Zum Attentat:Die Connection München-Uckermark

P&S / Inforiot 17.09.2003 17:29 Themen: Antifa
Der Sprengstoff, der für das vereitelte Naziattentat in München verwendet werden sollte stammt offenbar aus dem Land Brandenburg. Die beschuldigten Brandenburger Personen stammen aus Dörfern in der Uckermark im äußersten Nordosten des Bundeslandes. Indizien weisen daraufhin, dass sie über schon seit langem bestehende rechte Zusammenhänge in Brandenburg und McPomm vernetzt sind. Dies widerspricht der Darstellung, dass es sich bei den Sprengstoff-Lieferanten um unpolitische Militaria-Freaks handeln soll.
Nach den eher zufälligen Sprengstofffunden in München und den bisher erfolgten Ermittlungen und Verhaftungen ist klar, der Hauptverdächtige Martin Wiese (27) stammt ursprünglich aus Anklam in Mecklenburg/Vorpommern. Dort war er einige Zeit im Kameradschaftsbund Anklam aktiv, den es auch heute noch gibt. Vor etwa drei Jahren ging er nach München. Dort wohnte er mit Alexander M. zusammen, der aus dem Brandenburgischen Luckenwalde stammt. Bei diesem wurde auch der genannte Sprengstoff gefunden.Sprengstoff und Zünder kamen - soviel scheint inzwischen klar - von drei Männern aus der Uckermark. Gleich in der ersten Verhaftungsrunde wurde Andreas J. (37) aus Menkin festgenommen, nach unseren Recherchen ein langjähriger Freund von Martin W. Inzwischen sind zwei weitere Lieferanten bekannt: Marcel K. (24) aus Brüssow und Stefan Z. (24) aus Wollschow. Beide sitzen entgegen anders lautender Berichte ebenfalls in Untersuchungshaft. Als wir die ersten Informationen zu diesem Fall hörten, wurden wir aus unterschiedlichen Gründen aufmerksam:· Auffällig ist die räumliche Nähe der Herkunft aller genannten Verdächtigen. Brüssow, Menkin und Wollschow liegen in unmittelbarer Nachbarschaft.· Aus früheren Recherchen ist uns diese Region im Norden der Uckermark als ein Gebiet bekannt, das zwar kaum als ein Schwerpunkt rechtsextremer Aktivitäten öffentlich wurde, es aber in geradezu symbolischer Art und Weise ist.· Viele Ereignisse, Gewalttaten und Strukturen deuten aus eine sehr lange zurückreichende und intensive Zusammenarbeit von RechtsextremistInnen aus dem Norden Brandenburgs und aus Mecklenburg/ Vorpommern hin.Unserer Meinung nach ist die Spur in die Uckermark nicht zufällig. RechtsextremistÍnnen aus der Region wollten im Westen eigentlich nur das konsequent fortsetzen, was sie hier fast schon alltäglich getan haben. Für die Verbindung zwischen RechtsextremistInnen aus Mecklenburg/Vorpommern, auch aus Anklam und der Uckermark gibt es eine Menge Indizien:· Die gesamte Region um die Kleinstadt Brüssow war viele Jahre, zum Teil schon in DDR- Zeiten ein Zentrum rechtsextremer Aktivitäten. Davon zeugen viele Gewalttaten, von denen eine Auswahl aus den letzten Jahren unten aufgeführt sind. Dabei war die schlimmste Zeit sicher eher Mitte der 90er Jahre. Damals mussten als Zugezogene in Klausthal, Hammelstall und Wallmow fast jedes Wochenende Überfälle mit bürgerkriegsähnlicher Zuständen erleben. Bei Stadt- und Dorffesten waren Massenschlägereien an der Tagesordnung und an der Grenze zu Mecklenburg/Vorpommern fanden Nazikonzerte mit internationaler Beteiligung statt.· Die Grenzregion zwischen Brandenburg und Mecklenburg/Vorpommern war und ist ein klassischer Rückzugsraum für rechtsextreme Aktivistenn. Je nach Präsenz der Polizei fanden Konzerte, Diskotheken, Wehrsportlager und Schulungen mal in diesem, mal in jenem Bundesland statt. Auch die wenigen bekannt gewordenen Treffen in Bagemühl, Brüssow und Dedelow sprechen für Verbindungen zwischen Nazis aus Brandenburg und Mecklenburg/Vorpommern.· Gerade die Dörfer an der unmittelbaren Grenze waren Jahre lang bekannt für rechte Konzerte und Treffen überregionaler Art. In Menkin selbst ist der Gasthof "An der Chaussse" viele Jahre Ort von Konzerte mit zum Teil Hunderten von Nazis aus allen Teilen Deutschlands und nach unseren Recherchen auch aus England und Skandinavien gewesen. 1996 bis 98 gaben sich dort und in anderen Dörfern bekannte Bands der Szene die Klinke in die Hand.· Wir wissen, dass die RechtsextremistInnen aus Mecklenburg/Vorpommern, so der Kameradschaftsbund Anklam, die Kameradschaft Usedom und die Kameradschaft aus Ueckermünde schon sehr lange intensive Kontakte nach Brandenburg, speziell in die Uckermark haben. Bei vielen Demonstrationen, auch in jüngster Zeit sind sie gemeinsam aufgetreten. Interessant ist dabei auch der gemeinsame inhaltliche Schwerpunkt "Wehrmachtausstellung", den Martin Wiese in Süddeutschland und die genannten Kameradschaften in Mecklenburg/Vorpommern und der Märkische Heimatschutz im Norden aktiv umgesetzt haben. Die Demonstrationen in Wolgast sind dafür ein beredtes Beispiel.· Das Alter der Verdächtigen passt. Es geht nicht um irgendwelche irregeleiteten Jugendlichen. Ganz offensichtlich sind alle genau in der Zeit sozialisiert und möglicherweise in die rechtsextreme Szene integriert worden, als hier deren Hochzeit war. Die Kontakte, Verbindungen und ideologischen Vorstellungen haben sie dann mitgenommen - auch in den Westen.Um zu den geplanten Sprengstoffanschlägen zu kommen, gibt es eine ganze Reihe weiterer interessanter Anhaltspunkte:· Schon vor zwei Jahren haben uns unsere Interviewpartner aus der Region von Prahlereien bekannter rechtsextremer Gewalttäter berichtet, sie würden Waffen und Sprengstoff sammeln und besitzen.· In den Landkreisen nördlich der Uckermark gibt es eine ganze Abfolge (ehemaliger) Truppenübungsplätze erst der NVA und der Roten Armee, heute der Bundeswehr. Genau in deren Einzugsgebiet haben sich einige rechtsextreme Gruppierungen eingerichtet. Welche Rolle spielt dabei zum Beispiel der Reservistenverband "Olle Krümper" in Eggesin, wo jede Mange polizeilich bekannte Rechtsextremisten aktiv sind?· Bei den wenigen Einsätzen der Polizei bei rechtsextremen Gewalttaten in der Region gab es auch Waffenfunde. Was ist eigentlich daraus geworden?Um das Ganze kurz zusammen zu fassen: Wir denken, dass die Spur nicht zufällig in die Uckermark führt. Es handelt sich um eine Region, die über viele Jahre eine nahezu idealer Raum für rechtsextreme Aktivitäten war - niemand hat sich darum gekümmert, niemand hat das öffentlich gemacht, niemand hat etwas dagegen getan. Wir denken, dass sich Nazis aus Anklam, Pasewalk, Ückermünde, Löcknitz und anderen Orten der angrenzenden Landkreise Mecklenburg/Vorpommern oft in der Region aufgehalten haben und schon lange vielfältige Kontakte bestanden. Wir denken, dass Wiese und andere ihre Denk- und Verhaltensweisen in den Westen mitgenommen haben. Frei nach dem Motto: Wir können eigentlich alles machen, selbst schlimmste Gewalttaten, uns passiert sowieso nichts und wir haben dabei auch noch die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung.So schlimm die jetzt aufgedeckten Terrorpläne in München auch sind wir kennen den Alltagsterror hier im Osten sehr gut- und es sind die gleichen Täter! Schön, das jetzt mal darüber gesprochen wird. Einige BeispieleKlockow - 20.09.1999
Jugendliche Rechtsextremisten schlagen jugendlichen Belastungszeugen einer Strafsache mit rechtsextremem Hintergrund zusammen. (UK 29. und 30.09.1999)Dedelow - 26.02.2000
Die Polizei löst ein Treffen von über 100 Rechtsextremisten aus Brandenburg und Mecklenburg/Vorpommern auf. Dabei kommt es zu "Sieg Heil"-Rufen, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen. Gegen die Festnahmen protestierten 20 Personen vor der Polizeiwache in Prenzlau. (MOZ 28.02.2000)Brüssow - 25./26.06.2000
Am Gerüst der evangelischen Kirche wird die Reichskriegflagge gehißt. (Augenzeugen)Trampe bei Brüssow - September 2000
Beim "Pflaumenfest" des Dorfes werden ein Dutzend vermeintliche Linke von über 50 rechten Jugendlichen aus allen Orten der Umgebung attackiert, geschlagen und gejagt. (Augenzeugen)Brüssow - 01.10.2000
Die Polizei löst ein Straßenfest auf, nachdem rund 80 vorwiegend rechtsextrem orientierte Jugendliche randaliert und andere Besucher, darunter vermeintliche Linke tätlich angegriffen hatten. (MOZ 04.10.2000)Bagemühl - 07.10.2000
Rund 50 Rechtsextremisten aus Mecklenburg Vorpommern und der Uckermark prügeln sich vor der Gaststätte "Zur Linde". (Berl.Z. 10.10.2000)Brüssow - November 2000
Zwei Autos mit "Glatzen" aus Wallmow und Brüssow machen Jagd auf "Linke". Dabei wird ein Auto zerstört und ein Privathaus angegriffen. (Augenzeugen) Bagemühl - 26.05.2001
Zum letzten Mal Disco im örtlichen Jugendclub. Obwohl schon länger einer der großen Treffs der Szene aus der ganzen Region, ist erst der Versuch, einen anderen Besucher aufzuhängen, Grund für die Schließung. Der Haupttäter, ein Schläger aus der rechtsextremen Szene erhält zwei Jahre Haft. (Augenzeugen)Klockow - 01.02.2003
Vier Rechtsextremisten aus Prenzlau und Mecklenburg/Vorpommern überfallen den Jugendklub in Klockow und verletzen mehrere Gäste. Die Polizei nimmt die Täter in Gewahrsam. (MOZ 03.02.2003)(Inforiot) Dieser Text stammt von der Recherchegruppe von Pfeffer und Salz aus Angermünde. Von Pfeffer und Salz sind zwei Recherchebroschüren, die sich mit dem Thema Rechtsextremismus in der Uckermark auseinandersetzen, erschienen. Zur Connection München-Uckermark erschienen in den letzten Tagen auch mehrere Zeitungsartikel, die unbedingt lesenswert sind.
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Ergänzungen

Danke - Bestättigung

Sondora 17.09.2003 - 18:25
Danke für die wirklich gut gemachte Recherche. Ich kan aus eigenen Erfahrungen und von Freundinnen bestätigen, dass Anklam und die gesammte Umgebung als rechte Hochburg und oft als nationalbfreite Zone beschrieben wurde, wo linke und fremd aussehende Menschen, vor allem anderer Sprachherkunft oder anderer Hautfarbe eigentlich kein öffentliches Recht auf Unversehrtheit mehr genießen können, weils Tagesordnung ist, von den Nasen angemacht zu werden. Das ganze ist auf Grund der sozialen Lage mit der höchsten Arbeitslosenquote Deutschlands und einer stetig kleiner werdenden Anzahl von dort noch lebenden Menschen ein Fass ohne Boden. Hier stinkt braun und faul aus allen Ecken. Die wenigen netten, unpolitisch oder alternativ lebenden jungen Leute hauen nicht selten mit dem Schulende ab oder müssen Kilometer fahren, um Gleichgesinnte freundlich Leute zu treffen. Die Region ist total abgeschrieben, es interessiert eigentlich niemanden wirklich, was hier noch läuft und welches Klientel sich hier hält und zurückbleibt.
Die heute 15 jährigen mögen zwar nicht mehr in der Hochzeit der rechten Subkultur groß werden, aber in einem Klima des rechten Mainstream. Heute laufén Jugendliche nicht unbedingt mehr als Skins rum, dafür mit Aufschriften wie "Odin statt Jesus" oder "Lanzer" u.s.w. mit kurzen blondierten Haaren, Fila-pullis und immer etwas schicker als ihre glatzköpfigen VorgängerInnen.
Eine Haltung haben viele Gemeinsam: Sie hassen fremdes und verbinden damit oft eigenes Unglück.

Vorsicht Ablenkung!

Pedder 17.09.2003 - 22:28
Gut recherchiert, doch bleibt eine Frage offen! Welche Rolle spielt dabei der Verfassungsschutz? Ich ahne böses, sind mir die Zusammenhänge RAF und Verfassungsschutz doch in Erinnerung geblieben. Dabei dienten V-Leute auch als Waffenbeschaffer der RAF und wenn ich mich richtig erinnere stellten diese den Kontakt "Linker" mit "Rechten" her , wodurch diese sich diese besorgten.
Hierbei, bei dem brainwash mit der Braunen RAF; halte ich auch für möglich, dass es sich abermals um eine Inzenierung; unter Mithilfe dieser Herren handelt, welche uns von wichtigerem ablenken und es wohl als Anlass missbraucht werden soll, um auch hier "der schönen neuen Welt" des Überwachungsstaats Vorschub zu leisten.
Langsam vermute ich, dass wir Linke einen riesen Fehler machen, wenn wir uns mit der Rechten und deren Idiologie und Systematik nicht anfangen auseinanderzusetzen. So lange wir sie als Untote- böse Geister- behandeln können sie jederzeit eingesetzt werden um Angst zu verbreiten.
Dabei will ich diese Neofaschisten garnicht kleinreden, ohne Frage ist ihre Existenz unerträglich, ihr Auftreten von Gewalt und Disharmonie gekennzeichnet.
Doch sollten wir überlegen, weshalb sie dann überhaupt Zulauf und vor allem- wo sie ihr Geld und Unterstützung herbekommen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen was es anderes bedeuten soll in die Uniform von Massenmördern zu schlüpfen und dies noch als gut zu empfinden.
Dafür kann ich mir nur eine Erklärung denken, sie werden missbraucht von den Geschichtsfälschern, welche uns gerne als Sklaven erhalten möchten.
Ich bin für eine offensive Auseinandersetzung auch und gerade mit Rechts, denn Rechts waren schon immer diejenigen, welche uns regiern und in Abhängigkeit halten.
Das sie mit unserer Regierung nicht identisch sind, diese vielmehr missbrauchen, damit sie es dem Bürger erklären, so siehts doch aus in dieser Vorkriegszeit!

Berlin

-- 18.09.2003 - 14:41
Einen sehr ausführlichen Rück- und Einblick in die rechtsextreme Szene in Berlin liefert die Broschüre "Fight Back".

In einem siebenseitigen Artikel wird in dieser Broschüre die Entstehung und die Entwicklung der Treptower Nazi-Szene seit 1989 beleuchtet. Themen sind lokale Neo-Nazi-Gruppen (u.a. FAP, Kameradschaft Treptow, Die Nationalen, Freikorps, Kameradschaft Adlershof, NPD, Gruppe 9), ihre Aktivisten und ihre Aktionen. Der Text liefert eine erschütternde Übersicht über die Ausmaße rechtsextremer Gewalt in dem Bezirk, die von Brandanschlägen, geplanten Bombenanschlägen, brutalen Überfällen bis hin zu Mord reicht. In weiteren Artikeln werden in der "Fight Back" Nazistrukturen in den Berliner Bezirken Pankow und Moabit thematisiert.
Fight Back 03--- http://freeweb.dnet.it/treptow/fight_back2.pdf

oder

kann unter der E-Mail-Adresse  fight.back@web.de bestellt werden.

Münchner Nazi-Spur führt nach Berlin

nn 18.09.2003 - 17:50
Münchner Nazi-Spur führt nach Berlin-Marzahn - Razzia
Berlin (dpa) - Bei den Ermittlungen gegen die Münchner Neonazi- Gruppe, die den Anschlag auf die künftige neue Synagoge plante, führt eine Spur nach Berlin. Innensenator Erhard Körting (SPD) informierte am Donnerstag den Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses über eine Razzia am Morgen im Stadtteil Marzahn. Zu den Ergebnissen wollte sich der Senator jedoch nicht äußern. Nach Angaben des Berliner Verfassungsschutzes gibt es Hinweise, dass einzelne Personen Kontakt zu der Münchner Gruppe haben.

Bildausschnitt

d-g-u 19.09.2003 - 09:49
Der Bildausschnitt stellt nicht Wiese, sondern Bordin dar.
S. auch AIB Texte und Bilder zu Reiner Mehr, Norman Bordin und Martin Wiese
 http://www.nadir.org/nadir/periodika/aib/special/muenchen/aib55s39-40.pdf