Irak: Weitere Söldner gekidnappt

Erste Erkenntnisse 09.04.2004 20:02 Themen: 3. Golfkrieg
Als ein Reuters Reporter bestätigte, dass er zwei der von den Rebellen gefangen genommenen Geiseln gesehen und mit ihnen gesprochen hat, begannen zuerst die derzeit in Irak arbeitenden Journalisten und humanitären Helfer sich zu zählen. Bald stand fest, dass es allen gut geht. Allerdings sind es nach Angaben des italienischen Verteidigungsministeriums auch keine Soldaten, die sich eh' offiziell nur in ihrem Missionsgebiet Nassiryah aufhalten dürfen. So wurden offenbar hektische Anfragen beim Geheimdienst Sismi eingereicht. Eine Antwort bleibt aus...
Wenn keiner aus den NGOs fehlt. Wenn das Personal vom Roten Kreuz vollzählig ist und alle Journalisten ebenfalls. Wenn es keine italienischen Soldaten oder Carabinieri aus den in Nassyriah stationierten Missionseinheiten sind, dann ist es alles andere als unwahrscheinlich, dass Geheimdienstagenten oder aber italienische contractors á la blackwater-boys den Rebellen in die Hände fielen. Roberto Baldessarelli, Chef des Medical City Center in Baghdad, versichert, dass alle 39 italienischen Angehörigen des Roten Kreuzes wohlauf sind. Auch den Mitarbeitern der ONG Un Ponte per Baghdad sind vollzählig. Der Korrespondent der Zeitung Il Sole 24 ore teilte mit, dass kein Journalist vermisst wird. Auch die italienischen Archäologen, die an der Wiederherstellung des Museums der Hauptstadt arbeiten, sind wohlauf. Aber auch das italienische Verteidigungsministerium vermisst niemanden. Kein Angehöriger der Mission Altes Babilonien soll sich in der Umgebung von Baghdad, in der es zur Gefangennahme der Vier kam, aufhalten. Die vier Italiener waren auf einem Geländewagen ohne Nummernschild und bewaffnet westlich von Baghdad, vermutlich auf der Autobahn nach Fallujah unterwegs. Der Reporter der mit ihnen gesprochen haben will sagte, zwei von ihnen hätten eine dunkelblaue Uniform getragen. Einer sei an der Schulter verletzt gewesen. Beide, die er gesprochen hat, hätten geweint. Er traf die vier in der Moschee al-Dhahab al- Abiyad, wo sie von 40 Rebellen bewacht werden, die Gewehre und Granatenwerfer bei sich haben. Die anderen beiden habe er nur aus der Ferne sehen dürfen. Eine US-Patrouille hat Journalisten erklärt, dass bei einer anderen Aktion auch zwei amerikanische Personen gefangen genommen worden sein sollen. Der zusammen mit den Japanern gekidnappte britische Söldner Michael Bloss, ist Tot, das Teilte heute der britische Außenminister mit. Derweil treffen erste Meldungen ein, die besagen, dass die vier gefangen genommenen Italiener im Sold einer US-Securityfirma sein könnten.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Update

- 09.04.2004 - 21:52
Der italienische Minister für Gemeinschaftspolitik Rocco Buttiglione hat eingeräumt, dass es "im Rahmen großer Unsicherheit nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass unter diesen Geiseln italienische Söldner im Dienst von in der Gegend operierenden Firmen sind".

Unabhängige Berichte und andere Infos

- 09.04.2004 - 21:54
"Wie in einem echten Krieg"

 http://germany.indymedia.org/2004/04/79754.shtml

scratch one, add two

weist 09.04.2004 - 22:17
el-Kut ist angeblich von US-Truppen zurückerobert worden. Nun denn; dergleichen wurde gestern über Kerbela gesagt (es waren nicht ukrainische, wie ich irrtümlich schrieb, sondern bulgarische Soldaten dort - die Ukrainer waren in el-Kut), aber heute heißt es, al-Sadrs Leute kontrollierten weiterhin die Stadt. Die Lage in an-Nasiriyah ist weiterhin komplett unklar, so wie ich das von hier überblicken kann (keine Meldungen sind keine Meldungen). Was 'unter Kontrolle gebracht' heißt, ist ohnehin so eine Sache. Wahrscheinlich ist es so wie in gewissen Teilen Baghdads: tagsüber gehören die Straßen der Koalition, nachts der stärksten irakischen posse, und das ist dort momentan die Armee des Mahdi.

Der irakische Menschenrechts'minister' hat auch hingeschmissen. Das bißchen Autorität, das der 'Regierungs'rat bei der Bevölkerung hatte, dürfte sich in Folge der Ereignisse dieser Woche komplett in warme Luft auflösen. Immerhin betrafen die bisherigen Rücktritte im Ausland eher unbekannte und relativ integre Personen, nicht Warlords oder Berufskriminelle wie Barzani, Talabani oder Chalabi. Das geringe Ansehen des Gremium war nur in der Tatsache begründet, daß nicht alle Mitglieder so wie diese Jungs ihren Posten als Freibrief zur persönlichen Bereicherung betrachteten.

Sistani wiederum lehnt siche gemütlich zurück und wartet, bis seine Zeit reif ist. Sollte die Koalition es tatsächlich schaffen, sich der Mahdi-Armee zu entledigen, wird der SCIRI langfristig ein mindestens ebensogroßes Problem sein wie die kurdischen Warlords. Im Gegensatz zur eher von revolutionärem Enthusiasmus geprägten Truppe al-Sadrs ist der SCIRI eine strukturkonservative politische Gruppe ('Kaderorganisation' wäre vielleicht ein zu schwerer Vorwurf, aber nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt); die ideologische Unterstützung kommt aus Teheran.

Für die Situation im Iran wäre es BTW am besten, wenn die Koalition sowohl die al-Mahdi-Armee zerschlägt als auch einen weiteren Machtausbau Sistanis verhindert, da beide von unterschiedlichen konservativen/reaktionären factions im Iran als verlängerte Hand genutzt werden. Tough decisions, Leute; ich wäre der letzte, der den Bushisten einen schnellen Sieg wünschen würde, aber: dazu wird es eh nicht kommen.

In al-Fallujah gab es bislang offenbar mehrere 100 Tote; die meisten dürften auf Grund der bisherigen Angaben ZivilistInnen sein: bei bisherigen 'Aktionen' dieser Art (gerade auch in al-Fallujah) machten Unbewaffnete 90-100% der Getöteten aus. Es ist nicht wahrscheinlich, daß die gut trainierten und erfahrenen Rebellen vor Ort plötzlich von ihrem Glück verlassen wurden. Seit der erfolglosen Offensive gestern scheinen sich die USA auf eine defensive Strategie verlegt zu haben; zumindest humanitäre Güter werden jedoch in die Stadt gelassen. Es ist unklar, wer für den Bruch der Feuerpause nach 1 1/2 Stunden verantwortlich ist, aber wenn die USA tatsächlich in die Defensive gegangen sind, werden es diesmal die Marines wohl nicht gewesen sein.

Abu Ghraib wächst sich zusehends zu einem echten Problem aus: in Schußweite des Flughafens, vor den Toren al-Fallujahs und keine Viertelstunde mit dem Auto von Baghdad entfernt werden die heute genommenen Geiseln festgehalten. Laut AFP sind die Belagerer al-Fallujahs tatsächlich selbst von sunnitischen Rebellen eingekesselt... Nachschub für die US-Truppen vor al-Fallujah kann nicht mehr wie benötigt herangeschafft werden; der Highway von Baghdad kann nur noch von Panzern gefahrlos benutzt werden (wenn die Rebellen nicht so schlau waren und ihn vermint haben, aber das haben sie glaub ich nicht) und von Syrien her sind die aufmüpfigen Regionen um ar-Rutbah bzw Qa'im und Haditha und natürlich das offen rebellische ar-Rahmadi zu durchqueren. Hier zeigt sich der Vorteil der US-Strategie des 'militärischen Outsourcings', denn offenbar wurden 9 Personen im Sold des Pentagon getötet, davon allerdings nur ein Soldat.

Entgegen der Erwartungen scheint es in Kirkuk ruhig gewesen zu sein. Aber ich habe keine verläßlichen Nachrichten.

Auch in ad-Diwaniyah gingen heute die Angriffe auf Koalitionstruppen los. Soll ich mich jetzt freuen, weil ich's vorausgesagt habe? Sadr City (vormals Saddam City), Baghdads größte Schiiten-Plattenbausiedlung, wurde von der Koalition effektiv aufgegeben.

Die strategisch wichtigsten Punkte für die Koalition sind die Rückeroberung Abu Ghraibs, wo ein Dutzend Flugabwehrraketen, von kundigen Personen eingesetzt (und die Leute, die dort das Kommando haben, naben entsprechendes 'Personal', wie der Beschuß der DHL-Maschine und der US-C-17 bewiesen), dem Pentagon eine katastrophale propagandistische Niederlage versetzen könnten und die Verhinderung weiterer Aufstände im Raum al-Khilla - ad-Diwaniyah.
Für die schiitischen Rebellen sind die entsprechnden 'Tortenstückchen' eben diese letzteren Orte (insbesondere das den Norsd-Süd-Highway blockierende al-Hasnimiyah) bzw al-Mahmudiyah, das das fehlende Bindeglied zwischen ihren und den von sunnitischen Rebellen kontrollierten Gebieten darstellt. Diese wiederum kontrollieren weitaus weniger Gelände als al-Sadrs Leute und brauchen im Grunde nur das, was sie haben, zu verteidigen; allenfalls der ohnehin nicht koalitions-loyale Vorort Baghdads Khan Azad, günstig am südlichen Schnellstraßenkreuz gelegen, wäre interessant.

Zusammenfassend bleibt nur zu sagen, daß der Irakkrieg sein wahres Gesicht zeigt. Es ist schlichtweg unmöglich, zu prognostizieren, was werden wird, außer, daß dieser Krieg sich noch lange Zeit hinziehen und, wenn es seitens der Koalition nicht zu einem massiven Paradigmenwechsel kommt, mit deren Niederlage enden wird. Wäre der Irak nicht eine Herzensangelegenheit Dubyas, hätten sich die Koalitionstruppen schon längst aus dem Land zurückgezogen.

Michael Bloss

q Norbert 09.04.2004 - 23:51
Es geht um Michael Bloss. Deswegen "weitere Söldner". Es gibt außerdem auch noch weitere Geiseln, die nicht die drei Japaner sind. Die Japaner, die übrigens Pazifisten (!) sein sollen, waren nicht gemeint. Ich dachte, das sei klar, weil es alle wissen, dass gerade sie keine Söldner sind. Dennoch sind "weitere" Söldner gefangen worden. Die ersten vier waren es ja auch. Bitte haltet doch nicht jeden und alles gleich für antiamerikanisch oder fanatisch.
Ich persönlich bin für keinen von denen, die da kämpfen. Was die Menschen da mitmachen ist aber nur schrecklich und das Spiel mit diesen Söldnern ist kein sekundäres Detail.

@ norbert + Update

runter mit dem Zeigefinger 10.04.2004 - 00:19
Die italienischen Geiseln sind höchstwahrscheinlich wirklich Söldner. Im 2. italienischen Fernsehen äußerte ein Manager eier Security-Firma ("Security-Consulting" für italienische Firmen im Ausland) die Vermutung, dass es sich tatsächlich so verhält. Er sprach von einer sechsköpfigen Gruppe, die für etwas gearbeitet haben, das seiner Aussage nach "keine Gesellschaft, sondern eine Personengruppe ist, die frei diese Schutzaktivität unternommen haben". Früher seien die Männer Soldaten gewesen. Er fügte hinzu, die Schtztätigkeit der Gruppe sei von dieser für ein britisches Unternehmen ausgeführt worden, das "nicht offiziellen Gesellschaften untersteht". Er sagte auch, dass er vier von sechs Personen persönlich kennt, wobei er nicht sicher sei, ob es sich bei den Geiseln auch um diese handelt. Er erklärte weiter, die ihm bekannte Gruppe habe einen Ortsgebundenen Auftrag, weshalb ihm kaum verständlich sei, warum sie außerhalb des ihnen zugeteilten gebietes gewesen seien. Auf die Frage hin, warum die Gruppe nicht in den Verzeichnissen des Außenministeriums mit den Namen der Italiener, die sich zurzeit in Irak befinden sei, antwortete er: Angenommen, dass es sich um diese handelt: die Personen von denen ich spreche hatten beschlossen, ein ziemlich niedriges Profil zu halten und waren nicht in Kontakt mit der Botschaft".

Es handelt sich bei den Italienern in jedem Fall NICHT um irgendwelche "normalen" Leute. Deshalb: runter mit dem moralischen Zeigefinger. Es ist schon schwer genug, überhaupt Nachrichten für gut zu nehmen. Die Qualität der Informationen ist allgemein sehr Schlecht. Das reicht. Wir sind nicht da, um moralisch zu richten, wir sind da um das, was passiert, so gut es geht zu verstehen und um daraus eigene Positionen zu entwickeln. Mehr nicht.

Geiseln

Klaus die Maus 10.04.2004 - 20:37
BBC berichtet ausführlich zu den Verschleppten:
 http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/asia-pacific/3616705.stm

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Söldnerjäger — Norbert