2002-2004 Wahlboykott/Montagsdemonstrationen

Grrr! 02.09.2004 05:53
Warum bei der Bundestagswahl 2002 die Aufrufe zum "Wahlboykott" richtig waren - und heute auch. Und warum 2002 auch "Montagsdemonstrationen" richtig gewesen wären - wenn es sie - wie 2004 - schon gegeben hätte!
Warum bei der Bundestagswahl 2002 die Aufrufe zum "Wahlboykott" richtig waren - und heute auch. Und warum 2002 auch "Montagsdemonstrationen" richtig gewesen wären - wenn es sie - wie 2004 - schon gegeben hätte!

Bei der Bundestagswahl 2002 riefen mehrere Gruppen bundesweit zum "Wahlboykott" auf, weil die konkurrierenden Parteienverbindungen keine wirkliche - und glaubwürdige - Alternative mehr boten zur längst alle Glaubwürdigkeit bei ihren Wählern verloren Koalition aus SPD und Grünen mit ihren sich abzeichnenden Hartz- und Rürup-Plänen.
Vor eine Wahlniederlage rettete die rot/grüne Regierung damals nur noch das Elbe-Hochwasser, der drohende Irakkrieg und das anbiederende Versprechen des PDS-Wahlkampfleiters Bartsch, wenn für den rot/grünen Machterhalt nötig wäre, auch eine rot/grüne Minderheitsregierung zu tolerieren.
Viele PDS-Wähler, die trotz anti-sozialer PDS-Beteiligung in Meck-Pomm und Berlin die PDS widerwillig noch einmal gewählt hätten, schlossen sich daraufhin dem Wahlboykott an und blieben zuhause.

Die Wahlbeteiligung sank - trotz eifriger Regierungspropaganda für eine Wahlbeteilung - um mehrere Prozentpunkte ab, der Wähleranteil der PDS sank ebenfalls ab, die PDS flog - zu Recht - aus dem Bundestag und Bartsch mußte Bundestagsmandat und sein PDS-Amt als Bundesgeschäftsführer abgeben.
Die rot/grüne Regierung konnte sich mit einem Wähleranteil von ca. 37 % - aller Wahlberechtigten - knapp behaupten und hatte 5 Abgeordnete über der absoluten Mehrheit.
Die PDS hatte 2 Direktabgeordnete und bekam von Rot/Grün nicht mal einen Katzentisch im Parlamentssaal - für ihre Arbeit - zugebilligt.
Petra Pau und Kollegin mußten fortan auf den Knien schreiben.

Das "Stoiber verhindern" der Linksruck-Häuptlinge vor der Wahl hatte nur verhindert, daß Stoiber, Merkel und Westerwelle die Hartzpläne Wirklichkeit werden ließen. So machten eben Stoiber & Schröder zusammen die Umsetzung von Hartz und Rürup.
Die Alternative Stoiber oder Schröder, rot/grün oder schwarz/gelb zeigte sich nach der Wahl sofort als Scheinalternative, denn alle Parteien zogen gemeinsam ihren Opfern das Fell über die Ohren.
Nur die PDS dürfte im Bund nicht am Fell mitziehen. Sie hatte sich durch vorauseilende Anbiederung selbst um Fraktion, Diäten und Arbeitstisch gebracht.

Hätte es vor den Wahlen 2002 massive "Montagsproteste gegen Sozialabbau" gegeben, gemeinsam mit Anti-Kriegsdemonstrationen, wäre der Angriff auf den Irak vermutlich doch durchgeführt worden - ob aber die Hartz- und Rürup-Pläne, die Steuersenkungen für die Besserverdienenden, Reichen und Unternehmen Wirklichkeit geworden wären, ist fraglicher.
Schröder - und auch Stoiber als Kanzler - nebst ihren Mittätern in Regierung, Fraktionen und Parteien - wären vorsichtiger gewesen, als sie es die letzten 2 Jahre waren.

Jetzt stehen wieder Wahlen an: Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen und Brandenburg und Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Und diesmal haben wir Montagsdemonstrationen im ganzen Bundesgebiet!

Nirgendwo ist bei den Wahlen eine glaubwürdige Alternative für die von Hartz- & Rürüp-Betroffenen zu sehen. Die PDS, die ihren anti-sozialen Kurs in Berlin und Mecklenburg - im Bunde mit der SPD - auch nach dem Rausschmiß aus dem Bundestag 2002 unbeirrt fortgeführt hat, verspricht sich satte Wählergewinne auf Kosten der SPD.
Doch was haben ihre Wähler davon, wenn sie zu den Opfern von Hartz und Rürup gehören und nicht zu den PDS-Mitarbeitern, die durch PDS-Wahlerfolge ihre Arbeitsplätze sichern können oder nun vielleicht sogar zu Diäten kommen?

Der PDS dazu zu verhelfen, daß sie in Brandenburg eine Koalition mit einer gebeutelten SPD nach Berliner Vorbild eingehen kann - und mit der gleichen anti-sozialen Politik? Was haben ihre Opfer davon? Gar nichts!
Oder läßt sich die PDS im Bund und in Berlin durch die Montagsdemonstranten etwa von ihrer Politik - gegen die Bevölkerung - abbringen? Nein!
Warum dann also wählen und "das Kreuzchen machen", obwohl es überhaupt keine positive Alternative für Hartz- & Rürup-Opfer bei den Wahlen gibt?

Darum bin ich für "Wahlboykott & Montagsdemonstrationen" und verschärfte Maßnahmen (Besetzungen, Boykottmaßnahmen und Streiks) bei den anstehenden Wahlen, bis es wieder lohnt zur Wahl zu gehen.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Wahlboykott ist nur zweitbeste Variante

Bernd Kudanek alias bjk 02.09.2004 - 11:02
Wenn wie bei mir die skrupellose gemeinschaftliche Abzocke durch die Politikerkaste der etablierten Parteien nur noch Zorn und Verdrossenheit hervorrufen, dann sollte mensch trotzdem unbedingt wählen gehen!

Und dann UNGÜLTIG wählen!

Denn damit hat man seinem Abscheu gegen die Ausplünderei durch diese Posten- und PfründejägerInnen eine Stimme gegeben, die nicht durch elitäre Lügen-Kommentatoren in den gleichgeschaltete Medien und Parteien mit dem Wetter oder der allgemeinen bequemen Sattheit der WahlbürgerInnen verniedlicht bzw. als bloße Wahlmüdigkeit umgelogen werden kann! Außerdem erhalten die Parteien, was ihnen sehr weh tut, für ungültige Stimmen KEINE anteilige Kopfgeldpauschale! Und die ungültigen Stimmen werden in die öffentliche und offizielle Wahlstatistik aufgenommen! - Genau das scheuen die etablierten Parteien wie der Teufel das Weihwasser. Indirekt kann durch solches konsequente Wahlverhalten sogar soviel Druck aufgebaut werden, daß trotz allen bisherigen Abscheu's und Widerwillen's der Spitzenfunktionäre in den etablierten Parteien die Dämme gegen Basisdemokratie und Volksentscheide endlich brechen werden!

Denn nur Basisdemokratie und Volksentscheide können dem neoliberalen Globalisierungsirrsinn Einhalt gebieten und die weltweite Umverteilung von unten nach oben stoppen bzw. rückgängig machen.

bjk

Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
Bei Unschlüssigkeit nicht das "kleinere Übel" oder gar nicht wählen
sondern ungültig wählen!

ungültige vs keine stimen

weist 02.09.2004 - 15:06
Sagt das statistische Bundesamt:

"Die ungültigen Stimmen werden in der Wahlbeteiligung berücksichtigt, da diese unabhängig von der Zahl der gültigen Stimmen allein anhand der abgegebenen Stimmen ermittelt wird.

Die ungültige Wahl hat darüber hinaus keinerlei Auswirkungen auf die Parteienfinanzierung.
Nach § 18 Abs. 1 PartG (Parteiengesetz) ist Maßstab für die Verteilung der staatlichen Mittel der Erfolg, den eine Partei bei den Wählern bei Europa-, Landtags- oder Bundestagswahlen erzielte, die Summe ihrer Mitgliedsbeiträge sowie der Umfang der von ihnen eingeworbenen Spenden.

Für den Erfolg, den eine Partei bei den Wählern erzielte, sind allein die gültigen Stimmen maßgebend, vgl. § 18 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 3 PartG.

Dies ergibt sich auch daraus, dass es für die Verteilung der Sitze im Bundestag keinen Unterschied macht, ob eine Stimme ungültig war oder nicht gewählt wurde.
In beiden Fällen werden diese Stimmen nicht mit in die Verteilung der Abgeordnetensitze nach der Berechnung nach Niemeyer berücksichtigt.
Auch eine ungültige Stimme wird nicht mehr bei der Berechnung des Wahlergebnisses berücksichtigt, da die Sitzverteilung allein anhand der gültigen Stimmen vorgenommen wird.

Ungültige Stimmen werden im Rahmen der staatlichen Parteifinanzierung nicht berücksichtigt!

Eine politische Einflussnahme ist weder durch die Nichtwahl noch durch die ungültige Wahl möglich."

Konkret: was habt IHR persönlich wahrgenommen? Wahlbeteiligung oder ungültige Stimmen? Letztere tauchen in der detaillierten Statistik (auf der HP der Wahlleitung und evtl auf der der gewählten Gremien) auf, und vielleicht in irgendeinem Amtsblatt. Erstere findet sich in jeder besseren Fernsehsendung und in jeder Tageszeitung bis zur BILD. Ungültig wählen *erhöht* also die Zahl, die von weitaus mehr Menschen wahrgenommen wird, *zugunsten* der Herrschenden.

Für die Wahlkampfkostenerstattung sind weder ungültig noch nicht wählen relevant.

Bringt eins von beidem überhaupt etwas?

Das EU-Parlament wurde gewählt bei einer Beteiligung von weit unter 50%. Damit ist es streng genommen *nicht* in irgendeiner Weise legitimiert, die sich guten Gewissens als 'demokratisch' bezeichnen läßt. Schert das jemanden? Nein, es werden weiterhin vom EU-Parlament irgendwelche sinnvollen oder sinnlosen Gesetze erlassen, und wer sie nicht befolgt, kriegt Streß mit Team Green.

Dazu kommt noch, daß von linken Nicht- oder Ungültigwähl-Aufrufen momentan nur eine Gruppe de facto profitiert: Faschoparteien. Appelle, nicht wie von den Herrschenden vorgesehen wählen zu gehen, fallen mittlerweile ja auch bei CDU/SPD-Klientel auf offene Ohren, bei Leuten, die irgendwelche K-Parteien wählen würden, ebenfalls; die einzige Gruppe, die wirklich resistent dagegen ist, ist das Klientel von REP, NPD, Offensive D (Schillpartei) etc pp. Vielleicht noch die FDP, die ja mittlerweile auch gezielt im braunen Sumpf wildert. Eine Verringerung der Zahl gültiger Stimmen betrifft diese Gruppen also überproportional NICHT.

Andererseits ist es natürlich eine moralische Frage: wenn ich schon sage, daß ich dieses politische System massiv kritikwürdig finde, warum sollte ich dann nach seinen Regeln spielen?

Letzten Endes bleibt festzustellen:

a) ob du als Individuum irgendeine Partei, nicht oder ungültig wählst, spielt de facto keine Rolle. Die Masse macht's, aber die läßt sich nicht auf eine dieser 3 Möglichkeiten reduzieren. Wie das EU-Parlament zeigt, werden formell angreifbare Wahlergebnisse ohnehin erst mal nicht berücksichtigt.

b) es hängt also letzten Endes davon ab, was dir wichtiger ist: deine moralische Integrität vor dir selbst und deinen Freunden zu wahren (denn außerhalb dieses privaten Umfeldes interessiert es letztlich keine Sau, wie du zu Wahlen stehst), oder (manchmal) Rechtsextremen nicht noch mehr Möglichkeiten (vor allem: sehr schwer angreifbare Möglichkeiten - einen Aufmarsch 'freier Kameradschaften' kriegt man in den Griff, kann ihn vielleicht sogar verhindern oder doch zumindest untergehen lassen. Sitzen die Typen erst mal im Parlament, dürfen sie ungehemmt ihr Gift verspritzen, und werden dafür auch noch von der Allgemeinheit bezahlt, können auf einen bestehenden Propagandaapparat zugreifen, haben besseren zugang zu bürgerlichen Medien und gewinnen an Respektabilität und Massenappeal) zu bieten, sich zu profilieren.
aber das ist sehr situationsabhängig: gibt es eine 5%-Klausel, wird meist allenfalls die FDP der lachende Gewinner sein etc.

Die ganze Debatte wird jetzt ohne feststellbaren Effekt auf die politische Entwicklung seit vielen Jahren innerhalb linker und bürgerlicher Kreise - nicht aber unter Faschos, und das sollte zu denken geben: diese Typen scheinen Wege gefunden zu haben, das parlamentarische System zu ihrem Nutzen einzuspannen - geführt. Sie illustriert bestenfalls eins: daß die Realität sich kategorisch weigert, irgendeiner Theorie zu folgen.

"Schröder - und auch Stoiber als Kanzler - nebst ihren Mittätern in Regierung, Fraktionen und Parteien - wären vorsichtiger gewesen, als sie es die letzten 2 Jahre waren"

Nein. Wieso? Wegen den paar Leutchen, die realistisch mit einer solchen Kampagne umgestimmt werden? Du brauchst (auf Bundesebene) 10-20 MILLIONEN. Und Stiober? Der hätte allenfalls eine 'Gefahr für die öffentliche Ordnung' herbeiphantasiert und die Panzer rollen lassen... allein die Tatsache der Montagsdemos, die sich nicht spalten oder kleinreden lassen, läßt einige der Politpsychos ja schon von einer 'Entdemokratisierung' reden. Demos = Entdemokratisierung. Hurra. Wer so tickt, gehört ins Exil, nach Südgeorgien (either one) oder so.

Soviel zur Argumentation über (Nicht)teilnahme an Wahlen und wie das aussehen könnte. Allgemein und EXPLIZIT NICHT als Positionierung oder Entscheidungshilfe* zu dieser Frage zu verstehen:

Es ist witzlos, aus Hartz den Schluß zu ziehen, es gäbe keine Unterschiede zwischen dem politischen Mainstream. Erstens reagiert de facto eine 4-Parteien-Koalition (über den Bundesrat - die CDU ist mittlerweile sehr erfinderisch und erfolgreich, wenns darum geht zu begründen, warum ein Gesetzesentwurf auch die Länder betrifft), was die ohnehin kleinen Unterschiede weiter verwischt, und zweitens gibt es schon Unterschiede zwischen rotgrün(schwarzgelb) und schwarzgelb-in-allen-Instanzen:
Mit Stoiber statt Schröder hätten wir
ein paar neue Atomkraftwerke im Bau
Gentech-Pflanzen ad libitum
ein paar Dutzend tote BW-Soldaten (Irak)
ein paar von der BW abgeschlachtete DemonstrantInnen bzw gar keine Montagsdemos, weil eine massive Truppenparade reicht, um den Leuten Flausen wie 'demonstrierengehen' für längere Zeit ausztutreiben
ein oder zwei islamistische Terroranschläge (wegen Irak), wahrscheinlich wieder mal auf Synagogen (und die Reaktion wäre gewesen: 'die Juden sind dran schuld; ohne Juden kein Islamistenterror'. Deutsche sind immer noch so: immer warens die anderen)
Jeder 'auffällige' Linksaktivist wäre in 'ner Gendatenbank; die linksmilitante Szene wäre entweder im Knast oder ins Bürgerliche geflüchtet oder in den terroristischen Untergrund abgetaucht.

Der Punkt ist: der Optimismus, es 'diesmal endlich zu schaffen' (der ja auch gut begründet ist), sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Reaktion ihre Kräfte ebenfalls sammelt. Natürlich, denn die Stoibers und Schills wissen, was ihnen im Falle eines gesellschaftlichen Wandels nach Links droht: ihre verschissenen Fressen könnten sie nicht mehr öffentlich zeigen, sondern müßten elend und unbeachtet den Rest ihres Lebens in irgendeiner dämlichen Datsche aussitzen. Und im Gegensatz zur Linken war die Rechte nie zimperlich, wenns um die Anwendung von unverhältnismäßiger Gewalt geht. Deutschland ist nicht die USA - wenn die Reaktion an die Macht kommt, ist alles verbockt, denn es gibt hier einfach keine bedeutende zivilgesellschaftliche Gegenbewegung, die eine Diktatorisierung des Landes verhindern würde (Bush hat als 'Kriegspräsident' quasi-diktatorische Rechte, aber es wäre unpopulär, wenn er seine Schlägertrupps nicht bloß in Camp X-Ray oder Abu Ghraib wüten lassen würde, sondern auch gegen Oppositionelle im eigenen Land. Die USA haben eine *demokratische* Kultur im wahrsten Sinne des Wortes. Deutschland hat lediglich eine Kultur, den Schwanz einzuziehen und zu beten 'bitte nimm meinen Nachbarn mit, nur nicht mich'.

* denn wenn ihr euch DAVON beeinflussen laßt, dann habt ihr echt die Regierung verdient, die ihr bekommt ;-P

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

@weist — H.W.D.P.

@h.w.d.p. — weist