8.März: Internationaler Frauentag

JungdemokratInnen / Junge Linke NRW 08.03.2004 14:52 Themen: Gender
Text zum heutigen "Internationalen Frauentag" und zur Aktualität des Patriachats und Sexismus.
„Frauen, die kämpfen, sind Frauen, die leben!"
Unter diesem Motto soll der diesjährige 8. März stehen. Der Internationale Frauentag soll nicht nur an eine bewegte Zeit erinnern, sondern auch heute noch die versteinerten Verhältnisse darstellen und dazu dienen, Widerstand zu leisten und feministische Inhalte an die Öffentlichkeit zu tragen.
Seinen Ursprung findet der 8.März in der sozialistischen Frauenbewegung. Sie beschloss 1910 auf der zweiten Internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen einen Frauentag internationalen Charakters, der als Frauenkampftag in die Geschichte eingegangen ist. Er sollte in erster Linie dem Kampf für das Frauenwahlrecht dienen, umfasste aber ebenso die Ziele Frieden und Bildung einer humaneren Gesellschaft. 1911 fand der erste Internationale Frauentag, allerdings noch am 19. März, statt. Am 8. März 1917 machten die Petersburger Textilarbeiterinnen mit ihrem Streik den Anfang der russischen "Februarrevolution". In Anlehnung an dieses Ereignis wurde der 8. März auf der zweiten Internationalen Konferenz der Kommunistinnen als einheitliches Datum für den Internationalen Frauentag beschlossen.
Dieser Tag wurde in Frankreich offiziell als solcher anerkannt, in den realsozialistischen Staaten als Feiertag gehandhabt und in Deutschland während des Nationalsozialismus verboten.
Am 8. März 1994 gab es in der BRD erstmalig einen Frauenstreiktag, an dem viele Frauen ihre Dienstleistungen verweigerten, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Einige der von der frühen Frauenbewegung angestrebten Ziele wie z.B. das Frauenwahlrecht, Öffnung der Universitäten für Frauen, 8-Stunden Arbeitstag ... wurden erreicht. Doch die formale Gleichstellung von Frau und Mann hinterlässt in der Realität nach wie vor wenig Spuren. Frauen werden massiv vom Arbeitsmarkt verdrängt, sind weiterhin für den reproduktiven Bereich (Haushalt und Familie) zuständig, bedeutend stärker von der gravierend ansteigenden Armut betroffen, ständig struktureller Gewalt wie z.B. dem patriarchalen Sprachsystem, als auch häufig personeller Gewalt ausgesetzt.
In der Tradition des 8. März kämpfen heute wieder viele Frauen für eine emanzipatorische Gesellschaft und die tatsächliche Umwälzung der (Geschlechter-)Verhältnisse.

Was ich mit meiner Frau mache, ist Privatsache

Laut Statistik wird jede siebte Frau zwischen 20 und 60 Jahren in Deutschland vergewaltigt. Die Täter sind meistens Freunde, Verwandte oder sogar die eigenen Partner. In den meisten Fällen liegt eine Abhängigkeit der Frau von den Tätern vor. Frauen wird immer wieder suggeriert, daß zu Hause unter Schutz des Mannes, Freundes oder der Familie der einzig sichere Ort vor Belästigungen oder Vergewaltigungen sei. Die Realität zeigt allerdings das Gegenteil. Gerade im sog. Privatbereich finden im großen Maße Diskriminierung, Bevormundung, Überschreitung persönlicher Grenzen und Ignorierung der Selbstbestimmung über Körper und Bedürfnisse statt.
Vor allem Gewalt in der Ehe ist eine großes Tabu. NachbarInnen, die Gewaltszenen mitbekommen, verschließen Augen und Ohren, schließlich mischt mensch sich nicht in die Privatsphäre anderer Leute ein. Ehemänner konnten sogar jahrelang ihre Frauen straffrei vergewaltigen - sooft sie ihr "männliches Verlangen" verspürten. Erst im Frühjahr 1996 brachte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf ein, nach dem Vergewaltigung in der Ehe strafrechtlich verfolgt werden kann.
Eine mißhandelte Frau, die ihre Situation öffentlich macht und auf Hilfe hofft, wird meist nicht beachtet. Die sogenannte heile Welt dieser Gesellschaft darf nicht aus ihrem Gleichgewicht gebracht werden. Denn wenn das ganze Ausmaß der Gewalt in heterosexuellen Beziehungen öffentlich würde, gerieten einige Grundfeste der Gesellschaft ins Wanken. Die gängige gesellschaftliche Meinung ist immer noch, daß die Frau an ihrer Situation eine Mitschuld trägt.

Die Frau ist nicht der Rede wert

Neben der körperlichen Gewalt existiert in unserer Gesellschaft auch strukturelle Gewalt gegen Frauen. Strukturelle Gewalt äußert sich unter anderem in unserem Sprachsystem.
Frauen werden in der Regel nicht mitgenannt, sondern bestenfalls mitgemeint. So wird im Normalfall von Studenten, Schülern, Arbeitern usw. gesprochen. Frauen sollen sich hier absurderweise wiederfinden, jedoch würde sich wohl kaum ein Mann angesprochen fühlen, wäre von Studentin usw. die Rede. Das schon in Ansätzen etablierte große "I" ist ein Versuch, diesen Mißstand zu beheben. Hier werden explizit sowohl Frauen als auch Männer angesprochen, so daß dies der erste Schritt hin zu einer gleichberechtigten Sprache ist.
Ein anderer Aspekt der patriarchalen Sprache ist die verschiedene Bedeutung von vermeintlich gleichen Begriffen. So beschreibt zum Beispiel der Begriff Sekretärin einen typischen Frauenberuf, der im Volksmund auch Tippse genannt wird. Der Begriff Sekretär hingegen bezeichnet einen gesellschaftlich höhergestellten Männerberuf, z.B. Staatssekretär oder Gewerkschaftssekretär.
Die Sprache bietet ein Arsenal von verschiedenen " Frauentypbezeichnungen" wie Tippse, Putze etc. zu denen es keinen adäquaten männlichen Gegenbegriff gibt, der ebenso negativ bewertend ist. Dies sind nur einige Beispiele dafür, dass die Sprache Spiegel der patriarchalen Verhältnisse ist.

Die Rolle der Frau in der Familie

Eine Familie zu gründen, ist (immer noch) der größte Wunsch vieler Menschen. Es bedeutet für die meisten Sicherheit, Geborgenheit und ein geordnetes Leben. Doch das gängige Modell der Kleinfamilie basiert auf einer sexistischen Rollenverteilung. Der Mann leistet die produktive, ökonomisch verwertbare Arbeit im öffentlichen Bereich. Er verdient das Geld und "ernährt" somit die restliche Familie. Dadurch besteht eine finanzielle Abhängigkeit der gesamten Familie zum Mann. Die Frau hingegen nimmt im Normalfall die Rolle der Mutter und Hausfrau wahr und leistet somit die reproduktive Arbeit im "privaten" Bereich. Auch wenn Frauen zusätzlich noch als "Zuverdienerinnen" arbeiten, bedeutet das nicht, dass der Mann sich auch an der Hausarbeit beteiligt. Es tritt eine Doppelbelastung für die Frau ein. Hausfrauenarbeit wird auch als solche nicht anerkannt, da ihrer Arbeit kein ökonomischer Wert zugeschrieben wird und scheinbar keiner besonderen Qualifikation bedarf. Allerdings wird dabei nicht beachtet, dass eine Hausfrau jederzeit verfügbar sein muss. Sie hat keine festgelegten Arbeitszeiten, keinen Feier-abend, keinen Urlaub, keine Freizeit und keine Rentenansprüche. Sie muss sich nach dem Lebensrhythmus der restlichen Familienangehörigen richten.
Ein anderes Beispiel für die sexistische Rollenverteilung in der Familie ist die Machtposition des Mannes. Sie wird einerseits durch die finanzielle Abhängigkeit gesichert, andererseits werden seine "Bedürfnisse" wie z. B. regelmäßiger sexueller Verkehr, ein ordentliches Heim, ruhige Kinder, usw. gesellschaftlich respektiert.
Auch Gewalt und sexuelle Ausbeutung in der Familie sind nach wie vor Tabuthemen bzw. werden häufig nicht als Probleme wahrgenommen, da die Familie eine vermeintliche Intimsphäre darstellt. Das sind nur wenige Beispiele, die zeigen, wie sehr unser gesellschaftlicher Alltag von frauenfeindlichen Strukturen bestimmt wird und wie sehr sexistische Grundzüge im alltäglichen Leben erhalten geblieben sind.
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Ergänzungen