Skandal um Holocaust-Leugnung in Anklam

egal 19.01.2007 23:39 Themen: Antifa
"Den Holocaust gab es nicht". In Anklam referierten ein "Bürger des deutschen Reichs" und ein Teilnehmer der antisemitischen Teheran-Konferenz vor Stammtischgästen aus dem Mittelstand, dem städtischen Ordnungsamtsleiter und Polizeibeamten.
Fünf Euro Eintritt mußte zahlen, wer am vergangenen Freitag den Stralsunder Michael Wegner über den "Kampf der BRD gegen die deutsche Bevölkerung" schwadronieren hören wollte. Veranstalter des Treffens in einer Anklamer Kneipe war die "ICG Industry Consulting Group" - angeblich "ein internationaler nichtkommerzieller Interessenverband", der seine Aufgabe in der "Aufklärung - abseits von kontrollierten und manipulierten Medienberichterstattungen und unbeeinflußt von gewollter und geplanter Massenverdummung und geistiger Verelendung" sieht. Als Referenten traten die vermutlich einzigen beiden Mitglieder der ICG, Wegner aus Stralsund und der aus Nowosibirsk stammende Berliner Iwan Wanja Götz, auf.

Wegner besteht offenbar auf der Fortexistenz des "Deutschen Reichs" und wies auch ein entsprechendes, auf seinen Namen ausgestelltes Personaldokument vor. Mit seiner Kritik an der Unterstützung Israels durch den "Juden" Konrad Adenauer wollte er vor den knapp drei Dutzend Gästen dann wohl seinem Co-Referenten Iwan Götz den Ball zu spielen. Der leugnete vor laufenden Kameras des NDR den Massenmord an den europäischen Juden: "Den Holocaust gab es nicht". Kaum verwunderlich, denn Götz sollte auf dem Treffen auch über seine Teilnahme an jener antisemitischen Konferenz berichten, die im Dezember im iranischen Teheran stattfand.

Das Vortragsduo dürfte wohl guten Gewissens als unzurechnungsfähig abgetan werden, würde es nicht eine überaus penetrante Mischung aus Revisionismus, Antisemitismus, Esoteriklehren, Verschwörungstheorien und Homophobie vertreten. Götz präsentierte sich einigen Medien schon mal als KGB-Stasi-Verbindungsoffizier. Außerdem beschuldigte er Politiker wie Jörg Schönbohm, Ole von Beust oder Johannes Rau der Pädophilie. In Berlin ist er wegen Volksverhetzung polizeibekannt, weil er antisemitische Flugblätter verteilte. In kruden "Inauguraladressen" bezeichnet er die BRD als "zionistischfaschistoides Regime" und sich selbst als "Sonderbotschafter des Deutschen Reichs". Auf der Internetseite der ICG läßt Götz verlautbaren, dass "die Juden dem Deutschen Volk mit der Propagandalüge von der 'Massenvernichtung der Juden' hunderte Milliarden DM und €" "aussaugen" würden. Den Beamten der Republik kündigt er auf der gleichen Seite schonmal an, dass sie demnächst an die Wand gestellt werden würden. Und nebenbei hat "Dr. Götz" auch noch "biophile Heilungen" im Angebot.

Michael Wegner bietet neben der "ICG" auf einer weiteren Internetpräsenz namens "Eso-Konsum" dubiose "Lösungen für den Mittelstand" an. Dort werben nicht nur die Stralsunder PC-Firma "Kim's Corner" und ein Stavenhagener "Präventionsstudio". Im Fanshop-Bereich können Schals und Taschen mit dem Aufdruck "Antarktisexpedition 'MS Schwabenland' 1938/39". Ein Schiff sollte damals ein Antarktisterritorium mittels Abwurf von hunderten Hakenkreuz-Flaggen als deutsche Kolonie kennzeichnen. Dazu gibt es eine DVD mit "geheim gehaltenen" UFO-Aufnahmen.

Typisch Anklam

Die Anklamer Veranstaltung wirft erneut ein bezeichnendes Licht auf den Umgang mit extrem rechten Einstellungen in der Stadt. Im Publikum saß beispielsweise der Ordnungsamtsleiter der Stadt Dirk Bierwerth als interessierter Gast. Auch im Nachhinein sieht er darin kein Problem, denn schließlich sei er privat dort gewesen. Das ehemalige Mitglied der rechten "Deutschen Sozialen Union" war von Bürgermeister Galander, dem die Ansichten seines Verwaltungskollegen nicht auffielen oder nicht störten, bereits als Vize-Bürgermeister ins Gespräch gebracht worden. Auch die nun erfolgte Beurlaubung von Bierwerth durch den Anklamer Hauptausschuß wurde nur durch drei Mitglieder befürwortet - zwei enthielten sich der Stimme, zwei stimmten dagegen.

Ebenfalls anwesend in der Anklamer Kneipe waren Beamte des Staatsschutzes. Diese griffen allerdings auch nicht ein, weil sie "Manfreds Mittagstisch" offenbar schon vor den genannten Aussagen wieder verließen. Medienberichten bestand der Rest der Zuhörerschaft weitgehend aus vorpommerschem Mittelstand. Und Interessenten scheint es nicht nur in Anklam zu geben. Auf der ICG-Seite findet sich noch eine Einladung für eine ähnliche Veranstaltung - für den November letzten Jahres in dem Stavenhagener Hotel "Lindenschlößchen".

Dass die Zuhörerschaft von Wegners und Götz' ressentimentgeladenen Verwirrungen, die sich schonmal in Streitereien mit Vertretern konkurrierender "Reichsregierungen" entladen, nicht abgeschreckt werden, ist bezeichnend für das gesellschaftliche Klima in der Region. "Man muss sich schon fragen, ob dieser Staat für die Mehrheit seiner Bürger noch funktioniert", meinte Ordnungsamtsleiter Bierweth etwa der Presse mitteilen zu müssen. Welchen Platz außer der Bedeutungslosigkeit es sonst noch für die Theorien der ICG gäbe, beklagt Götz in einem Brief an die iranische Regierung: "Die psychatrischen Kliniken sind ein beliebtes und allerorts benutztes Mittel, um Andersdenkende zum Schweigen zu bringen."

Links

Abseits der Trampelfade - nichts ist, wie es scheint
Internetseite der ICG Industry Consulting Group
 http://tikkun-olam.net/

Stadt Anklam beurlaubt ihren Ordnungsamtsleiter
Weil er nicht gegen die Leugnung des Holocaust eingeschritten ist, muss der Chef gehen.
Nordkurier vom 19.01.2007
 http://www.links-lang.de/presse/5227.php

Amtsleiter stolpert über rechte Parolen
Nordkurier-Anklam vom 19.01.2007
 http://www.links-lang.de/presse/5231.php

Anklamer Ordnungsamtschef ließ Rechte in Ruhe hetzen
Bei einem Treffen in Anklam wurde das Fortbestehen des Dritten Reichs erklärt und der Holocaust geleugnet. Der anwesende Amtsleiter griff nicht ein. Er wurde vorläufig vom Dienst suspendiert.
Ostseezeitung vom 19.01.2007
 http://www.ostseezeitung.de/archiv.phtml?
Param=DB-Artikel&ID=2575818
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Ergänzungen

Dr. Ivan Wanja Götz (Müggelstraße 13)

egal 22.02.2007 - 16:07

Iwan G. alias Wanja Götz aus Friedrichshain

x 26.02.2007 - 14:47
Ende Januar 2006: Ein Iwan G. alias Wanja Götz aus Friedrichshain zeichnet sich verantwortlich für mehrere antisemitische Flugblattsteckaktionen in Charlottenburg.
Die Aktionen gingen vom Reichsbürger-Milieu aus, die glauben das Deutsche Reich existiere noch und provisorisch in den 80er eine Komissarische Reichsregierung gegründet haben.
 http://freeweb.dnet.it/antifhain/chronik.htm

Götz-Prozess am 26.1.09 in Berlin

Robert 11.01.2009 - 20:58
Zu Eurer Information:

am 26.1.2009 ist Iwan Götz in Berlin vor Gericht. Er muß sich dort wegen Volksverhetzung verantworten.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Ferndiagnose — Dr. Feelbad