Neonazi-Kundgebung im tiefbraunen Ohrdruf

Left Resistance Arnstadt [LRA] 26.05.2005 21:44 Themen: Antifa
55 Neo-Nazis veranstalteten am 21. Mai eine Kundgebung auf dem Ohrdrufer Marktplatz. Während die lokale Kirche gegen "rechts" läutet und der Bürgermeister mit einem Aufruf zum Ignorieren das Problem zu lösen versucht, erhalten die Rechtsextremisten viel Zuspruch aus der Bevölkerung. Das rechtes Gedankengut nicht nur bei der Ohrdrufer Skinhead-Jugend, sondern auch im Herzen der dortigen Zivilbevölkerung verankert ist, zeigte unser Besuch in der tiefbraunen Provinz, in der vor zwei Jahren ein Sprengstofflabor der Neo-Nazis ausgehoben wurde.
Rechtes Gedankengut in der Bevölkerung verankert
Am Samstag fand in Ohrdruf (Landkreis Gotha) eine rechtsextreme Kundgebung statt, an der 55 Neo-Nazis und rechtsradikale Jugendliche aus Gotha, Ohrdruf und Arnstadt teilnahmen. In Ohrdruf - da ticken die Uhren etwas anders: Eine rechte Gesinnung ist hier nicht nur stark unter den Jugendlichen sondern auch massiv in der dortigen Bevölkerung verankert. Längst dominiert eine rechte Szene die Kleinstadt im Thüringer Wald. Schon nach der Ankunft waren die Gesichter der Bewohner beinahe versteinert und so manch einer traute seinen Augen kaum, das linke AktivistInnen ihre Stadt besuchten. Sofort hagelte es auch schon die ersten Beschimpfungen "Verschwindet!" und "Die Rechten sind ja gar nicht so schlimm, ihr seit doch das Übel!" bekam man aus dem Mund von Bewohnern zu hören. Auch einige Dorfpolizisten warfen kritische Blicke und schließlich äußert ein Beamter mit hämischen Grinsen die erste Drohung "An euer Stelle würde ich aufpassen, das ich heute nicht die Fresse voll bekomme...". Auf Nachfrage bei den Bürgern, was denn heute auf dem Marktplatz passieren würde taten viele so, als wüssten sie von nichts, ein älterer Herr erzählte dann, dass er im Radio von einem rechten Aufmarsch gehört hätte. Gegen halb 11 änderte sich der Zustand, die Zufahrtswege zum Marktplatz wurden von der Polizei kontrolliert. Ein duzend Einsatzwagen nehmen hinter dem Rathaus Stellung und Beamte der Thüringer BFE-Einheit patrouillieren in der Innenstadt.

Neo-Nazis marschieren zum Rathaus
Um 12 Uhr war es dann soweit: Eine größere Gruppe von Neo-Nazis marschiert Richtung Rathaus und beginnt dann mit dem Aufbau eines Infostands. Währenddessen packen die ersten rechten Skinheads ihre Fahnen aus und der Arnstädter Neo-Nazikader Marcel Unger vergnügt sich damit, die Lautsprecher-Anlage einzurichten. Nach kurzer Zeit ist die Zahl der Teilnehmer auf über 50 gestiegen und schon ertönen die grauenhaften Töne von der schwarz-weiss-rot beflaggten Kundgebung: "Ich habe für Deutschland einen Sohn geboren" schallt es durch die Innenstadt, während zeitgleich ein Aktivist des Thüringer Heimatschutzes zusammen mit dem Nazikader und NSAW-Kopf Patrick Wieschke die Propaganda-Zeitschrift "Der Rennsteigbote" an die Bevölkerung verteilte. Wenig später tritt der Neo-Nazi Michael Burkert (Skinheadclub Friedrichroda) ans Mikrofon und drischt als erster von drei Rednern seine Phrasen durch die Lautsprecher, auch beschwert er sich über das Verbot des Singens der Nationalhymne. Im Anschluss sprach Kurt Hoppe von der Deutsche Partei, P. Wieschke und ein Erfuter Neo-Nazi, der ursprünglich aus Hessen kommt. Sie erklärten, das dass "Deutsche Volk" zum Überleben bald auf Sozialspenden aus Polen und den Ostblockländern angewiesen sei und verkündeten diverse Forderungen, wie die sofortige Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern und die Abschaffung der deutschen Parlamente. Von der anwesenden Bevölkerung aus der tiefbraunen Provinz gibt es wie nicht anders zu erwarten war auch noch Beifall, während die Neo-Nazis eine "Soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen" zelebrieren.

Stadt: "Durch Ignorieren verschwinden die Rechten"
Einigen AntifaschistInnen die sich der Kundgebung näherten wurden wie immer Gewahrsamnahmen angedroht und Platzverweise erteilt. Von Gegenprotest seitens der Stadt oder der Bevölkerung ist bis auf ein verlassenes Banner vor dem Rathaus nichts zu sehen. Der Bürgermeister und die Stadt hatten schließlich dazu aufgerufen die Neo-Nazis zu ignorieren, so würde sich das Problem von alleine lösen. Was daraus wurde haben wir gesehen, alleine auf der östlichen Seite des Marktes standen 40 Bürger und lauschten teilweise zustimmend den braunen Parolen der Neo-Nazis. Etwas entfernt läd die lokale Kirche dazu ein, die Glocke als Mahnung zu läuten, deren Ton jedoch nicht bis zum Marktplatz vordringt. Wie der Pfarrer Hans-Joachim Köhler erklärte, herrscht in jener Stadt tatsächlich ein Zustand, bei dem Eltern ihre Kinder nachts nicht auf die Straße lassen, da sie Angst vor rechtsextremistisch-motivierten Übergriffen haben.

Angriffe, Überfälle und ein eigenes Sprengstofflabor
Das bestätigten uns auch einige Opfer neofaschistischer Gewalt aus Ohrdruf, beinahe wöchentlich werden "Nichtrechte" Jugendliche von Neo-Nazis zusammengeschlagen und die Stadt ignoriert deren Treiben. Seit Jahren reihte sich eine Meldung über Ohrdruf an die nächste. Jugendliche werden attackiert, MigrantInnen überfallen, ein Jugendclub gestürmt und schließlich errichteten lokale Neo-Nazis auch noch einen NS-Veranstaltungsraum und ein eigenes Sprengstofflabor, welches jedoch von der Polizei im November 2003 ausgehoben wurde. Inzwischen wird die Region um Ohrdruf vom "Nationalen Widerstand Gotha", der übrigens auch Initiator vom sogenannten "Rennsteigboten" ist mit Propaganda und Ähnlichem versorgt. Gerade in Gotha fanden in den vergangenen Monaten einige Veranstaltungen und rechtsextreme Konzerte statt, seit dem der Anführer der Kameradschaft Eisenach nach Gotha umgezogen ist. Am Abend trafen sich die Teilnehmer der Neo-Nazikundgebung an einem Waldstück bei Espenfeld (Jonastal) zu einer rechtsradikalen Feier und hatten neben Baseballschlägern und Reizgas auch Propagandamaterial mit im Gepäck. Die unangemeldete Versammlung wurde von der Polizei aufgelöst. Bereits zur letzten Kundgebung brachten Neo-Nazis aus der Region Gotha mehrere Waffen und rechtsextreme Propaganda mit.

Weitere Bilder zur Kundgebung sowie Fotos von allen TeilnehmerInnen unter:
 http://lra.antifa.net/index.php?show=news&readmore=39

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Ergänzungen

Jonastal - "Siegfried"

eeak! 27.05.2005 - 00:27
Im Jonastal bei Ohrdruf befand sich im dritten Reich nebenbei eine Gigantische Baustelle.

Dort wurden von den Zwangs-Arbeitern des Konzentrationslagers Ohrdruf, ein Außenlager von Buchenwald, ettliche Tunnel in den steinigen Untergrund gegraben.
Diese Tunnel hätten einmal entweder eine Unterirdische Raketenfabrik werden sollen (um die V1 bzw. V2 Raketen zu starten) oder sie hätten eine Ausweichmöglichkeit für die Naziführer werden sollen, wenn diese sich aus Berlin zurückziehen hätten müssen.
Das Bauwerk wurde jedoch nie fertiggestellt.

Trotzdem starben viele hundert Häftlinge im Konzentrations-Arbeitslager Ohrdruf, es wurden jedoch auch Kriegsgefangene auf den Baustellen eingesetzt.

Heute ist das Gelände nicht mehr frei zugänglich, es liegt in einem Truppenübungsplatz, ist also Sperrgebiet.

In der Nähe eines solchen Ortes eine nationalistische oder gar nationalsozialistisch gefärbte Kundgebung abzuhalten zeugt ganz offen von der Verachtung, die diese Nazis für die Opfer dieses Systems zeigen.

Weiteres zum Sprengstofflabor

google-finder 27.05.2005 - 00:32
Nazi-Sprengstofflabor in Thüringen entdeckt
 http://www.idgr.de/news/2003/n031129.php

Nazi-Sprengstofflabor gefunden
 http://www.jungewelt.de/2003/11-29/012.php

keine sorge

NoNazis 27.05.2005 - 03:21
das stimmt ohne weiteres. (ost)deutsches hinterland halt. das bedenkliche ist, das die meisten naziführer aus dem westen (wenn man denn trennen mag) kommen, und die prügeldnen dummhordes im osten stehen.


es gibt kein ruhiges hinterland! kein fussbreit den faschisten!!

europaweites nazitreffen am 11.6. in jena VERHINDERN!


ERSCHEINT ZAHLREICH:

infos:  http://www.nazis-stoppen.tk



für super aktuelle infos aus thüringen; check out:  http://lra.antifa.net

Versammlungsrecht

xxx 27.05.2005 - 13:10
Ich hab da mal eine Frage zum Versammlungsrecht:

Wieso konnte die Polizei die Versammlung der Nazis auflösen ?
Daß sie unangemeldet war dürfte doch keine Rolle spielen wenn man sagt daß es eine Spontandemo ist. Die Antifas machen ja auch immer wieder solche Spontandemos und berufen sich auf die Versammlungsfreiheit.
Ich will nicht die Neo-Nazis in Schutz nehmen, und finde es auch gut daß deren Party aufgelöst wurde, aber warum können sich manche Demos auf "Spontankundgebung" berufen und andere nicht ?

Mackergehabe und Bahamasfreunde...

Luisenthaler 27.05.2005 - 13:33

Natürlich gibt es auch in Ohrdruf nicht wenig fortschrittlich denkende Leute, das arrogante Auftreten der Szeneaktivisten hat auch schon in der Vergangenheit nicht gerade dazu beigetragen, diese zum gemeinsamen Kampf zu ermuntern. Mit einen Häufchen schwarzgekleideter dahin fahren, 1 stunde den Macker raushängen lassen (siehe antifasch. Kaffeefahrt) und das ganze Nest zu verdammen ist kontraproduktiv, kontinuierliche gemeinsame Arbeit mit den Leuten vor Ort ist dagegen dringend erforderlich.

@Luisenthaler

Ex-Ohrdrufer 27.05.2005 - 16:18
Wenn die Antifas Kontakt mit den betroffenen Jugendlichen geknüpft haben, zeugt es mehr von eventuell zukünftiger gemeinsamer Arbeit mit den Leuten vor Ort, statt von irgendwelchem "Mackergehabe", was du hier unverständlicher Weise vorwirfst. Antifaschistisch denkende Menschen gleich als "Bahamasfreunde" abzustempeln ist Blödsinn hoch drei und beweist absolute Unwissenheit. Der ganze Ort wurde nicht verdammt, sondern als das dargestellt was es ist: Eine Provinzstadt mit einer großen rechten Szene, deren 'Ideologie' auch stark auf Sympathie in der Bevölkerung stößt. Das es fortschrittlich denkende und nichtrechte Leute dort gibt, hat gar keiner in Frage gestellt. Ich habe selbst mal dort gewohnt und weis wie beschissen die Zustände in Ohrdruf sind. Danke an die Menschen, welche das mal öffentlich gemacht haben! Vielleicht gibts ja doch noch die Hoffnung, das sich was ändert in der Gegend...

Zum Versammlungsrecht

Heinrich 29.05.2005 - 21:42
Es hat sich um eine nicht genehmigte Veranstaltung gehandelt, von der aus laut den Aussagen der PI Arnstadt-Ilmenau "mehrere Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen" ausgegangen sind. Außerdem wurden diverse Waffen und Propagandasachen sichergestellt. Die Polizei hat die Versammlung beendet und Platzverweise gegen alle Anwesenden ausgesprochen, welchen auch nachgegangen wurde. Wenn Straftaten von einer Veranstaltung ausgehen darf die Polizei laut Gesetz jene Veranstaltung auch auflösen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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ORIENTIERUNGSLOSE JUGENDLICHE.... — ...WIE AUF EINEM DER BILDER....

ist das ein fake? — skeptiker

@ jetzt rechts — robbieaction