Wunsiedel '04 - Eine Einschätzung [Erst-VÖ]

E.G.A.L. 23.08.2004 15:30 Themen: Antifa
Realistisch gestecktes Etappenziel erreicht - Nervositäten auf Nazi-Seite - Erfreuliche Ansätze einer neuen alten Antifa-Bewegung
Es war in diesem Jahr klar, dass es nicht darum ging, den Nazi-Aufmarsch in Wunsiedel zu verhindern - und dass es auch keinen Sinn machen würde, das als Parole auszugeben. Einziges Ziel konnte und sollte sein, überhaupt wieder Präsenz vor Ort zu zeigen und damit einen Boden für die erfolgreiche antifaschistische Arbeit in den nächsten Jahren zu schaffen. Bei mehreren bundesweiten Vorbereitungstreffen gelang es, sich auf das Konzept zu einigen, keine bundesweite Demo in Wunsiedel anzupeilen, sondern - mit Einbindung örtlicher und regionaler Kräfte - eine abgesicherte Kundgebung in der Ortsmitte durchzuführen. Die bundesweite Antifa-Mobilisierung sollte hierbei situationsangemessen gefahren werden. Vordergründige Überlegung dabei: Wie viele Menschen und wer läßt sich zu einer ganztägigen Laberkundgebung - umgeben von Faschos, aber ohne beabsichtigten Feindkontakt - ziehen... Dieses antifaschistische Etappenziel ist in ganzer Breite aufgegangen! Die Antifa-Präsenz war ganztägig unübersehbar; in Wunsiedel stellte sie sich in der gewünschten Breite mit gewünschter gegenseitigen Akzeptanz und Respekt dar. Die nötige Ausdauer war vorhanden; die örtlichen und regionalen Kräfte hatten in beeindruckender Kleinarbeit eine Grundlage geschaffen, die noch 2003 völlig verloren schien. Antifa-Busse aus verschiedensten Regionen bundesweit erschienen noch bei den ersten Vorbereitungstreffen als höchst unrealistisch!!!

Die Nazis ihrerseits - im sicheren Gefühl, die gesamte Region um Wunsiedel für diesen einen Tag im Jahr als national befreite Zone durchsetzen zu können - reagierten ganztägig äußerst nervös. Dabei sind auch die (mehr schlecht als recht versuchten) Angriffe gegen Antifas - bei der Anreise und im Ort selbst - in erster Linie als erfolgreiche Störung der Nazi-Aktionen zu werten. Eine Riesenschlappe sind sie bei den Zahlenverhältnissen jedenfalls nicht! Die Disziplin und Homegenität der Nazis hat sich bei den kleinsten Anzeichen von Widerstand in Luft aufgelöst. Dass es bereits im Vorfeld und auch am Tag selbst zu höchst gelungenen Antifa-Aktionen gekommen ist, hat dazu ganz erheblich beigetragen. Die kurze Alleinherrschaft über Wunsiedel ist für die Nazis vorbei - das spüren sie und verfallen in altbekannte Konfusion.

Eine Farb-Aktion gegen das Hess-Grab. Erfolgreiche militante Aktionen gegen anreisende Nazis. Erfolgreiche militante Gegenwehr auf der Strasse. Selbstbewußtes Auftreten von Kleingruppen. Subversives Auftreten in chaotischen Situationen. Entschlossenheit und Zusammenhalt in der Breite. Das sind Eindrücke, die doch arg an die goldenen Antifa-Jahre zu Anfang der Neunziger erinnern - und die für zukünftige antifaschistische Arbeit aus Wunsiedel'04 mitgenommen werden können und sollen. Am meisten beeindruckt hat sicherlich die Zusammensetzung der anwesenden Antifas in Wunsiedel selbst. Neben dem bereits erwähnten störungsfreien und aufeinander abgestimmten Nebeneinander verschiedener Strömungen war die Bedeutung und die wahre Mobilisierungskraft, die Wunsiedel für die Antifa-Bewegung in sich trägt, zu sehen und spüren. Insbesondere das Auftreten vieler älterer Gruppen und Personen, die sich teils schon lange - aus welchen Gründen auch immer - aus weiten Bereichen der alltäglichen Arbeit zurückgezogen haben, war beeindruckend. Es hat sich gezeigt, dass weder Strömungsdebatten noch die Organisierungsfrage eine Rolle für erfolgreiche antifaschistische Arbeit spielen - sondern einzig die Überzeugtheit und Entschlossenheit der Gruppen und Leute, die sie machen. Teilweise ist so offensiv und selbstbewußt agiert worden, dass man die reale Situation und die Zahlenverhältnisse kurzzeitig vergessen konnte. Vielleicht war es gerade das, was ein Besinnen auf die eigene Stärke möglich gemacht hat. Das ganze hatte auch (jedenfalls nach außen...) keinen Pop-Charakter. Es waren mal wieder mehr Hassis und Stücke Holz als pinke Schleifchen und Digitalkameras im Reisegepäck. Und: Nazis sind immer und überall angreifbar! Wunsiedel'04 sollte als Startschuß der autonomen Antifa gesehen werden. Für eine gesunde Rückkehr in die 80er und frühen 90er. No Nazis!

Bevor der Pathos siegt: Nach Wunsiedel ist vor Wunsiedel - und bis dahin gibt's genug zu tun.
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Ergänzungen

realität verloren?

bobby 23.08.2004 - 16:14
tja, der verfasser scheint wohl die realität verloren zu haben.

michts war an diesem tag möglich. die bullen MUSSTEN ab 11 h zu unserem schutz sperrgitter aufstellen damit die faschos uns nicht überrennen. ihr standet auf dem marktplatz, umgeben von bullen und sperrgittern. ab 12 h wurden keine antifaschistInnen mehr auf den platz gelassen weil die bullen nicht mehr zwischen antifa und nazis unterscheiden konnten. zeitweise waren mehr als 500 faschos an den sperrgittern und in einer bullenabsperrung 300 meter weite nochmal die gleiche anzahl.

meine meinung ist dass wir klar verloren hätten wenn keine bullen da gewesen wären. mensch sollte froh sein dass nicht mehr passiert ist.

resonanz: es war mehr als dürftig was da gewesen war aber das war ja von vornherein klar das die faschos mit 5000 + auftreten werden.

kundgebung und präsenz war gut, aber mehr?! ne, bestimmt nicht...

Super Artikel

Lammy 23.08.2004 - 16:47
Auch wenn einige Leute wieder versuchen werden alles mies zu machen. Wunsiedel war ein voller Erfolg. Dem Autor kann ich in vollen Zügen zustimmen. Wenn wir wieder wie Anfang der Neunziger mit voller Kraft nach Vorne blicken, dann haben wir eine gute Möglichkeit diesem braunen Treiben ein Ende zu bereiten.

naziautos in frankfurt/main geschrottet

abschlepp-team 23.08.2004 - 17:36
Neun Autos von Neonazis auf Parkplatz demoliert
fr 23.08.04


Frankfurt · 22. August · ric · Mindestens neun von Neonazis abgestellte Autos sind am Wochenende in Höchst stark beschädigt worden. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, waren die Fahrzeuge auf dem Parkplatz der Jahrhunderthalle abgestellt worden. Die Rechtsradikalen hatten dann ihre Fahrt ins oberfränkische Wunsiedel per Bus fortgesetzt. Dort demonstrierten sie am Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß.

Den Schaden nahm ein Streife am Samstag um 17.30 Uhr auf. Unbekannte Täter hatten die Fahrzeuge offenbar aus politischen Gründen demoliert. Die Autos wurden mit einer ätzenden Flüssigkeit übergossen, die Reifen zerstochen und Bauschaum in die Aufpuffrohre eingesprüht. Böse Überraschung für die Besitzer dann, als sie bei ihrer Rückkehr den Schaden entdeckten. Doch nicht sie, sondern ein Abschleppunternehmer rief die Polizei.

@bobby und ähnliche

Antifa 23.08.2004 - 17:46
Die Bullen haben also die Antifas vor den Nazis beschützt?

Nur zur Info: Der einzige verletzte Antifa von dem ich Kenntnis habe wurde von Bullen so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus musste. Die Bullen hatten ihn dadurch gerettet, indem sie ihm nachdem er Nazi-Messerstechern entkommen konnte, ein Bein stellten und verprügelten.

Und 5000+ Nazis warens auch nicht, sondern bis 5000.

Und überhaupt mal wieder ein netter Versuch von Nazi-Propagandaabteilung.

lööööschen...

Selbstkritik!?

abc 23.08.2004 - 18:28
Am Wochenende fand einer der größten Nazi-Aufmärsche nach dem Zweiten Weltkrieg statt und einige Kellerkinder reden von einem vollen Erfolg für die Antifa. Die angebliche "Einbindung örtlicher und regionaler Kräfte" sah so aus, dass aus Bayern selbst fast keine Antifa-Gruppen erschienen waren und dafür Gruppen u.a. aus dem über 600 Kilometer entfernten Berlin einspringen mussten. Die Nazis liefen noch vor Beginn ihrer Demo in 2er und 3er Grüppchen durch die "demonstrierenden" Antifas. Schlimm genug, dass sie sich sowas mittlerweile überhaupt trauen! In den 80ern und zu Beginn der 90er Jahre wäre das sicherlich anders ausgegangen. Die Antifa agierte wie es für zahlenmäßig unterlegene Parteien üblich ist, aus dem Hinterhalt mit überschaubaren Aktionen vor und während der Anreise der Nazis. Die Nazis wirkten aufgrund der überraschend hohen Teilnehmerzahl sehr behäbig und konnten dementsprechend nur langsam reagieren.

wo war der mensch

realist 23.08.2004 - 20:06
man kann sichs natürlich auch schön reden und genau das scheint hier der fall zu sein. also ich war ebenfalls dort und kann mich nur einigen anderen hier meinungsmäßig anschließen. wunsiedel war und ist als nahezu totales debakel zu bewerten. lediglich die bürgi´s ham diesma ausnahmsweise mal was auf die beine gestellt. übrigens sehr lobenswert, kommen sie doch sonst eher schlecht weg mit ihren aktionen. die grün-weiße abteilung war trotz hubi unkoordiniert und ihre anzahl wirkte geradezu lächerlich im verkleich zu den nasen. teilweise war nicht ein bulle auf mehrere 100 m demozug zu sehen. hätten die nasen gewollt die hätten uns und wahrscheinlich die ganze beschissene stadt rocken können. man kann von glück sagen das sie lieber ihren pseudotrauermarsch abhalten wollten.

FAZIT:

lasst uns lieber mit der schönfärberei und selbstbeweihräucherung aufhören und uns lieber was effektiveres für nächstes jahr ausdenken.

Nächstes Jahr...

aa 23.08.2004 - 20:09
...kommen auf jeden Fall auch noch einige Leute aus dem Norden (mich eingeschlossen), die 2004 in Bramsche oder Hamburg waren. Wäre aber schön wenn dann auch noch mehr Leute aus Bayern selbst kommen würden - Nürnberg hat doch z.B. eine recht starke (autonome) Linke und dort war es ja anscheinend auch möglich rund 4000 Leute gegen den Naziaufmarsch ("Nie wieder Reichsparteitage!") zu mobilisieren oder nicht...

klein, fies und gemein

berliner 23.08.2004 - 22:17
Ich würde niemandem einen Vorwurf machen, weil er Angst hatte und den ganzen Tag bei der Kundgebung war, und erst wieder froh war, als man Wunsiedel hinter sich gelassen hatte. Ich hatte auch Angst, wenn man mal überlegt, was alles passiert wäre, wären die Zahlenverhätnisse andersrum gewesen... ich hatte aber auch keine Lust jetzt 9 Stunden in Wunsiedel rumzusitzen und Angst zu haben. Nachdem wir die Faschos auf dem Marktplatz zurückgeschlagen haben, war dann auch genug Selbstvertrauen da, um das Konzept "Angriff ist die beste Verteidigung" auszuprobieren. und Frechheit siegt bekanntlich. ;-) meine Angst war dann irgendwann jedenfalls weg. Vielleicht kann der eine oder andere das beim näxten mal auch ausprobieren.

Um nochmal von der Fixierung auf die Berliner wegzukommen, es waren nicht nur die Berliner die da alles gerockt haben, einen ziemlich großen Anteil hatten Antifas aus Gebieten, wo sie eigentlich eh gewohnt sein müssten in Unterzahl zu sein. Wahrscheinlich sind die deswegen auch selbstbewusser aufgetreten, als so mancher Metropolenantifa.

Ach und natürlich wollen die Nazis lieber ihrer Trauermarsch abhalten, genau das ist der Punkt wo wir ansetzen können. Wenn da mehr von uns kommen, müssen sie irgendwann reagieren, und dann kann es gut sein, dass es sich dann auch hat mit Demos in Wunsiedel in Zukunft , oder sie werden halt einstecken müssen. Auf jeden Fall sollte es mit der Ruhe für sie in Wunsiedel jetzt vorbei sein.

Ich werde näxtes Jahr

Stinkefuß 24.08.2004 - 03:39
auf jeden Fall auch dabei sein. Und ein Haufen meiner Freunde auch. Komme aus Süddeutschland und ehrlich gesagt war meine Einschätzung (und auch die meiner Freunde) die, dass es sowieso ein fürchterliches Debakel wird (Erfahrung der letzten Jahre). Im Nachhinein könnte ich mir dafür in den Arsch treten. Wer rechnet schon mit halbwegs ausgeglichenen Zahlenverhältnissen, es reicht für den Anfang ja erstmal wieder sichtbar zu agitieren in diesem Nest. Also näxtes Jahr mit neuem Schwung und mehr Leuten ab in die bayrische Provinz... kein ruhiges Hinterland.
Dank noch mal an die, die weite Wege auf sich genommen haben, bei uns wurde das alles falsch eingeschätzt..we see us next year!!

ich hatte einen traum

martin luther king 24.08.2004 - 09:01
man sollte den obigen artikel mit:
"ich atte einen traum"
übertiteln.
es gab ganz nette ansätze, aber leider auch nict mehr. wir haben den birnen gezeigt das wir ihnen wunsiedel nicht gänzlich überlassen sondern den marktplatz besetzen, aber mal ehrlich solche schönfärbereien brauchen wir wirklich nicht. wenn ich dann noch so sachen lesen wie "halbegs ausgeglichenes zahlenverhältnisse" weis ich nicht was mancher nachts träumt. lasst uns auf das stolz sein was wir gemacht/gezeigt haben aber nicht legendenden spinnen.

auch was zu sagen

ANNA NYM 24.08.2004 - 19:13
also ich finde auch das die verschiedenen nazigegner gut zusammen gearbeitet haben

z.B. waren angereiste ANTIFAS auf der Bürgerdemo laut Ausage des Bürgermeisters unerwünscht

ich war selbst auch 2002 in wunsiedel und eine tolle verbesserung der lage dort konnte ich nicht feststellen ausser das man sich dieses jahr anpflaumen lassen mußte wenn man ideen geäussert hat was zu unternehmen
2002 haben wir wenigsten versucht strassen zu blockieren

NEIN nicht die ANTIFA sondern der Bürgermeister besetzt die stasse aber auf der antifademo wurde nur gesagt wir können ja nichts tun wir sind zu wenige ich finde es peinlich wenn ein bürgermeister und die bürger von wunsiedel radikaler und entschlossener gegen die nazis vorgehen als wir


bei dem naziübergiffen am marktplatz haben ca 30 ANTIFAS ( und zwar nicht nur die stadtkinder sonder durchaus mit aktiven bayerischen landeiern die nazis zurückgeschlagen) trotzdem bin ich sehr froh das leute aus Berln hammburg und so weiter da waren vielen dank für eure unterstüzung und danke an die eigenen leute aus münchen und so danke fürs nicht erscheinen

ich hoffe auf mehr unterstützung im nächsten jahr und wieder eine entsclossene ANTIFA die wirklich die 80er aufleben lassen wollen

gebt den NAZIS die Strasse zurück
STEIN für STEIN

Startschuss

Xeroxs 05.09.2004 - 09:13
Für was soll W. Startschuss gewesen sein? Etwa das das jetzt überall so läuft wie in W. Eine greuenhafte Vorstellung, jdenfalls für Leute die keine Nazis sind. Die 80er und frühen 90er sind vorbei! Gestern war in Hamburg und Jena Aufmarsch. Es gab Protest, aber eigentlich blieb es weitgehend ruhig. Jedes Wochenende mehrere Aufmärsche die Gegenaktionen werden auch nicht mehr. Weil im Osten z.B. der Krampf gegen Hartz4 entbrannt ist.

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