Verfassung: Die französische Linke sagt Nein

Französin 30.05.2005 12:40
54,87% haben mit NEIN gestimmt. Die Wahlbeteiligung liegt bei 69,74%. Die Franzosen haben nicht gegen Europa abgestimmt, nein! Im Gegenteil! Sie haben NEIN zu einer liberalen und undemokratischen Verfassung gesagt, NEIN zu der bisher durchgeführte liberale Europa-Politik.
in Deutschland wurde die Verfassung durch das Palament ratifiziert, ohne, dass die Bürger befragt werden, ohne dass, eine Debatte statt finden kann.
In Frankreich dagegen wurde monatelang besonders heftig darüber diskustiert. überal wurde darüber nachgedacht: in der Kneipe, zu Hause,in den Medien, an der Schule, am Arbeitspaltz... Als President Chirac ein Referendum zur Ratifizierung der Verfassung Anfang März ankündigte, waren laut Umfrage etwa 60% der Befragten FÜR die Verfassung. Die Franzosen sind europäische Bürger, viele denken, dass Europa eine gute Verfassung braucht. Aber nicht irgendwelche Verfassung! Sie haben die "Giscard"-Verfassung gelesen. Sie haben viel darüber nachgedacht und haben sich schliesslich trotz "OUI-Propaganda" überall für NEIN entschieden. "Nein, wir wollen diese Verfassung nicht haben! "

Die Gründe dafür sind sehr verschieden.

Die Rolle der äusserste darf (leider) nicht vergessen werden. Die Ausländerfeindlichen Parteien von Le Pen (Front National) oder von De villiers lehnen die Verfassung ab. Sie stehen für "préference nationale" also Nationalismus...

Aber mit diesem NEIN hat vor allem die ausserpalementariche Linke gewonnen. Die PS (sozialdemokraten) und die Grünen hatten dazu aufgerufen fÜR den Vertrag zu stimmen. Ohne Erfolg. 63% der Büger, die die "palementatische Linke" unterstützen haben gegen die Verfassung gestimmt.
Die PCF (Kommunisten) dagegen lehte diese Verfassung ab (98% der PCF-Wähler sagen NEIN). So wie die LCR, LO (Kommunisten, Trotskisten),die CNT (Anarchisten) einige sozialdemokraten, einige Grünen und viele "Globalisierungsgegner" (ATTAC, und so ...), Atomkraftgegner, Pazifisten ... Interessant ist auch zu wissen, das 79% der Arbeiter mit Nein gestimmt haben, 67% der Angestellten, 71% der Arbeitslosen. Die Leute deren Einkommen weniger als 1000 Euros beträgt haben mit NEIN gestimmt und die Personen, die mehr als 3000 Euros verdienen aben zu 37% mit NEIN gestimmt.( Quelle IPSOS)

Die Bürger lehnen zwar die europäische Bürokratie ab. Sie lehnen aber vor allem den Liberalismus (Wettbewerb, Marktwirtschaft ...) ab. Viele Menschen sagen auch "Schluss mit Kapitalismus". Sie Wollen, dass Mensch und Umwelt endlich im Mittelpunk der europäischen Politik stehen. Sie haben es satt von dieser Politik, wo Güter und Handel wichtiger sind als Menschen. Freizügigkteit für die Waren findet statt. Bei Menschen wird es schwieriger. Ein kleines Beispiel, das zum Altag gehört: Die Autorin dieses Beitrags, die selbt ab und zu nach Deutschland fährt, wird immer wieder an der Grenze von der Grenzschutzpolizei im Zug kontrolliert. Die Festung Europa wird weiterhin aufgebaut (Grenzkontrollen, Polizeistaaten)...

Die Bevölkerung will ein ANDERES Europa!
Es wurde oft gesagt, der Nizza-Vertrag sei schlimmer als diese Verfassung, eine Ablehnung der Verfassung werde nix daran ändern, es werde alles beim alten bleiben. Mal sehen...was jetzt kommt. Aber eines ist sicher: Der Nizza-Vertrag ist scheisse aber, die Bevölkerung wurde damals nicht befragt, sie konnte nicht NEIN sagen. Die DemonstratINNen wurden mit Trännengass und Knüppel empfangen. Die Leute dürften sich dieses mal äussern und haben die Gelegenheit genutzt. Sie haben ihren Unmut gegen die (liberale) europäische Politik und gegen die franzosische rechtskonservative Regierung gezeigt. Der Rücktritt vom Premier Raffarin ist jetzt warscheinlich... President Chirac, der Gauner, will aber nicht weg, auch wenn die Linke vor einem Jahr die Régions-Wahlen (Landtagswahlen) deutlich gewonnen hat ...

Wie weiter?
Das Ergebniss ist eindeutig.Und es ist warcheinlich, dass andere Länder Nein zur Verfassung sagen werden. Die Botschaft der Franzosen ist nicht NEIN zu Europa, sondern NEIN zu dieser Verfassung, zu dieser Politik. Von den Politikern erwartet die Bevölkerung nichts viel. Die Veränderung soll von unten kommen, von der Strasse. Die europäischen Völker sollen sich im Kampf gegen Liberalismus, für ein anderes solidarisches Europa zusammenschliessen. Europäischer Widerstand und Aufstand!
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Ergänzungen

Interessantes aus den dt.Medien

P.R. 30.05.2005 - 12:56
In der deutschen Presse wurde gestern abend nach dem Ergebnis von "Frankreich tief gespalten" geschrieben. Wäre das Ergebnis 55% für die Verfassung gewesen, hätte es "überwältigende Mehrheit sagt Ja" geheissen. Finde es interessant, sich mit den Suggestivtechniken der Medien auseinanderzusetzen..

Freigabe persönlicher Daten

@narcho 30.05.2005 - 13:12
War diese Wahl in Frankreich eigentlich nicht geheim oder wie kommt es dazu, Menschen verschiedener Gesellschaftsklassen nach deren Wahl zu befragen ?
Besonders erstaunt hat mich weiterhin die Angabe nach Einkunft ?

persönliche Daten und Fehlende Zahl im Text

IPSOS 30.05.2005 - 14:17
Ja die Wahl ist geheim, Aber die Umfrage-Institut IPSOS macht "sondages sortis des urnes". Das heisst die Leute werden kurz nachdem sie abgestimmt haben (beim Ausgehen)über ihre Wahl und so befragt. Die Wähler müssen nicht antworten, aber die meisten tun es gerne. Die Ergebnisse werden auf der Homepage von IPSOS veröffentlich:  http://www.ipsos.fr/CanalIpsos/poll/8074.asp

"Besonders erstaunt hat mich weiterhin die Angabe nach Einkunft ? "
Ja ich habe eine Zahhl vergessen! sorry: "Die Leute deren Einkommen weniger als 1000 Euros beträgt haben mit NEIN gestimmt ..." Soll "Die Leute deren Einkommen weniger als 1000 Euros beträgt haben zu 60% mit NEIN gestimmt... " heissen.

Noch mehr aus den Medien

Merci 30.05.2005 - 14:32
Interessant war auch der schwitzende Typ, der auf Phoenix uns weismachen wollte, dass die Franzosen eigentlich nur der Regierung einen Denkzettel verpassen wollten. Peinlicherweise wurde danach auf die französische Übertragung umgeschaltet, und da sah man Umfragenwerte: 40-50% stimmten "nein" wegen sozialer Fragen und Sorgen, und wegen Kritik am Neoliberalismus (in Frankreich: "Liberalismus" - achtet darauf, wie man Deutschland diese Worte in der Berichterstattung peinlichst vermeidet, es ist sehr witzig), nur 24%, weil sie "Chirac einen Denkzettel" verpassen wollten. Dem Vertreter der Regierung fiel nichts blöderes ein, als damit zu drohen, dass die Investoren jetzt nicht mehr nach Frankreich kommen, und dass Deutschland jetzt ja viel weiter sei. Empörter Protest eines Diskussionsteilnehmers: Man solle doch vielleicht mal den Willen des frz. Volkes zur Kenntnis nehmen, und vielleicht die Verfassung entsprechend sozialer machen, anstatt hier mit Drohungen anzukommen. Ein anderer Plan: 2006 nochmal abstimmen lassen, bis Ergebnis eben "stimmt".

@merci

tagmata 30.05.2005 - 15:09
"Neoliberalismus (in Frankreich: "Liberalismus" - achtet darauf, wie man Deutschland diese Worte in der Berichterstattung peinlichst vermeidet, es ist sehr witzig)"

ist halt eine crux mit dem l-wort. es gibt kein einheitliches diktum, wie nun gesellschaftliche freizügigkeit genannt wird und wie wirtschaftliche, hängt ja damit zusammen, daß beide ursprünglich eng verbunden waren (bei der überwindung der feudalgesellschaft durch das urbane besitzbürgertum). in europa wird 'libertär' zb gern für das streben nach freiheit für gesellschaft und individuum verwendet, in den usa hingegen steht es für ultrakapitalismus.

Instrumentalisierung

abc 30.05.2005 - 16:43
Wie weit kann man eigentlich an der Realität vorbei analysieren? Das gestern war kein antifaschistischer Protest gegen die EU, sondern die Verfassungsgegner setzten sich aus allen politischen Lagern zusammen: Von der Front National bis zu den Sozialisten. Den Verfassungsgegnern eine gemeinsame Ideologie zu unterstellen, ist reines Wunschdenken. Die Auschlüsselung der Verfassungsgegner in soziale Zugehörigkeit sagt da genau so wenig aus. Ein Arbeiter muss nicht zwangsweise gegen die Verfassung gestimmt haben, weil er so furchtbar solidarisch mit der Arbeiterklasse in anderen Ländern ist, sondern vielleicht auch ganz einfach weil er Angst vor internationaler Konkurrenz hat.

Die Wahl sagt wenig über ein Emanzipatives

Potential 30.05.2005 - 17:04
Okey, ich glaube auch, dass die EU-Verfassungsgegner_innen, gegen die Verfassung gestimmt haben da sie sich durch ihr Nachteile erwarten. Allerdings heißt, dass noch nicht sehr viel. Viele werden sich gedacht haben, dass der Statusquo besser sei als die neue Eu mit Verfassung. Einige taten dies aus nationalistischer Überzeugung andere aus berrechtigter Angst vor dem Wegfall von Handelsschranken. Einige bistimmt auch ohne Ideologie sondern nur aus dem Eigennutz herraus, dass sie nicht mit billigeren Arbeitskräften konkurrieren wollen. Bürgerliche Wahlen stellen immer systemimante Lösungen zur Wahl, daraus abzuleiten die Bevölkerung wolle z.B. durch nicht wahlen keinen Kapitalismus ist eine sehr spekulative Interpretation. Desweiteren halte ich deinen possitiven bezug auf Völker und ein soziales Europa für äußerst Fragwürdig. Da "Völker" als identitärer Zusammenschluss immer eine historischen Anfang haben und nicht wirklich zu begründen sind, denke ich ist es falsch von ihnen zusprechen. Ein soziales Europa ist im Kapitalismus auch kaum möglich, da dieses enorme Probleme hätte den dann immernoch notwendigen Warentausch zuvollziehen(z.B. Maschienen gegen Öl). Es ist somit noch nicht mal ein guter Zwischenschritt. Eine wirkliche Veränderung ist nur global antinational möglich. In diesem Sinne auf nach Luxenburg zum antinationalen + antikapitalistischen Camp 16-18.6
www.eurotop.tk

Interessanter Artikel dazu

Ralf 31.05.2005 - 10:16

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