nichts, aber auch gar nix anzugehen, was ein Journalist macht!

strange world

Rastaman 23.10.2007 - 16:18
Also wenn nazis linke demos ablichten werden sie von Bullen beschützt, maximal mit einem platzverweis belegt so dass sie von woanders weiterfilmen. Und umgekehrt werden daraus Ermittlungsverfahren mit beantragten Hausdurchsuchungen.. auch noch bei offiziellen Journalisten... Meine Fresse!

und nicht nur das.....

instruction 23.10.2007 - 16:36
nicht nur, daß faschisten immer ungestörter abfilmen können, wenn es um linke demos oder gegendemos geht, nein, bullenfotos erreichten in bisher mindestens zwei fällen die nazis.ich habe in letzter zeit mehrfach mitbekommen, wie linke gegendemonstranten und journalisten teilweise sehr energisch aufgefordert wurden, von seiten der polizei, das fotografieren von einsatzkräften und nazis zu unterlassen.das ist schon so eine sache mit der fotgrafiererei, auf der einen seite wird rabatz gemacht, wenn es geschieht, auf der anderen seite wird gerne mal übersehen, daß es passiert und bei anfrage bei den einsatzleitern bekommt man zu hören, daß dieses nicht verboten sei (wurde mir sowohl auf einer demo in hamburg als auch in münchen mitgeteilt auf die frage hin, warum nazis eigentlich permanent einzelne leute abfotografieren können, gleichzeitig gibt ein gericht einem angeklagten recht, als dierser sich vermummte aufgrund von fotos, die er von naziseite aus befürchtete) und die bullen filmen mitlerweile eigentlich ununterbrochen alles und jeden ab, ob nun beim fußball, auf demos, etc. obwohl meines wissens nach nur dann gefilmt werden darf, "wenn eine unmittelbare gefährdung aus der menge heraus" zu erwarten sei.....wie schon gesagt wurde, dies alles ist ganz schön besorgniserregend im moment und die bullen geht es einen scheiß an, was jounalisten für arbeiten leisten oder auch nicht, deren "erfahrung" kann ja wohl nicht anzuführen sein.

Und das jetzt...

an-archo 23.10.2007 - 19:22
...wo in Dresden endlich auch groß Bekannt wurde, das Neonazis mit Ermittlungsakten ihrer politischen Gegner ausgestattet sind. Offizielles Statement von den die etwas tun müssten: "das lässt sich leider nicht unterbinden!" Traurig Traurig

Überwachungsstataat ... weiteres Beispiel

es geht voran 23.10.2007 - 19:30
2000 Einwohner, bald 400 Überwachungskameras: Im Altländer Viertel von Stade hat sich der Traum vieler Sicherheitspolitiker erfüllt - erstmals in Deutschland. Es ist nur der Anfang.
 http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Die-Dritte-Seite-Ueberwachung;art705,2404911

Mein Lieblingssagtz: "Es ist schwer zu sagen, ob und wie sehr die Videoüberwachung die Kriminalität im Altländer Viertel senkt. Die Polizeiinspektion Stade spricht von einem „gefühlten Rückgang“, kann das aber nicht mit Zahlen belegen." .. Bitte auf der Zunge zergehen lassen!

weiterer Artikel

in der MoPo 23.10.2007 - 20:24
in der Berliner Morgenpost ist auch ein Artikel dazu:

Fotografen geraten ins Visier des Staatsschutzes
Ermittlungen wegen Neonazi-Plakat werden zur peinlichen Schlappe für die Polizei
 http://www.morgenpost.de/content/2007/10/23/berlin/927996.html

Für die Springerpresse ist der Artikel bemerkenswert, aber die sind auch selbst betroffen. Der Autor war wohl not amused ;)

Tagesspitzel zum Thema

icke 27.10.2007 - 13:50
 http://www.tagesspiegel.de/berlin/Ueberwachung;art270,2407130


Übereifrige Ermittler

Staatsschutz spionierte Presse-Fotografen aus

Auf der Suche nach Mitgliedern der "Militanten Gruppe" überwachte der Staatsschutz zwölf Presse-Fotografen. Die Beamten wollten an die Urheber eines linken Plakats herankommen.

Nach der Bundesanwaltschaft in der Verfolgung der „Militanten Gruppe“ hat sich jetzt auch das Berliner Landeskriminalamt einen dilettantischen Fehler beim Ausspionieren der linken Szene geleistet. Wie jetzt bekannt wurde, fanden Polizisten im November 2005 bei der Durchsuchung einer linken Wohngemeinschaft ein Plakat mit den Porträtfotos von 36 bekannten Neonazis aus Berlin und dem Umland. Ohne, dass die Neonazis selber Strafanzeige gestellt hatten, begannen Beamte mit den Ermittlungen, weil sie – angeblich – deren „Recht am eigenen Bild“ verletzt sahen. Akribisch ermittelte der für politische Delikte zuständige Staatsschutz im LKA die Namen von zwölf Berliner Fotografen – und wollten Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohnungen der Fotografen erwirken. Vermutet wird nicht nur von den Berliner Grünen, dass es den Fahndern vor allem darum ging, die Urheber des Plakats ausfindig zu machen.

Doch schon bei der Staatsanwaltschaft blitzte das LKA im Frühjahr 2006 ab. Da das Plakat nicht verbreitet worden sei, liege auch keine Straftat vor. Zudem habe keiner der abgebildeten 36 Rechtsextremisten Anzeige erstattet. Die Ermittlungen seien sofort einzustellen, teilte ein Oberstaatsanwalt dem LKA mit, dem Vernehmen nach mit überaus barschem Ton. „Der hat uns richtig einen eingeschenkt“, hieß es kleinlaut im Polizeipräsidium. Bei der Staatsanwaltschaft werden die Ermittlungen schlicht als „Müll“ und als „bizarr“ kritisiert. Völlig unverständlich sei, dass kein Vorgesetzter im LKA den „Fanatismus“ dieser Staatsschutz-Beamten gestoppt habe.

Sämtliche damals Beschuldigte erfuhren nichts von den damaligen Ermittlungen gegen sie. Sie sollen regelrecht observiert worden sein, hieß es. Die Fahnder wollten auch die Telefone überwachen, scheiterten aber auch damit bei der Staatsanwaltschaft. Erst durch einen Zeitungsartikel erfuhr zum Beispiel ein für den Tagesspiegel arbeitender Fotograf von den Ermittlungen. Er will jetzt einen Anwalt und die Gewerkschaft Verdi einschalten, „schon um das Führungszeugnis reinzuhalten“. Auch in der Vergangenheit habe es Versuche von Behörden gegeben, ihm und bestimmten Kollegen die Akkreditierung bei Empfängen oder Staatsbesuchen zu verweigern. Bei diesen Akkreditierungen müssen Journalisten unterschreiben, dass sie zuvor vom Bundeskriminalamt überprüft werden. „Solche Ermittlungen sind hinderlich bei der Arbeit“, sagte der Fotograf.

Entsetzt über die Ermittlungen sind die Berliner Grünen. „Es ist eine starkes Stück, die Berichterstattung über Neonazistrukturen zu kriminalisieren“, sagte der Abgeordnete Dirk Behrendt. Das Kunsturhebergesetz sei lediglich vorgeschoben worden, um die linke Szene auszuforschen. „Da ist das LKA über die Stränge geschlagen“, sagte Behrendt, die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft habe dem Staatsschutz „eine blutige Nase“ geschlagen. LKA-Chef Peter-Michael Haeberer räumte Fehler bei den Ermittlungen ein: „Wo viel gearbeitet wird, passieren auch Fehler“.

Vermutlich ist das Plakat nur in kleiner Auflage gedruckt und innerhalb der Szene verteilt worden. Dem Tagesspiegel liegt eine Kopie des DIN-A2-Plakats vor. Als Urheber nennt es nur „Antifa“, als Datum den Oktober 2005. Dies bedeutet, dass es der Polizei schon kurz nach der Herstellung in die Finger gefallen ist. Möglicherweise hatte die Szene deshalb auf eine Veröffentlichung verzichtet.

Das Fotografieren des politischen Gegners wird seit Jahren auf beiden Seiten intensiv betrieben. Es gibt reihenweise Internetseiten, auf denen Links- wie Rechtsextremisten porträtiert werden. Unklar bleibt, wieso die Polizei gerade bei diesem Plakat derartig aktiv wurde. So hat die linke Szene weitaus umfangreichere Broschüren mit Portätfotos rechter Größen veröffentlicht, ohne dass die Polizei dagegen eingeschritten ist.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 26.10.2007)

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