Das 10-Milliarden-Geschenk

Wal Buchenberg 20.10.2003 20:51
In einem Abstimmungsvorgang, der aus den zerbeulten Taschen der ärmsten Lohnabhängigen, den Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern, noch ein paar Euro mehr herausklaubte, im gleichen Abstimmungsgang verabschiedeten unsere Volksrepräsentanten im Bundestag ein Steuergeschenk an die Versicherungsgesellschaften, damit die ihre maroden Bilanzen auffrisieren und noch mehr Pleite-Policen an ahnungslos gehaltene Kunden verkaufen können.
Das 10-Milliarden-Geschenk

Unsere Abgeordneten scheißen gern auf einen großen Haufen. Der Economist schreibt: "Analysts think that the tax relief, which will be backdated to January 1st, could save the industry 10 billion Euro this year." (Economist, 18.10.2003: 76) Zu Deutsch: "Wirtschaftsfachleute gehen davon aus, dass das Steuergeschenk, das rückwirkend zum 1. Januar gilt, der Versicherungsbranche 10 Milliarden Euro sparen kann."

Zum Vergleich: Die für das nächste Jahr geplanten Rentenkürzungen haben ein Einsparungsvolumen von rund 8 Milliarden Euro.

Aber selbst die 10-Milliarden-Transfusion aus dem Steuersäckel wird nicht verhindern, dass noch andere Versicherungs-Gesellschaften der "Mannheimer Leben" in die Pleite folgen werden: "Mr. Metzler points out that insurers still have hidden losses of about 16,3 billion Euro..."
Das Magengrimmen unserer Abgeordneten beim "Umbau des Sozialstaats" wird kein Ende nehmen.

Wal Buchenberg, 20.10.03
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Ergänzungen

Was die Reform damit zu tun hat?

Alfons Kilad 20.10.2003 - 22:31
Nun, es handelt sich insgesamt ja um eine Wirtschaftsreform, allerdings um eine, wo der Faktor Arbeit total abgewertet, der Faktor Kapital möglichst hoch aufgewertet wird. Ich wundere mich etwas über die Logik meines Vorgängers, ist die möglichst weitgehende Entlastung der Wirtschaft doch offizielle Politik. Möglichst wenig an Lohn und möglichst viel an Subventionen für das Kapital heißt das. Es ist eben keine Sozialreform, weil nirgends irgendetwas sozial besser wird (im Gegenteil, wie wohl sichtbar). Vielmehr wird das Soziale möglichst weit zugunsten den Wirtschaft abgebaut.
Warum der Abbau des Sozialstaates sinnvoll sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Scheinbar folgt mein Vorgänger hier dem verbreiteten Irrglauben, dass alles was die wirtschaftlich Mächtigen wollen, zukunftträchtig sei. Gerade die Krise im Versicherungswesen zeigt jedoch, dass ohne staatliche Kontrolle (z.B. der Rücklagenbildung), die Wirtschaft am wenigsten auf eigenen Füssen stehen können. Denn kein einigermaßen normaler Mensch verzockt alles an der Börse. Eine Chance besteht nur, wenn sich die Machverhältnisse deutlich ändern. Bereits die jetzige Krise ist Resultat von zu viel Sozialreformen. Es sind genau diese Sozialreformen, die den Staat mehr und mehr verschulden, weil sie Arbeitslosigkeit begünstigen, statt abzubauen. Seit 1997 bekommen die großen Unternehmer Steuergeschenke. Die Statistik zeigt, dass genau in diesem Zeitraum die Investitionen noch mehr angebaut wurden.

Gesetz schon verabschiedet oder nicht?

Wal Buchenberg 21.10.2003 - 09:02
Die Abstimmung über dieses Steuergeschenk an das Versicherungskapital war für Freitag, 17.10. angesetzt.
Verschiedentlich wurden Zweifel geäußert, ob die Abstimmung darüber tatsächlich stattgefunden hat. Die Bundestagsprotokolle dieses Tages sind noch nicht (vollständig) raus.

Gruß Wal

Aktueller Stand

Wal Buchenberg 21.10.2003 - 17:22

ftd, 13.10.03:
Steuerentlastung für Versicherungskonzerne
Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums bestätigte den Bericht über die geplante Entlastung der Versicherungskonzerne am Montagmorgen in Berlin. Es werde noch in diesen Tagen letzte Abstimmungen in den Fraktionen geben. Dann solle die Regelung in das laufende Gesetzgebungsverfahren zum Steuervergünstigungsabbaugesetz aufgenommen und am Freitag vom Bundestag beschlossen werden. Der Bundesrat, der die Initiative zur Entlastung der Versicherer angestoßen hatte, muss ebenfalls noch zustimmen.
Die Regelung sieht vor, das Halbeinkünfteverfahren für die Unternehmen rückwirkend zum 1. Januar 2003 aufzuheben. Die Neuregelung kann die Ergebnisse der Versicherer in diesem Jahr schlagartig verbessern. Experten erwarteten für 2003 eine Steuerentlastung der Versicherer von 5 bis 10 Mrd. Euro. Die Bundesregierung will mit der Änderung die Gefahr verringern, dass neben der Mannheimer Lebensversicherung weitere Gesellschaften wegen des Börsencrashs kollabieren.
ftd.de, Mi, 15.10.2003, 12:18
Abstimmung über Entlastung für Versicherer am Freitag
Trotz ursprünglicher Bedenken der SPD-Fraktion soll nun doch am Freitag im Bundestag über die Änderung der Besteuerungsregeln für Versicherer abgestimmt werden. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, sprach von einer "Kommunikationspanne".

ftd, 17.10.03:
Steuervergünstigungsabbaugesetz
Zum prominentesten Punkt des Entwurfes avancierte die Steuererleichterung für die Lebens- und Krankenversicherungen, die nachträglich hineingenommen wurde. Mit dieser Änderung soll verhindert werden, dass die Versicherungen weiterhin für Verluste aus Aktiengeschäften auch noch Steuern zahlen müssen. Dies hängt zusammen mit der unterschiedlichen Behandlung der Verluste in Handelsbilanz und Steuerbilanz.

www.bundestag.de:Tagesordnung des Bundestages, Freitag, 17.10.03
20.e) Zweite und dritte Beratung Bundesregierung
Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz
- Drs 15/1518, 15/1665, 15/1648, 15/1736-
e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz:
Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 15/1518 in der Fassung der Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1684
Annahme des Entschließungsantrags auf Drucksache 15/1762
ENDE der DOKUMENTATION

Der SPIEGEL berichtet über die Sache "Milliardenschwere Steuererleichterungen sollen die angeschlagenen Lebensversicherer retten."


Anmerkung: Das vollständige Plenarprotokoll der Sitzung ist seit Montag, 20.10. überfällig und noch nicht veröffentlicht.

Gruß Wal Buchenberg

Bundestag hat am 17.10. zugestimmt

Wal Buchenberg 21.10.2003 - 20:39
Das Bundestagsprotokoll der Sitzung vom 17.10.03 ist veröffentlicht:  http://dip.bundestag.de/btp/15/15067.pdf

Auf Seite 5784 heißt es:
Tagesordnungspunkt 20e: Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz, Drucksachen 15/1518 und 15/1665.
Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung .... den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP bei Stimmenthaltung der beiden fraktionslosen Abgeordneten angenommen."

Gruß Wal

...mit 3. Beratung und Schlussabstimmung

Wal Buchenberg 21.10.2003 - 20:54
Gleich anschließend geht das Protokoll weiter:

"Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie bei der zweiten Beratung angenommen."

Sorry hatte ich bei meiner letzten Ergänzung vergessen!

Gruß Wal

Steuergeschenke??

Karin 22.10.2003 - 20:05
Lieber Wal,

mit deinem Arteikel hast du nicht recht. Das Halbeinkünfteverfahren kann für Konzerne nicht abgeschafft werden, es gilt nur für Steuerpflichtige natürliche Personen!

Ob die Änderungen zu Steuergeschenken führen, wage ich zu bezweifeln. In der Presse steht das so.. frau sollte jedoch nicht alles unqualifiziert nachplappern.

Für die Versicherungskonzerne wird wird die Anwendung von § 8b KStG eingeschränkt. Nach § 8b KStG können Konzerne Anteile an anderen Gesellschaften steuerfei veräußern. Nunmehr gilt diese Steuerfreiheit für Versicherungskonzerne nicht mehr. Zukünftig müssen sie Gewinne aus der Veräußerung der Körperschaftsteuer unterwerfen.

Wenn man über ein so komlexes Thema schreibt (Hallo Wal) sollte man vorher in den Beschlussentwurf der Bundesregierung reinschauen. Nicht einfach das Geschreibe von Halbgeildeten übernehmen auch wenn sie Journalisten sind.

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wale vom aussterben bedroht 20.10.2003 - 21:52
coucou wal !

erstmal danke für deinen artikel. gut geschrieben und wieder einmal mit völlig unverbrauchten und originellen wortbildern verziert "der aus den zerbeulten Taschen der ärmsten Lohnabhängigen, den Arbeitslosen...".
wenn da kein neuer "franz josef wagner" geboren wurde. so eine art linker amateur-wagner für "arme" ( die mit den zerbeulten taschen - du weisst schon ).

ok ... kommen wir nun zum eigentlichen thema. das steuergeschenk ist schon schlimm - aber wieso stellst du es in zusammenhang mit der neuen reform. deiner logik folgernd müsste man säntliche staatliche ausgaben der reform entgegenstellen und sagen : "ja, das braucht der bund für die verteidigung und das spart die reform ein ...".
das steuergeschenk gehört gestrichen - aber die reform ist trotzdem noch notwendig. das eine ändert an dem anderen nichts. denn wenn wir jetzt die reform aufschieben, dann haben wir in 2,3 jahren die grösseren probleme ( was ich nicht will - ich baue schliesslich nicht auf einen umsturz oder ähnliches ).

schlussfrage : hast du den "economist" im abo ?
wenn ja, dann geb bitte alle interessanten artikel wieder - nicht nur solche die deine sozial-marx thesen vermeintlich stützen.