D-Day und "Patriotismus"

Max Brym 05.06.2004 16:24
Zu Schröders Auftritt in der Normandie.

Erstveröffentlichung
D-Day und "Patriotismus"


Gerhard Schröder nimmt an den Feierlichkeiten anläßlich des sechzigsten Jahrestages der alliierten Landung in der Normandie teil. Der Kanzler nennt seine Einladung: „Eine unglaubliche historische Geste“. Am Sonntag den 6. Juni wird er als erster deutscher Kanzler, die Gedenkfeier in Frankreich mit seiner Anwesenheit beehren. Schröder wird der Invasion zusammen mit den Präsidenten von Frankreich, Russland und den USA,Chirac, Putin und Bush gedenken, außerdem mit der britischen Königin Elizabeth und Premier Blair. Der Kanzler überschlägt sich geradezu vor Begeisterung, er sagte: „Das kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es zeigt, dass die Nachkriegszeit endgültig vorbei ist“.

Der Haken bei Schröder

Der Kanzler nimmt keinen inhaltlichen Bezug zum Anlaß der Feierlichkeiten. Kein Wort von ihm zur historischen Bedeutung der alliierten Landung in der Normandie vor sechzig Jahren. Die damalige Operation war das größte Landungsunternehmen in der Militärgeschichte und beschleunigte die endgültige Niederlage des Hitlerfaschismus. Die Invasion war ein wichtiger Beitrag zur Befreiung der Völker Europas vom Faschismus. Kanzler Schröder erwähnt dies alles nicht, sondern er spricht vom „Ende der Nachkriegszeit“ und von „Normalität“. Offensichtlich will der deutsche Kanzler den Gedenktag nutzen, um der Geschichte und ihren Lehren ade zu sagen. Sein Motto scheint zu sein, reden wir nicht mehr über die deutsche Schuld in der Vergangenheit und schon gar nicht über deutsche Großmachtambitionen in der Gegenwart. Schröder versucht als gewiefter Taktiker, die Menschen in Europa durch seine Teilnahme an dem Gedenktag in der Normandie zu beruhigen. Im Streit um die kommende EU-Verfassung, ist gerade die deutsche Außenpolitik dabei, der ökonomischen Dominanz Deutschlands die entsprechende rechtliche Unterlegung zu geben. Das Prinzip der doppelten Mehrheit ( Mehrheit der Staaten und der Einwohnerzahl nach der Formel 50% und 60%) soll die anderen Staaten dem Willen von „Kerneuropa“ (Schäuble) unterwerfen. Die Bundesrepublik insistiert besonders auf die Schaffung der Europäische Armee und auf eine gemeinsame EU Verteidigungspolitik. Jedem Beobachter ist klar, dass dies in Konkurrenz zur USA geschieht. Zudem ist Deutschland der einzige Staat in Europa, der gegenüber einem anderen Staat Gebietsansprüche hat. Das Münchner Abkommen von 1938 ist völkerrechtlich bis heute nicht für null und nichtig erklärt worden. Der bayerische Ministerpräsident Stoiber attackierte kürzlich Tschechien auf dem „Sudetendeutschen Tag“ besonders scharf wegen der Benes Dekrete. Der Kanzler nimmt an der Feier in der Normandie teil um Geschichte zu entsorgen und gegebene deutsche Vormachtsbestrebungen hinter freundlichem Normallächeln zu verbergen. Diese taktischen Finessen sind der rechtskonservativen Union entweder zu hoch oder sie hat eine grundsätzlich andere Herangehensweise.

Schröder der „Antipatriot“

Der Geschäftsführer der CSU Landesgruppe, Peter Ramsauer, nannte Schröder einen „Anti-Patrioten“. Die Union wie die FDP fordert von Schröder den expliziten Besuch eines rein „deutschen Soldatenfriedhofes in der Normandie“. Schröders Besuch eines Soldatenfriedhofes, „indem auch deutsche Soldaten begraben sind“, reicht der Union nicht aus. Den Vogel schießen die sattsam bekannten CSU-Abgeordneten Norbert Geis und Peter Gauweiler ab. Der Hohmann Sympathisant Norbert Geis erklärte: „Der Kanzler solle sich ein Beispiel an Helmut Kohl nehmen, der 1984 mit US Präsident Reagan den Soldatenfriedhof in Bitburg besucht hat“. In Bitburg sind neben Wehrmachtssoldaten auch SS-Mitglieder beerdigt, weshalb es seinerzeit große Empörung gab. Peter Gauweiler (CSU) findet die Teilnahme Schröders am D-Day Gedenken grundsätzlich falsch. Der CSU- Rechtsaußen fabuliert: „Wo ein Sieg gefeiert wird, dessen Basis die Tatsache war, dass 40.000 deutsche Soldaten binnen weniger Tage verstümmelt, zerfetzt oder erschossen wurden, hat ein deutscher Kanzler nichts zu suchen“. Für Peter Gauweiler war demzufolge die Niederlage des Faschismus kein Tag der Befreiung, sondern ein Tag der Niederlage. Das steckt hinter den Worten von Peter Gauweiler, er fordert ernsthaft, den „Festlichkeiten fernzubleiben. Die Union hat die Haltung von Helmut Kohl, der 1994 mitteilen ließ: „Ich sehe keinen Sinn darin, dass ein deutscher Kanzler zur Feier der Sieger reist“. Grundsätzlich hat sich die Union nach der „Affäre Hohmann“ entschieden, wieder stärker ihren bräunlichen Sumpf zu bedienen. Nicht zufällig wurde der NS-Marinerichter Filbinger als Wahlmann zur Bundespräsidentenwahl entsandt und jetzt wird im Stil von rechtsradikalen Gazetten gegen die Veranstaltung in der Normandie gehetzt.

Schröders Reaktion

Die scharfen Angriffe aus dem Unionslager brachten Schröder nicht dazu, sauber zu kontern. Im Gegenteil, die Reaktionen aus dem Kanzleramt sind defensiv, kleinlaut und „pseudodiplomatisch“. Regierungssprecher Bela Anda wies die Kritik mit folgenden Worten zurück: „Schröder besuche zwar nicht den Friedhof in La Cambe, dafür aber den in Ranville, wo neben Briten, 322 Deutsche begraben sind“. Dem Regierungssprecher fällt nichts besseres ein, als der Union zu erklären, was regt ihr euch eigentlich auf, vom Kern her tun wir was ihr wollt, wir stellen es nur taktisch geschickter an. Bela Anda will ein „besonderes Zeichen der Versöhnung“ setzen. Der Kanzler selbst bedauert, „dass selbst diese Geschichte zu kleinlichen Streitereien benutzt wird“. Gerhard Schröder nennt das Thema „sensibel“, besitzt aber nicht die Sensibilität, seine Teilnahme an den Feierlichkeiten mit der Befreiung Deutschlands vom Faschismus zu rechtfertigen. Das Klima in Deutschland hat sich nachhaltig verändert. Vor zwanzig Jahren nannte Richard von Weizsäcker den 8. Mai 1945 einen „Tag der Befreiung vom Faschismus“. Anläßlich der Debatte um Schröders Reise in die Normandie zeigt sich, dass die Union dies anders sieht und ein sozialdemokratischer Kanzler „der Mitte“ nur die „deutsche Normalität“ im Kopf hat.

Max Brym
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Ergänzungen

Wenn's denn mal stimmen würde

Moritz 05.06.2004 - 22:13
Ach Max, Du hast doch einfach keine Ahnung wovon Du redest.

> Das Münchner Abkommen von 1938 ist völkerrechtlich
> bis heute nicht für null und nichtig erklärt worden.

Leider falsch: Schon mal was vom Zwei-plus-Vier Vertrag vom 12.09.1990 gehört? Darin akzeptiert das vereinigte Deutschland völkerrechtlich die Außengrenzen der ehemaligen DDR und der alten Bundesrepublik als endgültig, gibt also den Anspruch auf die seit dem Krieg unter polnischer und sowjetischer Verwaltung stehenden Deutschen Ostgebiete, also das Deutschland östlich der Oder-Neiße Linie entgültig auf.

Irrtum

Zweck 05.06.2004 - 22:18
Hallo Max

du irrst.

Das Münchener Abkommen von 1938 wurde durch Vertrag zwischen der BRD und der CSSR im Jahr 1974 für null und nichtig erklärt.

Inhaltliche Ergänzung

tina 06.06.2004 - 00:48
Warum behauptet Max Brym willkürlich, dass Schröder nicht auf die Befreiung von der Hitler-Diktatur eingegangen sei? GERADE das hat er doch gesagt, z.B. in seinem Beitrag für die "Bild am Sonntag". Dort schreibt er u.a., US-Soldaten «haben ihr Leben gelassen, um Deutschland und Europa von der Hitler-Diktatur zu befreien, um uns Deutschen (...) einen Wiederaufbau in Freiheit und Demokratie zu ermöglichen.»

Es muss also inhaltlich ergänzt werden, dass Schröder EXAKT das gesagt hat, was ihm Brym vorwirft, nicht (!) gesagt zu haben. Die Frage ist allerdings: warum lügt Brym? Nicht Schröder ist es, der hier irgendetwas "verschweigt", sondern der Autor des Artikels, Max Brym, unterschlägt hier einfach Zitate von Schröder. Vielleicht sollte er in Zukunft einmal etwas kürzer treten, mit seinen oft unsäglichen Artikeln, in denen irgendetwas künstlich skandalisiert wird, was in Wirklichkeit überhaupt keine Grundlage hat. Nur damit es ihm in sein ideologisches Weltbild passt...

Gesamtkomplex D- Day +"Wunder von Bern" etc

egal 06.06.2004 - 04:22
Übersicht: Geschichtspolitik (19.05.2004)
 http://germany.indymedia.org/2004/05/83939.shtml

60.Jahrestag des D - Day ´s mit Schröder (04.01.2004)
 http://germany.indymedia.org/2004/01/71150.shtml

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NATIONALE MYTHEN PFLEGE:
Als nachträgliche Ergänzung zu den oben erwähnten
Helden- und Opfer- Mythen im Zusammenhang mit dem Fußballländerspiel Doofland - Ungarn in Kaiserslautern.
Es wird das "Wunder von Bern" zelebriert und ausgeschlachtet, sowohl in Kaiserlautern, wie auch in unzähligen TV Beiträgen und Büchern und in Berlin
 http://www.stiftung-aufarbeitung.de/frame-start.php?hm=3&um=1&content=3-1-2004.php
 http://www.stiftung-aufarbeitung.de/pdf/daseinigendeband.pdf

HIER DIE VITA DES EINFLUSSREICHEN HISTORIKERS
Dr. Bernd Faulenbach DER MASSGEBLICH AN DER DEFINITION DEUTSCHER GESCHICHTSPOLITIK BETEIDIGT IST, WIE U.A. ANHAND FUNKTIONÄRSPOSTEN ERSICHTLICH WIRD.
SIE WURDE IM ZUSAMMENHANG SEINES INTERESSANTEN VORTRAGS BEI DER "TOPOGRAFIE DES TERRORS" verbreitet
u.a. ist er: Stellvertretender Vorsitzender der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und Stellvertreteder Vorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“.

Konkurrierende Vergangenheiten?
Zu den aktuellen Auseinandersetzungen um die deutsche Erinnerungskultur
Vortrag: Professor Dr. Bernd Faulenbach, Bochum
 http://www.topographie.de/user/event.php?seci=7
Sehr interessanter Vortrag der viele der letzten Debatte aufgriff und sehr gut analytische. Vielen Bauchlinken weit vorraus, nur leider sozialdemokratisch ausgerichtet mit machtpolitischen Selbstbewußtsein ausgestattet, so das der Hinweis auf die faschistischen Dauerbesucher/Teilnehmer, der Veranstaltungen der
 http://www.bstu.de/ und der  http://www.stiftung-aufarbeitung.de/
an ihm abschmetterten.
Wer meint das Steuer in der Hand zu haben, den Stören halt weder Linke noch Rechte "Spinner", der kann souverän seine Geschichtspolitik durchziehen.
ALSO LEUTE, MEINE ERFAHRUNG DES ABENDS:
Faulenbach hat ne Menge Ahnung und ist deshalb in der Sozialdemokratie auf vielen der wichtigsten Geschichtspolitischen Posten.
Wer diesen Mann genau beobachtet ist nah an der staatsoffiziellen Deffinitionvorgabe.

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PRESSE: DPA Artikel mit immer gleichem Foto
(üblicher Verlautbarungskournalismus)

Bundespräsident Rau beim DFB-Festakt
Do 03 Jun, 13:29 Uhr
 http://de.sports.yahoo.com/040603/27/u2z.html

Bundespräsident Rau beim DFB-Festakt
03.06.2004 13:55 Uhr
 http://www.rundschau-online.de/kr/page.jsp?ksArtikel.id=1086261555906

50 Jahre Helden von Bern
Das Wunder für die Ewigkeit
 http://www.stern.de/sport-motor/fussball/?id=524974&nv=cp_L2_tt

EIN DPA ARTIKEL IN VIELEN ZEITUNGEN
Fußball | 04.06.2004
DFB feiert die "Helden von Bern"
Kai­sers­lau­tern - Denkt Ottmar Walter an das „Wunder von Bern”, dann muss er manch­mal leise weinen
Von Eric Dobias, dpa
 http://www.mopo.de/nachrichten/148_19923.html?112721
 http://rhein-zeitung.de/a/sportfussball/t/rzo61055.html
 http://www.nwz-online.de/2_dyn_934.php?showres=&showid=159772&navpoint=
 http://www.cellesche-zeitung.de/dpa/sport/274458.html
 http://www.ostseezeitung.de/spo/start_167832_1215957.html
 http://www.wiesbadener-tagblatt.de/meldungen/objekt.php3?artikel_id=1500812

DFB feiert die «Helden von Bern»
 http://www1.ndr.de/ndr_pages_newsdetail/0,2984,NID241965_NTBSPORTSLINE_SIX0_SPM964,00.html
 http://www.sportgate.de/fussball/26991-DFB-feiert-die-Helden-von-Bern.html

FEHLER IM ORGINAL
Breitner hŠtte nur gelacht
ReichtŸmer erwarben die ãHelden von BernÒ durch den WM-Sieg nicht
Vom 03.06.2004 Von unserem Mitarbeiter Rolf Sperber
 http://www.wiesbadener-tagblatt.de/meldungen/objekt.php3?artikel_id=1498043


quellenangaben

all_da 06.06.2004 - 04:40
massenweise zitate, aber keine quellenangaben...

Schröder und Union

Karl Radek 06.06.2004 - 09:01
1. Schröder hat nicht offensiv die Union angegriffen.
2. Offiziel hat das Kanzleramt genau so auf die Unionsangriffe reagiert wie Brym schreibt. ( Quelle u.a. AZ-5.6.2004 und FAZ 5.6. )Die Zitate von Gauweiler Reis und Ramsauer können dort gefunden werden.Auch die Reaktion von Schröder und Bela Anda.
3. Es gibt bis heute keine Erklärung einer Bundesregierung die das Münchner Abkommen für nul und nichtig erklärt. Das wird in Publikationen der SL immer wieder betont.
4.Der D-Day hat den Krieg nicht entschieden aber verkürzt. Natürlich war die "Zweite Front auch gegen den "Bolschewesmus" gerichtet. Man kann aber in einem Artikel nicht alle Fragen behandeln.

Schröder bekommt die Kurve

Max Brym 06.06.2004 - 12:31
In der Tat, Schröder brachte seine Teilnahme an den Feierlichkeiten in der Normandie, in der heutigen "Bild am Sonntag" mit der "Befreiung vom Faschismus" in Verbindung. Damit bleibt er der Linie des aktuellen deutschen Imperialismus treu, imperiale Machenschaften "antifaschistisch" zu tarnen. Die Union sitzt nicht unbedingt auf diesem Pferd. Überraschend war, dass Schröder bis zum heutigen Tag brauchte um diese Masche in der D-Day Frage zu verbreiten.Offensichtlich wollte er keinen innenpolitischen Knall riskieren.

Deutscher Revanchismus mordet

Antifaschist 06.06.2004 - 13:50
"Gefährlich

PARIS (Eigener Bericht) - Bei den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der alliierten Invasion sollen in unmittelbarer Nähe der Berliner Staatsgäste keine Veteranenuniformen getragen werden. Die Protokollvereinbarung entspricht den Wünschen der anwesenden deutschen Militärs, denen beim Zusammentreffen mit den einstigen Streitkräften der Anti-Hitler-Koalition ,,Konfrontationen´´ erspart bleiben sollen. Die Verbeugung vor der wiedergewonnenen deutschen Weltgeltung wird in der französischen Öffentlichkeit teilweise als erniedrigend empfunden. ,,Es ist, als ob de Gaulles Aufruf zum Widerstand ausgelöscht werden soll´´, sagt die Pariser Germanistin Yvonne Bollmann in einem Interview mit dieser Redaktion. Unmittelbar vor Beginn der Befreiungsfeierlichkeiten hat der deutsche Verteidigungsminister in Paris das Ende der ,,Zivilmacht´´ Europa verkündet und zu größeren militärischen Anstrengungen aufgerufen.

Der Auftritt der deutschen Staatsgäste wird in der offiziösen französischen Presse als ,,angemessen´´ und ,,betont zurückhaltend´´ bezeichnet, obwohl ihm eine martialische Ouvertüre vorangegangen ist. Anläßlich einer Parlamentarierversammlung hatte es der deutsche Verteidigungsminister am Donnerstag für richtig gehalten, in Paris die ,,Neuausrichtung der Bundeswehr´´ und eine Straffung ihrer ,,hochwertigen(n) militärischen Fähigkeiten´´ anzukündigen. 1)

Investieren
Laut Verteidigungsminister Struck ist es ausgeschlossen, ,,Europa´´ weiterhin ,,auf den Status eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes oder einer ´Zivilmacht` ´´ zu beschränken. Seine ,,globalen Interessen´´ würden erfordern, als weltweit ,,selbständiger Akteur in der Außen- und Sicherheitspolitik´´ aufzutreten, sagte Struck in Paris. Deswegen werde die Bundeswehr ihre ,,Eingreifkräfte (...) für multinationale (...) vernetzte Operationen hoher Intensität´´ bereithalten und Kriege zur ,,Friedenserzwingung´´ führen. Berlin sei im Begriff, ,,in die Fähigkeit zur weltweiten Aufklärung´´ und ,,in die Fähigkeit zum strategischen Lufttransport´´ zu ,,investieren´´.

Arbeitsteilung
Die deutschen ,,Eingreifkräfte´´ bezifferte Struck auf 35.000 Soldaten, denen 70.000 militärische ,,Stabilisierungskräfte´´ und 14.500 ,,Unterstützungskräfte´´ zur Seite gestellt sind. Seit 1998 ,,waren bereits rund 120.000 deutsche Soldaten in internationalen Einsätzen. Derzeit stehen knapp 7.900 Soldaten der Bundeswehr in sieben Einsätzen auf drei Kontinenten´´, sagte Struck im Vorfeld der Gedenkveranstaltungen. Deutsche Soldaten werden sowohl in Afghanistan wie ,,auch auf dem Balkan noch auf Jahre hinaus´´ in Bereitschaft gehalten, kündigte der deutsche Verteidigungsminister an. Im Irak verlangte Struck ,,eine vernünftige Arbeitsteilung´´ mit den USA.

Undenkbar
Wie Yvonne Bollmann, Germanistin an der Universität Paris XII, in einem Interview mit dieser Redaktion ausführte, wäre es vor 60 Jahren undenkbar gewesen, daß deutsche Soldaten ,,irgendwann erneut in fremden Ländern stehen´´. Die deutsche Außenpolitik bezeichnete Frau Bollmann als ,,gefährlich´´.

Den vollständigen Wortlaut finden Sie unter Interview mit Yvonne Bollmann

1) ,,Deutschland und die Weiterentwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik´´. Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Peter Struck, vor der Parlamentarischen Versammlung der WEU am 3. Juni 2004 in Paris; www.bmvg.de"
 http://www.german-foreign-policy.com/de/news/article/1086513340.php

Serben, Juden und Roma auf dem Balkan(insbesondere im Kosovo) mussten diese Gefährlichkeit bereits am eigenen Leib erfahren. Tausende wurden von der dt. Kriegsmaschinerie und ihren verbündeten Truppen ermordet, Hunderttausende aus ihrer Heimat vertrieben.

"Nach außen gilt es etwas zu
vollbringen, woran wir zweimal zuvor
gescheitert sind: im Einklang mit
unseren Nachbarn zu einer Rolle zu
finden, die unseren Wünschen und
unserem Potential entspricht." - Klaus
Kinkel (FDP), Bundesaußenminister, 19.
Mär. 1993 (in: „Frankfurter Allgemeine
Zeitung“, 19.03.1993)

"Wir müssen Serbien in die Knie
zwingen!" Klaus Kinkel (FDP),
Bundesaußenminister, 24. Mai 1992

"Die Rolle der Bundesrepublik bei der Vorbereitung des Kosovo-Krieges"
 http://www.matthiaskuentzel.de/artikel.php?artikelID=38

"Lebendige Vergangenheit - Die Kontinuität von Deutschlands völkischer Balkan-Politik"
 http://www.sopos.org/aufsaetze/3bbe0023c2f65/1.html

"Lebendige Vergangenheit - zur Kontinuität der deutschen Großalbanien-Politik"
 http://www.lahn.net/dfgvk/kuentzel.htm

@matze

M.-T. 06.06.2004 - 17:14
Du solltest wirklich das sehr gut recherchierte Buch von Falin mal lesen, dass ich im wesentlichen wiedergebe. Es geht nicht darum für Stalin Partei zu ergreifen. Aber selbst als Stalinkritiker muß man den Hitler-Stalin-Pakt und die Politik gegenüber Finnland und den baltischen Staaten aufgrund der Quellenlage inzwischen anders einordnen. Von einem Geschichtsbild dem die Totalitarismustheorie zugrunde liegt muß man sich emanzipieren. Die herschende Klasse, die Sowjetbürokratie hatte das Land durch die Säuberungen zu sehr geschwächt. Es bestanden daher zu diesem Zeitpunkt keine imperialen Bestrebungen seitens der SU. Moralisch mag man den Schachzug Stalins mit Hitler verurteilen. Kriege werden jedoch selten wegen der Moral geführt. Aber dass der Krieg mit Hitler kommen würde war der Sowjetbürokratie klar. Vielleicht klarer als Stalin. Bis dahin mußte man sich bessere Ausgangspositionen gegen Hitler verschaffen und Zeit gewinnen. Auf Kosten anderer. (Übrigens trug Stalin an Churchill bereits ca. zwei Wochen vor dem Überfall den Vorschlag heran, GB solle die Sowjetunion mit einigen Divisionen an der Südflanke zum Iran und im Norden am Eismeer unterstützen.) Das Bündnis der SU mit Hitler war wirklich nicht ideologisch begründet! Polen übrigens, hatte "bis kurz vor zwölf" zwischen GB und Deutschland laviert. Die Frontstellung Polens aber war in beiden Fällen die gleiche. Es war die von Pilsudki gegenüber der SU 1920. Damals konnte Polen nur bis Kiew vordringen. Polens Regierung ging sogar soweit anläßlich "München" Hitler eine Aufteilung der Tschechoslowakei zu offerieren. Man biederte sich fast bis 4.45 Uhr den Nazis als Juniorpartner beim kommenden Eroberungsfeldzug gegen die SU an. Auch ein Aspekt unter dem man das doppelte Spiel besser einschätzen kann - das 1939 alle miteinander führten! Aber manche Linke ordnen nicht nur die Realität der Gegenwart ihren ideologischen Korsetts unter, sondern auch die der Vergangenheit.

kuck mal da: Junge Union und Bush

Jus0 06.06.2004 - 23:48

zu KERNEUROPA:

anarcho-kommunist 07.06.2004 - 16:53
Schäubles Worte zu Kerneuropa hat Max richtig beurteilt.

Es geht tatsächlich darum den Anderen Staaten den Willen des deutsch-französischen "Kerneuropas" aufzuzwingen.
Wenn es um Kerneuropa geht, sollte man hellhörig werden, denn Carl Schmitt der Vordenker und Rechtstheoretiker der Nazis lieferte eine "Reichs"definition, die dem Begriff "Kerneuropa" vollständig entspricht:

"Das Reich ist nicht nur ein Staat im herkömmlichen Sinn. Es ist eine Macht, deren politische, wirtschaftliche und kulturelle Idee in einen es umgebenden Großraum ausstrahlt. Diesen seinen Großraum bewahrt das Reich vor fremden Interventionen."

Links ...

kh. 08.06.2004 - 15:30
zur Frage der Annullierung des Münchner Abkommens:

Text des Prager Vertrags von 1973:  http://www.documentarchiv.de/brd/cssr1973.html
Danach betrachten beide Staaten das Münchner Abkommen v. 1938 "im Hinblick auf ihre gegenseitigen Beziehungen nach Maßgabe dieses Vertrages für nichtig." (Art. I)
Aber u. a.: "Dieser Vertrag bildet mit seinen Erklärungen über das Münchner Abkommen keine Rechtsgrundlage für materielle Ansprüche der CSSR und ihrer natürl. + jur. Personen." [II,3; Abk. von mir] Also keine juristisch einklagbare Entschädigung für erlittenes Unrecht von CSR-Bürgern während der dt. Besetzung, während die Sudedendeutschen mit ihrer Forderung nach Aufhebung der Benes-Dekrete eben das für sich fordern.

Text des Gesetzentwurfs zum Vertrag Deutschland – CSR v. 1992:  http://www.parlamentsspiegel.de / zum Dokumentenarchiv/Bund/Bundestagsdrucksache 12/2468 eintippen; Denkschrift/Präambel am Schluß.
Darin wird die Position der dt. Regierung von 1973 in bezug auf das Münchner Abk. ausdrücklich beibehalten. Die bestehenden Grenzen werden als endgültig anerkannt (2+4-Vertrag von 1990)

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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"Least we forget" — Ralf Müller-Trotzki

Ja und — Antifaschist

Lustig... — tina