Demo in Dessau am 22.01.05 - 12.30 Uhr

Initiative Oury Jalloh 17.01.2005 01:53
In Wut und Trauer

Demo in Dessau am 22.01.05 - 12.30 Uhr nach dem Tod von Oury Jalloh am 06.01.05 im Polizeigewahrsam in Dessau
Am 7.1. 2005 berichtete die Mitteldeutsche Zeitung vom Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Gewahrsamszelle des Dessauer Polizeireviers. Laut Zeitungsbericht der MZ soll der Mann, nachdem er in Schutzhaft genommen worden war, auf Grund eines Brandes ums Leben gekommen sein. Die Zelle soll wenige Minuten vor Ausbruch des Brandes kontrolliert worden sein. Der Polizeisprecher der Polizeidirektion Dessau erklärte, dass Beamte versuchten das Feuer zu löschen; dies soll jedoch wegen der starken Rauchentwicklung nicht möglich gewesen sein. Ein technischer Defekt in der Zelle wird als Brandursache ausgeschlossen; der Feuermelder soll zu spät Alarm ausgelöst
haben. Auch die zuvor alarmierte Feuerwehr kam zu spät, um den Brand
rechtzeitig zu löschen. Oury Jalloh ist tot.

Wurde Oury vorschriftsmäßig kontrolliert bevor er in die Zelle gebracht wurde, hätte er kein Feuer legen können, denn bei der Personenkontrolle vor Antritt einer Schutzhaft, werden dem Tatverdächtigem alle Gegenstände einschließlich Schuhen, Tascheninhalt, Schmuck und Gürtel abgenommen. Höchstens seine Kleidung darf ein Gefangener mit in die Zelle nehmen. Außerdem war für den gläubigen Fullah-Moslem und Vater Oury ein Selbstmord ausgeschlossen, da dies ein Verstoß gegen die Glaubensregeln seiner Religionbedeutet und mit seinem Gewissen nicht vereinbar gewesen war. In jedem Fall lag die Verantwortung über Ourys Gesundheit und Leben vom Moment seiner Festnahme bei den Beamten der Polizei. Bereits vor 2 Jahren starb ein 36-jähriger Mann in einer Zelle
des Dessauer Polizeireviers. Ein Arzt attestierte ihm Gewahrsamstauglichkeit.
Der Mann starb kurz darauf an inneren Verletzungen.

Die Verweigerung grundlegender Menschenrechte, rassistische Diskriminierung auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt, alltägliche symbolische und physische Gewalt sowie der Ausschluss vom gesellschaftlichen Reichtum sind für Flüchtlinge und MigrantInnen in Deutschland alltägliche Normalität.
Verfestigt wird diese Normalität auch mit dem neuen "Zuwanderungs"-Gesetz. Dieses orientiert sich an wirtschaftlichen, d.h. kapitalistischen Erfordernissen. Nach Bedarf erhalten die Einen zeitlich streng befristete Aufenthaltsgenehmigungen unter vielfältigen Auflagen. Den Anderen wird die Einreise bzw. die Erlangung eines gesicherten Aufenthaltsstatus noch unmöglicher gemacht als bisher: geplant ist die Einrichtung von sogenannten Ausreisezentren (was einer Ausweitung der Abschiebehaft gleichkommt), die Abschaffung der Duldung, keine unbefristete Gewährung von Asyl, sondern eine permanente Abschiebedrohung durch erneute Prüfungen etc. Konsequenz dieser
Politik ist eine zunehmende Illegalisierung von MigrantInnen.

Auch in Dessau sind Flüchtlinge staatlicher Repression ausgeliefert. So sind willkürliche, diskriminierende Polizeikontrollen an der Tagesordnung. Immer öfter werden Flüchtlinge und MigrantInnen dabei Opfer dieser rassistischen Übergriffe. Mehrere Betroffene berichteten von wiederholten Polizeikontrollen ab 21 Uhr, behördlicher Ignoranz bei Hilfegesuchen und von körperlichen Misshandlungen durch Polizeibeamte auf offener Straße sowie im Polizeirevier.
Aufgrund dieser Zeugenaussagen ist nicht auszuschließen, dass auch Oury
Jalloh vor seinem Tod diese Repressalien zu spüren bekam.



In Gedenken an Oury Jalloh findet am 22.01.2005 eine Demonstration mit
Kundgebung unter dem Motto: „In Gedenken an Oury Jalloh – Für eine
unabhängige, schnelle Aufklärung des Todesfalls - Gegen staatlichen Rassismus und diskriminierende Polizeipraktiken“ statt. Treffpunkt ist 12.30 Uhr am Hauptbahnhof; dort wird die Demo 13 Uhr starten.


gez. Initiative Oury Jalloh


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Stellungnahme der Initative Oury Jalloh zum Tod von Oury Jalloh

Am 07.01.2005 berichtete die Mitteldeutsche Zeitung vom Tod des
Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Gewahrsamszelle des Dessauer
Polizeireviers. Laut Zeitungsberichten der MZ soll der Mann nachdem er
in Schutzhaft genommen war, auf Grund eines Brandes ums Leben gekommen
sein. Dort heißt es, dass die Zelle wenige Minuten vor Ausbruch des
Feuers kontrolliert worden sei. Der Polizeisprecher der Polizeidirektion
dessau erklärt, dass Beamte versuchten den Brand zu löschen, dies soll
jedoch wegen der starken Rauchentwicklung nicht möglich gewesen sein.
Ein technischer Defekt in der Zelle wird als Brandursache
ausgeschlossen; der feuermelder soll zu spät Alarm ausgelöst haben. Auch
die zuvor alarmierte Feuerwehr kam zu spätz, um den Brand rechtzeitig zu
löschen. Oury Jalloh ist tot.
Ist die Ursache nicht in einem technischer Defekt zu finden, muss es
sich entweder um einen "bautechnischen fehler" oder "menschliche
Unachtsamkeit" handeln. Bei "menschlicher Unachtsamkeit" kommt entweder
der in Schutzhaft genommene oder aber die anwesenden Beamten der Polizei
in Betracht. Da der Zellentrakt eines polizeireviers der Öffentlichkeit
nicht frei zugänglich ist, können Dritte für den Brand nicht
verantwortlich sein. Sinn einer festnahme ist es, einen Tatverdächtigen
Menschen handlungsunfähig zu machen, damit er keinen Schaden anrichten
kann. Von dem Moment an, in dem Beamte einen Tatverdächtigen in
Polizeigewahrsam nehmen, sind sie für seine Sicherheit verantwortlich.
Nicht der handlungsunfähig Mensch bestimmt über sein Wohlergehen,
sondern dafür bezahlte Polizisten.: Bei der Personenkontrolle vor
Antritt einer Schutzhaft, werden dem Tatverdächtigen alle Gegenstände
einschließlich Schuhen, tascheninhalt, Schmuck und Gürtle abgenommen.
Lediglich seine Kleidung darf ein Gefangener mit in die Zelle nehmen.
Dies geschieht zu seinem Schutz und dem anderer. Wurde der inhaftierte
vorschriftmäßig kontrolliert bevor er in die Zelle gebracht wurde, ist
davon auzugehen, dass er das Feuer nicht gelegt haben kann. Selbst wenn
ihm nicht alle Gegenstände abgenommen wurden, ist ein vorsätzliches
feuerlegen durch den Insassen auszuschließen: Da er gläubiger Moslem
war, ist ein Selbstmord ein Verstoß gegen die Glaubensregeln seiner
Religion und mit seinem Gewissen nicht vereinbar gewesen. Ein Selbstmord
ist also auszuschließen. Weiter ist danach zu fragen, wie es in einer
unmöblierten , gefliesten Gewahrsamzelle zu einer solch starken
Rachentwicklung kommen konnte, die ein rechtzeitiges Löschen des
Brandherdes unmöglich machte. Und warum schlägt ein Rauchmelder bei
starker Rauchentwicklung zu spät Alarm?
Gerade im Hinblick auf einen zwei Jahre zurückliegenden Todesfall im
Dessauer Polizeirevier, fordern wir die Ermittler auf, die
Unzuverlässigkeit der Dessauer Beamten nicht außer Acht zu lassen. In
Anbetracht dieser und weiterer Todesfälle ist danach zu fragen, welchen
Wert ein Menschenleben unter dem "Schutz" der Polizei hat. Darf es zu
solchen "Pannen" kommen?! Welche Konsequenzen zieht die Polizei aus
solchen "Fällen"? Höchstwahrscheinlich wird es zu einem
Disziplinarverfahren gegen die Beamten kommen - ein Verfahren auf dem
Papier, das keinesfalls dazu geeignet ist, körperliche Unversehrtheit
unter polizeilicher Obhut zu garantieren.



Links:

 http://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/1768243.html
 http://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/1764936.html
 http://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/1764936.html
 http://www.asp.sachsen-anhalt.de/presseapp/data/pddes/2005/004_2005.htm
 http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1105111341357
 http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1102778790818
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Ergänzungen