Die Situation der deutschen Linken

A. N. Griff 01.02.2004 15:17 Themen: Antifa Kultur
Um es vorweg zu nehmen - dies ist keine persönliche Abrechnung, sondern eine Zusammenstellung von Dingen, die mir an der bundesweiten Linken aufgefallen sind
Vieles am Umgang miteinander geht mir gewaltig auf die Nerven. Wahrscheinlich mache ich mir mit diesem Beitrag nicht besonders viele Freunde. Aber wen interessiert das schon? Ausschlaggebend für diesen Text waren eine Menge Gespräche mit Außenstehenden und (ehemaligen) "Szeneangehörigen". Von den Leuten die selbst mal aktiv waren, haben irre viele aufgegeben, weil die Verhältnisse untereinander sich schon seit ca. 20 Jahren nicht geändert haben. Vielleicht sollte öfter mal eine einigermaßen verständliche Bewertung der Linken abgegeben werden, damit ein paar Leute wieder anfangen über ihre eigene Verbohrtheit nachzudenken. Mir ist wichtig, daß sich was ändert.

Der Einfachheit halber benutze ich weiterhin "man" anstatt "Mensch". Erstens hat "man" in meinen Augen nichts mit "DEM Mann" zu tun und zweitens bin ich nicht gewillt ein Konstrukt gegen ein neues, vermeintlich besseres auszutauschen. Abgesehen davon ist "Mensch" wohl auch nicht die glücklichste Wahl, wenn man bedenkt wie grausam sich Menschen gegenüber anderen verhalten.

Und wenn möglich bitte erst den ganzen Text lesen, bevor irgendwelche undurchdachten und unsachlichen Phrasen rausgehauen werden. Spart euch das Auseinanderpulen einzelner Worte. Das ist unwichtig und interessiert niemanden.



3 wichtige Themen spalten die deutsche Linke in so viele Lager, daß ein geschlossener Kampf gegen gesellschaftliche Verhältnisse, Nationalismus, Überwachung, kapitalistische Globalisierung, Umweltzerstörung, Ausbeutung und wasweißichnoch nahezu aussichtslos ist. Jedenfalls auf die nächsten Jahre gesehen.

Dank Gruppierungen wie den "Antideutschen" wird über das Thema Israel/Palästina nicht mehr sachlich diskutiert, sondern nur noch mit Phrasen und manchmal hirnverbrannten Dogmen um sich geworfen.

Sexismus und neue, linke, Konstrukte im Austausch gegen alte, gesellschaftlich geprägte, scheiden die Geister und mit elitärer Ignoranz gegenüber Außenstehenden, anderen Gruppen und dem eigenen, noch nicht so erfahrenen Nachwuchs vergrault man sich potentielle Anhänger und Mitstreiter. Die Linke steht sich selbst im Weg.



Sowohl zu 100% hinter dem palästinensischen "Befreiungskampf" Stehende, als auch "Waffen für Israel"-Schreihälse sind mir zuwider. Wer einigermaßen klar bei Verstand ist, kann weder Sprengstoffanschläge auf Schulbusse, noch Raketenangriffe auf zivile Dörfer mit Kollateralschäden von manchmal 10:1 Gut heißen. Es kann nicht angehen, daß jedeR der/die mal Nachrichten gesehen hat, sich anmaßt sich über die Situation ein Urteil bilden zu können, um dann Andersdenkende anzugreifen. Man ist kein Antisemit, weil man Steine gegen Panzer nicht als gleichwertige Mittel ansieht und man ist auch kein Araberfeind, weil man sagt, daß den umliegenden arabischen Staaten die Situation der Flüchtlinge in den Lagern scheißegal ist und Selbstmordattentäter verblendete Wahnsinnige sind. Gerade als Deutsche, was die meisten von uns unfreiwillig sein dürften, haben wir in dieser Frage eine unglaublich schwierige Position. Auf der einen Seite müssen wir aufpassen, daß Kritik an der Politik Israels nicht als platter Antisemitismus daher kommt, auf der anderen Seite muß eine Kritik an dieser Politik legitim sein. Wir sind nicht verpflichtet die Schnauze zu halten, wenn irgendwo Unrecht geschieht. Scharon ist ein Massenmörder, Arafat benutzt Kinder als Schutzschilde. Wer ist da "besser"? Armut erzeugt Terror und Widerstand. Wer keinen Ausweg aus seiner Situation sieht und vielleicht noch einen Sprengstoffgurt bauen kann, ist schnell dabei eine Grenze zu überschreiten. Armut, Religion und der Einfluß von außen sind eine gefährliche Mischung. Anstatt Geld in die Ausrüstung und Schulung potentieller Attentäter zu stecken, sollte das Elend auf palästinensischem Boden bekämpft werden. Dem Staat Israel würde ich niemals das Existenzrecht absprechen. Er ist die logische und richtige Konsequenz aus dem Leid, daß seiner Bevölkerung und ihren Vorfahren zugefügt worden ist. Er ist definitiv einer der letzten Staaten, die aufgelöst werden müssen. Eine Politik der Vertreibung und daraus resultierender Abschottung allerdings kann nicht der richtige Weg sein. So wird der Konflikt nur verschärft und es ist nicht schwer zu verstehen, daß diese Politik auf harten Widerstand stößt. Dennoch ist eine Zwei-Staaten-Regelung, bei der beide Seiten große Kompromisse eingehen müssen, wahrscheinlich der einzige Ausweg aus diesem Konflikt. Eine vernünftige Diskussion und die Unterstützung fortschrittlicher Kräfte (die es auf beiden Seiten gibt) könnte Erfolg haben. Ein sicherlich langer und hindernisreicher Weg. Aber wahrscheinlich produktiver als die ständige Spaltung durch rechthaberische Gruppen und Personen.

Im Endeffekt allerdings gehören alle Staaten aufgelöst, um in Frieden gleichberechtigt leben zu können.



Was uns zum Punkt Anti-Nationalismus bringt. Um alle Nationalstaaten auflösen zu können, müssen logischerweise erstmal gleiche Voraussetzungen vorhanden sein. Soll heißen, daß die Linke zu Recht Befreiungskämpfe in Kurdistan, Israel/Palästina, Spanien, Lateinamerika unterstützt, auch wenn das Resultat ein Staat ist. Anschließend, bzw. begleitend ist es die Aufgabe der Linken ein Bewußtsein zu schaffen, in dem Nationen als überflüssig erkannt und aufgelöst werden. Die Gründe hierfür müssen wohl nicht noch einzeln aufgezählt werden.

Eine Sache, die mir besonders stark bei der deutschen Linken aufgefallen ist, ist der Widerspruch zwischen Umweltschutz auf der einen und der Abneigung dem Land gegenüber auf der anderen Seite. Ich für meinen Teil nehme z. B. an Anti-Castor-Demos teil, weil ich nicht will, daß diese hochradioaktiven, aber natürlich total ungefährlichen Dinger quer durch´s Land transportiert werden und alles verstrahlen. Je teurer sie werden, desto erfolgreicher ist der Kampf um die Abschaffung der Atomkraftwerke. Wenn es irgendwann nicht mehr rentabel ist, muß zwangsläufig eine andere Art der Energiegewinnung genutzt werden.

Ich glaube, daß besonders die deutsche Linke den Fehler macht, das Land mit dem Staat, mit der Regierung, mit dem System, mit der Gesellschaft gleichzusetzen. Alle diese Dinge stören auch mich gewaltig. Deutschland als Staat gehört unbedingt beseitigt. Das Land allerdings, die gesamte Vegetation und Umgebung mag ich sehr gerne. Natürlich könnte es gerne etwas wärmer hier sein. Aber warum sollte ich mich am Umweltschutz beteiligen, wenn mir dieses Land scheißegal ist? Wenn ich pubertierende Spinner höre, die am liebsten alles plattbomben und von vorne anfangen würden, läuft es mir kalt den Rücken runter. Ich glaube kaum, daß die auch nur einen Finger krumm machen würden, um alles neu aufzubauen. Auch wenn sie danach ihr wie auch immer geartetes System aufbauen dürften. Viele Linke leben in einer Traumwelt. Es gibt einen großen Knall, vielleicht ein bischen Blut von den Bonzen, die zum Teufel gejagt werden und schon ist sie da - die schöne, neue Welt! Ganz einfach... Ein paradiesischer Idealzustand. Bis der Wecker klingelt und die Realität wieder anklopft.

Der einzige Weg dorthin führt nur leider nicht über den Urknall. Er erfordert ein globales Umdenken. Ein wirklich guter Schritt ist die globalisierungskritische Bewegung. Die Kritiker kommen aus allen gesellschaftlichen Bereichen, allen politischen Richtungen (von Rechten mal abgesehen, die klauen jedes Thema, bei dem sie Punkte machen können. Und die Linke läßt sie machen.). Sie haben die unterschiedlichsten Vorgeschichten und das macht die gute und im Positiven gefährliche Mischung aus. Je mehr Menschen auf die Straßen gehen und sich nicht einschüchtern lassen von martialisch ausgerüsteten Bullen und Militär, sondern kämpfen für ihr Leben in Freiheit und ohne Kapitalismus, um so weniger können sie diesen Protest mundtot machen! Diese Denkweise muß gefördert werden! Geschlossene Verweigerung gegenüber der Ausbeutungsmaschinerie und eine Entwicklung und Förderung von Gegenstrategien müssen Hand in Hand laufen.

Und hier muß auch die deutsche Linke wieder zu einer Einheit werden und ihre Grabenkämpfe beenden. Antinationale Vernetzung, vielfältiger Widerstand auf allen Ebenen und viele Informationen müssen unter die breite Masse gebracht werden. Aber dazu müssen wir aus den selbstgebauten Nischen raus.



Wieder neu aufgeflammt ist die Debatte über Sexismus, Vergewaltigung und Definitionsmacht. Ein Thema, das definitiv wichtig ist. Allerdings sind die Argumente die gebracht werden nicht besonders neu, weil auch die Debatte nicht neu ist. Vergewaltigung und sexuelle Mißhandlung sind und bleiben mit die grausamsten und widerlichsten Verbrechen, die es gibt. Da gibt es keine 2 Meinungen.

Trotzdem: wieder mal bilden sich 2 Hardliner-Fraktionen heraus, die auf ihrem Standpunkt beharren. Unfähig auf Argumente einzugehen. Die eine Seite versucht das Thema an sich zu ziehen, indem sie Dogmen ausgibt, die so nicht sinnvoll sind. Die andere Seite (vorrangig Männer) sieht in allem einen Angriff auf sich persönlich, ohne die eigenen Strukturen zu hinterfragen.

Und dann gibt es noch Leute, die stehen zwischen den Fronten.

"Das kommt doch wieder von irgendwelchen Kampfemanzen, die selbst nur mehr zu sagen haben wollen. Wenn Frauen die Macht hätten, die sie Männern unterstellen, würden sie genauso handeln. Das ist dasselbe in grün..." - Machoscheiße! Unreflektiert! Nur dumm! Maul halten und hinsetzen!

"Alle Männer sind potentielle Vergewaltiger!" - so ein Scheiß! Dieses Dogma könnt ihr gerne für euch behalten. Auch wenn die Aussage im Kern richtig ist, sind Männer auch potentielle Mörder, Diebe, Autofahrer, allein erziehende Väter, Biertrinker oder Nasenbohrer. Genauso wie Frauen. Die Möglichkeit besteht für jedeN. Wir wollen mal nicht vergessen, daß es auch Vergewaltigungen durch Frauen an Männern gibt, auch wenn diese nicht ganz so häufig sein mögen. Das ist kein einseitiges, klar aufgeteiltes Thema.

Einseitiges Definitionsrecht - Nein, danke! Solange mit dem Begriff "Vergewaltigung" so unvorsichtig umgegangen wird, wie es derzeit der Fall ist, NEIN.

Solange ein solcher Vorwurf (in Einzelfällen) erhoben werden kann, um Druck auszuüben, sich zu rächen oder Spielchen zu spielen, NEIN.

Viel zu oft wurde dieser Begriff schon aus verletztem Stolz heraus benutzt. Irgendwas lief nicht so, wie gewünscht, also schnell ne Geschichte erfinden um den Ruf zu ruinieren... Solange dieser Begriff nicht verantwortungsbewußt eingesetzt wird - NEIN!

Solange es Menschen gibt, die andere, vielleicht labile Menschen solange Vollschwafeln, bis sie sagen: "Das war eine Vergewaltigung!", auch wenn es nicht stimmt, NEIN.

In den meisten Fällen wird ohnehin nach Sympathie entschieden, wem man glaubt. Objektive Entscheidungen sind für die meisten kaum möglich. Steht man dem Opfer näher, glaubt man eher dem Opfer. Ist man mit dem vermeintlichen Täter befreundet, tut man sich schwerer damit ihn als Täter zu erkennen und Position zu beziehen. Im Zweifelsfall wird sich einfach rausgehalten.

Wer in seinem Umfeld jemanden kennt, dem dieser Vorwurf zu Unrecht gemacht wurde, wird verstehen, was ich meine. Es gibt zu viele Charakterschweine, die diesen Begriff entwerten. Denn eines ist klar: wird dieser Vorwurf erhoben, hat der/die (angebliche) TäterIn erstmal die Arschkarte! Selbstverständlich ist dem Opfer erstmal zu glauben. Kein Gericht dieser Welt hat das Recht darüber zu entscheiden, was mit dem Täter passiert. Diese Entscheidung steht einzig und allein dem Opfer zu. Bei einer tatsächlichen Vergewaltigung ist es nicht notwendig zu diskutieren. Es wird wohl niemand einem Vergewaltiger hinterher trauern, wenn dieser unglücklich stürzt und sich was bricht. Doch stellt sich irgendwann später heraus, daß definitiv und vielleicht sogar mal nachweisbar (was schwierig genug ist, da solche Sachen ja selten in breiter Öffentlichkeit passieren) nichts passiert ist, wird der/die Betroffene so einen Ruf nur sehr schwer wieder los! Es bleibt immer ein fader Nachgeschmack. Einmal Vergewaltiger, immer Vergewaltiger! Auch hier ist es wichtig ein Bewußtsein zu schaffen, das den Mißbrauch des Wortes verhindert. Nur dann, wenn jedem / jeder die Konsequenzen eines solchen Vorwurfs klar sind, kann es ein einseitiges Definitionsrecht geben. Da dies allerdings in absehbarer Zeit nicht gegeben sein wird, bin ich dagegen.

Wer gegen Sexismus kämpft, sollte sich auch nicht nur am Thema Vergewaltigung festbeißen. Das ist die (traurige) Spitze. Gegen Sexismus zu kämpfen bedeutet z. B. nicht, Menschen ihr Anrecht auf eine eigene Sexualität abzusprechen. Viele verwechseln ganz einfach Sexismus mit Sexualität. Wenn sich jemand zu einer Frau äußert, die ihm gefällt, ist das noch lange keine versuchte Vergewaltigung oder sexistisch, weil ihr Körper ansprechend ist. So wird es allerdings oft dargestellt. Man sieht nunmal zuerst das Äußere und bei eventuellem Kennenlernen später den Charakter. Und wenn für irgendwen wichtig ist, sich erstmal "auszutoben" und nicht auf den Charakter zu achten, wo liegt da das Problem? Dazu gehören immer (mindestens) 2. Dazu lernen kann er / sie immer noch. Allerdings nicht, wenn ihm / ihr gesagt wird: "Du bist Scheiße und was du da abziehst ist sexistisch!". Das kapiert doch keiner, wenn nicht erklärt wird, warum. Und zwar ohne, daß man dafür studiert oder ein Fremdwortlexikon auswendig gelernt haben muß. Jedem Sexismus zu unterstellen, der mal nen Spruch reißt, der nicht 100 % PC ist, bringt niemanden vorwärts. Ist es schon sexistisch, wenn z. B. vor einem Konzertort jemand die Hose runterläßt und jedem sein Geschlechtsteil präsentiert, weil er das lustig findet? Oder ist es nur ein blöder Scherz, über den man auch hinweg sehen kann, weil es nicht wichtig ist, solange er damit niemanden belästigt? Und wenn das sexistisch sein soll, ist es ok. trotzdem nix zu machen, wie es auch oft gehandhabt wird?



Antifaschismus sollte erfolgreich sein! ("Raketenhund")



Fakt ist, das letzte Mal als Nazis erfolgreich und dauerhaft am marschieren gehindert werden konnten, ist schon einige Zeit her. Zwar gelingt es hin und wieder, aber das liegt leider weniger an der eigenen Stärke als vielmehr am (weniger entschlossenen) Durchgreifen der Bullen. Konzepte funktionieren zu oft nicht, weil sie nicht von allen eingehalten werden oder es zu viele Kleinkriege zwischen den verschiedenen Gruppen gibt.

Kleingruppen schlagen sich durch irgendwelche Hinterhöfe, um dann ohne Unterstützung zu fünft vor einer Bullenkette und ein paar hundert Nazis zu stehen. Selbst wenn es mal gelingt bis zu den Nazis mit mehr als 5 Leuten vorzudringen, herrscht leider oftmals eher Planlosigkeit als durchdachte Aktion. Unbedingt hin da, dann aber nicht wissen, wie´s weiter gehen soll. Natürlich gibt es auch viele Sachen, die gut gelaufen sind. Dennoch:

Es scheint wichtiger zu sein sich selbst gut darzustellen, als ein Anliegen zu transportieren. Transpis auf Englisch, Schwarz tragen ist wichtig, möglichst soviel Ausrüstung dabei, daß man sich gar nicht mehr bewegen kann. Flugblätter werden selten verteilt, Abschottung (und dadurch Ausgrenzung und Einschüchterung derjenigen, die erreicht werden sollen, nämlich der Durchschnittsbevölkerung) und möglichst militantes Auftreten. Toll.

Wo bleibt der Kontakt zum Umfeld? Wer geht auf die Leute zu, die am Rand stehen und versucht sie einzubinden? Wieviele "Normalos" verstehen Parolen wie "No Justice, no Peace - fight the Police", wenn das einzige was sie sehen schwarz-vermummte sind, die sich Scharmützel mit den Bullen liefern? Wer wirkt den Vorstellungen entgegen, die sie dank Bild-Zeitung von der Linken haben? Wer klärt sie darüber auf, warum auf die eine oder andere Art gehandelt wird, ohne dabei in Szene-Sprache zu verfallen, die Außenstehende nicht kapieren können? Wer von den Bürgern macht sich Gedanken über "Kein Mensch ist illegal - Bleiberecht überall" oder "Nazis morden, der Staat schiebt ab, das ist das gleiche Rassistenpack!", wenn er friedlich latschende Nazis sieht, die mit Eiern oder sonstigem beworfen werden (und das zu Recht!)? Militanz? Ja! Aber sie muß vermittelbar sein. Was aussieht wie blinde Randalelust bleibt eher hängen als Parolen, die noch so richtig sein können.

Und noch was: was ich z. B. bei der 1. Mai Demo 2003 in Hamburg erlebt habe, war an Blödheit wirklich kaum noch zu überbieten. Eine Demo, bei der in einer total abgeschotteten Straße mit Böllern hantiert wurde und sich selbst abfeiern nach einer total kraftlosen Latschdemo zur Flora ist echt peinlich! Lauti-Durchsagen wie "heute haben wir uns die Straße zurückgeholt!" sind sowas von bescheuert, wenn man die ganze Zeit im Bullenspalier läuft! Und sich nach der Demo neben der Flora mit 20 schwarz Gekleideten an den Sparkassen-Automaten zu stellen ist auch total schlau! Antikapitalistisch, wie wir ja alle sind, dachte ich: jetzt wird das Scheißteil zerkloppt! Aber weit gefehlt! Statt dessen stellt man sich vor die (bestimmt vorhandene) Kamera und hebt erstmal Geld vom Konto ab. Gut erkennbar und jederzeit überprüfbar! Soviel dann zum Thema Überwachung. Total clever! Und leider sehr bezeichnend für den vorherrschenden Verbal-Radikalismus. Ein super Beispiel ist auch der in Berlin angegriffene Briefkasten der NPD-Zentrale, der von etlichen Leuten bearbeitet wurde, weil die Fenster verrammelt und mit Steinen nicht erreichbar waren. Böser Briefkasten! Und so eine Scheiß-Aktion wird dann auch noch auf Indymedia abgefeiert. Wer soll uns denn da noch ernst nehmen?



Linke Politik schießt heute am Ziel vorbei. Es fehlt ein gemeinsames Ziel, obwohl es so simpel ist. Eine Welt, geprägt von Respekt, Achtung, Toleranz und gegenseitiger Rücksichtnahme soll erreicht werden. Ohne irgendeine Form von Unterdrückung.

Ist es nicht Aufgabe der Linken ihre Forderungen und Anliegen verständlich zu transportieren? Der breiten Masse andere Wege zu zeigen? Ihr zu zeigen, daß es anders funktionieren kann, als jedeR einzelne es gewohnt ist? Auf diejenigen zuzugehen, über die sonst nur gelacht wird, weil die anderen sowieso alle Scheiße sind? Wenn wir etwas ändern wollen (und diesen Anspruch haben die meisten Linken angeblich), geht dies nur über die breite Masse. Sonst dümpeln wir weiterhin im eigenen Saft.

Das heißt back to the roots. In den Achzigern gab es in den autonomen Zusammenhängen etwas, das nannte sich Stadtteilpolitik. Dabei gab es in den Stadtteilen autonome Gruppen, die nicht nur aktiv gehandelt haben, sondern es auch verstanden dies vernünftig rüber zu bringen. Dadurch hatten sie einen wesentlich größeren Rückhalt in der Bevölkerung und ihre Themen wurden wesentlich breiter diskutiert. Diese Form ist heute fast in Vergessenheit geraten. Transport findet fast nur noch über linkes Merchandising statt.

Wenn Flyer gemacht werden, sind sie so vollgestopft mit Fremdwörtern und szenebekannten Informationen, daß kein Außenstehender Lust hat sie zu lesen. Mal davon abgesehen, daß mitgedruckte Bilder von Nazis im Steinhagel mehr auf Unverständnis als auf Zustimmung stoßen. Was für uns ganz nett sein mag, wirkt auf die, die wir erreichen wollen abschreckend. Wenn die Linke es überhaupt je konnte, hat sie es definitiv verlernt, sich klar und verständlich auszudrücken. Es wird viel zu schnell vergessen, daß nicht jedeR die gleichen Bildungsvoraussetzungen hat, wie man selbst. Wer den fremdwortgespickten Ausführungen nicht folgen kann hat Pech gehabt. Welcher Normalo mit einer durchschnittlichen Schulbildung kann denn bitte "Imperialismus", "Plenum", "Patriarchat", "Revisionismus", "kapitalistische Verwertungslogik" oder "plebeszitär" erklären? Leute! Überlegt doch mal! Wie wollt ihr jemanden erreichen, der euch nicht verstehen kann? Sprache grenzt aus. Ausgrenzung schafft Eliten. Elitäre Ignoranz gegenüber der Bildung, den Lebensbedingungen und den Bedürfnissen derjenigen, die erreicht werden müssen um etwas zu bewegen ist von vorn herein zum Scheitern verurteilt.

Wer außer den eigenen Zusammenhängen noch politisch nicht aktive Menschen kennt, sollte sich mal daran orientieren, was diese beschäftigt. Wer heute noch in der (glücklichen?) Situation ist einen Arbeitsplatz zu haben, sich dadurch ausbeuten lassen und seine Miete bezahlen kann, hat andere Sorgen als die Weltrevolution. Das Leben ist vielmehr geprägt von geschürter Angst um den Arbeitsplatz und damit verbundenem sozialem Abstieg, Konkurrenzdruck und Gehirnwäsche durch Massenmedien.

Wen interessiert schon die Ausbeutung in Billiglohnländern, wenn uns hier ANGEBLICH die Ausländer die Arbeit wegnehmen? Das Firmen, die ausländische Arbeiter einstellen, nur darauf bedacht sind ihre Lohnkosten zu senken, die Arbeiter auf´s übelste ausgebeutet und manchmal auch um ihren Lohn betrogen werden und versucht wird hier die Löhne zu drücken, indem in anderen Ländern billiger produziert wird, will doch eigentlich gar keiner wissen.

Wen interessiert schon die rassistische Abschottungspolitik der Festung Europa, wenn man sich am Wochenende in der Disko zudröhnen oder auf RTL Möchtegern-Stars beim durch-den-Dschungel-robben zusehen kann? Auseinandersetzung und Hinterfragen? Fehlanzeige! Und die Aufklärung über kapitalistische Verwertungslogik beschränkt sich darauf, dem Gegenüber mitzuteilen, daß er oder sie rassistische Vorurteile und gar keine Ahnung von der Materie hat.

Bei Unterhaltungen mit Außenstehenden wird ein Wissen vorausgesetzt, das mancheR auch nach Jahren der "Szenezugehörigkeit" und Auseinandersetzen mit den tausenden Themenbereichen noch nicht hat.

Wer noch nicht mal in der Lage ist mit den "eigenen Leuten" vernünftig zu diskutieren und Perspektiven zu entwickeln, wird dies erstrecht nicht beim Normalo schaffen, der viele Themen zum ersten Mal an den Kopf geworfen bekommt. Die wenigsten setzen sich mal mit anderen Dingen als der Fernsehzeitung auseinander. Hier anzusetzen ist wichtig. JedeR ist in der Lage irgendwen zu überreden Sachen genauso zu sehen. Wer nicht die nötigen Informationen hat, gibt schnell auf und akzeptiert die gebotenen Infos und Argumente. Es bringt aber niemanden vorwärts andere zu überreden. Es ist unsere Aufgabe sie zu ÜBERZEUGEN! Plattbomben mit Infos bewirkt nur, daß das Gegenüber abschaltet und nicht mehr zuhören will.



Die meisten Leute haben leider scheinbar vergessen, daß sie auch nicht total schlau zur Welt gekommen sind. KeineR von uns hatte schon immer alle Informationen und wußte auf ihrem / seinem Gebiet so gut Bescheid. Es sollte also mal darüber nachgedacht werden, wie man mit dem eigenen potentiellen Nachwuchs umgeht. Eine Behandlung von oben herab ist leider nicht selten. Meistens müssen sich auch bei uns die Neuen erst einen Ruf erarbeiten, bevor sie ernst genommen werden. Selten werden sie dabei angemessen unterstützt.

Ich habe viele Leute (und es werden ständig mehr) kennen gelernt, die unglaublich hohe Ansprüche an andere haben. Selbst bekommen sie aber nicht mal die simpelsten Sachen auf die Reihe. Zuverlässigkeit und konsequentes Verhalten sind eigentlich Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Politik. Ein bischen Selbstdisziplin könnte auch nicht schaden. Das wird oft vergessen. Die o. g. Voraussetzung von Bildung ist ein Punkt. Ein weiterer ist das mit-zweierlei-Maß-messen. Es wird sich aufgeregt, wenn jemand anders Witze über Dicke, Minderheiten, Yuppies, uniformierte Girlies oder sonstwas macht. Nur gehen diese Leute nicht mit gutem Beispiel voran. Sie glauben viel mehr, sie hätten selber das Recht dazu solche Witze hin und wieder zu machen, weil sie sich auf Grund ihrer Auseinandersetzung mit den Themen für was besseres halten. Da hat sich jemand mal 2 Monate mit einem Thema beschäftigt und denkt schon er / sie habe die Weisheit mit Löffeln gefressen. Das nenne ich Doppelmoral. Eigentlich sollte der Anspruch doch wohl sein mit Aufklärung und anderem Verhalten gesellschaftliche Denkmuster nicht weiter zu reproduzieren...! Jemanden anmachen, weil er einen beschissenen Witz macht, aber selber in engerem Kreis dasselbe tun, trägt hierzu nicht gerade bei, oder?



Zum Abschluß folgendes:

Wer will, kann sich gerne an mich wenden. Dieser Text soll Denkanstöße liefern, daher sind einige Punkte vielleicht überspitzt dargestellt. Wer sich also persönlich angegriffen fühlt, sollte sich mal fragen, in wie fern das gerechtfertigt ist. Das ganze hier ist keine super schlaue Analyse. Es ist schlicht meine Meinung zur Situation der ziemlich überheblich gewordenen Linken. Uns fehlt die Bodenhaftung. Die Zeiten, in denen wir eine ernstzunehmende Gefahr für den Staat und die Gesellschaft waren, weil wir Ideen hatten, die fortschrittlich waren, sind vorbei. Das einzige, was wir momentan tun, ist spalten. Politik machen wird größtenteils nur noch als Happening gesehen, wobei einige wenige die Unterhaltungskasper für den Rest machen. Konsumieren ist wichtiger geworden als selber handeln. Hauptsache wir tragen schwarz... Kontakt:

 nochfragen@gmx.net



P.S.: Man muß nicht immer zu allem Scheiß eine Meinung haben. Sich informieren, bevor man sich in Diskussionen verrennt, kann nicht schaden. Das gilt ganz besonders für den Israel/Palästina Konflikt. Ein schöner Satz, den ich vor kurzem auf einem T-Shirt gelesen habe:

WENN MAN KEINE AHNUNG HAT, EINFACH MAL FRESSE HALTEN!



Antifaschistische Grüße
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Ergänzungen

in the circles of our minds

Am What 01.02.2004 - 18:32
Geschichtsbücher schaden nur bedingt;
von den Frühsozialisten - zu Karl Marx - von der deutschen Kleinstaaterei -
über die Industrialisierung - zu Bismarks Reichspolitik - über den
Friedhof der Märzgefallenen - unter Berücksichtigung der deutschen
Romantik -
zum 1.Weltkrieg und seinen Folgen -
- Arbeiterbewegungen in der Weimaer Republik ebenso wie Jugendprotest-
bewegungen im allgemeinen - (z.B. Jugend auf dem Monte Veritas)
- deutscher Faschismus -
! alle Bewegungen die nicht vereinahmt werden konnten wurden verboten
und verfolgt !
-Nachkriegsdeutschland im Kalten Krieg -
Jugend-Protestbewegungen im Westen und Osten - unterschiedlichster
geistiger Strömungen, oft mit partiellen Rückgriffen auf die Bewegungen
der Weimaer Republik -
und wo sind wir heute? !...!

@ A. N. Griff

A. N. Onym 01.02.2004 - 18:45
Hallo,

dass ich auf so ein Brief reagiere ist eher eine Seltenheit, aber gut, ich mach´s mal, wahrscheinlich ist es deine Aufgeregtheit, die mir da einen kick gibt, und die Tatsache, dass du auch mit "Außenstehenden" sprichst. Das tun wenige in der so genannten linken Szene, was echt für sich spricht. Hierfür erst mal mein dezidierter Zuspruch. Das mit dem "Aufgeben" von Aktivisten würde ich kritischer sehen. Langsam sind´s dreißig Jahre, dass ich irgendwelche linken Szenen mitbekomme, ich stelle bei vielen in Frage, dass sie je überhaupt wirklich und/oder mit dem richtigen Bewusstsein was wollten, bei allem Respekt für jede und jeden "Aufrichtigen". In meinen Augen ist es so, dass viele mehr als aufgeben einfach Alles fallen lassen, wenn sie in der eigenen Entwicklung so weit sind, dass sie eine Menge von ihrem linken Dasein nicht mehr brauchen/verwerten können. Verzeih´ die harten Worte, aber ein ganzer Haufen Leute ist einfach nur egomanisch, profilierungssüchtig, karrieregeil im alternativen Gewand, bürgerlich, trittbrettfahrerisch zum Zweck der Sozialisation und einiges mehr.

Mit dem benutzen von "man" bin ich voll und ganz einverstanden. Auch ich finde die Alternative "Mensch" nur bedingt geeignet und das sexistische Echo ist schwächer als manches Gehabe von Leuten, die pc reden aber nicht so handeln.

Die Themenliste könnte erweitert werden, aber gut, bleiben wir bei denen hier:

Dass das Thema Palästina/Israel durch den ganzen Hick Hack praktisch eliminiert und somit auch aus unserer politischer Verantwortung verdrängt wird, steht fest. Eine extrem elende Geschichte ist das, mehr sage ich dazu nicht.

Der Meinung: " [...] Ich glaube kaum, daß die auch nur einen Finger krumm machen würden, um alles neu aufzubauen. Auch wenn sie danach ihr wie auch immer geartetes System aufbauen dürften. [...]" bin ich auch. Das mit der Traumwelt ist mir zu lieblich und niedlich. Ich sehe oft auch tierische Selbstsucht und galoppierenden Autoritarismus/HERRlichkeitswahn. Sorry noch mal für die harte durchsage.

Im großen und ganzen liegst du in meinen Augen ganz richtig, mit deiner Einschätzung der weiten Landschaft, die wie auch immer eine andere, bessere Welt fordert und sich für eine solche engagiert. Du sprichst von Einheit: ich sage, gerade an jene Bewegung für eine andere Welt anknüpfend, Einheit in der Vielfalt ist der Weg. : )

Du sagst auch: viele Informationen müssen unter die breite Masse gebracht werden. Ganz besonders das finde ich sehr richtig. Korrekt natürlich auch die Folgerung: "Aber dazu müssen wir aus den selbstgebauten Nischen raus".

Was du genau (Thema Sexismus-Debatten) hiermit meinst, ist mir nicht klar: Die eine Seite versucht das Thema an sich zu ziehen, indem sie Dogmen ausgibt, die so nicht sinnvoll sind.
Die Anmerkung zur „anderen“ Seite ist für mich ok, soweit. Aber ein Haufen Frauen hinterfragt die männlichen Strukturen genauso wenig, das wird sowohl in linken Gruppen- als auch in linken Paarbeziehungen sehr oft deutlich und es ist echt nicht nur die Unterdrückung schuld. (ich bin übrigens eine Frau).

Zum Begriff Vergewaltigung: ja, hundertpro einer der am fiesesten missbrauchten und zugleich nicht Ernst genommenen Begriffe überhaupt.

Du schreibst: "Und wenn für irgendwen wichtig ist, sich erstmal "auszutoben" und nicht auf den Charakter zu achten, wo liegt da das Problem? Dazu gehören immer (mindestens) 2. Dazu lernen kann er / sie immer noch". Na ja, kann höchstens für blutjunge Leute gelten und klingt selbst dann ein wenig armselig. Der Wert eines Menschen ist jedenfalls auch was die Art und Weise der Linken Sexualität auszuleben betrifft, unterm Strich echt nicht sehr hoch gelagert, finde ich.

Volle Zustimmung in Sachen Antifaschismusabschnitt.

Eine Welt, geprägt von Respekt, Achtung, Toleranz und gegenseitiger Rücksichtnahme setzt voraus, dass Forderungen und Anliegen verständlich vermittelt werden etc. : )

Stadtteilarbeit wäre absolut ein Weg (von vielen, aber ein sehr wichtiger!).

Die traurige Geschichte der kryptischen Flyer, Flugis und Redebeiträge ist trotz einigen guten Versuchen, die auf ähnliche Feststellungen folgten, seit einer Ewigkeit eine Spezialität der Linken und verrät einiges über das faktische Desinteresse, wirklich mit anderen zu kommunizieren und oft auch tierische Selbstsucht. Ich war schon immer absolut dagegen. Wie du zu Recht feststellst, haben die meisten Leute leider scheinbar vergessen, daß sie auch nicht total schlau zur Welt gekommen sind.

Nur Mut. Es kann viel Ärger bringen, aber es ist meiner Meinung nach richtig, solche Fragen, wie du sie aufwirfst, zu vertiefen, auch wenn sie nicht neu sind und sicher auch manchen gehörig nerven werden. Ich wünsche dir, dass dein Wurf dennoch was bringt.

Ach ja: @ Warhead: Die Frustrationsschwelle in Deutschland ist wahrlich extrem niedrig. Kompensation daher absolut ein starker Trend.

anspruch und wirklichkeit

erik 01.02.2004 - 19:01
ola a.n.griff

habe deinen text zur "situation der dt. linken" gelesen und würde dir in den meisten punkten zustimmen; es deckt sich mit dem eindruck den ich über die radikale linke oder linksradikale habe (in deren kreisen ich mich viel bewege und die mich mit politisch sozialisiert haben). aus marxistischen kreisen werden autonome usw zum teil berechtigt als "kleinbürgerlich" diffamiert und bei teilen der vereinsmeierei, die in den zusammenhängen zu erleben ist, auch völlig zurecht.

ich denke ab und zu, dass es nicht die radikale linke sein wird aus der impulse für einen gesellschaftlichen wandel hervorgehen wird. abgesehen davon, dass ich es für viel zu simpel halte, komlexe zusammenhänge wie politsche einstellung nach einem schlichten schwarz-weiss schema zu benennen, sprich rechts und links, geht mir der borniertheit und arroganz in den kreisen auf den senkel.

doch was tun? du sagt es wäre doch eigentlich so einfach, ein gemeinsames ziel zu formulieren. doch sind ungefüllte, undiskutierte begriffe eine einladung zur freien interpretation und die wege zum ziel können völlig unterschiedlich aussehen. du hast recht, wenn du von den hohen ansprüchen bei vielen "linken" redest, die in der wirklichkeit keine niederschlag finden.anspruch und wirklichkeit, theorie und praxis sind die knackpunkte für eine glaubwürdige politik, die auch "aussenstehende" überzeugen und motivieren kann.

ein problem der radikalen linke ist das sektieren und die organisationsfeindlichkeit.ausgrenzen geht schneller und ist viel bequemer als zuzuhören und sich auseinanderzusetzen. hierachien in organisationen können sich verselbstständigen, müssen es aber zwangsläufig nicht. wer eine gesellschaftliche "gegenmacht" entwickeln will, muss sich organisieren; auch zusammen mit den leuten, die vielleicht nicht die "ismen" a la triple opression theory usw runterbeten können. dauert lange, ist anstrengend, aber vertreibt vielleicht mal den muff von 30 jahren in der linksradikalen szene, der heilen welt aus voküs, soliparties und latschdemos.

soweit erstmal, ist nur ne ungeordnete gedankensammlung. ich glaube, dass es an der zeit ist über strategien für eine gesellschatliche veränderung zu diskutieren und mal wieder in längeren zeiträumen zu denken; veränderung geht nicht von heute auf morgen, sondern dauert jahrzehnte. würd gern weiter mit dir drüber diskutieren, vielleicht in einer anderer lösung im netz, wie ein wiki oder n forum.

gruß,

erik

p.s. eine recht gute analyse der "deutschen linken" findet sich in dem buch vom buko "radikla global", assoziation a, 2003, "the people of geneva, plädoyer für eine postavantgardistische linke" von thomas seibert

den Nagel auf den Kopf getroffen

marcos 01.02.2004 - 21:41
Kann dir in fast allen Punkten eigentlich nur zustimmen.
Ich möchte nur sagen ,dass eigentlich noch keine Linke so gute Bedingungen gehabt hat wie heute. Über die 68er kann man sich streiten ,aber sie warenb sich einiger und entschlossener als heute.
Durch das Internet und so wunderbare Einrichtungen wie indymedia und andere Netzwerke könnten wirklich ernsthaft etwas erreicht werden.
Gut. Mit manchen Gruppierungen wie den Antideutschen,DKP und PDS möchte ich wirklich nichts zu tun haben, aber insgesamt sollte die Linke untereinander etwas toleranter und offener werden...
Was das bewirkeeeeen kann, sieht man ja in Ansätzen schon in der Antiglobalisierungsbewegung und dem Weltsozialforum...

Deinen Text wirklich in allen Ehren.
Er sollten DRINGEND weiter verbreitet werden.




Solidarität ist eine Waffe!

Alternativen Leben

Linker Anarchist 02.02.2004 - 00:25
Der Text trifft in vielen Punkten tatsächlich den Zustand der deutschen Linken. Wie weiter oben schon gesagt, gibt es derzeit gute Voraussetzungen wie noch nie oder zumindest lange nicht für die Linke: Internet und weltweite Vernetzung und zusätzlich eine Unzufriedenheit mit dem derzeitigen politischen Geschehen auf Grund von Sozialabbau etc. Allerdings ist dies auch die Möglichkeit für rechte Rattenfänger a la Schill, Haider und co. Dem gilt es entgegenzutreten.
Die Probleme in der Linken sind vielseitig:
1. elitäres Gehabe, das sich auch durch Sprache ausdrückt und viele Menschen ausgrenzt.
2. Selbstdarstellung: Kommunismus ist jetzt sexy und Häuserbesetzen sowieso cool, damit ich später den Enkeln erzählen kann: Ich war dabei.
3. Spalterei statt Organisierung und Zusammenhalt
4. ... liesse sich endlos fortsetzen die Liste

Doch was daraus lernen. Vielerorts wird die Deutungshoheit über den Antifa-Begriff derzeit von den Antideutschen übernommen. Eine übergreifende Organisierung ohne sie gibt es kaum...


Mein Vorschlag:
Wir müssen Alternativen leben. Nicht bloß Flugblätter schreiben oder auf Demos gehen. Nicht leere Häuser besetzen weils cool ist und die Räumung voher klar ist. Lasst uns Häuser besetzen, dort wo es keine Kultur oder Jugendzentren gibt, wo die Chancen auf Duldung höher sind, wo eine Solidarität durch die Bevölkerung denkbar ist (voher überprüfen).
Alternativen leben heisst für mich auch, eine Art Stadtteilarbeit (keine Ahnung wie es genau aussieht, bin ich zu jung für... hört sich aber gut an) durchzuführen.
Lasst uns Kooperativen und Genossenschaften gründen, eigene Lebens und Arbeitsformen leben und nicht nur theoretisch diskutieren. Lasst uns auch Bündnisse mit anderen (attac,PDS) eingehen, die haben Geld und Einfluss/Kontakt, das manchmal einfach schlicht notwendig ist, zumindest anfangs.
Wir müssen uns wieder organisieren, auch wenn man/mensch (in der Diskussion bin ich auch leider nicht drin) sich nicht immer einig ist, gerade bei Anti-Naziaktionen. Wie wäre es wieder mit einer bundesweiten Organisierung der Antifa OHNE NATIONALISTEN/RASSISTEN/ETC?


Auch ein eigenes Diskussionforum im Internet wäre als erster Schritt schön... Ich hoffe nur, dass die Linke ihre Chance auch wirklich nutzt und etwas aufbaut, was länger bleibt als einige Jahre. Alternative Zentren können Jahrzehnte halten, "linke" Abreitsstätten wie Genossenschaften können auch halten, wenn die Mitglieder nicht mehr sooo politisch sind und neue Mitglieder wachsen in einer politiserten Umwelt auf/ leben sich da ein.
DER ALLTAG MUSS WIEDER (NACHHALTIG) POLITISIERT WERDEN, OHNE DASS DIE POLITICAL CORRECTNESS DAS DIKTAT ÜBERNIMMT!!!! UND AKTIVES, OFFENSIVES AUFTRETEN DARF NICHT VERGESSEN WERDnE!
Wir müssen den Mitmenschen zeigen, dass ein Leben ohne Kapitalismus möglich ist: Indem wir es ihnen vorleben. Wenn ich in mehr als 2einhalb Szeneläden sondern in jeder halbwegs größeren Stadt "antikapitalistisch konsumieren" kann, würden auch manche "Normalos" dort hinkommen. Und Menschen genung sind wir dafür, es kriegt nur kaum eine/r den Arsch hoch. Gerade bei den Linken ist auch eine Konsumhaltung eingetreten ala "Warten auf die Weltrevolution".

@ a.n.onym

a.n.chorwoman 02.02.2004 - 11:48
Das Psychogramm, das a.n.onym weiter vorne von vielen Linken zeichnet ("egomanisch, profilierungssüchtig, karrieregeil im alternativen Gewand, bürgerlich, trittbrettfahrerisch zum Zweck der Sozialisation und vieles mehr") trifft meiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf.

Wer wird heute LinkeR? Was bewegt einen dazu, sich gegen die bestehenden Verhältnisse zu stellen? Oft sind es leider NICHT das Erleben von Unrecht und ein wie auch immer gearteter Humanismus (man könnte auch sagen: Menschenfreundlichkeit), sondern: Macker-, Poser- und Checkertum; der Wunsch nach einem klaren Welt- (Feind-)bild in Verbindung mit Rechthaberei und Dogmatismus; der Wunsch, der eigenen Lust auf Dramatik im faden Alltag, der Suche nach Action, Rumprügeln etc. eine höhere ideologische Weihe zu verleihen (ansonsten könnte man genausogut zum Hooligan werden); der Wunsch, anders zu sein als die breite Masse (Distinktionsgewinn, Überheblichkeit, Szenesnobismus etc.); etc. etc.

Damit will ich nicht in Abrede stellen, dass es zig Linke gibt, die sich häufig unter schwierigsten Bedingungen den Arsch aufreißen und ständig nur auf die Fresse kriegen, und zwar sowohl vom Gegner wie auch von der (vermeintlich) eigenen Seite. Mehr Respekt und Dankbarkeit für die Leute, die konstruktiv und mit einer gewissen Bescheidenheit und Würde noch was auf die Beinde stellen, wäre angebracht. Einige werden sich daran stoßen, dass das nach großväterlichen Tugenden klingt. Aber in den Zeiten egomanischer Spaßkultur kriegen diese Tugenden auf einmal wieder einen altmodischen Glanz. Wenn man sich mit der Geschichte der Linken beschäftigt, z.B. mit dem Spanischen Bürgerkrieg, dann hat man eine Ahnung davon, dass es diesen Menschen damals wirklich um etwas ging, dass sie mit Ernst, Opferbereitschaft (nein, das ist KEIN Faschobegriff!!) und innerer Würde bei der Sache waren. Heute erlebt man die Linke oft als unflätigen, brutalen, pöbelnden, versoffenen Haufen. Nichts gegen Rumprollen etc., aber damit kann man kein politisches Anliegen transportieren, das die breite Masse erreichen soll. Wie soll ein "Normalbürger" annehmen, dass diese Leute in der Lage und willens sein könnten, eine neue, bessere Gesellschaft zu schaffen?

Jemand weiter vorne schrieb auch was von der Notwendigkeit von mehr Disziplin. Finde ich auch. Damit meine ich nicht, dass wir alle zu blinden Parteisoldaten mutieren sollten. Vielleicht meine ich damit nur Konstruktivität und Zuverlässigkeit in der politischen Arbeit.

Un nochwat: Wir müssen wieder Utopien entwickeln und aufhören, uns vom Faschopack unsere Agenda diktieren zu lassen. Wir müssen mit unseren Visionen einer besseren Welt die Faschos alt aussehen lassen und komplett rechts liegen lassen. Damit verbunden ist auch die Notwendigkeit, die häufige Lustfeindlichkeit der Linken zu überdenken. Ich weiß, das scheint sich mit dem vorher Geschriebenen über Disziplin etc. zu beißen, aber das ist nur scheinbar so. Disziplin und Ernsthaftigkeit schließen Lust und Spaß nicht aus, oder nehmt Ihr ernsthaft an, z.B. die spanischen Revolutionäre waren die reinsten Sauertöpfe? Ja, wir müssen an unsere Außenwirkung denken. Das hat nichts mit Anbiederei zu tun, sondern mit Verständlichkeit und Bodenhaftung.

Scheiß auf Nationen! Scheiß auf Dogmaten! Scheiß auf Haarspalter!


typisch deutsch

anti 02.02.2004 - 13:56
typisch deutsche diskussion! woran es der deutschen linken wirklich fehlt,
ist KONFLIKTBEREITSCHAFT! ich könnte kotzen, weil ich weiß dass der letzte generalstreik in d-land 84 jahre her ist (gegen kapp-putsch 1920).ich könnte kotzen, wenn ich mir vom demo-lauti sagen lassen muss "bitte hört auf schneebälle zu werfen, da könnten steine drin sein." geht doch in die grundschule. ich könnte kotzen, wenn 2000 demonstranten vor einer reihe von vielleicht 15-20 bullen stehen bleiben. ich könnte kotzen, wenn ich sehe das ein haufen "anarchie! kommunismus!" schreier vor einer leeren straße an einer roten ampel stehen
bleiben. vielleicht ist münchen ein extremes beispiel und anderswo ist es besser, aber ich habe die hoffnung darauf inzwischen aufgegeben. wieso habe ich in d-land noch NIE einen pink-silver-block gesehen, der mit selbst-improvisierten sambarhythmen für stimmung gesorgt hat. ach ja, richtig, da könnte mensch sich ja amüsieren. andererseits sehe ich auch nur bei ca. einem zehntel aller demos einen kraftvollen, energischen und durchorganisierten "schwarzen block", und hierbei rede ich nicht nur von münchen. gebt es zu, leute, was uns fehlt ist
a) kreativität
b) konsequenz (*)
c) militanz


(*) mit konsequenz meine ich: in deutschland ist es üblich, sich von den bullen (oder den faschos) gerade so weit provozieren zu lassen, dass diese
einen grund für (gegen-) gewalt haben - sprich wir sind nicht konsequent pazifistisch. andererseits ist es auch höchst unwahrscheinlich, dass die provokationen für die provozierenden so ernsthafte folgen haben, dass diese es ganz bleiben lassen - sprich wir geben auf, kurz bevor es auch für die gegenseite brenzlig würde. wir sind also nicht konsequent militant. dieser mittelweg bringt uns nie weiter!

Am längsten lebe Israel??

Partei bibeltreuer Christen 02.02.2004 - 14:56
Hier mal ein bisschen konkreter zu dem, was hier via Utopia quasi ewiges Leben eingehaucht bekommen soll:


Kölner Erklärung:

Den Mauerbau in Palästina unverzüglich stoppen!

Die am 17.1.04 in Köln versammelten Mitglieder aus der Friedensbewegung und der Bewegung für internationale Solidarität erklären:

Die israelische Regierung betreibt mit Hochdruck den Bau einer Mauer, die sie als „Trennungszaun“ bezeichnet – tatsächlich aber annektiert sie damit de facto fast 50% der besetzten palästinensischen Westbank. Damit verstößt Israel ein weiteres Mal gegen das Völkerrecht und fügt Hunderttausenden von PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten, deren Menschenrechte es bereits durch die Okkupation schwerwiegend verletzt hat, weiteres Unrecht hinzu.

Diese Mauer ist kein Beitrag für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern. Sie intensiviert die Gewalt, die durch die Besatzungsherrschaft gegen die palästinensische Bevölkerung ausgeübt wird Daher wird sie auch der Bevölkerung Israels nicht die angekündigte Sicherheit bieten können, sondern nur erneut Gegengewalt provozieren. Nur ein Ende der Besatzung, ein rascher und endgültiger Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten und eine faire Lösung des Flüchtlingsproblems werden auch zu einem Ende der Gewalt führen und den verbrecherischen Angriffen auf unschuldige Zivilisten beider Seiten den Nährboden entziehen.

Gemeinsam mit unseren palästinensischen, israelischen und internationalen Partnern in der „Kampagne gegen die Apartheidmauer“ setzen wir uns für einen gerechten Frieden in der Region ein. Für einen solchen Frieden ist ein Ende der israelischen Besetzung und Besiedlung die unabdingbare Voraussetzung.

Wir wollen
- gewaltlose Kampagnen israelischer und palästinensischer Aktivistinnen und Aktivisten gegen die Errichtung des „Trennungszaun“ unterstützen

- die deutsche Öffentlichkeit über das mit dem Mauerbau verbundene Unrecht und die dagegen gerichteten Aktivitäten informieren

- auf deutsche und EU-Instanzen dahingehend einwirken, dass Waffenexporte in die Krisenregion Nahost völlig eingestellt und Handelsbeziehungen daraufhin überprüft werden, inwieweit sie menschen- und völkerrechtlich vertretbar sind.

Durch entschiedene Unterstützung der Kräfte in Israel und Palästina, die für ein gleichberechtigtes, friedliches Zusammenleben beider Völker eintreten und kämpfen, können wir als Europäer und Europäerinnen einen wichtigen Beitrag gegen Hass, Verzweiflung und Gewalt im Nahen Osten leisten und so nicht nur in dieser uns benachbarten Region, sondern auch weltweit den Frieden unterstützen.

Im Juni diesen Jahres werden wir zusammen mit unseren internationalen Partnern auf einer Konferenz den Stand der Entwicklung und die Perspektiven der Arbeit für den Frieden in Nahost erörtern.

Kampagne gegen den Mauerbau in Palästina – www.freepalestine.de

Kontaktadressen:

· Jens-Peter Steffen – IPPNW – Geschäftsstelle Berlin – Tel: 030-69 80 74-0 –  steffen@ippnw.de

· Bonner Kampagnen-Koordination -  mauer@freepalestine.de

zur Sexismus-Debatte

fee 02.02.2004 - 15:06
erstmal DANKE für diesen Beitrag, finde ich super, auch die kommentare lassen sehr hoffen. im großen und ganzen also zustimmung, bis auf ein thema: sexismus.
ich finde es schade, dass der beitrag "definitionsrecht" nicht stehengelassen wurde, er lieferte sehr wichtige ergänzungen und vor allem das was in A.N.Griff's Beitrag fehlte: Lösungsvorschläge.
ich versuche mich kurzzufassen und hoffe, irgendwo anders mit euch über die gesamte thematik des beitrags diskutieren zu können.

ich bin mit der verwendung des wortes "man" weniger einverstanden, zwar ist es kein weltuntergang, aber (auch wenn du/ihr es nicht so empfindet), es stammt nun mal vom wort "Mann" ab, da gibt's nix dran zu rütteln. Ich verwende das wort "mensch", auch wenn das auch nicht ganz o.k. ist, da es nämlich ebenfalls vom wort "Mann" abstammt, aber da ist die alltags-assoziation dessen nicht mehr so stark vorhanden.

ich finde es schade, dass du so schwammig über das thema schreibst und auch noch sehr tatsachenfremde aussagen triffst, mir scheint es, als hättest du "gar keine Ahnung von der Materie". Dem Satz "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten" würde ich aber trotzdem nicht zustimmen, da leider nur viel zu wenige überhaupt eine Ahnung von dem Thema Sexismus haben und viel zu viele von denen, die eine Ahnung davon haben, leider die Fresse halten. Also, danke dass du das Thema ansprichst.

Thema Vergewaltigung: Das wichtigste aus dem "Definitionsrecht"-Beitrag noch mal: "Denn es ist die absolute Ausnahme, dass ein Mann fälschlicherweise als Täter beschuldigt wird." Die Verbreitung des Bildes des lügnerischen Weibes ist Teil der Vergewaltigungsmythen, die dazu beitragen, dass kaum ein Opfer Ihren Peiniger anzeigt. Genau diese Fälle sind es aber, die sofort in den Medien landen, wen interessiert schon, wann mal wirklich ne Frau vergewaltigt wurde... Was übrigens mit Einberechnung der Dunkelziffer jährlich über 200.000 alleine in Deutschland sind.
Diese Seite solltet ihr euch unbedingt durchlesen:
 http://www.frauennotrufe.de/uebergewalt01.html
Ich kenne wahrhaftig niemanden, der fälschlicherweise einer sexuellen Straftat beschuldigt wurde, aber ich kenne mittlerweile schon viel zu viele (Frauen), die einem solchen Vergehen zum Opfer vielen. Angezeigt hat es keine einzige. Pardon, eine einzige, die euch genug über die Demütigung des Opfers während des jruistischen Weges erzählen kann, was mit einer Falschbeschuldigung des Täters wohl kaum zu vergleichen ist. "im Zweifel für den Angeklagten".
Mein Kommentar dazu: Ich finde es genauso schlimm, jemanden fälschlicherweise solch eines Verbrechens zu beschuldigen wie selbst eins zu begehen. Alle Frauen, die sowas tun, müssen sich darüber klar werden, dass sie damit die Basis für weitere Verbrechen und Vergewaltigungen legen, weil mit jedem mal echten Opfern weniger geglaubt wird. Sie machen sich genauso mitschuldig an einer Vergewaltigung wie jedeR, die/der keine Solidarität mit Opfern aufbringen kann und ihnen den Weg zur Gerechtigkeit noch erschwert.

weibliche Vergewaltiger und männliche Opfer: Laut Polizeistatisktik (das ist der einzige Richtwert, nur mal als Veranschaulichung) waren im Jahre 2002 98,9 % der Täter männlich, 1,1% weiblich.
Es ist bekannt, dass die meisten als Täterinnen erfassten Frauen "nur" Mittäterinnen sind oder in Gruppen (Mädchen-Banden) vorgehen (ist auch an der Altersstruktur der Tatverdächtigen zu erkennen: die meisten weiblichen Tatverdächtigen sind zwischen 14 und 21 Jahre alt). In beiden Fällen handelt es sich überwiegend um weibliche Opfer.
Fast alle der in der Statistik auftretenden männlichen Opfer sind Opfer männlicher Täter.
"Vergewaltigungen durch Frauen an Männern" sind also im Gegensatz zu Vergewaltigungen durch Männer an Frauen nicht "nicht ganz so häufig" sondern extremstenst gering.

Ich finde es auch schade, dass Vergewaltigung das einzige Thema im Themenbereich Sexismus ist, über das überhaupt mal jemand spricht. Ich habe bisher die Erfahrung gemacht, dass alles andere gleich lächerlich gemacht wird und erst dieser harte Brocken die Menschen dann aufrüttelt.

Das über die Seite, die "Dogmen ausgibt, die so nicht sinnvoll sind" habe ich auch nicht ganz verstanden, was genau meinst du damit?
Eins schreibst du: "Alle Männer sind potentielle Vergewaltiger!"
Ich weiß nicht, wen du damit meinst, der oder die solche Sachen sagt, aber für mich als Feministin ist genau das ein Punkt gegen den ich ankämpfe. Das ist nämlich nichts als Sexismus. Von klein auf wird Mädchen eingebläut, sich nicht mit männlichen Wesen alleine an einen Ort zu begeben, und wenn sie's doch tun und dann mal was passiert - "wie naiv bist du eigentlich". Schade, sehr schade. Und genau das ist auch ein grund dafür, warum ich Männer davon zu überzeugen versuche, dass der Kampf gegen Vergewaltigungsmythen so wichtig ist. Bin ich auch eine Kampfemanze?

Am Ende zählst du, nachdem du Vergewaltigung nur "die traurige Spitze" des Eisbergs genannt hast, einige Sachen auf, die für dich NICHT sexistisch sind (für mich schon). Aber du schreibst nirgends, was denn für dich jetzt eigentlich Sexismus ist, wogegen oder wofür du kämpfen willst, wie du es angehen willst etc.pp.

Bei den anderen Themen hast du das doch auch so schön hingekriegt.

Und meine Erfahrung zum Thema Sexismus innerhalb der Linken: Genau das gleiche Desinteresse und Lächerlich machen der Debatte, aber genauso Sexismus-Vorfälle wie beim Rest der Nation.

Ich hab zu dem Thema einiges auf meiner Homepage geschrieben, u.a. eine Seminararbeit dazu veröffentlicht, wen's interessiert:

zum Wort "man"

Ethymologin 02.02.2004 - 16:11
Es stimmt einfach nicht, dass "man" von "Mann" kommt, wie hier behauptet wird... sondern genau umgekehrt: das altgermanische "man" heißt "Mensch", und "Mann" kommt von "man" (= Mensch). Es zeugt von eklatanter ethymologischer Unkenntnis, wenn MAN das nicht weiß, oder MAN hier sogar noch gegenteiligen Unfug behauptet...

Ergo: "Wer keine Ahnung hat - einfach mal Fresse halten!".

@Ethymologin

fee 02.02.2004 - 21:27
danke für die Klarstellung. Fest steht also, dass Mann, man und Mensch miteinander wortverwandt sind, wobei es für mich weniger eine Rolle spielt, ob Mensch = man = Mann oder Mann = man = Mensch. Tatsache ist, dass Frau dabei verschwunden ist und jedeR kann sich selbst mal genauer beobachten, welche Assoziationen beim Lesen von Texten bei ihr/ihm auftreten, in denen nur von "man" die Rede ist.
Ich hätte das ganze gerne noch weiter ausgeführt, aber das hier ist schließlich kein Diskussionsforum.

@ A. N. Onym

A. N. Griff 02.02.2004 - 22:00
Ich habe ehrlich gesagt nicht mit so viel positiver Resonanz gerechnet. Scheinbar sind es doch meistens die eigenen Zusammenhänge, die sich so engstirnig verhalten. Nur kennt sie anscheinend jedeR... Was mich irgendwie in meinen Ansichten bestätigt. Es ist auf jeden Fall schon toll, daß sich bei den Kommentaren nicht nur auf bloßes Anpöbeln beschränkt wird, wie es hier lange üblich war. Das gibt Grund zur Hoffnung.
Ich gebe dir Recht, was den Punkt "richtiges Bewußtsein" angeht. Eine Zeit mitlaufen und Erfahrungen sammeln, diese dann aber nicht umsetzen und sich wieder ins "normale" Leben verkrümeln ist sicher bei vielen üblich. Aber das meinte ich nicht. Ich meinte schon die Leute, die lange Politik gemacht haben. Die sich jahrelang in Gruppen aufgerieben haben, die mehr und mehr zu linken Stammtischen verkommen sind.
Von denen hatten viele irgendwann keine Motivation mehr, weiter zu machen. Weil alle Probleme, die wir jetzt haben, auch vor 20 / 30 Jahren schon vorhanden waren. Auch da wurden sie nicht aus dem Weg geräumt. Und das finde ich nicht in Ordnung. Ich kann nicht auf der einen Seite nörgeln, aber auf der andern Seite nichts tun, den Mund nicht aufkriegen und mich wieder ins unpolitische graue Privatleben zurück ziehen. Dann ist klar, daß sich nichts ändert.

Mit dem Punkt "Die eine Seite versucht das Thema an sich zu ziehen, indem sie Dogmen ausgibt, die so nicht sinnvoll sind." meinte ich folgendes:
Besonders innerhalb der nachgewachsenen "Anti-Sexistischen" Riege wird fast ausschließlich damit gearbeitet, daß es am einseitigen Definitionsrecht nichts zu rütteln gibt. Was ich davon halte habe ich etwas später erläutert. Damit wird aber von vorn herein eine unmögliche Diskussionsbasis geschaffen, auf der es kaum machbar ist vernünftig zu argumentieren. Der Tonfall verwandelt sich in Gekreische, sobald diese Basis angezweifelt wird. Ganz besonders, wenn man es als Mann wagt, diese Basis in Frage zu stellen.
Ein weiteres sehr krasses Dogma ist die "Alle Männer sind potentielle Vergewaltiger"-Theorie. Damit kann ich persönlich überhaupt nicht leben. Dieser Punkt trifft auf mich eindeutig nicht zu. Und auch nicht auf die meisten Männer, die ich kenne. Dann muß ich mir als Mann (wofür ich nix kann) sowas nicht unterstellen lassen. Wie soll ein gemeinsamer Kampf gegen patriarchale Verhältnisse geführt werden, wenn Mann von vorn herein so einen Stempel auf der Stirn hat. Wie soll Mann denn bitte beweisen, das einem nichts ferner liegt, als die nächstbeste Frau sexuell zu mißhandeln?
Durch diese Dogmen wird eine Spaltung betrieben, bei der du dich entscheiden mußt, auf welcher Seite du stehst. Das ist klassisches Schwarz-Weiß denken und ich halte es so wie es betrieben wird nicht für sinnvoll.

Zum Punkt "Austoben" - okay, da hast du Recht. Das hätte ich besser ausdrücken können. Allerdings trifft diese Einstellung nicht nur auf junge Menschen zu. Manche brauchen da halt etwas länger. Und das sehe ich nicht als großes Problem, weil jeder Mensch in der Lage ist sich weiter zu entwickeln. Ich möchte bezweifeln, daß ein Mensch als weniger Wert angesehen wird, wenn er / sie sich der freien Liebe exzessiv hingibt. Wie gesagt, solange damit niemandem weh getan wird, halte ich so eine Einstellung nicht für schlimm. Es sei denn das wird aus der Meinung heraus gemacht, daß der jeweilige Partner eigentlich nur Fickobjekt ist. Aber so einem Verhalten gilt es durch Aufklärung gegenüber zu treten.

Die kryptischen Flyer, wie du sie nennst, sind schon lange ein Thema. Das stimmt. Leider hat sich aber immer noch nichts getan. Selbst Leute, die Flyer von der Linken für die Linke schreiben, vergessen, daß noch lange nicht jeder alles verstehen kann. Und wer will sich schon die Zeit nehmen, alles extra nachzuschlagen? Da muß sich unbedingt was ändern!

Mein Reden

Rentner 03.02.2004 - 00:05
Tut mir ja leid das ich auch zustimmen muß.
Ich lebe in einer Stadt in der sich die Linke in den letzten 6 Jahren so zerfleischt hat, das es heute den Nazis möglich ist wöchentlich eine ungestörte Demo zu veranstalten. Das war das letzte mal Anfang der 90er der Fall. Und in dieser Stadt wäre ein Potential von 300 Leuten möglich!!!
Aber es gibt über 20 Gruppen in der Stadt von denen mindestens die Hälfte untereinander im Clinch liegt. Ergo die Szene ist handlungsunfähig.
Der Grund für die Spaltung liegt zum größten Teil an einer Jahre zurückliegenden Sexismusdebatte, in deren Verlauf sich die Szene in die "Guten", die "Dazwischenstehenden" und die "Täterschützer teilte.
Obwohl die 2 (zwei!!!) auslösenden Personen die Stadt schon lange verlassen haben, sind die Gräben nicht weniger tief geworden.
Die damals "verfeindeten" Gruppen existieren nicht mehr, doch der Riß der Leute in Lager spaltete, die vormals miteinander lebten und kämpften,
hat schon die nächste Generation erfasst.
Heute geht hier nix mehr, dabei hatten wir hier nicht einmal Differenzen in der Palestina- Israel- Diskussion.
Die Linke verliert hier zunehmend an Boden, die Repression ist trotz oder gerade wegen fehlender linksradikaler Aktionen so krass wie nie zuvor und die Szene spricht nicht miteinander. Übt keinerlei Solidarität ob Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Geht nicht auf die Strasse um den 30 Nazis die jede Woche durch die Stadt laufen entgegenzutreten.
Nein!!! Die Linke hier erteilt sich gegenseitig Haus- und Clubverbote, und ist sich selbst der Denunziation nicht zu schade.

Gut das einmal so ein Thema angesprochen wird, ich dachte schon alle sind normal nur ich bin verrückt.

Verschiedenes

A.N.Onym 03.02.2004 - 02:33
Huj, es geht hier munter weiter, wie ich sehe!

Ich saß da und schreibselte selbst gerade einen Nachtrag zusammen, gehe ins Netz um zu posten und siehe da, es gibt ´ne direkte Ansprache...

Ich möchte mir vorbehalten, zum Thema Sexismus heute nix mehr zu sagen, ich bin einfach zu müde und möchte gerne einen guten Weg finden, um auch den Frauen, die ohne Kampfdogmatismus, sondern aus triftigen Gründen darum kämpfen, dass das Thema/ihr Wissen/ihr Empfinden ernst genommen werden, mit einer angemessenen Stellungnahme möglichst gerecht werden. Ich kenne selbst Grausames, was die Unterdrückung von Frauen angeht und würde gerne versuchen zu vermitteln, wie ich damit umgehe. Andererseits habe ich selbst, obschon weiblich, durchaus auch die Phänomene mitbekommen, die du beschreibst und heiße sie persönlich nicht gut.

Ansonsten: Die, die sich aufreiben und aufgeben. Ja, ein trauriger Punkt. Hatte ich ausgeblendet, um nicht vollends eine Bleiwüste zu fabrizieren und weil es meiner Meinung nach eher die Minderheit ist. Sonst würde manches Ding anders laufen, oder? Klar ist es traurig, ich werde um alle, die so zerbrechen, immer trauern. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei solchen Leuten die Motivation ist, die abhanden kommt. Die muss IN der Person selbst liegen... und kommt dann nicht so leicht abhanden, wenn sie wirklich IN einer oder einem war/ist. Aber wir alle sind Menschen und keine Maschinen. Wir brauchen Wärme und irgendwas Gutes, Positives, ab und zu, um auf Dauer Hoffnung zu behalten. Sonst zerbrechen wir, über kurz oder lang. A.n.chorwoman hat unter anderem folgendes gut ausgedrückt: Leute, die "mit Ernst, Opferbereitschaft (nein, das ist KEIN Faschobegriff!!) und innerer Würde bei der Sache" sind. Und: "Mehr Respekt und Dankbarkeit für die Leute, die konstruktiv und mit einer gewissen Bescheidenheit und Würde noch was auf die Beinde stellen, wäre angebracht" (Ich füge: konsequente "Unterstüzung" hinzu). Es ist der fehlende Respekt, denke ich, es ist das Gefühl der Bitterkeit und der Ohnmacht und die Isolation, die ein Mensch vielleicht deutlicher spürt, wenn er oder sie etwas älter wird und mit den Jahren einfach nichts mehr hat, um diese Bilanz aufzuwiegen. Und hier kommt die Verantwortung der vielen Trittbrettfahrer von einer ganz besonders dunklen Seite ins Spiel, weil gute Leute gute Genossen/Mitstreiter bräuchten und nicht bloß egotische Kumpanen.

Zum Punkt "Austoben" so viel: Von Freier Liebe war nicht die Rede, das bringst du jetzt ins Spiel... ansonsten: ich meine das unverändert ernst und auch ganz allgemein, d.h. nicht zwingend nur sexualitätsbezogen, dass der Wert des Einzelnen nicht gerade oben im Bewußtsein vieler Leute rangiert...

Sonst zum Thema Sexismus später. Wenn Leute sich dafür interessieren, bitte am Wochenende mal nachsehen, ich komme vorher bestimmt nicht dazu. :)

Und jetzt der Nachtrag, der auch ein Versuch sein wollte, mal mehr "konkret" was zu ergänzen, speziell zu den Schwierigkeiten im Umgang mit "Außenstehenden":

Ich möchte noch etwas in diesem Sinne nachtragen, weil es gewissermaßen durch das aktuelle Ergehen eines Gerichtsurteils zur Sache grundsätzlich dieser Tage Gegenstand meiner Gedanken ist und ein Stück weit auch die Reflexionsdurchläufe hier tangiert. Es geht mir um die Einkesselung von etwa 350 Leuten in Berlin-Kreuzberg (Mariannenplatz) am Abend des 1. Mai 2001 (ausführliche Berichte sind im Indy-Archiv zu finden). In diesen Kesseln (es waren zwei an der Zahl, rechts und links von einer Kirche), waren viele Leute, die in keiner Weise wie auch immer "organisierte" und auch nicht explizit "Linke-Szene-Angehörige" und schon gar nicht irgendwelche streetfighter waren, das war ziemlich klar, wie viele bestätigt haben. Dieser Kessel ist jetzt vom Gericht für rechtswidrig erklärt worden, allerdings erst ab 00,04 Uhr des 2. Mai, also gut viereinhalb Stunden nach seiner Entstehung, aber in meinen Augen bleibt er von Grund auf eine unrechtmäßige Ungeheuerlichkeit erster Güte.

Die Entscheidung des Gerichts stützt sich offenbar darauf, dass die "Maßnahme" wegen ASOG, also zur Abwehr von Gefahren bis dahin gerechtfertigt war. Die Menschen aber, die das mitmachen mussten, die haben einen Albtraum erlebt, der echt nicht zu rechtfertigen war. Soviel zur Information für Leute, die nicht aus Berlin sind und/oder die Geschichte nicht en detail kennen. Ich persönlich fand schon damals eine geschlossene Reaktion der Betroffenen zur Verteidigung ihrer Rechte unheimlich wichtig, und finde das immer noch, was immer die Polizei dazu sagt, die sich zur Rechtfertigung natürlich auf das Andauern von Randale im Kiez berufen haben soll. Ich habe mir ein ziemlich genaues Bild der Geschichte gemacht und bin der Meinung, dass der Kessel von Anfang an rechtswidrig war, weil a) lauter echt friedliche Maifestbesucher hineingeraten waren und völlig unbescholten dieser Willkür ausgesetzt waren und b) weil das Ganze nach gewaltig mehr als nur Willkür und Wille zur Einschüchterung aussah und auch mehr als eine simple "Maßnahme" zur unmittelbaren Abwehr von Gefahren zu sein schien.

Dieser "innen" grundsätzlich als solcher "gefühlte", aber von Augenzeugen auch von Außen als sehr bedrohlich wahrgenommene Kessel war bald ziemlich weiträumig und recht stramm "abgesichert" und blieb bis in die Nacht felsenfest bestehen. D.h., er funktionierte faktisch ganz prächtig als ständige Sperrzone nördlich vom alljährlichen Mai-Kiez. Das heißt, wiederum, dass die Leute da drin (unfreiwillig und völlig ohnmächtig) quasi die Grundlage zur Aufrechterhaltung einer taktischen no-go-area stellten. Wenn die Polizei damit durchkommt, dass sowas zur "Eingrenzung" von Unruhen rechtmäßig ist, dann ist das in meinen Augen dramatisch. Das war in meinen Augen sogar selbst nach Asog viel zu belebig. Deshalb hoffte ich sehr, möglichst viele würden wegen Freiheitsberaubung klagen. Am Ende tat das gerade mal einer von drei Betroffenen, soviel ich weiß. Mich beschäftigt das schon.

Ich diskutierte damals schon mit Leuten darüber, und heute wieder, dass das Unvermögen der Linken "Außenstehende" zu erreichen, richtig schmerzhafte Gesichter haben kann, und dieses ist eins davon. Weil eben soviele "Außenstehende" im Kessel waren, die Null Zugang zu einschlägigen Kanälen hatten, um von Rechtshilfemöglichkeiten zu erfahren, weil nicht jedem eine Rechtshilfebroschüre in die Hand gedrückt wird (obwohl solche in diesem Jahr ziemlich breit verteilt wurden, aber eben auch nur "selektiv") und weil vielleicht eine Broschüre für "Aktivisten" nicht einfach jedem verständlich ist bzw nicht jeder sich ganz persönlich davon angesprochen fühlt.

Da waren einfach viele Leute, die schon gar nicht mit dem ganzen Wirrwarr umzugehen wissen und ansonsten von Rechtshilfemöglichkeiten teils grundsätzlich nichts wussten oder teils schon irgendwann was mitgekriegt haben, aber dann vor Ort einfach keinen Zugang gefunden haben und nur verloren in der Landschaft standen, wie ich Gelegenheit hatte zu beobachten. Ich weiß (in diesem Fall unabhängig vom Kessel, aber auch in Zusammenhang mit dem 1. Mai) auch von einem Jugendlichen, der ganz sicher nichts getan hat, gegen den ein Verfahren läuft, mit dem er als "Normalo-Junge" der auch noch autoritäre Eltern hat, alleine ist und nicht gut damit klar kommt. Auf der anderen Seite habe ich in einer Situation mitgekriegt, wie ein Mensch, der echt nicht aus der Szene ist, einer ganzen Gruppe von eher unbedarften Leuten alles über Rechte, Gedächtnisprotokolle etc. pp. erklärte und die richtig vertieft zuhörten und wahnsinnig nachdenklich waren. Da war was. Dieser Mensch war bereit, auf alle zuzugehen und hatte die Geduld, alles drei mal und wieso und warum zu erklären und es war richtig gut.

Auch im Kessel ist einiges nicht gerade cool verlaufen, soviel ich weiß. Nur die wenigsten haben sich wirklich darum gekümmert, dass andere, die z.B. nicht wussten, dass es einen EA gibt, das erfahren oder nach ihren Namen gefragt, damit geschaut werden kann, was mit ihnen nach der "Verbringung" passiert ist. Und viele waren die ganze Nacht irgendwo in irgendwelchen Transportern "in Gewahrsam". Es gab eigentlich allen Grund, sich zu kümmern. Wenn da welche dachten, alle wüssten über ihre Rechte, den EA etc. Bescheid, dann haben sie sich gewaltig geirrt. Klar, in einer solchen Drucksituation fällt es schwer ein superklares Bewusstsein zu wahren, aber gemessen an machem Anspruch müsste es trotzdem drin sein. An dieser Stelle schließe ich ab, a.n.chorwoman, aber auch andere, jede/r ein Stück, haben schon ganz gut Aspekte dessen auf den Punkt gebracht, was anscheinend fehlt, damit das alles möglichst auch einmal anders wird, also werde ich das nicht wiederholen...

@Rentner

fee 03.02.2004 - 10:29
es mag schon stimmen, was du schreibst, die Spaltung der linken beim Thema Sexismus erlebe ich ständig und habe auch schon anstrengende Debatten miterlebt. Aber es klingt so (und so klingt es leider bei vielen, die sich darüber auslassen), als wäre die Sexismus-Debatte schuld daran, schuld an der Spaltung.
Aber "das Übel" ist nicht die Debatte, sondern der Sexismus selbst, der dieser Debatte zu Grunde liegt, ohne den es diese Debatte gar nicht gäbe.

A.N.Griff beschwert sich, dass innerhlab solcher Debatten gerade auf der Seite der Anti-SexistInnen die Nerven ziemlich blank liegen.
Das ist für mich mehr als logisch: Bei Israel-Palästina-Debatten sind nur selten welche dabei, die den Konflikt vor Ort erlebt haben. Bei Sexismus-Debatten sind dagegen viele dabei, die selbst Opfer von Sexismus geworden sind und dafür schon übersensibilisiert sind. Wir leben in einer höchst sexistischen Gesellschaft und die Überwindung des Sexismus ist für die Umgestaltung der Gesellschaft, für das Erreichen echter Veränderungen, FÜR DIE REVOLUTION extrem wichtig, unumgänglich, und daher ein Thema, mit der die Linke sich einfach auseinandersetzen MUSS.
Und wer sich den Kampf gegen Sexismus auf die Fahne geschrieben hat, weiß wie unglaublich mühsam und nervenzehrend es ist, bei jeder Debatte, bei jeder Diskussion jedesmal fast wieder von vorne anfangen zu müssen, weil sich die meisten Diskussionsteilnehmer NOCH NIE mit dem Thema auseinandergesetzt und daher einfach keine Ahnung haben! Und es ist unglaublich verletztend, innerhalb der Linken, in der mensch kämpft, in der mensch Hoffnung schöpft, in der mensch sich frei fühlt, wieder mit sexistischen Kommentaren, Aussagen, Anspielungen, Anmachen, Belästigungen, Nötigungen usw. konfrontiert zu werden.
Es gibt natürlich auch hier viele Frauen, die sich mit dem Thema auch noch nicht auseinandergesetzt haben und das von diesem Gesellschaftssystem vorgekaute und durch die Massenmedien und Konzerne tagtäglich vermittelte unreflektiert wiedergeben. Das ist fast schon gefährlich bei der Debatte, weil im uge des Sexismus ja frau = frau gesetzt wird und Sexismus-VerharmloserInnen sich dadurch nur bestätigt fühlen.

Und noch mal zum "alle Männer = Vergewaltiger", ich hab mich vielleicht nicht ganz klar ausgedrückt: Das ist kein Dogma des Feminismus, das ist ein Dogma des Sexismus. mann = mann ist schon alleine sexistisch (da nur auf das Geschlecht reduzierend), und dann auch noch = Vergewaltiger ist höchst sexistisch, da auch noch diskriminierend.
Ich als Feministin und Anti-Sexistin fordere euch auf, all diese sexistischen Gedankenmuster, die sich in unser aller Köpfe herumtreiben (dazu zählen solche Pauschalaussagen, Vergewaltigungsmythen, Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts und Reduzieren von menschlichen Lebewesen auf ihr biologisches Geschlecht) zu bekämpfen und das geht nur durch Informieren, Diskutieren, Anprangern.

Und zum Definitionsrecht: Dass Falschbeschuldigungen (im Gegensatz zu echten) extrem selten sind, habe ich schon dargelegt. Bei echten Beschuldigungen ist es so, dass über 90 % der Angeklagten den Tatvorwurf vehement abstreiten, meist mit den Sätzen "Da war überhaupt nichts" oder "Sie wollte es doch". So einfach, wie es hier dargelegt wird, ist es bei weitem nicht, die Täter dann zu verurteilen. frau muss sich nach solch einer Beschuldigung über einen sehr langen Zeitraum hinweg (ein Vergewaltigungsprozess erstreckt sich in der Regel auf 1 bis 2 Jahre) im übertragenen und im wörtlichen Sinne erst mal echt nackt ausziehen lassen:
Ausführliche Anzeige bei der/dem Rechtsanwältin/Anwalt, ausführliches Verhör (feinstens protokolliert) bei der Polizei, nochmal detailliertes Protokoll bei der Staatsanwaltschaft, anbringen aller denkbaren Beweise: Untersuchung bei der Frauenärztin/arzt, Nennung aller möglichen ZeugInnen (als solche gelten auch, denen frau davon nach der Tat erzählte), Offenlegung möglicher Tagebücher, je nach Glaubwürdigkeit Gutachten einer/s (zugewiesenen) PsychologIn...
Und eine Frau, die als Vergewaltigungsopfer betrachtet wird, erfährt auch nicht den besten Umgang im privaten Umfeld, das kann auch sehr demütigend sein.
Ich finde es daher sehr wichtig, sich zu überlegen, wie mensch damit in einer anderen Gesellschaftsform verfährt, dazu ist auch der entsprechende Beitrag "Definitionsrecht" ein guter Schritt.

Meine Utopie ist eine Gesellschaft, in der es Sexismus und damit auch Falschbeschuldigungen einfach wirklich nicht mehr gibt, da er auf einer in dieser jetzigen Gesellschaft geförderten Denkweise beruht. Das muss nicht sein. Ich kann mir sehr gut vorstellen, in eriner Welt zu leben, in dem es den Menschen egal ist welcher Hautfarbe, Abstammung, Religion oder Geschlechts ihr Gegenüber ist. Eine Welt, in der jedeR jedeN respektiert und als Mensch behandelt.
Sexistische Verhaltensweisen rühren auch von psychischen Problemen und unterdrückter Sexualität her. Es ist dringend erforderlich, dass ich jedeR mit den Denkstrukturen in dieser Gesellschaft und in ihr/ihm selbst auseinandersetzt, sich über eigene Beweggründe und die der andern klar wird.
Wenn es jetzt wirklich zu Falschbeschuldigungen kommt, wäre das einzig sinnvolle, was ich mir für den Falschbeschuldigten vorstellen kann, intensiv an der Aufklärung des Falls mitzuarbeiten und aufzudecken, warum er beschuldigt wurde, was die Motivation des vermeintlichen Opfers war.
Es sollte also in jedem Fall aufgeklärt werden und wenn dann klar ist, dass die Beschuldigung falsch war, sollte der Unschuldige auch als Unschuldig betrachtet werden. DARAN müssen wir arbeiten, nicht es tatsächlichen Opfern noch schwerer machen.

Bleiwüste

saul 03.02.2004 - 11:10
Soll ich auch noch meinen Senf dazugeben? Nur in dem Punkt Sprachreglung. Man mit einen n, mit den Alternativen und dem berüchtigten Binneni war mal die Taz voll. Lang ists her, hat sich da erledigt, umsomehr wird diese Sprachverunstaltung Innen, Mann/Frau, Mensch in linken Kleinblättchen oder Webseiten gepflegt. Es gibt noch na andere Welt die das nicht zur Kenntnis nimmt, geschweige sich an solche Sprachreglungen hält. Oder was lesen wir in der Rundschau? Doch wohl Deutsch wie s im Duden steht, will ja nicht erst von Faz und Spiegel reden.
Vor einiger Zeit wechselten mal einige Topschreiber der Taz zu den größeren Zeitungen. Weiß zwar nicht wie das Einstellungsgespräch lief, so möglicherweise? Was die Taz macht interessiert uns nicht, die können schreiben wie sie wollen. Wir schreiben nicht für irgendeine Scene, wenn sie bei uns schreiben wollen, dann halten sie sich an die Rechtschreibung. War nicht dabei aber so könnts gelaufen sein.
PS: Merkt denn niemand, wie lachhaft dieser Scenesprech geworden ist? Freundinnenschaft.

@Fee

Rentner 03.02.2004 - 12:23
ICh wollte nicht die Sexismusdebatten als alleinigen Grund für dei Spaltung darstellen.
Sondern auf das Problem, als Ex- Angehöriger einer Gruppe, die als Täterschutzorganisation dargestellt wurde nicht mehr in Diskussionsprozesse eingebunden zu werden.
Wenn einEr sagt: "Täterschützer verpiss dich" dann kann ma halt schlecht diskutieren. In diesen Fall wurde auch niemand vergewaltigt, es war eine Kneipenschlägerei zwischen einem Mann und einer Frau, der Mann hatte sie provoziert. Der Mann verließ daraufhin von selbst die Gruppe, das Stigma Täterschützer haftet aber auch 6 Jahre später noch an einem.

Linknachtrag

saul 03.02.2004 - 13:07

"ingroup-bias" und anderes

nicht wichtig 03.02.2004 - 13:20
Erst mal vorneweg: Die Idee des Bestandsaufnahme was die deutsche Linke anbetrifft finde ich toll und sehr wichtig. Du spricht so viele Dinge / Themen an, über die ich schon seit Jahren mit anderen Linken zu diskutieren versuche. Meistens ist Kritik an der "eigenen Szene" aber alles andere als gern gesehen. Leider.
Dabei ist eine Weiterentwicklung, ein Fortschritt doch nur möglich, wenn mensch sich immer wieder kritisch mit sich selbst auseinandersetzt und das eigene Denken und Handeln hinterfragt. Insofern finde ich Kritik sehr wichtig. Es gibt allerdings auch immer wieder Menschen, die das Äußern von Kritik nur dann als legitim ansehen, wenn gleichzeitig Lösungen des Problems serviert werden. Diese Haltung finde ich von grund auf falsch (und nebenbei bemerkt zeigt sich dabei auch, wie passiv manche Linke doch sind). Gute und sinnvolle Lösungen können meiner Meinung nur durch einen Diskurs zustande kommen.
An der Stelle also ein dickes DANKE für deinen Beitrag und auch ein großes Kompliment!
Den einzigen Kritikpunkt, den ich dabei habe, bezieht sich auf die Stelle in der du von Vergewaltigungen von Männern durch Frauen schreibst. aber diesen Punkt hat Fee ja schon klargestellt. Übrigens finde ich es auch sehr interessant (und ziemlich bedenklich), daß sich an diesem Punkt anscheinend fast nur Frauen stören.


Jetzt noch eine inhaltliche Ergänzung:
Immer wieder ist in den Ergänzungen die Rede von DER großen Revolution. Klar, die Revolution ist letztenendes auch mein eigentliches Ziel, aber ich bin auch Realist.
Viele Linken ruhen sich auf dem Glauben an eine Revolution aus, nach dem Motto: "nach der Revolution wird alles anders, und nur dann kann mensch wirklich anders leben bzw. etwas anders und besser machen". Dabei übersehen viele, daß es auch heute schon möglich ist, vieles anders zu machen (oder sie sind vielleicht auch einfach zu bequem).
Die Linke ist unglaubwürdig, wenn sie es nicht schafft, innerhalb der eigenen Strukturen das (vor-)zuleben, was mensch eigentlich als erstrebenswert betrachtet.

1. Toleranz und Respekt
Wenn man andere Menschen von der eigenen Position überzeugen und sie dafür begeistern will, ist es nötig, sie ernstzunehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Man erreicht gar nichts, wenn man Menschen, die eine andere Position vertreten, angreift oder ihnen das Gefühl gibt, dumm zu sein.
Aber wenn ich sehe, daß innerhalb der Linken schon Veganer Vegetarier angreifen (überspitzt formuliert), sehe ich manchmal echt schwarz.

Ach ja, und für die, die mich unbedingt falsch verstehen wollem: Natürlich finde ich Toleranz und Respekt gegenüber Menschen, die selbst völlig intoleratnt und respektlos sind (Faschos beispielsweise) auch völlig unangebracht.

2. Offenheit
"Klandestin" ist ja mittlerweile das Unwort des Jahres innerhalb der Linken (man verzeihe mir den Sarkasmus).
Wie kann die Linke stärker und größer werden, wenn mensch sich nur geheim und nicht öffentlich trifft und diskutiert, wenn mensch keine Werbung für (Info-)Veranstaltungen macht???

3. Solidarität
Wie kann mensch andere Menschen von Solidarität überzeugen, wenn innerhalb der Linken Ausgrenzung an der Tagesordnung ist?
Nur ein paar Beispiele: die "Linksliberalen" sind nicht radikal genug, Fleischfresser sind völlig inakteptabel, Hippies sind doof, Pazifisten total unrealistisch... ließe sich endlos fortsetzen.

Für die, die davon noch nichts gehört haben: In der Sozialpsychologie gibt es ein Phänomen, das "ingroup-bias" genannt wird.
Damit ist eine systematische Verzerrung der Wahrnehmung gemeint. Die "ingroup" (also die eigene Gruppe, mit der mensch sich identifiziert) wird immer positiver eingeschätzt oder bewertet als die "outgroup" (die andere Gruppe, zu der mensch nicht gehört, von der mensch sich abgrenzt).
Das kommt daher, daß Menschen sich nicht nur über die eigene Persönlichkeit identifizieren, sondern immer auch über die Gruppenzugehörigkeit (Gruppenidentität). Da aber alle Menschen versuchen, den eigenen Selbstwert zu erhöhen, wird die eigene Gruppe auch als besser, toller, klüger etc. bewertet (im Vergleich zu den Gruppen denen mensch sich nicht zugehörig fühlt).
Diesen "ingroup-bias" kann man übrigens überall, in allen menschlichen Kulturen finden.

Ich finde es sehr wichtig, sich diesem Phänomen bewußt zu sein, da es wohl die Grundlage für alle Arten von Ausgrenzung ist(Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Sexismus,...).


Diese Liste läßt sich natürlich fortsetzen und die Numerierung sagt auch nix darüber aus, ob ich manche Sachen wichtiger finde als andere.

Also: Nur indem wir es schaffen, anderen Menschen unsere Ideale vorzuleben, können wir ihnen zeigen, daß eine andere Welt möglich ist (nein, ich bin nicht bei attac) und nur so können wir es schaffen, sie von unseren Idealen zu überzeugen!!!

@ Fee

Bitte um Klarstellung 03.02.2004 - 15:42
Protest

Hallo Fee,

deinen ersten Beitrag fand ich ziemlich gut, beim zweiten werde ich aber dass Gefühl nicht los, dass du ziemlich subtil ziemlich viel Galle spuckst. Damit hier eine faire Auseinandersetzung stattfinden kann, bitte ich dich klarzustellen, wen du konkret bei zwei Aussagen meinst: die Frauen hier oder die Frauen in der so genannten Szene oder Frauen überhaupt. Es geht um die Sätze:

... es klingt so (und so klingt es leider bei vielen, die sich darüber auslassen), als wäre die Sexismus-Debatte schuld daran,

und

... Es gibt natürlich auch hier viele Frauen, die sich mit dem Thema auch noch nicht auseinandergesetzt haben ... und Sexismus-VerharmloserInnen...

Drei Frauen haben sich hier als solche geoutet. Eine davon äußert sich gar nicht zu Sexismus. Eine stellt den etymologischen Ursprung des Wortes klar und die dritte verneint nicht Sexismus und Frauenunterdrückung, besteht aber auf eine Kritik des Missbrauchs von Definitionsparametern und will sich noch mal melden, was erst mal für Seriosität in der Auseinandersetzung spricht. Ich wüsste gerne, ob bzw. wie sehr du auf eine, beide, alle drei oder gar keine anspielst. Wenn, dann solltest du den Mumm haben, das klarer auszudrücken und eine mögliche Auseinandersetzung auf dich nehmen. Dann noch eine Verständnisfrage: in deinem Text Nr.2 heißt es, ...weil im Auge des Sexismus ja frau = frau gesetzt wird. OK, feministische Arbeit scheint dein Lebensmittelpunkt zu sein, du kennst dich da sicher prima aus, aber die These ist nicht einfach so jedem klar. Ich glaube, ich verstehe, was du meinst, aber dann unterstellst du den vorerst nicht näher identifizierten Frauen von denen du sprichst schlichtweg aktiven Sexismus. Das ist ein schwerer Vorwurf. Womit ich dich erneut bitte, klar zu stellen, wen du meinst, weil ich bezweifle, dass dieser Vorwurf auf die Frauen die sich hier gemeldet haben zutrifft, aber die Zweideutihkeit deiner Formulierungen (siehe oben) sie u.U. ganz schön belastet. Wär schön, wenn es konstruktiv und sachlich weieterginge... lass´ es nicht scheitern!

@ A.n.onym Definitionsrecht2

caravan 03.02.2004 - 19:26
Ok. Probier ichs nochmal anders.
Nachdem ich versucht habe einen Beitrag zum Thema Diskussionsrecht zu liefern, der aus einer recht breiten Diskussion in unter anderem meinem politischen Umfeld zum Thema Definitionsrecht/ Umgang mit Sexismus vor allem unter uns entstanden ist, bin ich dochetwas erstaunt über die Reaktion v.a. von A.N.onym.
Mag sein, dass das Gruppenlatein ist, aber gelesen hast durs wohl kaum und eingegangen darauf bist du auch nicht. Was auch schon Feee wiederholt gesagt hat zur schon real existierenden Angst unter Männern, nämlich Opfer einer falschen Beschuldigung zu werden, blieb genauso unbeantwortet in der laufenden Debatte. Dabei ist hier einer der Knackpunkte. Es wird beklagt, dass wir in der Diskussion immer wieder von vorne beginnen müssen, und sich aus den Beiträgen herauslesen lässt, dass viele beträchtliche Lücken haben, was dieses Thema betrifft. Viele davon sind keine politischen Neueuinsteiger. Erkennbar werden die Lücken daran, dass offensichtlich noch keine Reflexion einer Situation wie der Benennung eines sexuellen Angriffs aus der Sicht der verschiedenen Subjektivitäten samt zugehöriger Diskussion und Abwägung stattgefunden hat.
Ok, ich kann auch als männlich sozialisierter für das Umwerfen aller Verhätnisse sein, in denen Mensch, d.h.ausdrücklich auch als Frauen sozialisierte, verächtliche, verlassene... Wesen sind. Heisst, solange es sexismus gibt, bin ich auch nicht frei, höchstens zeitweilig privilegiert. Das Muster dieser Unterdrückung existiert jedoch als Logik weiter und kommt zur Anwendung.Das Patriarchat ist ein Angriff auf die Menschlichkeit sowohl von Frauen, als auch von Männern.
Es ist ein System aud Verhaltensregeln und Rollenzuteilungen, in dem Männern die HERRschaft zugeschrieben wird.
Spiegelt sich auch vielfältig in der Sprache wieder: Bsp: herrlich, dämlich...
Durch diese Herrschaftsverhältnisse und Rollenzuteilungen sind Wertigkeiten entstanden, die z.T. soweit gehen, dass in Religionen Frauen die Existenz einer Seele abgesprochen wird. Ein Warenverhältnis ergibt sich daraus, durch Macht und später auch Tauschwerte und Waren begründet, das eine Verfügbarkeitsanspruch enthält.
Dies wiederum , also Machtausübung und Verfügbarkeitsanspruch wurde über die Einrichtung ser Institution EHE sanktioniert, legalisiert, zur normalen Sozialisation für alle. Für Männer wie Frauen. Da Frauen dabei unterdrückt werden, kommt der Widerstand dagegen erst mal von Frauen.
Solange das Patriarchat mit beschriebener Logik existiert, sind erstmal alle Männer potentielle Vergewaltiger. Das sagt natürlich nichts über den Einzelnen aus, aber es ist unnmal so, wenn wir vom gesellschaftliche Normalzustand ausgehen.
Dekonstruktion ist angesagt. Das heisst, ausgehend vom Istzustand, daranzugehen, die betreffenden Sozialisationen und Rollenzuschreibungen aufzuheben, die die Definitionen der geschlechter ausmachen. D.H. nicht einfach leugnen, dass es diese rollenbedingten Unterschiede gibt, sonern sie als Konstrukte zu erkennen und aufzuheben. An diesem Punkt wird das Private sehr politisch, auch ein alter Streitpunkt in der Linken.
Die Diskussion, wie sie in um die Ansprechgruppe geführt wurde, unter bBeteiligung von Frauen, Männern Flüchtlingen MigrantInnen und NichtmigrantInnen ist einer der aktiven Schritte in diese Richtung, weil dieser Kampf nun mal quer zu allen anderen "Fronten" verläuft.
Starre Dogmen sollen das nicht sein, weil in Bewegung zu bleiben eine Voraussetzung für Veränderung ist. Daher der Beitrag mit der Ansprechgruppe, in dem eben keine Dogmen formuliert werden, sondern ein Ansatz drinsteckt ein so gravierendes Problem wie sexuelle Angriffe, sexistische Verhaltensweisen...kollektiv anzugehen.
Das waren jetzt meine ganz eigenen Worte, ansonsten würd ich Fee einfach zustimmen und des weiteren aber auch mal hervorheben, dass die Art, wie jetzt hier darüber geredet wird sich für mich doch wohltuend von etlichen anderen Komschlachten abhebt.

@ Fee

A. N. Griff 03.02.2004 - 21:13
Ich werde mir die Homepages, die du angesprochen hast, mal ansehen.
Caravan hat definitiv Recht, wenn sie/er sagt, daß es wahrscheinlicher ist, daß ein Vorfall nicht öffentlich gemacht wird, als daß jemand zu Unrecht beschuldigt wird. Und über den medialen Umgang damit brauchen wir uns auch nicht zu streiten. Ich glaube das ist klar. Bei einer Gesetzgebung von Männern für Männer ist es eine mehr als unangenehme Situation damit vielleicht auch noch vor Gericht zu gehen. Zumal glaube ich die betroffene Person nur NebenklägerIn wäre. Ich kenne diese Problematik aus meinem eigenen Umfeld und auch hier haben sich die Frauen dazu entschieden nicht vor Gericht zu gehen. Leider haben sie auch entschieden, daß dem Täter aus dem Weg zu gehen ist. Ohne Konfrontation. Aber dies gilt es zu respektieren.
Fakt ist dennoch, daß es passiert, daß jemand zu Unrecht beschuldigt wird. Und auch das hatte ich in meinem Umfeld. Der betreffende Mann und angebliche Täter wurde komplett ausgegrenzt, es spielte keine Rolle was er dazu sagte. Obwohl keine sichtbaren Spuren vorhanden waren, die die Behauptung unterstützten, wurde trotzdem logischerweise dem "Opfer" geglaubt. Bis sie eingestand, daß sie diesen Vorwurf nur erhoben hat, um ihm eins auszuwischen. Der Vorwurf ging sehr schnell rum. Das Geständnis nicht und es dauerte ewig, bis der Mann wieder vollständig rehabilitiert war.
Und da hört´s bei mir dann auf. Sorry. Solange sowas möglich ist, werde ich solche Dogmen nicht unterstützen. Auch wenn das "Horrorstorys" sind und für viele an den Haaren herbei gezogen klingen, gibt es sie. Wenn auch selten.
Das gleiche gilt für sexuelle Mißhandlungen von Frauen gegenüber Männern. Mag sein, daß der % Wert bei 1,nochwas liegt. Aber ich finde es ziemlich verniedlichend und auch verharmlosend diese Frauen nur als MittäterInnen abzutun. Macht es das vielleicht besser? Bewirkt das irgendeinen Unterschied in der Tat? Wohl kaum. Und wäre es nicht auch möglich, daß es für Männer auf Grund ihrer Prägung und Erziehung einen noch größeren Streß bedeutet, sowas zu outen? Wer glaubt denn bitte einem (meistens doch) körperlich überlegenen Mann, wenn er behauptet von einer Frau vergewaltigt worden zu sein?

Sehr gut dazu fand ich deinen Kommentar: "Alle Frauen, die sowas tun, müssen sich darüber klar sein, daß sie damit die Basis für weitere Verbrechen und Vergewaltigungen legen, weil mit jedem mal echten Opfern weniger geglaubt wird."
Das ist auch das, was ich ausdrücken wollte, was mir aber wohl nicht so ganz geglückt ist. Das meinte ich mit Bewußtsein schaffen. Denn nur, wenn ausgeschlossen werden kann, das es sich um eine "Falschaussage" handelt, bin ich bereit Dogmen wie das einseitige Definitionsrecht 100 %-ig zu unterstützen.

Zum Punkt Kampfemanze - ich habe nicht geschrieben, daß Feministinnen Kampfemanzen sind. Lies nochmal richtig. Ich habe das als Zitat gebracht, weil das der bevorzugte Begriff von Mackerarschlöchern ist, die Frauen ohnehin nicht ernst nehmen, sondern eher als Quoten-Anhang sehen.

Die Punkte die ich aufgezählt habe, basieren auf mehr oder weniger eigenen Erfahrungen / Diskussionen. Du kannst mir z. B. nicht erzählen, das du dich nicht mit einer Freundin / einem Freund darüber unterhältst, wenn du jemanden gesehen hast der / die dir gefällt. Das glaube ich dir nicht. Die Frage ist immer, auf welchem Niveau man sich dabei bewegt.

Die Geschichte mit dem Konzertort wirst du öfter mal beobachten können. Zumindest bei Punkkonzerten, wo sich auch mal Leute rumtreiben, die nicht unbedingt einen Kurs in linksradikalem Verhalten und Umgang belegt haben. Und ich hab es oft genug erlebt, daß Frauen und auch Männer, die sonst total anti-sexistisch sind (soweit, daß sie sich selbst manchmal nicht nur am Rand zum Sexismus bewegen), dort die Zähne nicht auseinander bekommen haben, um klar zu stellen, daß diese Aktion nicht besonders toll ist, und der Mann das bleiben lassen soll. Und wie gesagt - so lange sich niemand angegriffen oder belästigt fühlt und das auch mitteilt, ist es halt die Frage, ob das schon in die Kategorie Sexismus fällt oder einfach ein dämlicher, dummer Scherz ist.

Sexismus bedeutet für mich unter anderem:
- jemanden antatschen, ohne daß er / sie das will;
- abwertende Bemerkungen a la "die würd ich gerne mal flachlegen";
- 4 Meter hohe Plakatwände mit (halb-) nackten Frauen (und auch Männern), die für Produkte werben, die nicht das geringste mit dieser Präsentation zu tun haben;
- auf jeder Fernsehzeitung eine Frau im Badeanzug.
- Das Schaffen von Schönheitsbildern und -idealen, durch ständiges Präsentieren der o.g. Frauen und Männer.
- Damit verbunden den latenten Zwang auszusehen wie ein Model (die wiederum meist aussehen wie Schaufensterpuppen).

In diese Kategorie fallen eine ganze Menge Dinge. Bitte denk nicht, ich hätte mich damit nicht auseinander gesetzt. Ich finde aber nicht alles super schlimm, was andere Leute so tun. Darunter fällt für mich z. B. das Reden über eine gut aussehende Frau. Das ist ja auch immer eine subjektive Entscheidung. Was dem / der einen gefällt, gibt dem / der nächsten überhaupt nichts. Und bei blöden Sprüchen oder sexistischen Anmachen schreite ich auch ein.
Man muß nur erstmal eine Grenze finden, was für einen selbst tolerierbar ist (und wo man vielleicht noch argumentativ ansetzen kann) und dem was man absolut nicht mehr hinnehmen kann. Diese Grenze allerdings setzt jeder anders und das hängt vermutlich auch mit den eigenen Erfahrungen zusammen.
Ich will dir nicht zu nahe treten, aber ich vermute, daß du auf bestimmte Sachen ganz einfach empfindlicher reagierst. Schon auf Grund der Erfahrungen die du evtl. selber machen mußtest, auf jeden Fall aber die Frauen, die du erwähntest.

Wenn noch irgendwas unklar ist und du den Bedarf hast dies zu klären schick mir doch einfach ne mail.
 nochfragen@gmx.net

Zur Mythenbildung

Warhead 03.02.2004 - 22:42
In Berlin gab´s mal den Fall M&W...ist schon einige Jahre her,aber die Betreffenden werden sich trotzdem winden vor Pein.M&W,beide aktiv bei den autonomen und Mitglied in der SEW,wurden beschuldigt Spitzel zu sein,ein ernster Vorwurf,der stand plötzlich im Raum,es gab keinen direkten Beschuldiger,aber das Gerücht,das schwebte düster im Raum.Und wenn es die Betreffenden erreicht,ist es meistens schon zu spät,dann ist die Lawine im Rollen,und rollt sie reisst sie alles mit sich.Und sie rollte.Es gab ne VV,auf der auch M&W aufkreuzten und dort wurden sie mit den Vorwürfen konfrontiert.Sie wurden festgesetzt,die Türen verschlossen.Man durchsuchte M&W,fand aber nix.Dann wollte man die Wohnungen der beiden durchsuchen,sie sagten zu und händigten die Schlüssel aus.Die Wohnungen wurden durchsucht,man fand das was man in Wohnungen von Linken halt so findet,Flugblätter,Vorlagen,Texte,Bücher der marxistischen Palette,das ganze Balett.Man fand auch Mitgliedsausweise der SEW.Hm,man fand nichts belastendes,aber das war Belastung genug.Die Wohnungen hingegen sahen aus als hätte ein SEK-Kommando mit Äxten und Motorsägen gewütet,immerhin hat man sich was abgeschaut.Es ging das Argument die Beiden wären ja psychologisch geschult und würden offensiv damit umgehen indem sie sich wehren...uswusw.Danach das volle Programm der Ausgrenzung und Isolation,pfui,spiel nicht mit den Schmuddelkindern,das aus allen Kneipen herausgefliege.Einige Zeit später stellte sich diese Kampagne als Fake heraus,aber ein Wort der Entschuldigung,des Bedauerns...nie.Es gab das peinlich berührte Wegschauprogramm,eine andere Form des Mobbings..."Bitte geht doch endlich weg,ihr lebenden Beispiele unseres Totalversagens"
Nein,bei der Linken gibts kein Vergeben,kein Vergessen,keine Irrtümer,keine Bewährung,keine Amnestie....es gibt nur Lebenslänglich,der Angeklagte wird aus den Annalen gestrichen.Bei den Cardassianern steht auch nie ein Unschuldiger vor Gericht,vorher findet eine peinliche befragung statt,bei der sie alles ausplaudern,plaudern sie nicht endet die befragung tödlich...immer.Unsere linke Selbstjustiz,die irrt sich nie.
Und irrt sie sich doch mal,dann sind die Betreffenden meist selbst schuld das es dazu kam.Ich kann das beurteilen,als Hardcorepunk war ich ein berüchtigter Frauenschläger,die Frauen die ich verprügelt habe,nach denen sucht man heute noch,das Gerücht das war schnell rumgegangen,das anschliessende Tribunal,so etwa dürfte es in der Inquisition abgelaufen sein,hat aber dafür gesorgt das ich mich wirklich wie ein Unhold gefühlt habe.Frauen die mich verteidigt haben,eben weil sie mich kannten,wurden der Einfachheit gleich mit als Täterschützer abgekanzelt und schnell abgebürstet.Später...Jahre später hat sich das ganze als Irrtum erwiesen
das Ganze ist nun mittlerweile...mittlerweile ähh achtzehn Jahre her,gelegentlich starrt mich immer noch wer böse an oder droht mir die Eier abzuschneiden´...ich hab halt lebenslänglich

Klar, Klarstellung

fee 04.02.2004 - 11:01
ich find diese Seite hier einfach fabelhaft...
Wir sollten unbedingt gemeinsam ein Forum aufsuchen und da weiterdiskutieren.

Mit "so klingt es leider bei vielen" meinte ich alle jene aus jener "Szene", die sich darüber auslassen, also Linke, die sich über die Sexismus-Debatte innerhalb der Linken auslassen, völlig gleich welchen Geschlechts. Damit meinte ich neben Rentner weniger hier die anderen sondern vielmehr Personen, mit denen ich IRL diskutiert oder Kommentare aufgeschnappt habe. Und ich wollte damit eben ausdrücken, dass es so KLINGt, nicht dass es so ist, um zum sich-selber-hinterfragen zu veranlassen, da am klingen ja auch oft was dran ist. Ich bin immer froh über Kritik an mir wie hier, da hab ich dann wenigstens nen Ansatzpunkt.

Und mit "Es gibt natürlich auch hier viele Frauen, die sich mit dem Thema auch noch nicht auseinandergesetzt haben" meinte ich ebenfalls hier als hier in der "szene", nicht hier auf dieser Seite, und wenn auf dieser Seite, dann meine ich damit auch potentielle Leserinnen, also ich wollte damit keineswegs die ein, zwei, drei Frauen angreifen, die hier geschrieben haben.
Wobei es im Internet sowieso selten sicher ist, ob sich hinter einem Beitrag ein Mann oder eine Frau (oder ...) verbirgt.

Zur Revolution wollte ich noch sagen, dass für mich die Revolution da beginnt, wo mensch die Verhältnisse zu verändern beginnt, nicht etwas, was von heute auf morgen kommt. Also z.B. diese Auseinandersetzung (mit dem Thema Linke in Deutschland) hier ist für mich bereits ein Schritt zur oder der Revolution, sowie jedesmal, wenn wir auf die Straße gehen, andere erreichen, diskutieren, etwas neues und anderes aufbauen... etc.

Ich glaube, ein Problem der Linken ist, dass es kein konkretes Ziel gibt, nur ein Ahnung von dem, was mensch erreichen will. Das ist vielen zu unsicher, in dieser Gesellschaft mit krankhaftem Sicherheitsbestreben ist die Bereitschaft nicht so hoch, für etwas unklares zu kämpfen.
Ein Teil der Linken hat schon gewisse Vorstellungen, die aber irgendwie fern in der Zukunft zu liegen scheinen, jenseits der Revolution halt.
Ich denke, wir müssen hier und jetzt das aufbauen, was wir wollen, und so sein, wie wir sein wollen, und so leben, wie wir leben wollen. Versteht mich nicht falsch, mir ist auch klar, dass das schwierig ist (bei Repressionen, Überwachung, Polizeistaat etc.), aber ich finde es sinnvoller JETZT damit zu beginnen, als sich ständig nur sagen zu lassen, deine Ideen sind utopisch und das bringt doch eh nix. Vielleicht geht's auch nur mir so...

@ Fee und alle anderen Leser

Charlottenpunk 04.02.2004 - 14:08
Du hast ja so recht.
Bin auch der Meinung, daß eine solche Diskussion, wie sie hier gerade stattfindet sehr wichtig ist und vielleicht sogar auch in die Mittelspalte aufgenommen werden sollte. Schließlich ist das ein Thema, zu dem jedeR eine Meinung hat bzw. etwas beitragen kann, bei dem jedeR Anregungen finden kann und es wird wohl leider auch nicht innerhalb von zwei Wochen die Aktualität verlieren.

Zu der Ziellosigkeit der Linken:
Ich habe auch oft das Gefühl, daß ein Ziel fehlt. Zum Teil ist das auch verständlich, weil wir uns selbst (noch) nicht im Detail vorstellen können wie eine Welt wie wir sie uns wünschen letzendlich in der Realität aussehen könnte / wird.

Allerdings habe ich auch oft den Eindruck, daß sich große Teile der Linken lediglich über ihren politischen Gegner definieren. Das sieht man schon an der Wortwahl: Wir sind Antikapitalisten, Antisexisten, Antinationalisten, Antirassisten, Antiimperialisten, Antifaschisten,...
Aber wofür steht die Linke heute eigentlich? Was sind unsere Ziele? Für was treten wir ein?
Leider wird auch auf Flyern zu Demos und bei anderen Aktionen, in der man die breite Öffentlichkeit ansprechen will, fast nie die eigentlichen Ziele der Linken formuliert.
Klar will ich auch den Faschismus, Imperialismus, Sexismus etc. bekämpfen, aber das ist nicht mein eigentliches Ziel.

Mein Ziel ist eine Welt, in der jede Form von Menschenverachtung keinen Platz mehr hat.
Sexismus, Faschismus, Rassismus, Imperialismus usw. sind meiner Meinung nach nur spezielle Ausprägungen dieser alltäglichen Menschenverachtung.
Und Menschenverachtung ist überall dort zu finden, wo Gewalt gegenüber Menschen ausgeübt wird (sei sie physisch, psychisch oder strukturell), wo Menschen Schaden zugefügt wird.

Wenn allerdings von Seiten der Linken eigene Ziele formuliert werden, dann wird meistens mit so schwammigen Begriffen wie "Anarchismus", "Kommunismus" oder "Sozialismus" um sich geworfen. Dabei sind sich oft schon die Linken untereinander nicht einig, was man beispielsweise unter dem Begriff "Anarchie" versteht (bei vielen Punkern herrscht auch leider oft totales Unwissen vor, dann hört man so Phrasen wie: "cool, das totale Chaos eben").
Und außerdem haben die meisten Otto-Normal-Bürger wohl auch keine Vorstellung davon, was wir damit eigentlich meinen bzw. ihnen damit eigentlich sagen wollen.

Viel sinnvoller ist es meiner Meinung nach, Forderungen bzw. Zielformulierungen in konkreten Handlungsvorschlägen auszudrücken.
Beispiele:
- Frauen nicht hinterherpfeifen (und schon gar nicht, wenn sie nachts
alleine rumlaufen)
- Kneipenwirten sagen, daß sie kein Bier an Faschos ausschenken sollen,
bzw. den Faschos Hausverbot erteilen können (und dann auch eventuell
Hilfe anbieten)
Wenn alles nichts hilft, zu Boykotten aufrufen, Anwohner
miteinbeziehen...
- andere Leute darüber aufklären, woran sie erkennen können, ob jemand
ein Fascho ist
- wenn möglich, nicht bei H&M einkaufen, weil H&M mit Hilfe der
Kinderarbeit billiger produziert
- sog. "Freier" beobachten, ihnen zeigen, daß das in Anspruchnehmen von
Prostitution menschenverachtend ist (sie z.b. direkt ansprechen, über
die Situation von Prostituierten aufklären etc)
- Otto-Normal-Bürgern Anti-Nazis-Symbole schenken (oder zum Kauf
anbieten) und ihnen sagen, daß viele Faschos das Gefühl haben, nur das
auszuführen, was sich die Mehrheit der Bevölkerung wünscht, aber nicht
durchzuführen traut.
Diesen Leuten sagen, daß sie in ihrem Alltag durch das Tragen solchen
Zeichen Faschos zeigen können / sollen, daß sie deren Handeln nicht
gutheißen.

Mensch kann doch wirklich im Alltag soviel tun!!!

Mir fällt ein Stein vom Herz

A.n.onym 04.02.2004 - 18:53
Ich will mich nur kurz für die Klarstellung bedanken, Fee. Besonders als auch noch Menschen, denen ich vertraue und von denen ich was halte, weil sie sehr besonnen sind die Zweideutigkeit der Aussagen bestätigten und unterschwellige Anspielungen auf mich/uns bzw. eine Übertragung/Assoziation durch andere für möglich hielten, war ich schon betroffen, weil ich wie gesagt eine Stellungnahme angekündigt habe und mir eine faire Basis wünsche, von der ich mir dann echt nicht mehr sicher war, aber vor allem weil ich selbst schwerer männlicher Gewalt mit allen krassen Begleitgrausamkeiten (keiner, der dir glaubt und allerlei Dinge mehr) ausgesetzt gewesen bin und deshalb wie auch auf anderen Wegen ganz sicher nicht gleichgültig bin und erst recht nicht verharmlosen will. Wenn es auch lange her ist, die aufgekommenen Fragezeichen hatten am Ende doch gereicht, um die Erinnerung an diese Zeit mit dazugehörendem Schmerz ziemlich heftig aufleben zu lassen, weil es für mich darum ging, möglicherweise mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, mich nie auseinandergesetzt zu haben und das echt unerträglich wäre. Es tut mir leid, das jetzt nicht länger ausführen zu können, ich muss gleich wieder weg. Aber ich werde mein Wort halten und das, was ich versprochen hatte mitteilen, sobald es mir möglich ist. Mir war nur wichtig, mich erstmal für die Klarstellung zu bedanken, was mir viel bedeutet.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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... 01.02.2004 - 17:18
endlich mal jemand(!!!) der/die/das hier was vernünftiges postet. danke, es hat gut getan, zu erfahren, dass es in der linken auch noch denkende menschen gibt, die nicht nur im autonomen ghetto leben!!!

Stehenden Applaus...

Warhead 01.02.2004 - 18:02
...aus den Rängen und Logen wirst du sicher nicht erwarten,linke Nestbeschmutzer werden nunmal nicht geliebt,stattdessen wird man in die Querfrontecke,bestenfalls,oder gleich in die Nationalrevolutionärsecke gestellt,wenn man etwas weniger Glück hat.Wenn man gar kein Glück hat kommt ein Kommando und zerlegt einem die Bude.
Du beschreibst den Umgang miteinander.Du beschreibst ihn sehr geschönt.
Ich empfinde ihn mitunter als entwürdigend,einige führen sich derart entsozialisiert auf das einem die Spucke wegbleibt über soviel Chuzpe.Wir bieten in der Tat ein phantastisches Vorleben für das was nach einer angedachten Revolution kommt,im Hotel Lux dürfte die Stimmung besser gewesen sein.
Unsere Sprache,unsere Sprache hört sich gelegentlich an wie ein Tagesbericht der obersten Heeresleitung,passend zum Umgang.Jeder Grossayatollah hätte beim studieren unseres verhaltens,unserer Lebensweise,der "linken Maximen"seine Freude.Spass,Musik,Film,Theater,Literatur,sexuelle Obsessionen,gutes Essen,Lebensart,alles wird sofort zersetzt,zerfetzt und durchfanatisiert.
An dieser Stelle sollte ich noch etwas über den Gulagfrass,der einem in diversen Volxküchen kredenzt wird,loslassen.Jedoch bin ich spätestens an diesem Punkt so gefrustet,dasv ich nur auf die Frage verweisen kann wo eigentlich die ganzen älteren Aktivisten hin sind.Sie haben es schlichtweg satt für ein wenig mehr Lebensqualität und Bohemedasein ständig als bourgeoise Schweine,Yuppiespiesser oder Kriegsgewinnler anwichsen zu lassen.Wer mehr hat als nur den Sozialhilfesatz,der hat was dafür getan,der hat sauer geschwitzt dafür,und wenn er früh bis spät Dope verhökert hat und nun eine kleine Casa auf Gomera sein eigen nennt,nö man neidet ihm das und auf einer x-beliebigen VV darf sich einer rechtfertigen warum er mit nem Daimler-Kombi rumfährt.Wenn er Glück hat fackeln sie ihm die Karre nicht ab.

Klartext für die Linke ;)

Antifa Siegburg 01.02.2004 - 18:38
Würden diesen 1a Text gerne auf unserer Seite veröffentlichen.

Ich habe mir in letzter Zeit viele Gedanken gemacht über die (antikapital.) Linke und ihre gesellschaftliche Relevanz, die konsequent abnimmt, obwohl die Umstände immer schlechter werden. Schön, dass jemand ähnlich denkt und die Dinge beim Namen nennt.


Definitionsrecht

Caravan 01.02.2004 - 19:14
Zur Definitionsrechtsproblematik als Diskussionsanstoss ein Ausschnit für die Kriterien einer Ansprechgruppe für sexistische/sexuelle Über/Angriffe auf Grenzcamps:
Speziell möchte ich noch auf ein Dillemma eingehen, dass grosse Aänste besonders bei Männern auslöst: zu Unrecht "Opfer" einer Denunziation zu werden: das Risiko, dass tatsächlich betroffene eines sexuellen Angriffs das nicht öffentlichmachen, weil sie eine Verhörsituation befürchten müssen, womöglich mit Gegenüberstellung von Aussagen und dem Eindruck, als LügnerIn dazustehen ist ungleich höher, als daß jemand zu Unrecht beschuldigt wird, weil es sowieso ein heftiger Schritt ist, sowas zu outen.
Von daher ist die Entscheidung für ein Definitionsrecht der Betroffenen eines Angriffs eine nicht ganz befriedigende, aber doch nötige "Güterabwägung" in einer Situation, in der sowieso nicht mehr alles wieder gut wird...
Jetzt der text :
Sexistische Gewalt betrifft mehrheitlich Frauen.
Darüberhinaus sind auch Menschen betroffen, die sich
nicht in das vorherrschende Schema der
Zweigeschlechtlichkeit einfügen können bzw. wollen
sowie alle diejenigen, die gegen die heterosexuelle
Norm verstoßen wie z.B. Schwule, Lesben und Bi's.
Diese Differenzierung vorzunehmen, ist deshalb
wichtig, weil unter anderem in Jena immer wieder
homofeindliche bzw. heterosexistische Sprüche zu hören
waren. Praktisch folgt hieraus, dass von der
'betroffenen Person' die Rede ist, wenn es sich um die
Person handelt, die von dem sexistischen Übergriff
betroffen ist. Die Person, die den Übergriff begangen
hat, wird als 'Täter' bezeichnet, also mit der
maskulinen Form, um der patriarchalen Realität
Rechnung zu tragen, dass solche Übergriffe in erster
Linie von Männern begangen werden.

Im Falle eines sexistischen Übergriffs gliedert sich
die Arbeit der Ansprechgruppe in drei Bereiche.
Erstens: Im Mittelpunkt steht die konkrete
Unterstützung der betroffenen Person. Zweitens bedarf
es der Auseinandersetzung mit dem Täter. Drittens muss
die Camp-Community auf angemessene Weise unterrichtet
werden, auch um Gerüchten vorzubeugen.

a) Die Unterstützung der betroffenen Person: Es ist
die Aufgabe der Ansprechpersonen, die betroffene
Person darin zu unterstützen herauszufinden, was sie
braucht, um sich nach dem Übergriff (wieder) so sicher
wie möglich fühlen zu können. Diese Unterstützung
findet auf der Basis von Parteilichkeit statt. Mit
Parteilichkeit ist gemeint, die Wahrnehmung der
betroffenen Person nicht in Frage zu stellen. Nur sie
kann sagen, als was sich der Übergriff für sie
darstellt und nur sie sollte ihn benennen dürfen.
(Definitionsrecht). Dies heißt nicht, keine Fragen
stellen zu dürfen, denn oft sind es gerade Fragen, die
dabei helfen, Klarheit über Bedürfnisse zu bekommen
bzw. wiederzuerlangen.
Im Mittelpunkt der Arbeit als Ansprechpersonen steht
also, einen 'Schutzraum' für die Unterstützung-
Suchende Person wieder herzustellen, d.h. einen Raum
wieder freizugeben. In diesem Sinne ist ein
'Schutzraum' keine Sanktion gegenüber dem Täter.
Diesen Raum wiederherzustellen, muss nicht automatisch
Rauswurf des Täters bedeuten. Die betroffene Person
kann z.B. auch, wenn sie das will, darin unterstützt
werden, den Täter zu konfrontieren. Erfahrungsgemäß
ist es allerdings eher zu erwarten, dass die
betroffene Person möchte, dass der Täter das Camp
verlässt. Die Ansprechpersonen betrachten es dann als
Teil ihrer Aufgabe, den Täter aufzufordern, dieses zu
tun und das gegebenenfalls - mit Unterstützung aus dem
Camp - auch gegen seinen Willen durchsetzen.

b) Umgang mit dem Täter: Es ist wichtig, dass eine
Auseinandersetzung mit dem Täter stattfindet und er
nicht einfach so vom Camp verschwindet. Dabei geht es
nicht um unterstützende Täterarbeit; vielmehr geht es
um Konfrontation und 'Dranbleiben', darum, vom Täter
einzufordern, dass er sein Verhalten reflektiert und
ändert. Denn Strukturen ändern sich nur, wenn sich
auch die Menschen ändern. Außerdem ist es ein
wichtiges Prinzip, dass Menschen, denen etwas
vorgeworfen wird, das Recht haben sollten, gehört zu
werden und ihre Sicht darzulegen. Dieses Recht stark
zu machen, heißt allerdings nicht, das weiter oben
ausgeführte Definitionsrecht der betroffenen Person
in irgendeiner Form einzuschränken. Denn es ist die
absolute Ausnahme, dass ein Mann fälschlicherweise als
Täter beschuldigt wird. Insofern ist das Risiko, dass
ein Mann zu Unrecht das Camp verlassen muss,
tausendmal kleiner als die umgekehrte Gefahr, dass
eine Person, die von einem sexistischen Übergriff
betroffen ist, dadurch zusätzliche Traumatisierungen
erleidet, dass Ihr Definitionsrecht relativiert wird
(z.B. durch ‚Nachforschungen’, die ihre
Glaubwürdigkeit in Frage stellen). Hieraus leitet sich
auch ab, dass das Recht, gehört zu werden, nicht
öffentlich ausgeübt werden darf, sondern nur im
kleinen Rahmen, vorzugsweisen im direkten Kontakt mit
Menschen aus der Ansprechgruppe.

c) Bekanntmachung gegenüber dem Campzusammenhang: Eine
dritte Aufgabe der Ansprechgruppe ist es, gemeinsam
mit der betroffenen Person zu überlegen, in welchem
Rahmen und auf welche Weise der sexistische Übergriff
der allgemeinen Campöffentlichkeit bekannt gemacht
werden soll. Ist ein Übergriff erstmal bekannt
gemacht, sollte die Kommunikation darüber so sein,
dass Verletzungen, Ängste und stereotype Sexismen
nicht reproduziert werden und insbesondere die
Glaubwürdigkeit der betroffenen Person nicht
hinterfragt wird. Wahrscheinlich wird sich dies in
einem derart heterogenen Großgruppenzusammenhang wie
dem Grenzcamp nicht vermeiden lassen. Unter anderen
deshalb ist es sinnvoll, dass es nach einem
sexistischen Übergriff verschiedenen Austausch- und
Diskussionsräume gibt, z.B. FrauenLesben(Transgender)-
bzw. Männerplena für die, die das wünschen. In letzter
Konsequenz liegt es in der Verantwortung aller
Camp-TeilnehmerInnen, einen angemessenen Umgang mit
sexistischen Übergriffen hinzubekommen.

@ caravan

A.N. Onym 01.02.2004 - 21:15
Hm, Caravan. Die Art und Weise, wie du hier zum Thema Definitionsrecht eine "Ergänzung" anbringen willst, mutet mir ganz schön seltsam an, bei dem was hier so besprochen wird. Du gehst damit nicht wirklich auf A. N. Griffs Ansprache ein, du forwardest da auf die Schnelle gerade mal was vom noborder camp.

a) Die Sprache, in der der Text gehalten ist, ist auch eine Art Gruppenlatein, wenn auch nicht von der furchtbarsten Art, weil es noch viel schlimmere gibt.

b) Durch die Entscheidung, dies zu crossposten/forwarden, verhältst du dich schon arg gefährlich selbstbezogen und nischenherrlich, und auch "sozial" und kommunikativ kalt,(sorry für die harte Wortwahl), findest du nicht?

c) Was hat dich daran gehindert, dein Thema hier mit eigenen Worten zu vetreten und konkret auf Gesagtes Bezug zu nehmen?

Ich fühle mich bei sowas automatisch als meldete sich irgendein ZK oder eine sonstige tierisch fremde Machtinstanz. Das erzeugt bei mir schon richtige nicht-Bereitschaft darauf einzugehen. Habe gelesen, der Korrektheit halber, aber ich frage mich immer noch: und? Was willst du damit sagen? Wenn du glaubst, dass es wichtig ist, Menschen die sich auf welchem Weg auch immer sexuell ubterdrückt/unter Druck gesetzt fühlen zu unterstützen, ihnen Gehör zu schenken, ihre Wahrnehmung unter allen Umständen für gut zu halten und so weiter, warum vermittelst du das nicht mit eigenen Worten? Ich finde es ok, wenn du speziell zum Abschnitt Sexismus, sexuelle Unterdrückung, was man dagegen machen kann etc. etwas beitragen willst, aber dann versuche doch das Ganze bitte nicht nur per Ankündigung im Telegrammstil als sowas einzuleiten ("Anstoss für..", sondern auch es so einzubringen, dass es wirklich und direkt Bezug auf den konkreten Ansatz des Artikels hat, damit es nicht den restlichen thread vollends bricht, also, eben, mit eigene Worten... :)

@issnichtwichtig

Warhead 02.02.2004 - 01:47
Nomen est Omen,jedenfalls bei dir.Schön das du dich so angesprochen fühlst,auf einer VV hättest du jetzt vermutlich einen Tumult vom Zaun gebrochen.Tja,und nach der Revolution gibst du den Kettenhund und Saalschläger der anderen Leuten die Türen eintritt,denn du bist ja immer auf der Jagd nach Konterrevolutionären,dabei bist du mit deiner Art so primitiv wie ein Schlachter.Die ideale Aussendarstellung,immer Recht haben,moralisch auf dem Quivive.Und du glaubst der grosse Aufstand könnte ohne Attacs,ohne bildzeitungslesende Arbeiter die scharf auf die neue E-Klasse und auf Massen von politikuninteressierten stattfinden.
Dieses Klasse gegen Klasse Denken ist symptomatisch und bar jeder Authentizität.So wie wir reden,schreiben,postulieren und uns auch sonst darstellen haben wir bei denen deren Unterstützung wir benötigen und für die wir eigentlich solidarisch sein sollten keine Chance.

Wenn

- 02.02.2004 - 14:35
euer einander näherkommen wieder antiintellektuell und sexistisch-frauenfeindlich daher kommt,danke,ich denk noch an katzengitter und ignoranz.sonst ja.

@Anti

Warhead 02.02.2004 - 17:54
Es fehlt noch einiges mehr als das.
Wenn achthundert Leute dastehen,mit Dingen in der Hand und jeder wartet auf den Vorkoster,den Führer der die erste Klamotte schmeisst.
Aber es fehlt auch anderem
-Genuß und Lustfähigkeit-das hat nichts mit Konsum und Erotomanie um jeden preis zu tun
-Kommunikationsfähigkeit-jeder Autist ist im Gegensatz zu uns ein Kommunikationsgenie
Aussendarstellung-Selbst die Müllabfuhr bewirbt mittlerweile ihre Leistungen.Wir hingegen knallen den Leuten abgelatschte Phrasen und tote Parolen um die Ohren
-Imagination-Die anderen lügen das sich die Balken biegen,was mit den Kündern übler Botschaft geschieht wissen wir spätestens seit Antigone.Wir sollten also anfangen von frohen Dingen zu künden und das Blaue vom Himmel herunterzulügen,das Stimmvieh wird´s dankbar aufnehmen

Zuspruch in den meisten Punkten...

d.M. 03.02.2004 - 00:34
...die Vorredner haben das meiste ja schon gesagt. Zum Thema Anti-deutsche wollte ich nur sagen, dass ich es mehr als bedauerlich finde, dass sowohl durch ihr eigenes Auftreten (Permanente Verunglimpfung der Gegenseite (...wenn auch nicht immer zu unrecht); Dogmen etc.) als auch durch das Auftreten der Gegenseite, eine sinvolle Diskussion nicht stattfinden kann. Dabei muss nman den Anti-Deutschen zugute halten, dass sie auf mehr als ein Problem innerhalb der deutschen Linken aufmerksam gemacht haben.

Natürlich darf sich die Linke nicht auf Bündnisse mit Antisemitischen Organisationen einlassen, wie sie es bei bei der Anti-Irak-Kriegs-Bewegung leider oft genug der Fall war...natürlich neigen auch Teile der Linken zur "verkürzten Kapitalismuskritik", die Nation als Konstrukt... all das wäre zu diskutieren...aber wie, wenn man sich permanent bedroht fühlt und jede Sekunde damit rechnen muss von der einen Seite als "Anti-Semit" oder von der anderen Seite als "Imperialistenfreund" verunglimpft zu werden..

Anhand der Anti.Kriegs-Bewegung im letzten JAhr wird allerdings noch ein Problem der Linken deutlich. ÜBERTRIEBENE BÜNDNISPOLITIK. Wenn wir linke Politik betreiben wollen, muss uns klar sein, dass wir nicht unendenlich ausufernde Bündnisse mit jedermann schließen können...sonst können wir gleich die SPD 2 aufmachen..

Unsere Ziele

Warhead 04.02.2004 - 19:39
Die gefallen niemanden.Unsere Ziele können nur die Macht selbst sein.Denn nur mit der Macht wird es uns
möglich sein gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen.
Dabei muss einkalkulkiert werden das die Macht uns korrumpieren wird.
Die Macht und der Sieg um sie wird nur von dem errungen werden,der sie wirklich will und der ihr alles opfert-jedoch sind es nie die Richtigen(klingonisches Sprichwort).

Ergänzung aus Österreich

Partei bibeltreuer Christen 05.02.2004 - 15:14
Wer auf Demonstrationen die Parole von der "internationalen Solidarität" mit "ANTI-nationale Solidarität" überschreit sitzt einem tragischen Irrtum auf. Die "AntiNationalen", wie sich ein Teil der deutschsprachigen studentischen "Linken" heute selbst bezeichnet, haben mit Solidarität nichts am Hut - ihr Metier ist die groß angelegte Entsolidarisierung.

Die Gründe für die Entstehung der AntiNationalen als politische Strömung im deutschsprachigen Raum liegen auf der Hand. So richtig begonnen hat alles mit der verstärkten Offensive des deutschen Imperialismus seit 1990 gegen den - wie es scheint - kein Kraut mehr gewachsen ist. Die Arbeiter/innenbewegung hat ihre revolutionäre Perspektive eingebüsst und hängt am Gängelband der institutionalisierten Gewerkschaftsbürokratie, in den abhängigen Ländern ist seit Nicaragua 79 keine soziale Revolution mehr geglückt und ausgerechnet ehemalige 68-Bewegte sind die Charaktermasken für das neue-alte Großdeutschland. Daraus folgt für einen Teil der linksintellektuellen Szene: Rückzug ins Reich der Ideen, Kritik aus sicherer Entfernung, abstrakte theoretische "Dekonstruktion" der herrschenden Verhältnisse statt konkreter gesellschaftlicher Praxis. Das Biedermeier im Kopf, sozusagen.

Es ist prinzipiell legitim und nützlich, angesichts der revolutionären Ebbe die eigene Theorie und Praxis kritisch zu überprüfen; auch die AntiNationalen haben behauptet, das zu tun. Aber während sie einforderten, die herrschenden Ideen, die ja stets die Ideen der Herrschenden sind, konsequenter als bisher zu hinterfragen, ihre Kategorien (wie Nation und Geschlecht) radikal zu "dekonstruieren", quasi eine "geistige Befreiung" vom Kapitalismus propagierten - sind sie in der Praxis zu jämmerlichen Nachläufern der kapitalistischen Eliten geworden. Wahlweises Beklatschen oder Verurteilen der Real- und Militärpolitik der Herrschenden vom moralisierenden zivilgesellschaftlichen Standpunkt aus ist alles, was ihnen als Praxis geblieben ist. Und verbitterte pole- mische "Kritik" (mitunter eher fanatische Hetze) gegen all jene, die sich darauf nicht beschränken wollen.

Die AntiNationalen lehnen die herrschenden Zustände theoretisch ab: Ihre "wertkritische" Strömung versteht sich sogar als "marxistisch" und schreibt lange und komplizierte Abhandlungen über den kapitalistischen Warenfetisch. Gesellschaftliche Widersprüche, an denen angeknüpft werden könnte um diese drückenden Verhältnisse zu zerschlagen, werden aber entschieden geleugnet: In der "kritischen Theorie" der AntiNationalen werden die Kapitalisten vom "subjektlosen Willen" getrieben, während die Arbeiter/innen als "Zombies der Warenproduktion"[1] sich freiwillig in ihr Schicksal fügen. Ohne das offen einzugestehen haben sie beschlossen, dass radikal gesellschaftsverändernde Praxis nicht möglich ist, weil sie - und das sagen sie durchaus offen - kein gesellschaftliches Subjekt hat und haben kann. Die Vordenker der AntiNationalen haben die linksintellektuelle Unart, sich als "über allem stehend" zu begreifen zu einer Ideologie kultiviert die keine Verbindung mit den Massen mehr zulässt: Mit dem "Mob", dem "Pöbel" will man nichts zu tun haben. "Arbeiterklasse wie ich Dich hasse!" tönt es daher dummdreist bei den wenigen Demonstrationen, an denen AntiNationale sich beteiligen.

Da sie die Gesellschaft nicht als Klassengesellschaft begreifen wollen unterstellen sie eine homogene nationalistische, sexistische, rassistische, antisemitische "Volksgemeinschaft" - und reproduzieren damit letztlich faschistisches Gedankengut. Eine Unterscheidung zwischen Herrschern und Beherrschten, Hetzern und Verhetzten gestatten AntiNationale aus moralischen Gründen nicht, denn: In ihren Augen würde das bedeuten, einen Teil der Täter von ihrer Schuld reinzuwaschen. Die Fragestellung "Wessen Interessen dient diese Ideologie?" ersetzen sie durch "Wer ist Träger (und damit Reproduzent) dieser Ideologie?" und verunmöglichen (sich) so ein klassenbewusstes Eingreifen in die gesellschaftliche Bewusstseinsbildung. Kommunist/innen haben keine Angst vor der Auseinandersetzung mit Sexisten, Rassisten und Antisemiten, ob sie nun verbal oder handgreiflich ausgetragen werden muss. Die AnitNationalen hingegen wollen sich den Mund nicht verbrennen und die Hände nicht schmutzig machen und bleiben lieber in den Studierstuben.

Demselben Schema folgend verurteilen die AntiNationalen sämtliche Befreiungsbewegungen der abhängigen Länder - weil diese sich auf "nationale Kategorien" beziehen. Inzwischen wird nicht einmal mehr die mexikanische EZLN, einst Herzeigeguerilla der Metropolenlinken, ihren Ansprüchen gerecht. Der Ausgangspunkt der antiNationalen Argumentation ist dabei die an sich richtige Feststellung, dass Nationen politische Konstruktionen der Bourgeoisie und im Zuge der bürgerlichen Revolutionen entstanden sind. Im Sinne eines hegelschen Idealismus leiten sie jedoch die politische Realität vom Bewusstsein ab: "Es ist der Nationalismus, der die Nationen hervorbringt, nicht umgekehrt."[2] Die platte Konsequenz lautet: Hände weg vom Begriff Nation, jede positive Bezugnahme reproduziert falsches Bewusstsein. Die Frage nach den politisch-ökonomischen Grundlagen der Nationenbildung und den davon abzuleitenden Strategien zur tatsächlichen (und nicht bloß geistigen) Überwindung des "Konstrukts Nation" wird mit scheinradikalen Phrasen umgangen.

Bei Stephan Grigat, einem antiNationalen Ideologen in Österreich, liest sich das so:
"Eine antinationale Kritik greift also die Nation als Bündelung des wertfetischistischen und damit strukturell antisemitischen, rassistischen und sexistischen Bewußtseins an. Nimmt sich derartige Kritik selber ernst, ist ihr natürlich die bewußtlose Fortsetzung des taktierenden Praktizismus versagt. Darin ist meiner Einschätzung nach auch der Grund zu suchen, warum solche Kritik permanent auf aggressive Abwehrreaktio- nen trifft. Zur Nation und zum Nationalismus kann es kein taktisches, strategisches oder - wie die gebildeteren Bewegungsmarxisten und -marxistinnen dann sagen - dialektisches Verhältnis geben, sondern die Nation kann nur Gegenstand der radikalen, auf Abschaffung zielenden Kritik sein - anders gesagt: die Nation ist so ziemlich das Hinterletzte und eine Linke, die sich in irgendeiner Form heute positiv auf sie bezieht, wird kein Jota zu einer Emanzipation beitragen können."[3]
Im Klartext: Weil die Nation so ein reaktionäres Konzept ist wollen und dürfen sich Linke damit nicht weiter beschäftigen sondern fordern einfach ihre bedingungslose Abschaffung - alles andere ist abzulehnen. Die "auf Abschaffung zielende Kritik" kann aber ohne konkrete politische Strategie nur formal und zahnlos bleiben!

Nation und Nationalstaat können nicht abgeschafft werden, solange der Kapitalismus als ihre ökonomische Grundlage existiert. Die bürgerlichen Nationalstaaten der imperialistischen Länder schützen, als ideologische Gesamtkapitalisten, die Interessen des Kapitals im Allgemeinen und der heimischen Bourgeoisie im Besonderen. Ihr Nationalismus ist chauvinistisch und dient als ideologische Untermauerung für die Durchsetzung der politisch-ökonomischen Interessen der Bourgeoisie im Inneren (Spaltung der Arbeiter/innenklasse durch institutionalisierten Rassismus) und nach außen (Expansion und Konkurrenz). Grundlage der geschürten "nationalen Widersprüche" zwischen entwickelten kapitalistischen Staaten (z.B. zwischen Deutschland und USA) ist die in der kapitalistischen Produktionsweise begründete Konkurrenz zwischen den Konzernen und Monopolen. Grundlage der ebenfalls geschürten "nationalen Widersprüche" zwischen imperialistischen und abhängigen Ländern (z.B. zwischen Österreich und Tschechien) ist der Drang der Monopole nach Expansion.
In so gut wie allen Nationalstaaten sind nationale Minderheiten Repressalien ausgesetzt (z.B. Slowen/innen in Österreich, Bask/innen in Spanien, Kurd/innen in der Türkei, Migrant/innen sowieso), die von der systematischen Unterdrückung nicht selten zur systematischen Verhetzung, zu Pogromen übergehen. Imperialistische Staaten unterdrücken außerdem ganze Nationen außerhalb ihres Territoriums mittels politischer, ökonomischer und militärischer Einflussnahmen, die die nationale Souveränität dieser Länder untergraben. Diese Tatsachen können nicht einfach "dekonstruiert" werden, im Gegenteil: Sie stellen für die internationalen revolutionären Kämpfe, die auf Abschaffung von Klasse und Nation abzielen, ein großes Hindernis dar, sie erschweren den Zusammenschluss der Arbeiter/innen und Werktätigen aller Nationalitäten - geradeso wie der herrschende Sexismus die politische Aktionseinheit von weiblichen und männlichen Werktätigen verkompliziert. Schon deswegen müssen wir entschieden gegen die Politik der nationalen Unterdrückung kämpfen. Und solange nationale Unterdrückung existiert ist doch wohl klar, dass die davon Betroffenen diese auch benennen müssen!

Nein - wer nationale Befreiung fordert ist Nationalist, erklären die AntiNationalen, und "da ist es eben sinnvoller mit jenen eine enge Zusammenarbeit zu pflegen die als revolutionäre Linke auch eine Kritik an der Nation üben als mit NationalistInnen aus dem Trikont, die nicht allein schon deshalb gute NationalistInnen werden, weil sie arabische, kurdische oder afrikanische NationalistInnen sind"[4]. Kommunist/innen hingegen sind Internationalist/innen, sie begreifen den Kampf um Befreiung als unbedingt international - wenn er denn siegreich sein soll. Von einem fortschrittlichen Menschen, der einer Nation angehört, in deren Namen andere Nationen unterdrückt werden, erwarten wir gelebte Solidarität - und nicht scheinradikale Phrasen zum Übertünchen der eigenen chauvinistischen Ignoranz. Von letzterem haben die AntiNationalen einiges auf Lager: "Emanzipatorisch wäre es nun hingegen, nicht immer neue Nationalismen zu schaffen und die Nationalismen der Kleinen gegen die Nationalismen der Großen zu verteidigen, sondern das Konstrukt der Nation selbst zum Einsturz zu bringen."[5]
Wir Kommunist/innen betrachten es als unsere Aufgabe, der chauvinistischen Verhetzung in Wort und Tat entgegenzutreten, die Befreiungskämpfe der unterdrückten Nationen solidarisch zu unterstützen und internationalistisches Klassenbewusstsein in die Arbeiter/innenklasse hineinzutragen, um den gemeinsamen Kampf der hier lebenden Arbeiter/innen gegen die hiesige Bourgeoisie zum Sturz des Kapitalismus vorzubereiten. Wodurch gedenken die AntiNationalen das "Konstrukt der Nation selbst zum Einsturz zu bringen"? Durch "vernichtende Kritik" und die Denunziation von Kommunist/innen und Antiimperialist/innen?

Abgesehen von der Ablehnung nationaler Befreiungsbewegungen, der Verachtung für die Arbeiter/innenklasse und der unkritischen Position zu Israel (auf die hier nicht weiter eingegangen wird) sind die AntiNationalen politisch heterogen. Ihre konsequenteste Fraktion, die sich fälschlicherweise "antideutsch" nennt obwohl ihr Hauptfeind der "islamische Faschismus" ist, hat sich in Deutschland rund um die Zeitschrift "Bahamas" formiert. Sie hat den anderen AntiNationalen etwas voraus: ein politisches Subjekt, auf das sie sich positiv beziehen kann - und das sind die USA. Und so jubelten dann die AntiDeutschen, als die USA dazu ansetzten, Afghanistan in Schutt und Asche zu legen (wobei sie natürlich behaupteten, dass die Kampfbomber mit Zivilisation und Menschenrechten beladen seien) und warfen der deutschen Regierung vor, sich nicht konsequent genug daran zu beteiligen. Sie freuten sich wie die Schneekönige, als der Irak ins Fadenkreuz geriet und verurteilen entschieden jeden Widerstand gegen die Besatzung.

Dass AntiNationale, die ihre falsche Linie konsequent verfolgen, sehr rasch zum Anhängsel imperialistischer Hegemonialpolitik werden, zeigt sich auch in Österreich immer wieder aufs Neue. Das Lancieren von Zeitungsenten in bürgerlichen Medien zwecks Denunziation der fortschrittlichen Bewegung und das Schüren von Totalitarismustheorien geht in eben diese Richtung. Auch das Befeiern der Kollaborateure des militärischen Besatzungsregimes im Irak als "irakische Opposition" ist Ausdruck der Bereitschaft, vor dem imperialistischen StatusQuo bedingungslos zu kapitulieren. Schließlich wird das antiNationale Abfallprodukt der deutschsprachigen Metropolenlinken genau dort landen, wo auch der Platz des Imperialismus ist: Am Müllhaufen der Geschichte.