Pulheim: Nazis plattgerockt

Pulheimer 12.09.2007 21:27 Themen: Antifa
Gestern (Dienstag, 11.9.) fand in Pulheim ein Konzert mit 50 bis 70 Zuhörern statt, um gegen die lokale Naziszene zu mobilisieren. Es wurde zu Beginn ein Redebeitrag über die Autonomen Nationalisten Pulheim und das mangelhafte Verhalten der Lokalpolitik gehalten, danach spielten die Fidelen Senioren Punkrock vom allerfeinsten. Im Anschluss wurde ein Auszug aus dem Aufruf zur Antifademo in Düren am 22.9. verlesen. Der letzte Programmpunkt war die Teilnahme an der Stadtratssitzung, wo mensch den Lokalpolitikern einige unangenehme Fragen stellte.
Während der Ratssitzung glänzte die Lokalpolitik durch Ignoranz, Ausflüchte und Dreistigkeit. Obwohl mensch Zeit hatte, sich auf unangenehme Fragen der Jugendlichen vorzubereiten, wusste mensch offensichtlich keine Antworten und erging sich durchgehend in viel zu durchsichtige Ausflüchte. Dies zeigt einmal mehr, wie interessiert die Lokalpolitik an einer aktiven Bekämpfung der Naziszene ist. Auch betonte Morisse, dass die Stadt mehrmals und bereits frühzeitig gegen Nazispuckis und -schmierereien aktiv geworden sei. Wo und wann diese "Aktivitäten" stattgefunden haben, konnte oder wollte Morisse nicht erklären, aber mensch konnte sich ohnehin keinen Reim auf seine Aussagen machen. Als eine junge Frau ausführlich ihre Gefühle bezüglich der Naziaktivitäten und der Gegenmaßnahmen der Stadt darlegte, kommentierte Morisse diese mit einem trockenen "Lesen sie eigentlich Zeitung? (Anm. d. A.: es folgte eine kurze Künstlerpause) Nächste Frage". Auch Werner Theisen, Fraktionschef der örtlichen CDU, glänzte durch Ignoranz in Perfektion. Als er auf seine Äußerungen in der Kölner Rundschau (Link), in denen er die Nazis zur unpolitischen Jugendbande machte und außerdem Nazis und antifaschitischen Widerstand gleichsetzte, angesprochen wurde, drehte er sich nicht einmal zum Fragesteller um, sondern brummelte irgendetwas von wegen "Sachbeschädigung" und "Verantwortung" in sein Mikro. Auf die eigentliche Frage ging er jedenfalls nicht ein.

Im Folgenden der verlesene Redebeitrag

Vor zwei Jahren formierten sich die so genannten Autonomen Nationalisten Pulheim, eineGruppe, die ganz offen dem Nationalsozialismus frönt. Was Aktionsformen angeht, scheintdie ANP nicht sonderlich kreativ zu sein. So bestehen ihre Aktivitäten zum allergrößten Teilaus dem Kleben von Stickern und Plakaten sowie dem Sprühen von nazistischen Parolen.Allerdings kam es auch zu Drohungen gegen Menschen, deren Denken nicht in dasperfide Naziweltbild passt. Auch an Naziaufmärschen nahmen die Pulheimer Nazis teil. Soetwa am 1. Mai 2007 in Dortmund, am 21. Juli in Krefeld und Mönchengladbach, am 18.August in Friedrichshafen oder am 1. September erneut in Dortmund. Dabei kopieren dieAutonomen Nationalisten schamlos Aussehen und Lifestyle linker Subkultur. Jüngst kames zum Bruch zwischen NPD und Autonomen Nazis. Die NPD-Parteiführung hatte ihnenvorgeworfen, nur eine schlechte Kopie der Antifa zu sein. Sicher keine völlig von der Handzu weisende Einschätzung.

Auch die Vernetzung mit anderen Nazigruppen schreitet voran. So schlossen sich Nazisaus Köln, Düren, Aachen und Pulheim vor einem Monat zur so genannten „AktionsgruppeRheinland“ zusammen. Die erste Aktion dieser Gruppierung in Pulheim waren die „Hess-Aktionstage“. Diese bestanden aus dem Versuch, den Nazikriegsverbrecher Rudolf Hessin der Öffentlichkeit zum „Märtyrer des Friedens“ zu stilisieren. Dabei wurde in der Nachtzum 18. August - dem Todestag von Hess - in Sinnersdorf an verschiedenen Stelleninsgesamt 13 mal der Spruch „Mord an Hess“ hinterlassen. Bereits am Abend war davonjedoch nichts mehr zu sehen. Die Nazisprüche waren durch Blumen, Herzchen und dieunmissverständliche Nachricht „Nazis aufs Maul“ ersetzt worden. In der selben Nachtwurde in Pulheim der Neonazi Markus Senk festgenommen, als er mit einem KameradenSticker klebte. Außerdem brachte mensch in der Nacht zum 17. August auf einer Mauer ander B59 kurz vor der A1 mit weißer Farbe den Spruch „Mord an Hess“ an. Auch dieserwurde anscheinend bereits in der Folgenacht übermalt. Die ANP gab sich daraufhin aufihrer Website der Lächerlichkeit preis und sprach von einem „vollen Erfolg“. Nach weiterenStickeraktionen wurden in der Nacht zum 5. September zwei Neonazis festgenommen. Siewaren beim Stickerkleben beobachtet worden waren. Ein dritter Nazi konnte nicht gefasstwerden.

Ernstzunehmenden antifaschistischen Widerstand gab es zunächst nicht. Linke Strukturensuchte mensch bis vor kurzem vergeblich. Die Stadt und die etablierten Parteienignorierten - wie zu erwarten war - auch nach expliziten Hinweisen die Naziaktivitäten inPulheim. Und auch die Anwohner glänzten durch aktives Wegsehen. Seit einigen Monatengibt es jedoch eine enge Zusammenarbeit zwischen Antifaschistinnen und Antifaschistenaus Pulheim und Köln. Mit vielfältigen Aktionen und mit Hilfe der am örtlichen Gymnasiumstattgefundenen Aktionstage gegen Rechtsextremismus durchbrachen sie das Schweigenüber und die Tabuisierung der Naziaktivitäten in und um Pulheim. Und während die Frage,ob es in Pulheim wirklich Nazis gebe, durch die Medien und die Köpfe geisterte, begannenplötzlich auch die etablierten Parteien, sich für das Thema zu interessieren. BürgermeisterMorisse sagte, dass die rechtsradikale Präsenz eine politische Dimension erreicht habe.Von diesem Zeitpunkt an übertrafen sich die Lokalparteien gegenseitig in ihrembürgerlichen Bratwurstantifaschismus.

Den Gipfel der Heuchelei markierte vorerst der Chef der örtlichen CDU, Werner Theisen.Mit der an Ignoranz kaum zu übertreffenden Aussage, für ihn seien „das allesSchmierereien“, degradierte er die ANP zur unpolitischen Jugendbande. Aber er trieb esnoch auf die Spitze. In der Kölner Rundschau sprach er sich dafür aus, „alleSchmierereien gleichermaßen“ zu behandeln. Damit stellte er Nazis und antifaschistischenWiderstand auf eine Stufe. Die Äußerungen des Herrn Theisen muss mensch wohl nichtweiter kommentieren. Letztendlich dürfte das gesamte Engagement von politischer Seiteauch von der Hoffnung getrieben worden sein, mensch könne die Meldungen überNaziaktivitäten lokal begrenzen und so den überregionalen Ruf Pulheims bewahren.Es bleibt zu hoffen, dass der antifaschistische Widerstand in und um Pulheim weiterwächst und sich mensch nicht vom Staat und seinen heuchlerischen Parteien beeinflussenlässt. In Zeiten, in denen Rassismus und Faschismus im bürgerlichen Mainstreamangekommen sind, sind starke linke Strukturen gefragt.

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Ergänzungen

AG-Rheinland weghauen!

Demo am 22.09. Düren 13.09.2007 - 01:41
Am 22.09. wollen Nazis aus dem Rheinland in Düren auf die Straße gehen. Die AG-Rheinland gehört zu den Unterstützern einer NPD-Demo in Düren. Auch NAzis aus Pulheim werden sich daher an dem Aufmarsch beteiligen. Zeigen wir ihnen, dass sie hier nicht erwünscht sind! Kommt zahlreich!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Alerta Antifaschista — symphatisant der roten antifa du/dü

Oh mein Gott — juppe

letzte Bild — 127.0.0.1

50-70 mann? — pulheimerin