Protest gegen ambulante Zwangsbehandung

Ronald Kaesler 28.11.2004 22:28
Kaum ist die bundesweite Einführung der ambulanten Zwangsbehandlung vom Tisch, plant Bremen diese per Landesgesetz (Psych-KG) einzuführen. Andere Bundesländer könnten folgen, befürchten Betroffenorganisationen und rufen daher zu einer Demomonstartion am 8.12.2004 in Bremen auf und bitten um Unterstützung durch Protestbriefe an den Senator für Arbeit, Familie, Jugend und Soziales in Bremen unter: office at soziales.bremen.de
Im Rahmen der Disskussion um das Betreuungsrecht äußerte die Bundesregierung im Frühahr, dass die ambulante Zwangsbehandlung nicht Verfassunskonform sei.

Als "eine Gefahr für psychisch Kranke" bezeichnete Anne Lütkes, grüne Justizministerin von Schleswig-Holstein, die Klausel zur ambulanten Zwangsbehandlung damals in der taz.

"In der konkreten Umsetzung (ist die ambulante Zwangsbehandlung) mit ganz erheblichen Beeinträchtigungen der Würde, der Rechte und der Gesundheit der Betroffenen verbunden" erkläten damals die Bundestagsfraktion der Grüne, die sich als erste gegen die Pläne aussprachen. "Die Zuführung zu einer solchen ärztlichen Behandlung und ihre zwangsweise Durchführung könnten nach Ansicht der Politiker von Bündnis 90/Die Grünen "aufgrund der Art, Intensität und Häufigkeit der damit verbundenen Eingriffe (Aufbrechen der Wohnung, Fesselung der Betroffenen)" nicht generell als milderes Mittel gegenüber der nach geltendem Recht in Gefahrsituationen möglichen stationären Unterbringung angesehen werden."

Anlaß der jetzigen Bremer Initiative ist der Mord an einer Bremerin im vergangenen Jahr. "Schon seit den siebziger Jahren weisen Studien in unserem Rechtsstaat immer wieder nach, dass psychiatrieerfahrene Menschen weniger kriminell sind als der Durchschnittsbürger." heißt es dazu im Protsaufruf, der von zahlreichen Betreoffenenorganisationen ünterstützt wird.

Aus Protest gegen die Pläne soll am 8.12.2004 um 14.00 Uhr vor dem Senator für Justiz und Verfassung demonstriet werden. Ferner bitten die Betroffenorganisationen Protesschreiben an den Senator für Arbeit,Familie, Jugend und Soziales in Bremen zu richten (office at soziales.bremen.de).

---------

Bremen will Verfassungsbruch ! ! !


Im Bundesland Bremen gibt es einen neuen Entwurf zum Psychisch
Krankengesetz (PsychKG). Darin soll auch die Ambulante Zwangsbehandlung für "psychisch Kranke" erlaubt werden. Man will dies aufgrund zweier Morde, die von angeblich "psychisch Kranken" begangen wurden.

Wir wenden uns gegen die Ambulante Zwangsbehandlung, weil man nicht
aufgrund von krassen Ausnahmefällen die Rechte aller "psychisch Kranken"
beschränken kann. Im Bund wurde die Ambulante Zwangsbehandlung im
Betreuungsgesetz gestoppt, weil durch ein Rechtsgutachten nachgewiesen ist, dass die Ambulanten Zwangsbehandlung mit dem Grund-gesetz unvereinbar ist:  http://www.psychiatrierecht.de/gutachten.htm

Seit den siebziger Jahren weisen Studien in unserem Rechtsstaat immer wieder nach, dass psychiatrieerfahrene Menschen weniger kriminell sind als der Durchschnittsbürger. Wir wissen aus Erfahrung, dass die bundesdeutschen Psychiatrien voll sind mit Opfern aus kriminellen
Übergriffen. Die Erhöhung des Zwangs auch im ambulanten psychiatrischen
Bereich verschärft die schon problematische gesellschaftliche Randsituation der betroffenen Menschen.

Wir befürchten, wenn die Ambulante Zwangsbehandlung in Bremen durchkommt, andere Länder nachziehen werden. Es wird sehr schwer sein, das
Gesetz zu kippen, wenn es erst mal durch ist. Deshalb bitte wir Euch auch,
was gegen das Gesetz zu tun. Bitte wendet Euch an den Senator für Arbeit,
Familie, Jugend und Soziales in Bremen unter:  office@soziales.bremen.de

Wir rufen alle interessierten, betroffenen und nichtbetroffenen
Menschen auf, mit uns gegen die Einführung der ambulanten Zwangsbehandlung
am 8.12.2004, 14.00 Uhr vor dem" Senator für Justiz und Verfassung",
Richtweg 16-22 in Bremen zu demonstrieren.


Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener, BPE e.V., Landesverband
Psychiatrie-Erfahrener Bremen e.V., Landesarbeitsgemeinschaft
Psychiatrie-Erfahrener Niedersachsen e.V., (LPEN), Landesverband
Psychiatrie-Erfahrener NRW e.V., Projekt "Psychosoziale News" Delmenhorst,
Blauwahl e.V. Sulingen, Netzwerk PE Köln und Umgebung, LVPE Saar e.V.,
Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg e.V.,
Irren-Offensive e.V., Für alle Fälle e.V. Berlin, Hilfe für verletzte Seelen e.V. - PE-SHG im Kreis Herford, BIPE Lippe (Betroffeneninitiative
Psychiatrie-Erfahrene Lippe), VPE Bielefeld, "auf und nieder", Bünde

Kontakt: Ronald Kaesler (ronald.kaesler at ewetel.net)
Landesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener Niedersachsen e.V.
---------

Ärzte Zeitung, 25.05.2004


Bremen plant besseren Schutz vor psychisch kranken Gewalttätern

Betroffene sollen auch gegen ihren Willen medikamentös behandelt werden
dürfen

BREMEN (cben). Bremen will gewalttätigen psychisch Kranken auch gegen ihren
Willen Depot-Spritzen verabreichen dürfen, vorausgesetzt, ein richterlicher
Beschluß liegt vor. Das hat eine Arbeitsgruppe aus Justiz-, Sozial-, und
Innenbehörde vorgeschlagen.

Beschließt das Bremer Landesparlament, die Bürgerschaft, den Vorschlag,
nimmt die Stadt in der Frage der Zwangsmedikation von psychisch Kranken in
Deutschland die Vorreiter-Rolle ein. Bremens Sozialsenatorin Karin Röpke
will schnell Ergebnisse sehen.

Anlaß der Initiative ist der Mord an einer Bremerin im vergangenen Jahr. Die junge Frau hatte sich an die Polizei gewandt, weil sie sich von ihrer
psychisch kranken Nachbarin bedroht fühlte. Die Polizei griff nicht ein.
Kurz darauf wurde die Studentin von ihrer Nachbarin erstochen.

Um in Zukunft schneller handeln zu können, kann die Bremer Polizei psychisch auffällige Menschen bereits jetzt direkt an eines der vier psychiatrischen Behandlungszentren der Stadt melden, sagt Heidrun Ide, Sprecherin des Sozialressorts. Die Betroffenen können dann auch gegen ihren Willen ins Behandlungszentrum geschickt werden. Früher mußte noch zunächst ein Antrag an das Stadtamt gestellt, das seinerseits einen richterlichen Beschluß zur Einweisung des Betroffenen in die Psychiatrie einholte. Ide: "Ob die Einweisung in jedem Falle eine Hilfe ist, ist fraglich."

Setzt sich die Gesetzesinitiative der Bremer durch, könnte die Kranken in
den Gesundheitszentren auch bald gegen ihren Willen ambulant mit
Medikamenten behandelt werden, die zwei bis drei Wochen wirken. Das dafür zu
ändernde "Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten" (PsychKG) ist Ländersache. Also kann Bremen eigenständig
entscheiden. Voraussichtlich im Herbst 2004 soll die Bürgerschaft über den
Vorstoß entscheiden und den Vorschlag der Arbeitsgruppe in Gesetzesform
gießen.

--------

Grüne Forderung:

Keine ambulante Zwangsbehandlung im Betreuungsrecht!

Februar 2004

Bewegung kommt in die Diskussion um die Reform des Betreuungsrechts. So forderten jetzt der sozialpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Markus Kurth, und der rechtspolitische Sprecher der Fraktion Jerzy Montag in einer gemeinsamen Erklärung ''die Streichung der ambulanten Zwangsbehandlung aus dem Entwurf zur Reform des Betreuungsrechts''.

Auf Betreiben der bayrischen Staatsregierung sei der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Reform des Betreuungsrechtes ''mit einer Vorschrift befrachtet worden, nach der psychisch kranke Menschen künftig zu einer ambulanten psychiatrischen Behandlung notfalls mit Polizeigewalt gezwungen werden könnten''. Eine solche Maßnahme solle danach auch ohne das Vorliegen einer konkreten Gefährdungslage vom Betreuer des Kranken mit gerichtlicher Genehmigung veranlasst werden können.

Zur Begründung führen die beiden Bundestagsabgeordenten aus, das Spritzen von Psychopharmaka, notfalls unter Zwang, sei ''in der konkreten Umsetzung mit ganz erheblichen Beeinträchtigungen der Würde, der Rechte und
der Gesundheit der Betroffenen verbunden''. Deshalb sei der Vorschlag aus Bayern, ''höchst bedenklich''.

Die Zuführung zu einer solchen ärztlichen Behandlung und ihre zwangsweise Durchführung könnten nach Ansicht der Politiker von Bündnis 90/Die Grünen ''aufgrund der Art, Intensität und Häufigkeit der damit verbundenen Eingriffe (Aufbrechen der Wohnung, Fesselung der Betroffenen)'' nicht
generell als milderes Mittel gegenüber der nach geltendem Recht in Gefahrsituationen möglichen stationären Unterbringung angesehen werden.

Der Bundestag habe bei der Reform des Betreuungsrechtes von 1992 bewusst auf solchen Zwang gegenüber nicht behandlungswilligen Betreuten verzichtet, da er ihr Selbstbestimmungsrecht wahren wollte. Situationen, in denen tatsächlich eine Fremd- oder massive Eigengefährdung besteht, könne bereits nach geltendem Recht adäquat begegnet werden, einer zusätzlichen Handhabe im Betreuungsrecht bedürfe es hierzu nicht.

Dem in der Praxis manchmal beobachteten ''Drehtüreffekt'' - Patienten werden immer wieder stationär eingewiesen weil sie sich weigern, ambulant behandelt zu werden - sollte mit anderen Maßnahmen als mit einer Behandlung unter Zwang entgegengewirkt werden. Moderne Konzepte zur
Krisenintervention und vor allem eine engmaschige ambulante Betreuung von psychisch Kranken haben nach Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen Vorrang. Die Zwangsbehandlung (und auch die Drohung mit ihr) widerspreche Ansätzen zur Bekämpfung von Gewalt in der Psychiatrie, bei denen ein konsensuales Verhältnis zum Patienten angestrebt werde.

(Quelle: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen)

 http://www.sozialservice.de/article.php?sid=248&mode=threaded&order=0
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Alter Hut?

Honk 29.11.2004 - 16:11
Bin ich grad auf dem Holzweg? Die zwanghaft durchgesetzte Einweisung gem. PsychKG gibt es doch schon lange, oder???

Nach der Anordnung eines Amtsarztes kann diese auch durch die Polizei durchgesetzt werden. Meine ich nun was ganz anderes, oder wie?

Klärt mich auf!

erfahrungen

hamburger 29.11.2004 - 19:04
ich durfte diesen sommer selbst erfahren, wie es um die persönliche freiheit
eines psychisch kranken bestellt ist. ich wurde für 4 wochen gegen meinen willen festgehalten und mir wurden gegen meinen ausdrücklichen willen medikamente verabreicht.

Zwangseinweisungen in Kliniken

Heute 30.11.2004 - 15:19
Zwangseinweisungen in Kliniken sind nach Psych-KG und Betreuungsrecht möglich. Durchgänge Praxis und Meinung der Psychiater und Richter ist, dass damit auch die Erlaubnis zur Zwangsbehandlung erteilt sei. Es besteht aber auch die Rechtsauffassung, dass Patiententestamente, bzw. Patientenverfügungen vor Zwangsbehandlung in Klniken schützen.

siehe:
 http://www.antipsychiatrieverlag.de/info/voraus.htm

Eine ambulante Zwangsbehandlung ist nach einem Urteil des BGH nach Betreuungsrecht nicht möglich.

 http://www.bpe-online.de/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an