Der "Nationale Sozialismus"

golem198 20.06.2007 01:40 Themen: Antifa
Der unmögliche "Nationale Sozialismus" - beispielhaft dargestellt am aktuellen Parteiprogramm der NPD
In letzter Zeit versuchen NPD, freie Kameradschaften und "autonome" Nationalisten aus nationalsozialistischer Sicht die "soziale Frage" zu stellen, sich als "Anti-Kapitalisten" zu profilieren und einen "nationalen Sozialismus" als Lösung darzustellen. Diese Argumentationsversuche seitens der Nazis sind allerdings nicht neu sondern haben eine Kontinuität bis hin in die Zeit der Weimarer Republik.

Aus aktuellem Anlass stelle ich deshalb anhand des Parteiprogramms der NPD dar, warum die Inhalte der Nazis mit den Grundsätzen des Sozialismus unvereinbar sind, und somit auch keinen "Nationalen Sozialismus“ darstellen.

Hierzu habe ich einige wichtige Grundsätze des Sozialismus aus verschiedenen Quellen erarbeitet und gegenteilige Aussagen aus dem Parteiprogramm der NPD aufgegriffen, um die darin enthaltenen Widersprüche darzustellen.
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Inhaltsverzeichnis

I. Grundsätze des Sozialismus
II. Programmatische Aussagen der NPD in Bezug auf Grundsätze des Sozialismus und Kritik
III. Fazit
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I. GRUNDSÄTZE DES SOZIALISMUS

1. Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und in materieller Hinsicht (Solidarprinzip):

"Im Unterschied zum Liberalismus bezieht sich die sozialistische Theorie nicht allein auf Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz, sondern auf die materielle Gleichheit im Ergebnis (gleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums), im Idealfall mit dem Ziel einer klassenlosen Gesellschaft."(1)

2. Vergesellschaftung der Produktionsmittel

"In der Theorie des 'klassischen' Sozialismus wird die Auffassung vertreten, dass die Profitinteressen der Kapitaleigner die Produktion im Ergebnis nicht nach dem Bedarf der Gesellschaft ausrichten.[...] Daraus wird in der Theorie des klassischen Sozialismus der Schluss gezogen, dass es notwendig sei, die Produktionsmittel mittels Vergesellschaftung oder Verstaatlichung [...]der Verfügungsgewalt der Klasse der Kapitalisten zu entziehen." (1)

3. Freiheit als Möglichkeit zur Emanzipation des Menschen

"Freiheit wird als Möglichkeit zur Emanzipation verstanden, die sich nur durch eine soziale Integration aller Menschen in die Gesellschaft erreichen lasse." (1)

4. Die Geschichte als eine Abfolge von Klassenkämpfen / Internationalismus

"Nach Karl Marx ist die Geschichte eine Abfolge von Klassenkämpfen." (2)

Wenn die Geschichte in einer Abfolge von Klassenkämpfen besteht, ergibt sich für Sozialisten daraus zwingend der Grundsatz des Internationalismus. Denn gemeinsame Interessen verbinden die Menschen dann nicht mit den "Volksgenossen" im eigenen Land, sondern mit den Arbeitnehmern in den anderen kapitalistischen Nationalstaaten. Nur mit diesen zusammen kann eine Emanzipation von den kapitalistischen Verhältnissen und ein besseres Leben erkämpft werden. Und genau darin besteht auch die Abgrenzung zum somit unmöglichen „Nationalen“ Sozialismus.
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II. PROGRAMMATISCHE AUSSAGEN DER NPD IN BEZUG AUF GRUNDSÄTZE DES SOZIALISMUS UND KRITIK

1. Aussagen der NPD zur "Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und in materieller Hinsicht (Solidarprinzip)":


"Arbeitsplätze sind zuerst an Deutsche zu vergeben".(3)

Diese Aussage negiert den Gleichheitsgrundsatz des Sozialismus.

"Männer und Frauen sind im Arbeitsleben unter Berücksichtigung des Leistungsprinzips gleich zu behandeln." (3)

Diese Aussage bekennt sich zu einem der wesentlichen Merkmale des Kapitalismus: dem Leistungsprinzip. Im Sozialismus gilt aber das Solidarprinzip. Außerdem impliziert diese Aussage, dass Frauen im Arbeitsleben weniger leistungsfähig sind als Männer (Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes).

"Ausländer sind aus dem deutschen Sozialversicherungswesen auszugliedern. Asylanten dürfen keinen einklagbaren Anspruch auf deutsche Sozialleistungen besitzen." (4)

Diese Aussage fordert die Entrechtung einer Bevölkerungsgruppe (den Migranten), unter anderem vor Gericht. Dies ist mit dem Gleichheitsgrundsatz des Sozialismus vor dem Gesetz unvereinbar.

"Wie die Erfahrung zeigt und die Wissenschaft überzeugend nachgewiesen hat, sind die Menschen [...] ungleich." (5)

Diese Aussage negiert direkt den sozialistischen Gleichheitsgrundsatz.

"Wir Nationaldemokraten bekennen uns [...] zur Anerkennung und Achtung der natürlichen Ungleichheit des Menschen." (5)

Diese Aussage negiert direkt den sozialistischen Gleichheitsgrundsatz.

2. Aussagen der NPD zur "Vergesellschaftung der Produktionsmittel"

"Ziel nationaldemokratischer Wirtschaftspolitik ist die Synthese von unternehmerischer Freiheit und sozialer Verpflichtung. Deshalb bekennt sich die NPD zu einem freien und sozialverpflichteten Unternehmertum". (3)

Ein "freies Unternehmertum" ist nach sozialistischer Logik mit dem Grundsatz der Vergesellschaftung der Produktionsmittel unvereinbar. Ein "freies Unternehmertum" ist nicht sozial verpflichtbar, da es im Endeffekt den Interessen des Kapitals gehorcht, weil es sonst nach den Gesetzen des Marktes nicht existieren kann. In sozialistischer Logik verbleiben die Produktionsmittel hier in der Gewalt der Kapitalisten.

3. Aussagen der NPD zum Thema "Freiheit als Möglichkeit zur Emanzipation des Menschen"

Wir stehen mit einem Lebensrichtigen Menschenbild […] für deutsche Freiheit, für Freiheit der Völker, für eine soziale Neuordnung in Deutschland, die unserem Menschenbild entspricht.“ (6)

Im Mittelpunkt des Freiheitsbegriffes der NPD steht nicht das Individuum, sondern der Begriff „Volk“. Im völkischen Gedankenkonstrukt der NPD sind also die realen Interessen der Menschen immer denen der „Volksgemeinschaft“ unterzuordnen. Dies steht im Widerspruch zum sozialistischen Freiheitsbegriff als Emanzipation des Menschen. „Lebensrichtiges Menschenbild“ bedeutet Einführung der Rassenlehre (Negierung des sozialistischen Gleichheitsgrundsatzes).

„Nationaldemokraten lehnen die jede Gemeinschaft gefährdende `Selbstverwirklichung` und den mit ihr einhergehenden schrankenlosen Egoismus ab.“ (7)

In dieser Aussage stellt die NPD ihre Ablehnung einer Emanzipation des Menschen von Herrschaftsverhältnissen wie „Volksgemeinschaften“ dar. Selbstverwirklichung des Individuums ist aber nicht Egoismus, sondern Bedingung für Freiheit.

4. Aussagen der NPD zum Thema "Geschichte als eine Abfolge von Klassenkämpfen / Internationalismus"

„Deutschland ist größer als die Bundesrepublik“ (8)

„Wir fordern die Revision der nach dem Krieg abgeschlossenen Grenzanerkennungsverträge.“ (8)

„Aufhebung begangenen Unrechts an Bürgern Mitteldeutschlands.“ (9)

Diese Aussagen beziehen sich auf den zweiten Weltkrieg und versuchen in revisionistischer Weise auf eine Änderung der aktuellen deutschen Grenzen hinzuwirken. Die Rolle und Situation der damals bestehenden (historischen) Klassen wird dabei ignoriert und es wird versucht, die Geschichte auf eine nationalistische und völkische Weise umzudeuten.
In sozialistischer Sicht ist die (historische) Existenz von Klassen aber zentraler Bestandteil der Geschichte. Einzelne geschichtliche Ereignisse werden außerdem im Parteiprogramm der NPD aus ihrem Kontext gerissen und undialektisch hervorgehoben, ohne Ursachen und Wirkungen der Ereignisse zu benennen.
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III. FAZIT

Die Inhalte der Nazis widersprechen dem Sozialismus somit in folgender Hinsicht:

- in wirtschaftspolitischer Hinsicht
- im Freiheitsverständnis
- im Geschichtsverständnis

also in drei elementaren Themenbereichen des Sozialismus.

Nazis sind keine Sozialisten und können die soziale Frage nicht stellen, da sie selbst zur Ursache gehören, warum es die soziale Frage immer noch gibt.

Sie wollen nämlich den Kapitalismus nicht abschaffen, sondern glauben, sie könnten ihn steuern („raumorientierte Volkswirtschaft“) und mit einigen populistischen Sozialmassnahmen („500 € Kindergeld!“) und Terror („Wiedereinführung der Todesstrafe!“) die Bevölkerung auf ihre Seite ziehen beziehungsweise einschüchtern.

Aus sozialistischer Sicht könnte man nach Analyse des NPD-Parteiprogramms somit sagen: Nazis vertreten einen Nationalkapitalismus (Nazis stehen -siehe nächster Satz- für noch viel schlimmeres, dies steht jedoch nicht direkt im NPD-Programm).

Die historisch singulären Massenmorde und Greueltaten, die die Nazis im Dritten Reich begangen haben und unter bestimmten Bedingungen sowie bei entsprechenden Möglichkeiten wahrscheinlich wieder begehen würden, werden im NPD-Programm natürlich mit keinem Wort erwähnt.
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Anmerkungen:

Das Parteiprogramm der NPD ist auch systematisch durchzogen von antisemitisch gefärbten verschwörungstheoretischen Elementen, auf deren Ausführung ich vorerst verzichtet habe. Das besondere an diesen antisemitischen Elementen ist nämlich, dass sie mit allen anderen Inhalten strukturell verwoben sind. Deshalb will ich sie zu einem späteren Zeitpunkt gesondert analysieren.

Wenn im Artikel von Begriffen wie „Klassen“, „Kapitalismus“, „Internationalismus“ usw. die Rede ist, so entspricht dies nicht unbedingt meiner Meinung, sondern Grundsätzen des Sozialismus. Bitte beachtet dies beim Lesen.

Im Parteiprogramm der NPD finden sich viele weitere Beispiele, die ich hätte anführen können und die meines Erachtens größtenteils relativ offen nationalsozialistische Forderungen sind. Ich habe aus Gründen der Übersichtlichkeit darauf verzichtet, weitere dieser Beispiele zu nennen.

Im Programm finden sich auch weitere Beispiele für direkte inhaltliche Widersprüche. So wird zum Beispiel bei der Familienpolitik gefordert, dass Frauen nicht arbeiten sollen, aber direkt im nächsten Satz die volle Gleichberechtigung für Frauen in Aussicht gestellt.

Bei den genannten Kritikpunkten an dem Nazi-Programm fehlt noch eine weitere wichtige Kategorie: und zwar die Ethik. Eine ethische Kritik am Welt- und Menschenbild der Nazis ist natürlich genauso wichtig wie eine auf Grundlage der Inhalte des Sozialismus, war aber nicht Thema dieses Beitrages.

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Quellen:

 http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialismus
 http://de.wikipedia.org/wiki/Planwirtschaft
 http://de.wikipedia.org/wiki/Klassenkampf
 http://sozialismus.know-library.net
 http://xxxxxx.npd.de/medien/pdf/Parteiprogramm.pdf

(1) Quelle des Zitats:  http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialismus
(2) Quelle des Zitats:  http://de.wikipedia.org/wiki/Klassenkampf
(3) Quelle des Zitats:  http://xxxxxx.npd.de/medien/pdf/Parteiprogramm.pdf , Seite 8, "Die Wirtschaft muß dem Volke dienen"
(4) Quelle des Zitats:  http://xxxxxx.npd.de/medien/pdf/Parteiprogramm.pdf , Seite 10, "Sozialpolitik als nationale Solidarität"
(5) Quelle des Zitats: http:// xxxxxx.npd.de/medien/pdf/Parteiprogramm.pdf , Seite 15, "Das Bildungswesen und die Kunst sind Teil unserer Volkskultur“
(6) Quelle des Zitats: http:// xxxxxx.npd.de/medien/pdf/Parteiprogramm.pdf , Seite 5, "Grundgedanken“
(7) Quelle des Zitats: http:// xxxxxx .npd.de/medien/pdf/Parteiprogramm.pdf , Seite 6, „Grundlage unseres Volkes ist die deutsche Familie“
(8) Quelle des Zitats:http:// xxxxxx.npd.de/medien/pdf/Parteiprogramm.pdf , Seite 13 „Deutschland in seinen geschichtlich gewachsenen Grenzen“
(9) Quelle des Zitats: http:// xxxxxx.npd.de/medien/pdf/Parteiprogramm.pdf , Seite 16 „Reform des Rechtssystems“
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Ergänzungen

Argumente gegen Nazis

gipfelstürmer 20.06.2007 - 08:54
Ein Lob für die offensive Auseinandersetzung mit dem inhaltlichen "Angebot" der NPD.
Ich möchte an dieser Stelle noch ein Mal auf das interne Schulungsmaterial einstellen, da es für Leser dieses Artikels interessant ist.

Todesstrafe & Sozialismus

RedZack 20.06.2007 - 12:39
"...und Terror („Wiedereinführung der Todesstrafe!“)..."

--->> Gab es eigentlich je einen sozialistischen Staat, in dem es KEINE Todesstrafe gab? Mir fallen da so spontan gar nicht allzu viele ein... zumindest in diesem Punkt bewegt sich die NPD also durchaus in (schlechter) alter "sozialistischer" Tradition. Und weitere Übereinstimmungen dieses Parteiprogramms mit "real existierenden" sozialistischen Staaten sind bei genauerer Betrachtung leider ebenfalls nicht auszuschließen............

Todesstrafe und Sozialismus II

Bolivar 20.06.2007 - 13:31
@RedZack: Mensch könnte jetzt natürlich lange darüber diskutieren, wie sozialistisch Staaten mit einem sogenannten "real existierenden Sozialismus" waren. Bringt aber wenig. Schau doch einfach mal nach Venezuela. Meines Wissens gibts da keine Todesstrafe, und die bezeichnen ihr System als "Sozialismus des 20. Jahrhunderts".

@golem: Danke für die Arbeit. Kleine Ergänzende Anmerkung: "Wir Nationaldemokraten bekennen uns [...] zur Anerkennung und Achtung der natürlichen Ungleichheit des Menschen." - das ist ziemlich perfide. Kaum ein Sozialist würde wohl bestreiten, dass Menschen unterschiedlich sind. Jeder ist ein Individuum. Der Punkt ist jedoch, dass daraus eben nicht folgt (wie die NPD impliziert), dass nicht alle Menschen vor dem Gesetz gleich sein müssen oder das sie nicht ein Recht auf materielle Gleichheit haben.

Todesstrafe in sozialistischen Staaten

(muss ausgefüllt werden) 20.06.2007 - 15:00
Von den Ostblockstaaten ohne Todesstrafe fällt mir die DDR ein, die 1987 die Todesstrafe abschaffte, allerdings sollte man bedenken, daß die DDR seinerzeit schon an deutlichen Abreibungserscheinungen litt und eventuell dem Westen vorgauckeln wollte, wie "human" man doch eigentlich sei.

Antikapitalismus von Rechts

antifa 20.06.2007 - 16:06
Zu diesem Thema sind jüngst zwei gute Broschüren erschienen, erhältlich in einschlägigen Buch- und Infoläden sowie unter www.antifa.de (Broschüre zum herunterladen) und www.top-berlin.net (zum Bestellen für 1,-)

todesstrafe in der ddr

stephan 20.06.2007 - 21:46
die todesstrafe wurde in der ddr nur im zivilen strafrecht abgeschafft, im militärstrafrecht blieb sie bis zum schluß erhalten.

Verstaatlichung?

Anarchosyndikalistin 21.06.2007 - 13:11
Du schreibst beim "klassischen" Sozialismus (was immer das sein soll) ginge es um Vergesellschaftung ODER Verstaatlichung der Produktionsmittel/des Eigentums. Das ist ja wohl ein riesiger Unterschied. Solange es den Staat gibt, haben wir eine Klassengesellschaft. Sozialismus macht man nicht von oben. Was ist an Venezuela sozialistisch? Ich kann da keine wesentlichen Unterschiede zur hiesigen bürgerlichen "Demokratie " erkennen. Nach meinem Empfinden gibt es nur einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Faschismus und Diktaturen nach dem Vorbild der "Sowietunion": Das Maß der Verstaatlichung.
"Wo Staat ist kann Gesellschaft nicht sein." (Mühsam)

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Darum... — Arno

Sozialismus (C) (tm) — Rote Zora

@ Rote Zora — ....

Sozialismus — Uwe

@mods gipfelstürmer 8:45 verbreitet npd-kram — keine nazipropaganda auf indymedia