Der Widerstand gegen Hartz IV

Max Brym 21.08.2004 15:44
"Die Montagsdemonstrationen haben das politische Klima in Deutschland verändert".


Erstveröffentlichung
Montagsdemonstrationen

Der Widerstand gegen Hartz IV

Die Montagsdemonstrationen haben das politische Klima in Deutschland verändert. Eine Massenbewegung gegen Hartz IV hat sich formiert. Die Bewegung steht nicht unter Kontrolle des Bürgertums. Dennoch ist die weitere Entwicklung der "Protestbewegung" offen. Zu dem Themenkomplex einige Thesen und Gedanken.


Thesen und Gedanken zu den Montagsdemonstrationen

These 1: Die Demonstrationen gegen Hartz IV sind gerechtfertigt. Millionen Menschen werden durch Hartz IV absolut verelenden, Widerstand gegen das "Armutsprogramm" ist legitim. Durch staatlich diktierte Zwangsarbeit steht der Status des "freien Lohnarbeiters" für hunderdtausende zur Disposition.

These 2 : Kanzler Schröder hat seine Kanzlerschaft an die Durchsetzung von Hartz IV gekoppelt. Das Kapital sieht in Schröder den "eisernen Staatsmann", der "das Notwendige tut" ohne allzu viel Rücksicht auf die Existenz der eigenen Partei zu nehmen. Die Auseinandersetzung um Hartz IV ist ein realer klassenpolitischer Konflikt. Es steht die Frage, ob Kapital und Regierung ihre Offensive gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung ungehindert fortsetzen können oder nicht.

These 3 : Die bürgerlichen Medien und die Regierung starteten eine gigantische Offensive gegen die Montagsdemonstrationen. In der Kampagne wird Ost gegen West, "Arbeitnehmer" gegen den Arbeitslosen sowie "Inländer" gegen "Ausländer" ausgespielt. Das Prinzip: "Teile und herrsche" soll wirken. Die Beschimpfung und Verleumdung der Demonstranten ist angesagt.

These 4 : DGB-Chef Sommer warnt vor "extremistischen Kräften" auf Seiten der Demonstranten. Damit versucht Sommer die verräterische Abstinenz weiter Teile der Gewerkschaftsbürokratie zu rechtfertigen. Sommer setzt sich in ein Boot mit den unsäglichen Totalitarismustheoretikern, für die bekanntlich der Nazismus dasselbe ist wie der "Linksextremismus". Die bürgerlichen Totalitarismuskritiker suchen begierig nach realen Nazis, um die Demos als "rotbraune" Soße abzuhandeln.

These 5 : Selbstverständlich versuchen nazistische Demagogen, den sozialen Protest in rassistische und antisemitische Bahnen zu lenken. Dabei mussten sie in den meisten Städten Niederlagen hinnehmen. Nazistische Schmutzseiten wie "AlterMedia" oder das "Störtebeker Netz" bejammern diesen Fakt hinlänglich. Dennoch werden faschistische Gruppierungen nicht aufgeben, um den sozialen Protest gegen Regierung und Kapital in ihrem Sinne umzumodeln. Dagegen gilt es Wachsamkeit an den Tag zu legen und klarzustellen: Nazis haben nichts mit dem gerechtfertigten Widerstand gegen die Politik der sozialen Kälte zu tun. Sie sind der extremistische Wurmfortsatz der spätkapitalistischen Gesellschaft. Die Prinzipien der bürgerlichen Warengesellschaft, das "jeder ist sich Selbst der Nächste, jeder gegen jeden" oder der "Stärkere frisst den Schwächeren", werden von den Nazis rassistisch auf die Spitze getrieben. Der honorige bürgerliche "Antifaschist" und Sozialdemokrat ist mit der Haltung, die Lasten der kapitalistischen Krise nach unten abzuwälzen, der Wegbereiter nazistischer Demagogie. Demzufolge kann und darf es keine Zusammenarbeit mit bürgerlichen Parteien gegen die Nazis geben. Die Linke muss selbsttätig den Nazismus bekämpfen und den sozialen Protest gegen Kabinett und Kapital mit den Menschen gestalten.

These 6 : Die Montagsdemonstrationen haben das "Sommerloch" gefüllt. Die "neue Stärke" der PDS ( bei allen Vorbehalten gegen deren "Sozialdemokratismus"), die Debatte über die Wahlalternative zeigt, dass die Montagsdemonstrationen Parteien und Gruppierungen vorläufig stärken, die hierzulande als "Links" gelten. Das liegt auch auf der Hand, denn die Demonstrationen richten sich gegen soziale Zumutungen durch die "eigene Regierung". Die Rebellion gegen Hartz IV ist demzufolge gut und nicht schlecht. Selbstverständlich haben nicht allzu viele Teilnehmer an den Demonstrationen ein "marxistisches Bewusstsein". Obwohl der sozialdemokratische Professor Peter Glotz "Reste von marxistischer Indoktrination" am Werke sieht.

These 7 : Hartz IV bedeutet für viele Millionen Menschen soziale Enteignung sowie den Verlust jeglicher Lebensperspektive. Zudem attackiert Hartz IV die gesamte Arbeiterklasse. Die Verkaufsbedingungen der Ware Arbeitskraft werden im Interesse der kapitalistischen Verwertungsbedingungen extrem verschlechtert. Wer sich als "Linker" hier nicht engagiert und nicht versucht gestaltend tätig zu werden, hat sich disqualifiziert.

Max Brym

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Ergänzungen

Hartz-Gesamtkonzept

Unwissender 21.08.2004 - 17:53
Gibt es eine Gesamtübersicht zu den Hartz-Veränderungen (welche schon waren, welche kommen sollen und wie man sich die Kreuzresonanz der einzelnen (De-?)Reformen vorstellt?

Indem ausschließlich der Punkt "HartzIV" betrachtet wird, kann ich zu keinem wirklich rationalen Schluß kommen. Ein Teil eines Gesamtkonzepts ist nunmal nicht das Konzept. Und auch die Reihenfolge, mit der die Veränderungen in die politische Realität gebracht werden sollen wird nicht ganz ohne Motivation vonstatten gegangen sein. Da würde ich gerne nachforschen, bin jedoch weniger der Meistergoogeler (bisher keine brauchbaren Ergebnisse erhalten).

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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