Gorleben internationales Endlager?

Francis Althoff 26.03.2007 05:16
"Wenn Gorleben in Betrieb gehen würde, wäre es wegen bereits abgeschlossener Substitutionsverträgen ein internationales Endlager. Es ist vereinbart, dass aus der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield in England mehr hochradioaktive Müllmengen in das Gorlebener Zwischenlager verfrachtet werden sollen, als Deutschland ursprünglich an abgebrannten Brennelementen geliefert hat."
Gorleben-Delegation bei Hearing und EURATOM-Protest in Brüssel

Eine 6-köpfige Delegation der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow
Dannenberg (BI) nahm anlässlich des 50jährigen Bestehens des
EURATOM-Vertrags vom 22. bis 23. März an einem Hearing im EU-
Parlament und Protesten am "Atomium" teil.

Der EURATOM-Vertrag verpflichtet selbst EU-Länder ohne Atomkraftwerke Gelder für die Förderung
der Atomkraftnutzung bereitzustellen und war sogar im Gespräch, in die EU-
Verfassung installiert zu werden.

Auf Einladung des parteilosen MdEP Tobias Pflüger hielt u.a. BI-Sprecher
Francis Althoff in diesem Zusammenhang bei einem Hearing im Europa-
Parlament einen Vortrag über "Multinationale Endlagerpläne der EU".

Althoff stellte dabei heraus, dass es multinationale Endlager in der EU längst gibt.

Wenn Gorleben in Betrieb gehen würde, wäre es wegen bereits
abgeschlossener Substitutionsverträgen ein internationales Endlager.

"Der Begriff Substitution steht in diesem Fall schlicht für einen
multinationalen Atommülldeal", erläutert der BI-Sprecher. "So ist vereinbart,
dass aus der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) Sellafield in England mehr
hochradioaktive Müllmengen in das Gorlebener Zwischenlager verfrachtet
werden sollen, als Deutschland ursprünglich an abgebrannten
Brennelementen geliefert hat.

"Der "Deal" besteht darin, dass im Gegenzug der durch die WAA-Prozesse angefallene schwach- und mittelradioaktive Müll im Endlager Drigg, nahe Sellafield, unter katastrophalen Bedingungen
oberflächennah verbuddelt wird.

"Mit der Plutoniumfabrik La Hague in Frankreich sind ähnliche Verträge vorbereitet".

Aus welchen Ländern ursprünglich der zusätzliche hochradioaktive Müll für Gorleben stammt, hofft
der BI-Sprecher durch einen Brief herauszufinden, der mit einer erneuten Einladung an Bundesumweltminister Gabriel zu einer öffentlichen Veranstaltung im Wendland gekoppelt ist.

Im Brüsseler Vortrag machte Althoff auch auf andere Vorbereitungen für
multinationale EU-Endlager aufmerksam.

So erarbeitet ein von der EU eingesetztes Forschungsprojekt mit dem Titel SAPIERR (Support Action
Pilot Initiative for European Regional Repositories) seit 2004 ein Szenario zur
Durchsetzung eines multinationalen Atommüll-Endlagers.

Das überwiegend aus dem 6. EU-Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung
finanzierte SAPIERR-Projekt errechnet den jetzigen und zukünftigen
Atommüllbestand und prüft rechtliche Rahmenbedingungen für einen
gemeinsamen multinationalen Endlagerstandort.

"Einer der favorisierten Endlagerstandorte ist schon jetzt Russland",
berichtet der BI-Sprecher. "Bereits 2001 hat das russische Parlament ein
Gesetz zur Erlaubnis des Imports von hochradioaktiven abgebrannten
Brennstäben erlassen. 2003 wurde beispielsweise der Uranminen- und
Uranverarbeitungsstandort Krasnokamensk, 7000 km östlich von Moskau als
internationales Endlager für hochradioaktiven Atommüll vorgeschlagen".

Neben Gorleben kommen laut Althoff aber auch andere EU-Standorte
"wahllos" in Frage: "Anfang dieses Jahrzehnts befand die Europäische Union
(EU), dass ihre Mitgliedstaaten mit ihren Abfallentsorgungs-Programmen
zügiger vorwärts schreiten sollten.

"Gleichzeitig wurde in den Raum gestellt, dass zunächst für kleine Länder eine Zusammenarbeit in diesem Bereich der einzige gangbare Weg sein kann. Dementsprechend formulierte sie
ihren Vorschlag für eine EURATOM-Richtlinie des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle.

"In Artikel 4 des Entwurfs der Richtlinie hielt sie zunächst für Mitgliedstaaten mit
geringem Abfallaufkommen ausdrücklich die Möglichkeit offen, radioaktive
Abfälle aus, "umweltpolitischen, sicherheitstechnischen oder wirtschaftlichen
Gründen und unter Einhaltung der Richtlinie 92/3 EURATOM zu Im- oder
Exportieren".

Das Europäische Parlament hatte bereits früher eine Resolution zum selben Thema erlassen. Interessanterweise wird später aber der wahrscheinlichste Hintergrund, nämlich der rein wirtschaftliche
Aspekt, nicht mehr erwähnt. Stattdessen ist eingefügt, dass das Interesse zu einem nicht unbeachtlichen Teil der zunehmenden "Besorgnis über terroristische Bedrohungen" zuzuschreiben wäre".

Zu den für multinationale Endlager notwendigen rechtlichen
Rahmenbedingungen hielt der BI-Sprecher beim Brüsseler Hearing fest:

"Der Import radioaktiver Stoffe ist in vielen EU-Ländern, vor allen denen mit
Atommeilern, erlaubt. Der Export radioaktiver Stoffe ist bis auf Ausnahme
von Finnland in allen EU-Staaten rechtlich abgesegnet.

"Auch in der Frage der Transiterlaubnis von Atommüll durch Länder, die von einem benachbarten
multinationalen Endlager über Transporte durch ihr Territorium betroffen
wären, gibt es keine rechtlichen Hindernisse".

"Wenn regierende Politiker von einer "Nationalen Aufgabe" bei der
Endlagerung von Atommüll sprechen, ist dies nach dem aktuellen Stand der
Substitutionsverträge und möglichen Folgen des SAPIERR-Projekts mehr
als fadenscheinig", resümiert der BI-Sprecher.

"Es gibt keine sichere Endlagerung. Statt Millionen in erwiesenermaßen ungeeignete Standorte wie
Gorleben in Deutschland oder Bure in Frankreich zu pumpen, ist der Ausstieg überfällig".

Am Tag nach dem Hearing beteiligte sich die BI-Delegation mit einem
Transparent "Stop EURATOM, No Nuclear Constitution" (keine nukleare
Verfassung) an bunten Protesten am dazu passenden Brüsseler
Wahrzeichen "Atomium". (On these protests see also  http://germany.indymedia.org/2007/03/171772.shtml.)

Anschließend übergaben sie zusammen mit einer internationalen Protest-Delegation 630.000 Unterschriften für den EU-weiten Atomausstieg an den EU-Kommissar für Umwelt und Energie, Andris Piebalgs.

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Ergänzungen

Zusätzliche Informationen hierzu

Holland-Indy 26.03.2007 - 06:50