Antinazidemo in Jena, 11.6. - Polizeiwillkür

Axel Don 13.06.2005 19:55 Themen: Antifa
MDR-Nachrichten am 11.6.05: Von 45 Personen wurden die Personalien festgestellt. Was sich wirklich hinter dieser Nachricht verbergen kann, zeigt dieser Erlebnisbericht.
Am 11.6. 2005 herrschte Ausnahmezustand in Jena. Mehrere tausend Nazis hatten sich zu einem „Fest der Völker“ angesagt und am Vorabend vor dem OLG Weimar endgültig eine Genehmigung für solch ein „Fest“ erhalten. Nicht der Mark- oder Inselsplatz, sondern der Griesplatz, ein Parkplatz an der Saale in Jena Ost war als Veranstaltungsort von 10-16 Uhr genehmigt worden. Am selben Abend noch erhielt ich von einem Freund einen Anruf, der erzählte, daß das Nazifest zu verhindern sei, indem der gesamte Griesplatz um 6 Uhr morgens von Gegendemonstranten besetzt würde. Eine breite bürgerliche Koalition hatte sich in den letzten Wochen vorher gegen ein solches Nazifest gebildet, und ich fühlte mich als Teil davon und deshalb schien es mir als Bürgerpflicht hier Zivilcourage zu zeigen, um bei der Besetzung dieses Platzes zu helfen. Ich alarmierte noch zwei Freunde und auch meine Freundin, die erst gar nicht überzeugt werden mußte, mitzukommen. Als wir am nächsten Morgen um 6 Uhr Richtung Griesplatz liefen, wurden wir an der Fußgängerbrücke gleich von sechs Polizisten am Durchgang gehindert. Die andere Brücke über die Saale war frei, und man hörte von weiten schon das Sirenengeräusch der Polizei – es schien dort hoch herzugehen. Beim Näherkommen sahen wir ein paar Antifa-Aktivisten, die aus Mülltonnen mehr schlecht als recht versuchten eine Barrikade am Nordeingangspunkt zum Griesplatz zu errichten. Ansonsten herrschte Müdigkeit und Friedfertigkeit unter den ca. 200 anwesenden Demonstranten.

Wir gingen zur anderen Seite des Platzes, wobei der Platz selbst von einem Polizeiauto besetzt und nicht zu betreten war. Hier am Südeingang des Platzes fanden wir ein Häufchen von 60-80 Leuten, die auch ein kleine Barrikade aus Bauzäunen und ein paar Steinen erreichtet hatten. Insgesamt waren viele Punks und Antifa da und nur sehr vereinzelt Bürgerliche. Die Besetzungspläne schienen aussichtslos. Gegen 6:30 Uhr kamen auch immer mehr Polizisten, die sich langsam wie von unsichtbarer Hand gesteuert so um uns stellten, dass schließlich der Durchgang zum Nordtor und zum Grießplatz mit Polizeifahrzeugen und Polizeibeamten versperrt war, und auch in die andere Richtung hatte sich eine Polizeikette gebildet. Als die Nachricht kam, die Nazis seien jetzt von Lobeda aus gestartet, wurde die Stimmung angespannter – es kam zwischen der Antifa und der Polizei zu einem Gerangel, das aber schnell wieder besänftigt war. Die Polizei sicherte uns schließlcih sogar zu, den Südeingang nicht zu räumen, und die Polizeikette von außen wurde abgezogen. Dadurch schien für viele auch die Motivation zu bleiben nicht mehr vorhanden, und unser Haufen schrumpfte auf 20-30 Leute – Punks und Antifaaktivisten waren zum Nordeingang aufgebrochen, da dort die Blockade gebrochen war, und die ersten Fahrzeuge für das Nazifest mit Klohäuschen auf den Platz kamen. Dann kam die Nachricht, dass die Nazis auf der Strecke zum Grießplatz stecken geblieben sind, und auch der Nordeingang mit Sitzblockaden wieder dicht ist. Ein Mann gab uns die neusten Informationen weiter und rief uns am Südeingang zum Bleiben auf – es war alles noch friedlicher und geradezu langweilig. Zwischendurch wurde die Blockade geöffnet, um einen Anwohner mit seinem Fahrzeug und einen weiteren LKW herausfahren zu lassen. Von den ursprünglichen Barrikadenbauern war wohl kaum jemand mehr da. Da hieß es, die Polizei hätte die Demonstranten am Nordtor zum dritten mal aufgefordert die Blockade zu räumen und wolle mit der Räumung beginnen. Die Stimmung an unserer Seite sank weiter.

Dann wollte die Polizei selbst durch die Südblockade, und wir öffneten bereitwillig erneut. Etwas verwundert waren wir, warum alle 20 Polizeibusse plötzlich einfach so davon fuhren und von den Polizisten kaum jemand blieb. Wir erfuhren von der Polizei, dass die Naziveranstaltung an diesem Platz abgesagt und auf einem Ausweichplatz umverlegt worden sei. Ein gewisses Erfolgsgefühl überkam mich, als ich plötzlich ungehindert auf den Griesplatz gehen konnte, um dort ein trauriges Häufchen von 20 Nazis zu sehen, die sich jetzt dort auch nicht mehr sicher fühlten. Alles schien in Auflösung begriffen, und die 200 Leute vom Nordeingang wollten in einem Demonstrationszug zum Südeingang und dann Richtung Innenstadt kommen. Erleichterung machte sich breit, und wir folgten der Idee von Pfarrer L. die Blockade abzubauen, damit niemand wegen Sachbeschädigung noch eine Strafanzeige bekäme.
Gerade als wir die schweren Steine von der Straße rollten hörten wir einen Trupp voll gerüsteter Polizisten mit Helm und heruntergelassenen Visier in unsere Richtung sprinten. Wenige Sekunden später waren wir von diesen BGSlers, wie sich herausstellte, umstellt und der Einsatzleiter brüllte uns an: „Wir müssen Ihre Personalien feststellen – dies ist eine Polizeiliche Maßnahme!“ Es hat sehr lange gedauert bis uns der Ernst der Lage klar wurde. Ein Häufchen von gut 40 Leuten, die sich mehr oder weniger zufällig zu diesem Zeitpunkt hier befanden, teilweise mit der Südblockade überhaupt nicht zu tun hatten, wurde von etwa 25 BGSlern, die kaum mehr als Menschen erkennbar waren, eingekesselt. Unser Sprecher war Pfarrer L., der sofort zu dem Einsatzleiter ging um dieses Mißverständnis aufzuklären. Er wurde aber auch nur rüde abgewiesen. Das kann doch nicht ernst gemeint sein, dachte ich dauernd und hoffte, dass der bald ankommende Demonstrationszug vom Nordeingang – dort war niemand von der Polizei behelligt worden, genauso wie auch niemand der Polizei etwas wollte – auch bei uns alles friedlich lösen würde. Tatsächlich kam auch der leitende Polizeibeamte T. aus Jena und erkannte, dass hier nicht nur eine Verletzung des Gleichbehandungsgrundsatzes vorlag, sondern auch im Sinne von Deeskalation oder Wahrung von Verhälnismäßigkeite der Mittel völlig über das Ziel geschossen wurde. Was sollte man uns vorwerfen?

Doch für den BGS-Einsatzleiter, Herrn G., gab es kein zurück. Seine Mannschaft war gerade nach dreistündiger Fahrt aus Fuldatal bei Kassel angereist und sollte den Thüringern jetzt mal zeigen, was eine Harke ist. Der Jenaer Polizeichef T. wurde vom BGS-Einsatzleiter G. zu einem Vieraugengespräch zur Seite genommen, und anstatt eine Amtspfichtverletzung zu riskieren wurden wir auch von ihm den Mühlen der BGS überlassen. Es würden nur die Personalien festgestellt und dann könnten wir uns dem Demonstrationszug anschließen. Mit diesem Versprechen wurden auch unserer 200 Mitstreiter außerhalb des Kessels ruhig gestellt und zogen mit ihren Transparenten weiter Richtung Innenstadt. Daß wir tatsächlich erst fünf Stunden später wieder auf freiem Fuß sein würden, ahnte in dem Moment niemand von uns. Nur BGS-Chef G. war sich seiner Sache sicher und tönte, dass er sich in 31 Dienstjahren nie geirrt hätte. Ein Handy-Gespräch mit Polizeichef T. brachte uns schließlich der Erkenntnis näher, daß diese „polizeiliche Maßnahme“ ganz und gar nicht schnell beendet sein würde. Wir sollten nach der sich über zwei Stunden streckenden Feststellung der Personalien incl. Foto und Videofilm in eine Polizeidienstelle gebracht werden und der Kriminalpolizei vorgeführt werden.
Eigentlich wollten wir an der Demonstration für Toleranz und gegen die Nazis um 12 Uhr in der Innenstadt teilnehmen, zu dem das Aktionsbündnis gegen Rechts aufgerufen hatte, jetzt waren wir von BGSlern umstellt auf einer Wohngebietsstrasse. Unser Banner mit der Aufschrift „Es leben die Farben“ in 20 verschiedenen Sprachen durften wir noch nicht mal unseren „Knastbrüdern- und schwestern“ zeigen: „Sofort einrollen!“ wurden wir nur angeraunzt. Nur die Anwohner erfreuten sich dieses Spektakels, standen in ihren Gärten und schauten uns „Verbrecher“ verächtlich an, während sie für die Polizisten Kaffee ausschenkten. Als zwei Höhepunkte der Priviligierung soll noch das polizeilich genehmigte Pinkeln an die Hecke hinter dem Polizeibus und die Fahrt mit Blaulicht (!) durch die Jenaer Innenstadt mit einem Polizeibus erwähnt werden. In einer fensterlosen Zelle eingesperrt war ich nur froh nicht in der Einzelzelle gelandet zu sein, wie zwei Freunde. Vorher wurden uns Rucksack, Uhr und Wertsachen abgenommen. Danach erwarteten uns weitere Stunden des Wartens vor dem Eingang der Polizeistation. Jeder von uns hatte jetzt einen persönlichen Schutzpolizisten erhalten, der dafür da war alle 20 Minuten den Rucksack in der Schlange 2 m nach vorne zu tragen. In dieser grotesk anmutenden Zweierschlange – Polizist + Verbrecher (=wir) drehten sich die Gespräche um Fragen wie, was diese Polizisten dazu denken („wir denken gar nichts, sondern machen unseren Dienst“) oder ob die Holzknüppel der baden-württembergischen Polizeikräfte mehr weh tun als die sonst üblichen Gummiknüppel („auf jeden Fall sind Holzknüppel aus nachwachsen Rohstoffen umweltfreundlicher“ war der ironische Kommentar unsere Grünen Mitgefangenen). Schließlich war auch ich als einer der letzten an dem Protokollierungstischen angekommen. Umständlichst wurde jetzt jeder Gegenstand aus meinem Rucksack in eine weiteres Protokoll aufgenommen und weggeschlossen, während ich in der Polizeiturnhalle die freie Wahl zwischen zwei hasenstall-ähnlichen Pferchen hatte, in dem noch 10 meiner Mitgefangenen auf die weiteren Prozeduren warteten. In die zwei Frauenkäfige durfte ich natürlich nicht – da hätte ja wer weiß was passieren können.
Nach weiterem Warten wurde ich von einer Kripobeamtin gerufen, bekam meine Sachen ausgehändigt mit dem Hinweis, dass die Staatsanwaltschaft jetzt wegen Sachbeschädigung und Nötigung gegen mich ermitteln würde. Um 14:30 Uhr war ich dann schließlich wieder auf freiem Fuß. Fast einem Wunder gleich. In zwei Dingen bin ich mir sicher: Beim Wegräumen der Steine habe ich nichts und niemanden beschädigt und die Demonstranten an der Südblockade haben noch nicht einmal die Anwohner genötigt einen anderen Weg zu nutzen, sondern die Blockade für jeden einzelnen geöffnet. Zum zweiten weiß ich, was sich hinter der Meldung vom 11.6. „Von 45 Personen wurden die Personalien festgestellt“ verbirgt – reine Polizeiwillkür.
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Ergänzungen

tja da abräumen der barri

such is life 13.06.2005 - 20:52
war keine gute idee. man sollte dezent weggehen in so einer situation. der pfarrer hats bestimmt nett gemeint, aber wahrscheinlich wär euch weniger passiert, wenn ihr 10m weiter dumm rumgestanden wärt.

Kessel

Gerd 13.06.2005 - 22:59
Nach dem Heider Kessel über fünf stunden am 1.5. nun der Jenaer Kessel. Die Polizei übt sich im Zeitweiligen Festsetzen von Personen.

Polizei Jena

Ronkong Coma 13.06.2005 - 23:09
Der Jenaer Polizeichef ist nein heuchlerisches Arschloch! Schon am 28.05. hat er scheinheilige und ach so nette Versprechungen gemacht, was dann auch als mehrere Stunden Ingewahrsamnahme in einer Turnhalle endete (hat sich auch ungefähr so zugetragen, wie im obigen Artikel).

Keine Zusammenarbeit mit der Jenaer Polizei!

Holzknüppel sind übrigens eine der brutalsten Waffen, die die Polizisten einsetzen können. Und gerade die Baden-Würrtemberger Prügelbullen wissen wie man mit iesen Schlagstöcken umgeht und haben fiese Tricks auf LAger, damit durfte ich auch schon Bekanntschaft machen.

Police Bastards!

War von Anfang an dabei

Marc Schmidt 14.06.2005 - 00:11
Ich persönlich kann den Gedanken/Fragen des Unzufriedenen nur zustimmen und würde eine vernünftige Auswertung/Diskussion für sehr angebracht halten.
Am 11.6 sind in Jena nämlich einige sehr merkwürdige Sachen passiert (welche oben bei weitem nicht alle aufgezählt wurden und meiner Meinung nach auch nicht zu intensiv hier diskutiert werden müssen[auch wenn es sicher angebracht bzw. notwendig wäre und das Gesamtbild etwas objektiver zu gestalten]).

Was mich allerdings denn noch brennend interessieren würde ist in wie weit am Morgen getroffene Absprachen zwischen Polizei und DGB/JungerGemeinde(JG), deren Aktivismus für den Rest des Tages gebremmst hat? ? ?
Schließlich hatten nach der "erfolgreichen Gute Laune Blockade" ja fast alle ihren Erfolg.............
-die Nazis konnten ihr Fest wie geplant durchführen(halt nur am anderen Ende der Stadt)
-die JungeGemeinde, DGB, die Stadt ihren Erfolg und können sich darüber profillieren(womit sie am Sa ja auch schon gegen 14uhr begonnen haben)
-und die Polizei einen ruhigen Tag

ps: Als ich heute die Presseberichte(OTZ, TLZ, usw) gelesen und mit sie dem erlebten verglichen habe hätte ich kotzen können

@marc

nixzursache 14.06.2005 - 01:37
jaja, der DGB ist wieder Schuld. Blöd nur, es DGBlerInnen waren die schon um 4.30 am Gries waren und auch mit die Barries gebaut haben. Die DGBler waren auch den noch den ganzen Tag auch in Lobeda unterwegs. Du klannst dem DGB viel vorwerfen aber heute absolut nicht.
Und wenn Leute sich in der JG mal erholen wollen, weil sie die Nacht nur ne halbe Stunde gepennt haben ist das doch auch ok.

Ätzend war die Zusammenarbeit mit den StadträtInnen.
Und am allerschlimmsten waren die Sauf-Punks. Wer schon um 5Uhr morgens 2 Promille hat bei so Aktionen nix verloren.

Weitere Merkwürdigkeiten am 11.6.

Sportsfreund 14.06.2005 - 10:34
Dank an Axel Don für den "Erlebnisbericht" und an den zu Recht unzufriedenen Marc Schmidt, dass er die entscheidenden Fragen gestellt hat. Auch wir von der Antifaschistischen Sportgruppe Jena (ASJ) sind mit dem Verlauf des Tages alles andere als zufrieden. Eine interne Auseinandersetzung über die Versäumnisse, Mißverständnisse und das Macht- und Profilierungsstreben bei einigen der beteiligten Personen und Institutionen ist dringend notwendig.

Um nicht im ewiggleichen unkritischen Einheitsbrei mit Musik, Bier und
Bratwurst gegen Rechts unter Motti wie "Volksfest statt Fest der Völker"
oder "Bunte Vielfalt gegen braune Einfalt" unterzugehen und eine
weitergehende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus
und dem aktuellen Wiedererstarken dieser Ideologie voranzutreiben, wurde
von antifaschistischen Gruppen für den 11. Juni 2005 ein mahnendes
Gedenken an die Opfer der durch SS und der deutsche Wehrmacht verübten
Massaker in Lidice (Tschechien), Distomo (Griechenland), Oradour-sur-Glane
und Tulle (beide Frankreich) organisiert.

Anschliessend an das Gedenken sollte von dem Veranstaltungsort "Am Gries"
aus eine von der Weimarer "Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus" am 3.
Juni angemeldete antifaschistische Demonstration durch Jena unter dem
Motto "Gegen Geschichtsrevisionismus und die Verherrlichung des
Nationalsozialismus" starten, die in Zwischenkundgebungen auch den D-Day,
die Landung der Allierten in der Normandie am 6. Juni 1944, den Tag der
Befreiung am 8. Mai 1945, rechtskonservative Studentenverbindungen und das
Wiedererstarken des Rechtsextremismus in Thüringen, Deutschland und Europa
thematisieren sollte.

In enger Zusammenarbeit verhinderten das Oberverwaltungsgericht Weimar,
die Stadt Jena und die Polizei das für den 11.6. in Jena geplante
Gedenken an NS-Opfer und gaben dem Neonazi-Festival "Fest der Völker" Vorrang. Gleichzeitig ging der Antifa-Demo ihr angekündigter Startpunkt abhanden. Angesichts der Kürze der Zeit und der unübersichtlichen
Lage am Samstagmorgen war es kaum mehr möglich, die von der Stadt
angeordnete Verlegung der beiden ursprünglich hierfür vorgesehenen Veranstaltungen bekanntzugeben und zu organisieren. Hinzu kamen ungenügende Kommunikation der beteiligten Gruppen - einige Personen sprechen hier sogar von gezielter Desinformation -, teils überstürzte und eigenmächtige Entscheidungen und nicht zuletzt die Weigerung der JG-Leitung, das durch die morgendliche Spontandemo sich in großer Zahl auf der Johannisstrasse einfindende Publikum auf der Johannisstrasse vor der JG auch auf das Gedenken und die geplante Antifa-Demonstration auf dem Parkplatz Inselplatz hinzuweisen, der schon bei dem Zug zuvor bewußt rechts liegengelassen wurde.

Während die Stadt mittlerweile sich selbst und "ihren grossen Erfolg gegen
Rechts" feiert, wird der Eklat um das Gedenken an die NS-Opfer
selbstverständlich verschwiegen. Über die unmittelbare Ablehnung des
Neonazi-Festivals hinaus - "Antifaschismus aus dem Bauch heraus" - konnten dadurch keine weiteren Inhalte transportiert werden, eine dringend notwendige Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in Europa, mit Geschichtsrevisionismus, der auch in der Mitte der Gesellschaft zu beobachtetenden Verharmlosung des Nationalsozialismus sowie der zunehmenden Verdrehung von Opfern und Tätern des NS-Regimes fand nicht statt.

Mittlerweile hat der Organisator des Neonazi-Festivals Ralf Wohlleben angekündigt, dass das Fest der Völker bereits für die nächsten 10 Jahre angemeldet worden sei und schon am 17. Juni 2006 wieder in Jena stattfinden soll. Das gibt uns aber auch die Chance, aus Fehlern und Versäumnissen zu lernen und das Desaster für die Nazis im nächsten Jahr noch größer und den antifaschistischen Widerstand noch deutlicher werden zu lassen.

Hier zunächst die Presseerklärung der Weimarer Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus.

Presseerklärung

Ausverkauf des Versammlungsrechts
Stadt Jena und Polizei werfen der NPD das Versammlungsrecht zum Fraß vor

Ordnungs- und Rechtsamt der Stadt Jena gebärden sich wie die Opfer von Gesetz und Justiz, sind aber in Wirklichkeit selbst bereit, den Ausverkauf grundgesetzlich geschützte Güter wie des Demonstrationsrechts mit leichter Hand einzuläuten.

Wenn die Stadt Jena jetzt behauptet, sie sei vom Oberverwaltungsgericht Thüringen (OVG) gezwungen worden, die Nazi-Veranstaltung „Fest der Völker“ auf dem Gries zu genehmigen, obwohl dort bereits zwei antifaschistische Veranstaltungen angemeldet waren, so ist das schlicht gelogen!
Vertreter der Stadt Jena (Namen bekannt) haben selber am Donnerstag, 9.6.05, den Gries als Ausweich-Standort für das umstrittene Nazifest in mündlicher Verhandlung vor dem OVG vorgeschlagen. Sie wussten, dass sie
damit gegen das Erstanmelder-Privileg gleich zweier gegen die Nazi-Veranstaltung gerichteter Veranstalter verstießen! Mehr noch, das nicht ortskundige OVG war guten Glaubens, dass – nach Einschätzung der in der Verhandlung vertretenen Polizei und Ordnungsbehörde – beide rivalisierenden Veranstaltungen auf dem Gries mit entsprechender räumlicher Trennung möglich sein könnten. (Zitat aus OVG-Entscheid siehe unten.)
Welcher Art diese, im Eilverfahren höchst unübliche Anhörung auch gewesen ist und wer daran teilgenommen hat (etwa auch das Innenministerium?), im Ergebnis sind in Gutsherrenmanier die Rechte der betroffenen Anmelder missachtet worden.

Tatsache ist, dass auf dem Gries seit langem (18.2.05) eine Kundgebung zum Gedenken an die Massaker von Wehrmacht und SS (u.a. in Distomo, Oradour sur Glane, Lidice) für den 11. Juni 05 angemeldet war und dass am 3.6.05 in Absprache mit den „ersten Erstanmeldern“ die Auftaktkundgebung einer antifaschistischen Demonstration „Gegen Geschichtsrevisionismus und die
Verherrlichung des Nationalsozialismus“ dort noch zusätzlich von der Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus Weimar angemeldet worden ist.
Wenn die Stadt nach der OVG-Entscheidung in Absprache mit der Polizeidirektion ausgerechnet den GegendemonstrantInnen unter Missachtung ihrer Grundrechte die Nazis vor die Nase setzt, so ist das als zynische Provokation und Aufkündigung jeglicher Kooperation zu werten, die gespielte Betroffenheit als reine Heuchelei.

Auf den Widerspruch des Anmelders vor dem Verwaltungsgericht Gera am Freitagnachmittag (durch Rechtsanwalt Stefan Schrage, Berlin – Kontakt
kann hergestellt werden), erhielt man mit der Ablehnung den lapidaren Hinweis, in der Kürze der Zeit lasse sich nicht mehr ermitteln, wer nun Erstanmelder auf dem Gries gewesen sei. Da es jedoch niemals eine
Anmeldung von Wohlleben/NPD für den Gries gegeben hat (sondern die Stadt Jena den Platz trotz Erstanmeldungen ins Spiel brachte), hat auch das VG
mit einem windigen Zeitargument die Grundrechte der Erstanmelder in
eklatanter Weise übergangen. Die Erstanmelder sind gegen diesen haarsträubenden Umgang mit gesondert geschützten Grundrechten in Beschwerde gegangen und erwägen im Nachgang eine
Fortsetzungsfeststellungsklage.

Im übrigen sei auch die Feststellung gestattet, dass offenbar niemand zu keinem Zeitpunkt ernsthaft die Inhalte der Nazi-Veranstaltung als möglichen Verbotsgrund wegen § 130 StGB und Verhöhnung der Opfer des Holocaust geprüft hat. Das ist der Beginn einer verheerenden Normalität nazistischer Veranstaltungen mitten unter uns.

Dankenswerterweise ist der Gries in den frühen Morgenstunden des Samstag von rund 500 AntifaschistInnen friedlich blockiert worden, so dass die Nazis auf ein Grundstück außerhalb der Stadt ausweichen mussten.

Mit „wehrhafter Demokratie“ sind die betroffenen Anmelder jedoch erstmal bedient!

Presseberichte

Sportsfreund 14.06.2005 - 12:25
TLZ, 14.5.2005
 http://www.tlz.de/tlz/tlz.nachbarstaedte.volltext.php?kennung=on1tlzLOKStaJena38514&zulieferer=tlz&kategorie=LOK&rubrik=Stadt®ion=Jena&auftritt=TLZ&dbserver=1

Gerangel um die Kompetenz

Jena. (tlz) 1724 Polizisten aus sechs Bundesländern waren am Samstag in Jena im Einsatz. Und sie haben verhindert, dass es zu Ausschreitungen am Rande der NPD-Veranstaltung kam. Aber ganz offensichtlich gab es auch Kompetenzgerangel unter der Polizei. Beispiel: die 22 Festnahmen am Morgen unter den Blockierern am Gries.

"Die Brandenburger Polizei war eigentlich schon abgezogen. Und wir waren gerade dabei, die Reste der Barrikaden an der südlichen Zufahrt zum Gries zu beseitigen, als plötzlich im Laufschritt eine Polizeieinheit auf uns zu kam und uns umstellte", berichtete Oberpfarrer Gotthard Lemke, der zu den Festgenommenen gehörte. Er habe versucht, mit dem Einsatzleiter zu dieser hessischen Bundesgrenzschutz-Gruppe zu reden. Dieser aber habe nicht mit sich reden lassen. "Er hat nur gesagt, er sei seit 31 Jahren bei der Polizei und habe sich noch nie geirrt."

Jenaer Polizist wurde nicht gehört

Zu der Zeit war auch René Treunert, der Leiter der Jenaer Polizeiinspektion, vor Ort. "Nehmen Sie die Leute doch nicht fest, die sind als friedfertig bekannt, zum Teil kommen sie vom Runden Tisch für Demokratie", hatte Treunert zu dem hessischen Beamten gesagt. Zudem hatte Treunert vorgeschlagen, die Ausweise der 22 Leute einzusammeln und sie später, nach der polizeilichen Überprüfung, über eine Vertrauensperson wieder auszuhändigen. Das sei das mindeste Mittel, um eine Strafverfolgung noch zu gewährleisten. Der hessische Beamte aber beharrte auf seiner Entscheidung und ließ die Aufräumer festnehmen und zur Gefangenen-Sammelstelle in die Kahlaische Straße bringen, wo sie teilweise bis zum Nachmittag festgehalten worden sind.

In der Jenaer Polizeidirektion war gestern keine Stellungnahme zum Handeln der hessischen Bundesgrenzschutz-Beamten zu bekommen. "Wir unternehmen alles, um zu untersuchen, ob tatsächlich Straftaten am Gries begangen wurden oder nicht. Dazu werden Zeugen gehört, und es können sich natürlich auch noch Zeugen bei uns melden", sagte Willi Baumgarten, Leiter des Führungsstabes der Polizeidirektion. Ein klein wenig mehr sagte Rolf Wagner, der Leiter der Kriminalpolizeiinspektion: Er werde ein detailliertes Hergangsprotokoll aus Hessen anfordern.

13.06.2005 Von Barbara Glasser

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Nazis immer an den Stadtrand: Geht das?

Jena. (tlz) Nein, bis gestern hatte Ordnungsdezernent Frank Jauch (SPD) noch nicht die angedrohte Klage der NPD auf dem Tisch. Die soll sich gegen die kurzfristige Verpflanzung des samstäglichen Neonazi-"Festes der Völker" vom Gries aufs Hornbach-Gelände in Lobeda beziehen.

Dafür ist dem Dezernenten die ebenfalls angedrohte Anmeldung für ein fortan jährlich angestrebtes so genanntes Fest der Völker ins Haus geflattert. "Alles ganz genau mit Termin. Das geht bis zum 13. Juni 2015", berichtete Jauch. Er lasse prüfen, ob das ordnungsrechtlich überhaupt machbar sei. Es müsse gründlich analysiert werden, ob hier das Recht auf Versammlungsfreiheit nicht quasi kommerziell ausgenutzt werden könne. Also: viel Musik, aber keine entrichtete Sondernutzungsgebühr.

Er habe den Eindruck, dass das Oberverwaltungsgericht sich bei seiner Genehmigung des so genannten Festes der Vöker für den Standort Gries insofern rausgeredet habe, als es einen dominierenden Anteil von Reden im Vergleich zur Musik festlegte. Ja, die Nazis hätten, so Ohren-Zeuge Jauch, gar einen 60-Prozent-Anteil an Reden eingehalten. Aber insgesamt habe die Veranstaltung wohl mehr auf eine "Fangemeinde" statt auf Jenas Bevölkerung gezielt. Insofern dürfe ernsthaft erwogen werden, von vornherein einen Stadtrandstandort für mögliche weitere Neonazi-Feste festzulegen.

Das ist der Punkt für Lobedas Ortsbürgermeister Volker Blumentritt. Er denkt an Lobeda, das wegen der "Fest"-Verlagerung und folgenden Staus "fünf, sechs Stunden von der Außenwelt abgeschnitten waren", an Firmen wie Hornbach, die hohe fünfstellige Umsatzeinbußen zu beklagen hatten. Da möge man künftig über Alternativen wie den Jägerberg nachdenken. Und natürlich sei das Sonnabend-Ereignis Anreiz, das Gewerbeareal an der Lobedaer Autobahn schneller zu vermarkten.

13.06.2005 Von Thomas Stridde

9. Juli 2005 Desaster Area in Gera

- 14.06.2005 - 23:19
Die Thüringer NPD will am 09.07.2005 um 12 Uhr im "Park der Jugend" zum dritten Mal in Folge ein Nazikonzert in der Geraer Innenstadt veranstalten. Das Konzert steht dieses Jahr unter dem Motto "Rock für Deutschland". Bereits in den vergangenen zwei Jahren veranstaltete die Thüringer NPD dort ihre Nazikonzerte in unittelbarer Nähe zum AsylbewerberInnenheim. Letztes Jahr kamen etwa 150 Nazis, um sich fünf Nazibands mit Namen wie "Eugenik" oder "Blood Revenge" anzuhören. Der NPD-Kadern und Nazis aus dem in Deutschland verbotenen "Blood & Honour"-Umfeld gelang es bislang, die Konzerte unter dem Deckmantel einer politischen Versammlung durchzusetzen.
Solange Nazikonzerte in der Innenstadt toleriert werden, werden wir antifaschistischen Widerstand leisten.

Auf zu antifaschistischen Aktionen im Park der Jugend und der gesamten Innenstadt!
Nazikonzert am 9. Juli in Gera zum Desaster werden lassen!

Mehr Informationen unter
 http://www.provinz-einheizen.tk

Die Geschichte klingt absurd, aber stimmt ...

Sportsfreund 15.06.2005 - 12:31
Mensch mag es ja kaum glauben, aber die Geschichte stimmt sogar. Michael Ebenau (IG Metall Jena-Saalfeld) war es auch, der kaum Freude bei den früh morgends aufgestandenen Antifas erzeugte, als er selbst per Mega die Leute aufforderte, die noch unvollendete Barrikade am "Nordpol" wieder abzubauen, weil dann die Herren und Damen in grün vielleicht mit sich reden lassen würden, die Blockade noch ein paar Minuten länger zu tolerieren - bis die Nazibusse anreisen. Anschliessend gingen er und andere BürgerInnen selbst tatkräftig an der Nordbarrikade zur Hand und die ersten AktivistInnen verliessen kopfschüttelnd das Gelände.

OTZ, 15.6.2005
 http://www.otz.de/otz/otz.standard.volltext.php?kennung=on1otzKOMKomJena38515&zulieferer=otz&kategorie=KOM&rubrik=Kommentar®ion=Jena&auftritt=OTZ&dbserver=1

Sache rasch klären

Von Lutz Prager
Lob für Jena und seine Bürger gab es gestern noch einmal beim akademischen Festakt für Ehrendoktorin Hildegard Hamm-Brücher. Ministerpräsident Dieter
Althaus würdigte ausdrücklich die Zivilcourage der Bürger, denen es gelang, die Rechtsextremen am Sonnabend aus der Stadt zu verbannen.

Allerdings hat das gelungene Wochenende noch immer einen unschönen Nachgeschmack: 46 Menschen, die als Aufräumkommando am Gries die Reste der längst beendeten Blockade beräumen wollten, darunter Oberpfarrer Gotthard Lemke und der 2. Bevollmächtigte der IG Metall, Michael Ebenau, wurden von
ortsunkundigen Grenzschutz-Beamten aus Hessen festgenommen (OTZ berichtete). Gegen sie wurden Anzeigen aufgenommen, obwohl sie keinerlei Gewalt ausgeübt hatten.

Die Sache, um deren Klärung sich auch die Jenaer Polizeiführung kümmert, sollte so rasch wie möglich aus der Welt geschafft werden. Es kann nicht sein, dass friedliches Eintreten für Demokratie mit Strafanzeigen endet. Andererseits sind pauschale Vorwürfe gegen die Polizei ebenso fehl am Platz. Dass bei einem Einsatz mit Beamten aus sechs Ländern, die weder die Menschen vor Ort noch die räumlichen Gegebenheiten kennen, Missverständnisse vorkommen, wird sich nie vermeiden lassen.

14.06.2005

"Fest der Völker" erfolgreich blockiert

IG Metall 15.06.2005 - 12:46
Rechtes "Fest der Völker" erfolgreich blockiert

Die NPD konnte am Samstag ihr "Fest der Völker" nicht in der Stadt feiern, sondern musste vor den Toren bleiben. Und das ist letztlich einer Gruppe von Bürgern zu danken, die Samstag früh, 5 Uhr auf den Gries gekommen war. Zu der Zeit war noch eine polizeiliche Nachtwache auf dem Platz.
Etwa 6 Uhr ist es, da stehen die Barrikaden der Protestierer an den Zufahrten nördlich und südlich vom Gries ...
 http://www2.igmetall.de/homepages/jena-saalfeld/rechts.html

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locker bleiben — almighurt

??? schiebung ??? — david

Ja, ja ... — Einer