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Allgemein-Verfügung gegen Demonstrationsrecht

Wort Klauber 01.11.2006 13:38
Wie bereits bei den vorangegangenen Castortransporten versucht auch in diesem Jahr die Polizei, das Grundrecht auf Versammlung auszusetzen. Waren es bis zu deren Auflösung die jeweiligen Bezirksregierungen, die diesen einschneidenden Eingriff in verfassungsmäßige Rechte ausgesprochen haben, erledigt dies nun die Polizeidirektion und schafft sich so für ihr operatives Vorgehen selbst die Rechtsgrundlage.

Der Text ist jetzt in voller Länge im internet verfügbar ( http://goehrde.plentyfact.net/allgemeinverfuegung2006.htm). Deshalb seien hier nur einige lesenswerte Stellen herausgepickt
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* Innerhalb des nachfolgend dargestellten Transportkorridors wird das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eingeschränkt:
I.
Unangemeldete öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge (so genannte Spontanversammlungen) werden für den Zeitraum vom 11.11.2006, 00.00 Uhr, bis zum 21.11.2006, 24.00 Uhr, in dem unter IV dargestellten Korridor untersagt.

II.
Alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge werden für den Zeitraum vom 12.11.2006, 00.00 Uhr, bis zum 21.11.2006, 24.00 Uhr, in dem unter IV dargestellten Korridor untersagt.

III.
Die Verbote zu I und II treten spätestens außer Kraft, sobald der Castor-Transport vollständig in das umzäunte Gelände des Zwischenlagers eingefahren ist. Im Übrigen wird die Ordnungsbehörde unverzüglich räumlich bestimmte Streckenabschnitte freigeben, wenn diese nicht mehr für den Transport benötigt werden. (...)

* Begründung:

1. Voraussetzungen für die Beschränkung des Versammlungsrechts

Die Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund internationaler Verträge (...) Gemäß § 15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes kann die zuständige Behörde die Versammlung untersagen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Die Vorschrift umfasst auch die Möglichkeit, Demonstrationen innerhalb räumlich beschränkter Bereiche zu untersagen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.05.1985; BVerfGE 69, S. 315 ff, S. 362 - "Brokdorf").

§ 15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes ist eine gesetzlich vorgesehene Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 Abs. 2 des Grundgesetzes. Bei Einschränkungen der Versammlungsfreiheit ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die grundlegende Bedeutung der Grundrechte im demokratischen Gemeinwesen zu beachten. Dabei hat die Versammlungsfreiheit nur dann und ausnahmsweise zurückzutreten, wenn eine Güterabwägung ergibt, dass dies zum Schutze gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist (BVerfGE 69, S. 315 ff, 349 f).
Das Bundesverfassungsgericht hat die Einschränkung bzw. Auflösung ganzer Versammlungen unter zwei Voraussetzungen zugelassen:

1. zum Schutz anderer mit dem Versammlungsrecht gleichwertiger Rechtsgüter bei einer unmittelbar aus erkennbaren Umständen her leitbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter oder
2. wenn zu befürchten steht, dass die Versammlung oder der Aufzug im Ganzen einen unfriedlichen Verlauf nimmt oder dass der Veranstalter oder sein Anhang einen solchen Verlauf anstrebt oder zumindest billigt (kollektive Unfriedlichkeit der gesamten Versammlung).

Auch wenn eine oder beide Voraussetzungen erfüllt sind, darf das Versammlungsrecht nur unter strikter Wahrung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beschränkt werden. Die Behörden haben grundsätzlich die Pflicht, Versammlungen zu schützen. (...)


* Derzeitige Erkenntnisse:

Zurzeit ist noch nicht klar abzusehen, wie viele Menschen sich an den Protesten gegen den erwarteten Castor-Transport in das Zwischenlager Gorleben beteiligen werden. Auch im Bereich Lüchow-Dannenberg sind Interessengruppen bemüht, die Protestbereitschaft aufrecht zu erhalten, indem man in der regionalen Zeitung regelmäßig Hinweise auf Veranstaltungen zum Thema "Protest gegen Atommülltransporte" gibt. Die großen Protestbewegungen, wie zum Beispiel die BIU Lüchow-Dannenberg und die Initiative "X-tausendmal quer" haben mit Herannahen des neuen Transport-Termins ihre Bemühungen verstärkt, Demonstranten zu mobilisieren.

Die Bürgerinitiativen haben in den vergangenen Jahrzehnten immer dann erheblichen Zulauf verzeichnen können, wenn konkrete Großereignisse anstanden. Nach den Rückmeldungen, die die BIU Lüchow-Dannenberg erhält, wird die Masse der Menschen erst wieder mit dem Gorleben-Transport aktiv. Jeder Castorbehälter, der in das Zwischenlager in Gorleben gelangt, zementiert nach Auffassung der Bürgerinitiativen den Standort Gorleben als nukleares Entsorgungszentrum.

Es muss davon ausgegangen werden, dass die Protestszene auch künftig versuchen wird, durch Ankettaktionen den Castor-Transport erheblich zu verzögern (...)

* Gewaltbereitschaft:

Die Gewaltbereitschaft und Aggressivität hat bei den Protesten während der vergangenen Castor-Transporte zwar insgesamt quantitativ abgenommen. Jedoch fühlen sich gewaltbereite Störer nach wie vor vom Spektrum der Aktivitäten angesprochen. Die hohe Gewaltbereitschaft einiger Castor-Gegner wird an mehreren Ereignissen anlässlich der Castor-Transporte in den letzten Jahren besonders deutlich:

Am 07.09.2003 wurde in Dahlenburg, Gemarkung Tangsehl (Bahnkilometer 194,3), eine Kunststoffwasserleitung festgestellt, die vom öffentlichen Wassernetz im Bahndamm auf der Eisenbahnstrecke Lüne-burg - Dannenberg endete. Ermittlungen ergaben, dass es sich bei der Leitung um keinen offiziellen Anschluss handelte. Bei einem länger dauernden Wasserfluss wäre innerhalb kurzer Zeit eine Unterspülung des Bahndamms erfolgt, mit der Folge, dass die Strecke für den Bahnverkehr unbrauchbar gewesen wäre.(...)

Auf der Schienenstrecke wurden sog. "VolXkrallen" befestigt, die den Castor-Zug blockieren und im schlimmsten Fall einen Unfall herbeiführen sollten (siehe oben unter Nr. 16,17 und Nr. 28). Dabei nutzten die Täter zumindest teilweise den Schutz einer Versammlung aus. Mit solchen Eingriffen in den Schienenverkehr ist auch beim kommenden Castor-Transport zu rechnen.

Vor allem die Blockadeaktionen, an denen Traktoren beteiligt waren, zeigen deutlich, dass die handelnden Personen bewusst Gefahren für Leib und Leben einkalkulieren, um sich den Polizeifahrzeugen entgegen zu stellen bzw. um Blockaden nicht nur auf der Transportstrecke zu errichten (siehe oben unter Nr. 23).

Den vorläufigen Höhepunkt bei der Ausübung krimineller Energie zur Verhinderung oder zumindest Erschwerung des Castor-Transportes stellt der Brandanschlag auf Polizei-Unterkünfte in Woltersdorf am 28.09.2005 dar. Die Spurenlage lässt den Schluss zu, dass die widerrechtlich auf das Gelände eingedrungenen Täter mittels Brandbeschleuniger alle Gebäude in Brand setzten, die sich in Landeseigentum befinden und die der Unterbringung von Polizeikräften dienen sollten.

Am 11.9.2006 wurde mitten in der Fahrbahn der L 256 zwischen Grippel und Gorleben ein ca. 60 cm tiefes Loch mit einem Durchmesser von ca. 15 cm gefunden. In dem Loch befand sich senkrecht ein Metallrohr mit angeschweißtem Widerhaken. In dem Rohr ist eine Querstrebe, die sich als Ankettvorrichtung für eine Einzelperson eignet.

Im Staatsforst Jagen bei Leitstade ist ein 23m hoher Funkmast durch Lösen der Befestigungsschrauben umgekippt. Dabei wurde ein Waldweg versperrt. Auf diesem Funkmasten waren ausschließlich Sende- und Funkantennenanlagen der Polizei befestigt. Der entstanden Sachschaden ist zunächst mit 18.000 Euro angegeben, wobei nur die Beschädigungen des Polizeieigentum berücksichtigt wurden.

Dieser Anschlag wurde in "indymedia" am 11.10.2006 unter der Überschrift: "Auf zum Castor 2006 oder Der Maulwurf und Der Turm" wie folgt beschrieben: "Da wo der Wald Goehrde am dunkelsten ist, wo nachts Hirsch und Wildschwein brüllen, lebt ein kleiner Maulwurf der Spezies molt - militanzia. Auf einem seiner ausgedehnten Streifzüge erkundete das liebenswerte Tierchen mit seinem putzigen schwarzen Fell auch die wendlaendische Anhoehe 102.5, nicht unweit des Bahnkilometers 191 gelegen. Auf der Kappe des Berges angekommen, offenbarte sich unserem Maulwurf ein haesslicher hoher Turm, von dem viele Antennen abgingen und der auf einem riesigen Betonklotz festgeschraubt war. Ei, Ei, Ei, sprach der Maulwurf, vor solchen haesslichen Tuermen haben mich meine Schwestern immer gewarnt, sie sollen eine schlimme Bedrohung für unsere Spezies sein und mit Castor im Bande stehen. Sprachs, holte den 30-er Maulschlüssel aus der schwarzen Bauchtasche hervor und schraubte den Turm einfach los. Der fiel….. und die gesamte Sendeelektronik war nun nicht mehr zu gebrauchen….." Hinzugefügt waren Bilder, die u.a. den fallenden Turm zeigen.

Der Text und die Bilder wurden anschließend aus "indymedia" gelöscht. (...)

Insgesamt lässt sich zu Transportzeiten und räumlich im Streckenbereich des Transportes ein raumzeitliches Zusammenfallen von Protestaktionen des Typs Schienenbegehung einerseits und von Eingriffen in den Schienen- und Straßenverkehr andererseits feststellen. Dem müsste ein Versammlungsleiter, der sich Störungen der öffentlichen Sicherheit nicht zurechnen lassen will, mit deutlichen Signalen entgegentreten (s.a. Beschlüsse des VG Lüneburg vom 09.11.2001 - 3 B 72/01 und OVG Lüneburg vom 10.11.2001 - 11 MA 3673/01). An einer solchen Distanzierung fehlt es bisher durchgehend.

Je näher der Tag des kommenden Transportes rückt, desto größer ist die Gefahr, dass eine Versammlung auf der Transportstrecke zu kollektiven Unfriedlichkeiten und rechtswidrigen Blockadeaktionen führen wird. Auch als friedlich angekündigte Demonstrationen der vier maßgeblichen Initiativen "X-tausendmal quer", BIU Lüchow-Dannenberg, Bäuerliche Notgemeinschaft und der Initiative "Widersetzen" haben dann immer stärker das Ziel, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, den Transport letztendlich zu verhindern oder ihn zumindest zu erschweren und zu verzögern.

Aus der Zielrichtung, den Castor-Transport zu verhindern oder jedenfalls solange zu blockieren, dass die Kosten unverhältnismäßig ansteigen, folgt auch die mindestens zustimmende Duldung rechtswidriger und strafbarer Handlungen, insbesondere der Blockaden und der Unterhöhlung des Schienenweges und der Straßen. (...)


* 5. Zuständigkeit

Die Polizeidirektion Lüneburg hat sich mit Verfügung vom 06.10.2006 gem. § 102 Abs. 1 des Nds. SOG gegenüber dem Landkreis Lüchow-Dannenberg zur zuständigen Versammlungsbehörde erklärt.
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