Anzeigen wegen der Hamburger Kessel eingereicht

JOK 25.02.2003 19:42 Themen: Freiräume
Heute fand eine Pressekonferenz statt, auf welcher dargestellt wurde, warum und gegen wen in Hamburg Anzeige erstattet wurde. Die Anzeigenden wehren sich gegen rechtswidrigen Einkesselungen und Ingewahrsamenahmen.
Letzten Mittwoch stellten 27 Menschen Strafanzeige gegen den Innensenator Schill, den Innenstatsrat Wellinghausen, den Polizeipräsidenten, der Einsatzleitung und weiteren Verantwortlichen wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Die Anzeigenden waren alle von dem Kessel in der Hein Hoyer Straße betroffen. Eine Feststellungsklage wird Ende dieser Woche auch noch eingereicht. Hierbei soll festgestellt werden, daß die Einkesselung und Ingewahrsamnahme rechtswidrig war.

Zu diesem Thema und den Klagen gegen Kessel in der Innenstadt fand heute eine Pressekonferenz statt. Dort wurde folgende Presseerklärung verteilt.

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Die neue alte Senatspolitik: Kesseln, fesseln und willkürlich gefangennehmen

Im Zusammenhang mit der Räumung des Bauwagenplatzes Bambule und den dagegen gerichteten Protesten wurde deutlich, dass der Senat öffentliche Proteste offenbar „mit allen Mitteln“ – auch rechtswidrigen – unterbinden will. Die Betroffenen von zwei Polizeieinsätzen haben sich zusammengetan, um gemeinsam Klage gegen die rechtswidrigen Polizeieinsätze und Strafanzeige gegen die Verantwortlichen zu erheben.

Was bisher geschah
Am 18.11.2002 bildete sich nach einem Heimspiel des FC St. Pauli eine Spontandemonstration mit nahezu 1000 Teilnehmern. Diese friedlich verlaufende Demonstration wurde von Anfang an durch eine chaotische Polizeitaktik behindert. Demorouten wurden genehmigt und verkündet und dann wieder verhindert. Nach einem unverhältnismäßigen Wasserwerfereinsatz wurden hunderte Demonstranten in die Hein-Hoyer-Straße getrieben und in Folge dort eingekesselt und in Gewahrsam genommen. Die teilweise durchnässten Gefangenen wurden bis zu 7 Stunden auf verschiedenen Wachen festgehalten. Die Verletzung ordinärer Grundrechte wurde billigend in Kauf genommen. So wurden Toilettengänge verweigert, rechtswidrige Fesselungen oder Leibesvisitationen durchgeführt. Keines der Opfer hatte die Möglichkeit, die Demonstration zu verlassen, keinem wurde der Grund der Gefangennahme und Fesselung mitgeteilt. Weder von den Gefangenen noch von den Demonstranten gingen zu irgendeinem Zeitpunkt Gewalt oder Gefahren aus.

Ähnliches ereignete sich am 21.12.2002 in der Mönckebergstraße und vor dem Alsterhaus. Nach einer friedlichen Demonstration durch St. Pauli trafen sich kleinere Gruppen Demonstrationsteilnehmer gegen 16:00 Uhr in der Mönckebergstraße. Die Demonstranten standen in kleinen Gruppen verteilt zwischen den Einkaufenden und riefen hier und da Parolen für die Bauwagenbewohner und gegen den Innensenator. Die Polizei umringte dann eine beliebige Menschengruppe. Eine Frau kam aus dem Karstadt mit ihren Weihnachtseinkäufen und wurde von den Polizisten in den Kessel geschoben. Eine andere Frau kam aus der U-Bahn und wurde auch in den Kessel hineingeschoben. Diese Frau musste sich dann im Untersuchungsgefängnis nackt ausziehen und eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Die meisten Demonstranten standen aber außerhalb des Kessels und amüsierten sich. Ein Teil der eingekesselten Menschen wurde in Gewahrsam genommen und bis zu 8 Stunden festgehalten. Andere wiederum konnten den Kessel nach 1,5 Stunden wieder verlassen. Teilweise wurden den Gefangenen erklärt, dass man ihnen nichts vorwerfe und sie nur solange fest halten würde bis die Demonstration zu Ende sei. Ein weiterer Kessel wurde am selben Tag, kurze Zeit später vor dem Alsterhaus inszeniert. Auch hier wurden Menschen willkürlich eingekesselt und zum Teil bis 24:00 Uhr festgehalten.

Was bedeutet das?
Spätestens seit den Gerichtsurteilen zum Hamburger Kessel ist bekannt, dass die Einkesselung und Gefangennahme von Demonstranten nicht erlaubt ist. Auch nicht demonstrierende Passanten und Einkäufer dürfen natürlich nicht in Gewahrsam genommen werden. Die Polizeieinsätze vom 18.11. und 21.12.2002 waren so organisiert, dass willkürlich Demonstranten, Passanten, Kneipenbesucher auf dem Heimweg und Zuschauer von ihnen betroffen waren. Dabei ging von keinem Opfer eine Gefahr aus. Wenn die Gefangennahme an beiden Tagen erfolgte, um Demonstrationen zu unterbinden oder zu beenden, wie den Gefangenen zum Teil mitgeteilt wurde, so mussten sich diese als Geiseln missbraucht fühlen. Die Polizeiführung ist bereits wegen der gleichen Art von Maßnahmen im Zusammenhang mit dem „Hamburger Kessel“ zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt worden. Wenn dieser Umgang mit BürgerInnen jetzt zur „neuen“ Senatspolitik gemacht wird, muss man davon ausgehen, dass das Recht bewusst und hartnäckig („Wiederholungstäter“) gebrochen werden soll, um politische Gegner einzuschüchtern, zu demütigen und zu verletzen.
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Ergänzungen

meine kessel erfahrung

sucram 25.02.2003 - 21:38
war beim kessel am gerd-hauptmann platz (mönckebergstraße) dabei. es gab keinen, aber auch gar keinen grund für das auftauchen der polizei. es war eine versammlung von einigen hundert, vieleicht über 1000 leuten, die schon allein deshalb gewaltlos waren, weil es keinen gegner gab. wir haben nur solidarität mit der bambule und schill muss weg gerufen- mehr war schlicht weg nicht. und dann kamen die herrscharen der bullen angestürmt und haben uns eingekesselt. aber erst, als der große kessel in viele einzelkessel geteilt wurde, wir also von den bullen zusammengefercht wurden, gab es schlägereien, also da liegt es nun wirklich auf der hand wer die zu verantworten hat. ich selbst hab keinen bullen angerührt, sondern hab nur "ohne schill wär hier gar nichts los" gesungen. trotzdem wurde ich vier stunden (über drei mit plastikhandschellen, die sich übelst in meine hände eingeschnitten haben) in gewahrsam gehalten. einige mussten studnenlang zum klo, wurden aber einfach hinten im bus sitzen gelassen, bis sie zu ihrem revier kamen. ich als absolut unschuldiger (das soll jetzt nicht die jenigen, die sich von den bullen nicht widerstandslos auf den füßen ham rumtrampeln lassen, als schuldige diffamieren) durfte dann meinen heimweg von poppenbüttel nach bergedorf organisieren- also ein mal quer durch hamburg, um 24.00 uhr, nachdem sie mich kurz vor 20.00 uhr gepackt hatten!

EA etc.

x 26.02.2003 - 11:54
Das solltest Du alles nochmal ausdrucken und dem EA oder den Bambule- Anwälten zukommen lassen, die suchen noch Gedächtnisprotokolle von sowas.

wohin mit Gedächtnisprotokollen?

Fichtenelch 26.02.2003 - 15:37
ich war auch in dem Kessel und wüsste gerne, wo man sein Gedächtnisprotokoll hinschicken kann.

EA Adresse

JOK 26.02.2003 - 16:03
Der ermittlungsausschuß ist über folgende tel. zu erreichen:

040-43278778

unsere postanschrift lautet:

ermittlungsausschuß
c/o schwarzmarkt
kleiner schäferkamp 46
20357 hamburg

e-mail:
übergangsweise:
 ea-hh@gmx.de
ab demnächst:
 info@ea-hamburg.org

Gedächtnisprotokolle bitte nicht per email

andi 26.02.2003 - 21:51
sondern per Post in verschlossenem Umschlag an den EA c/o Schwarzmarkt. Nur so kann sichergestellt werden, daß die vertraulich zu behandelnden Informationen nicht in falsche Hände gelangen. I.a. benutzen die Einsender nämlich kein Verschlüsselungsprogramm wie z.B. PGP.

pgp

someone 27.02.2003 - 00:06
Zu bedenken ist auch, daß es sehr wenig bringt,
wenn der Absender pgp verwendet, und die Mail "nur"
signiert - die Mail selbst bleibt lesbar, und besitzt
nur eine digitale Unterschrift.Für eome

pgp

someone 27.02.2003 - 00:09
Zu benken ist, daß, wenn nur der Absender pgp
verwendet, und die Mail hiermit nur signiert, diese
immer noch im Klartext besteht, nur mit dem Unterschied,
daß dieser Klartext digital signiert ("unterschrieben")
ist.

Um die Mail nun zu verschlüsseln, müsste auch der
pgp-Key des EA's bekannt, oder an öffentlichen
Plätzen hinterlegt sein.

Mir ist da leider nichts bekannt (vor allem:
wie feststellen, daß es auch der Key des EA's
ist)

Grüße

Frage

27.02.2003 - 23:18
Was ist, wenn das Gericht sagt, daß die Bullenaktionen rechtmäßig waren?

Ja dann?

28.02.2003 - 00:17
Vielleicht den Richter wegen Rechtsbeugung anzeigen oder lieber Koffer packen?