KAMPAGNE FÜR DIE FREILASSUNG VON MARWAN BARGHOUTI

Klaus von Raussendorff 06.02.2003 15:59
Liebe Leute,
bei der Berliner Demonstration gegen die drohende US-Invasion im Irak am 15. Februar 2003 wird es einen Block der internationalen Solidarität gemeinsam mit dem Solidaritätsbündnis mit Palästina und der Vereinigten Palästinensischen Gemeinde geben. Treffpunkt: 15. Februar 2003, 11 Uhr 30, Alexanderplatz, Nähe Weltzeituhr Vor diesem Hintergrund dokumentiere ich:

INITIATIVE ZUR GRÜNDUNG EINER DEUTSCHEN SEKTION DER INTERNATIONALEN KAMPAGNE FÜR DIE FREILASSUNG VON MARWAN BARGHOUTI UND ALLEN PALÄSTINENSISCHEN POLITISCHEN GEFANGENEN (Presseerklärung v. 5. Februar 2003) [ 1 ]
Dokumentation: Freiheit für Marwan Barghouti und alle palästinensischen politischen Gegangenen

Liebe Leute,
bei der Berliner Demonstration gegen die drohende US-Invasion im Irak am 15. Februar 2003 wird es einen Block der internationalen Solidarität gemeinsam mit dem Solidaritätsbündnis mit Palästina und der Vereinigten Palästinensischen Gemeinde geben. Treffpunkt: 15. Februar 2003, 11 Uhr 30, Alexanderplatz, Nähe Weltzeituhr Vor diesem Hintergrund dokumentiere ich:

INITIATIVE ZUR GRÜNDUNG EINER DEUTSCHEN SEKTION DER INTERNATIONALEN KAMPAGNE FÜR DIE FREILASSUNG VON MARWAN BARGHOUTI UND ALLEN PALÄSTINENSISCHEN POLITISCHEN GEFANGENEN (Presseerklärung v. 5. Februar 2003) [ 1 ]

SIE WOLLEN SICHERHEIT? BEENDEN SIE DIE BESATZUNG! Von Marwan Barghouti Washington Post vom 16. Januar 2002; Seite A19  http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A51887-2002Jan15.html [ 2 ]

MARWAN BARGHOUTI: "SIE KAMEN NICHT, UM MICH ZU VERHAFTEN. GLAUB MIR. ICH HABE IHRE ABSICHTEN DURCHKREUZT. SIE WOLLTEN MICH NICHT LEBEND. SIE KAMEN, UM MICH ZU TÖTEN." ZWEI VERSIONEN - PROZESS AUS WUT Ha'aretz vom 5. Mai 2002  http://www.haaretzdaily.com/hasen/pages/ShArt.jhtml?itemNo=158323 [ 3 ]

MARWAN BARGHOUTI SCHAUPROZESS ERÖFFNET Angeklagter klagt den israelischen Besatzerterror an und plädiert für palästinensische Unabhängigkeit und Frieden Von Hans Lebrecht, Kibbutz Beit-Oren/Israel (18. August 2002) [ 4 ]

AHMAD SAADAT, GENERALSEKRETÄR DER VOLKSFRONT ZUR BEFREIUNG PALÄSTINAS (PFLP) – Interview mit Julia Deeg Jericho – In junge Welt v. 18.01.2003  http://www.jungewelt.de/2003/01-18/021.php [ 5 ]

Israels Okkupationsarmee: ROUTINEMÄSSIGE AUSSERGERICHTLICHE EXEKUTIONEN UND HÄUSERDEMOLIERUNGEN ALS SIPPENBESTRAFUNG Uri Avneri an Staatsanwalt: Kriegsverbrechen Von Hans Lebrecht, Kibbutz Beit-Oren/Israel (8. Dezember 2002) [ 6 ]

AUFRUF ZUR FRIEDENSDEMONSTRATION AM 15. FEBRUAR 2003 IN BERLIN STOPPT DEN KRIEG GEGEN DEN IRAK! [ 7 ]

Z u d e n T e x t e n :

Im September 2002 bekundeten über 150 israelische Wissenschaftler ihr Entsetzen über die begeisterte Unterstützung der israelischen Regierung für den US-Truppenaufbau gegen den Irak. Sie warnten die Weltöffentlichkeit dringend davor, „dass der ‚Nebel des Krieges’ durch die israelische Regierung ausgenutzt werden könnte, um weitere Verbrechen gegen das palästinensische Volk zu begehen, bis hin zu einer umfassenden ethnischen Vertreibung.“ Die internationale Kampagne für die Freilassung von Marwan Barghouti und die etwa 8000 palästinensischen Gefangenen ist auch eine Warnung vor einem Verbrechen gegen die Menschheit, dessen Opfer die Völker des Irak und Palästinas zu werden drohen.

Das Solidaritätsbündnis mit Palästina kritisiert in seinem (hier nur auszugsweise dokumentierten) Aufruf für die Berliner Demo die westliche Nahost-Politik des zweierlei Maß: „Die Rechtfertigungen und Gründe zur Legitimation eines Krieges der USA gegen den Irak werden in der Öffentlichkeit so dargestellt: - Irak besitze Massenvernichtungswaffen und könnte die Lage nutzen, um Atomwaffen zu bauen. - Irak habe in der Vergangenheit seine Nachbarländer angegriffen und besetzt (Kuwait). - Irak verstoße gegen Details in der Einhaltung von UN Resolutionen.

Wenn wir diese Rechtfertigungen in Vergleich stellen mit der US Politik gegenüber Israel und der US Billigung der israelischen Politik, fällt auf: - Israel besitzt mindestens 200 Atomsprengköpfe. In den 80er and frühen 90er Jahren erhielt Israel von den USA 160 F-16 Kampfflugzeuge mit der Ausstattung, Nuklearwaffen tragen zu können. - Israel ist die einzige Atommacht der Region. - Israel ignoriert seit 1948 die UN Resolution, die das Recht der Palästinenser auf Rückkehr fordert und bereits 28 mal verabschiedet wurde. - Israel besetzt seit 1967 das Westjordanland den Gazastreifen sowie annektierte Jerusalem. Die UN Sicherheitsrat Resolution 242 fordert den Rückzug Israels. - Die UN Sicherheitsratsresolution 446 bezeichnet die israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten als illegal. Es gibt inzwischen rund 400,000 israelische Siedler auf palästinensischem Land.“

Das Solidaritätsbündnis mit Palästina warnt:

„Ein Teufelskreislauf entsteht. Sharon nutzt die von Bush gegebene Nische und den amerikanischen Kreuzzug zur Legitimation seines eigenen Schlages gegen die Palästinenser und ihre Rechte. (...) Die amerikanische Forderung nach einer Neuordnung des Nahen Ostens kann die palästinensische Situation NICHT VERBESSERN. Mit der US Kontrolle über Irak wird Israel als größter Bündnispartner gestärkt. Sharon und seine Besatzungs- und Vertreibungspolitik werden gestärkt. Verschlechtern wird sich nicht nur die humanitäre Situation der Palästinenser, sondern auch jegliche Perspektive für Frieden. Unter scheinheiligen Sicherheitsbegründungen werden mehr Waffen an Israel geliefert, sowohl von den USA als auch den europäischen Partnern, darunter Deutschland.“

Mit internationalistischen Grüßen Klaus von Raussendorff

Anti-Imperialistische Korrespondenz (AIK), Redaktion: Klaus von Raussendorff Postfach 210172, 53156 Bonn; Tel.&Fax: 0228 - 34.68.50; Email:  redaktion@aikor.de



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Presseerklärung (5. Februar 2003)

INITIATIVE ZUR GRÜNDUNG EINER DEUTSCHEN SEKTION DER INTERNATIONALEN KAMPAGNE FÜR DIE FREILASSUNG VON MARWAN BARGHOUTI UND ALLEN PALÄSTINENSISCHEN POLITISCHEN GEFANGENEN

Am 15. April 2002 nahm die israelische Armee den palästinensischen Politiker und gewählten Abgeordneten Marwan Barghouti in Ramallah (sogen. palästinensisches Autonomiegebiet) fest und verschleppte ihn nach Israel. Er wurde gefoltert, ihm wird von einem israelischen Gericht eine faire Prozessführung verweigert. Richter Zvi Gurfinkel vom Tel Aviv District Court legte bei der letzten Anhörung am 2. Januar fest, Barghouti müsse bis zum Ende seines Prozesses in Haft bleiben, weil er „eine Gefahr für die Bürger und für die Sicherheit“ des Staates Israel darstelle. Zuvor hatte Marwan Barghouti erneut die Rechtmäßigkeit des Verfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts bestritten. Am 9. Januar wurde bekannt, dass man Barghouti in das Gefängnis Bersheeva in Isolationshaft verbracht hat. - Der Fall ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil Marwan Barghouti immer ein Mann des Friedens gewesen ist. Auf Dialog setzend arbeitete er mit Knessetabgeordneten der Meretz-Partei zusammen. Seine Position formulierte er so: "Ich suche nach friedlicher Koexistenz zwischen Israel und Palästina als gleichberechtigten Ländern, auf der Grundlage des vollständigen Rückzugs aus den 1967 besetzten Gebieten und einer gerechten Lösung für die palästinensischen Flüchtlinge gemäß den UN-Resolutionen. Ich strebe nicht nach der Zerstörung des Staates Israel, sondern nur nach der Beendigung der Besetzung meines Landes."

Der Fall Marwan Barghouti ist exemplarisch für die Lage von Tausenden Palästinensern, darunter zahlreichen Jugendliche, in israelischen Gefängnissen und Haftzentren. Das Internationale Komitee für die Freilassung Marwan Barghoutis betrachtet diese Akte als schwerwiegende Verletzung international anerkannter Menschenrechte. Es fordert,

- den Menschenrechtsverletzungen der israelischen Armee unverzüglich ein Ende zu setzen;

- Marwan Barghouti und alle übrigen palästinensischen politischen Gefangenen, insbesondere Minderjährige, frei zu lassen;

- die illegalen Verhaftungen in den besetzten palästinensischen Gebieten einzustellen.

Eine Initiativgruppe in Deutschland schlägt hiermit die Gründung einer deutschen Sektion des Internationalen Komitees für die Freilassung Marwan Barghoutis vor. Sie stellt sich das Ziel, Menschen in Deutschland zusammen zu führen, die diese Forderungen unterstützen und sich dafür einsetzen, dass sie von politischen Organisationen und Parteien in Deutschland aufgegriffen, in den Medien verbreitet und von deutschen Politikern auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, in der Europäischen Union, im Europarat und in den Organisationen der Vereinten Nationen bei ihren Entscheidungen berücksichtigt werden.

Für die Initiativgruppe: Wolfgang Buddrus, Walid Chachrour, Julia Deeg, Sophia Deeg, Maher Fakhoury, Rüdiger Göbel, Joachim Guilliard, Jürgen Heiser, Klaus Hartmann, Ernst Herbst, Bernd Klagge, Klaus v. Raussendorff, Heinz-Jürgen Schneider

Email:  Kontakt@freebarghouti.de Internet: www.freebarghouti.de

Internationale Kontakte:

CAMPAIGN TO FREE MARWAN BARGHOUTI Tel: +970/972-2-2989645 Fax: +970/972-2-2989646 Email:  info@FreeMarwanBarghouti.org Web:  http://www.freebarghouti.org/

COMITE INTERNATIONAL POUR LA LIBERATION DE MARWAN BARGHOUTI c/o Cetedim – 21 ter Rue Voltaire - 75011- Paris Fax : 0033-(0)1-46.66.73.45 email:  comitebarghouti@hotmail.com web:  http://mbarghouti.chez.tiscali.fr/

ADDAMEER - Prisoners' Support and Human Rights Association PO Box: 17338, Jerusalem. Ramallah, West Bank. Tel: +972-2-2960446 Fax: +972-2-2960447 email:  addameer@planet.edu web:  http://www.addameer.org/

LAW - THE PALESTINIAN SOCIETY FOR THE PROTECTION OF HUMAN RIGHTS AND THE ENVIRONMENT, PO Box 20873, Jerusalem, tel. +972-2-5833530, fax. +972-2- 5833317 email:  law@lawsociety.org web: www.lawsociety.org

THE PUBLIC COMMITTEE AGAINST TORTURE IN ISRAEL POB 4634 / Jerusalem / 91046 Tel. 972-2- 5630073 / Fax. 972-2-5665477 email :  pcati@netvision.net.il web:  http://www.stoptorture.org.il

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Washington Post vom 16. Januar 2002; Seite A19  http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A51887-2002Jan15.html

SIE WOLLEN SICHERHEIT? BEENDEN SIE DIE BESATZUNG!

Von Marwan Barghouti

RAMALLAH - Israels Attentat auf den Aktivisten der Fatah, Raed Karmi am Montag war vorhersehbar. Obwohl Israel mehr als 18 Palästinenser seit Präsident Yasser Arafats Aufruf zur Feuereinstellung am 18. Dezember getötet hat, hat es während dieser Zeit keine israelischen Zivilopfer gegeben. Dadurch entstand laut internationaler Gemeinschaft und der internationalen Presse eine "Pause in Gewalt." Aber eine Pause in der Gewalt ist genau das, was der Israelische Premierminister, Ariel Sharon, sich nicht leisten kann. Er wurde in einer Zeit der Krise gewählt und weiß, dass seine Herrschaft nur in einer Zeit der Krise aufrecht zu erhalten ist. Für sein eigenes politisches Überleben wird er sein möglichstes tun und jede Rechtfertigung benutzen, um die Flammen der Unruhe zu schüren, statt zu Friedenverhandlungen zurückzukehren.

Daher wurden mehr als 600 Palästinenser, die schon Flüchtlinge waren, vor kurzem erneut zu Flüchtlingen gemacht, als Sharons Planierraupen ihre Häuser in Gaza zerstörten. Einen Tag später wurden palästinensische Häuser im besetzten Ostjerusalem zerstört. Und dann, um ganz sicherzu- stellen, dass die Palästinenser ausreichend provoziert sind und der Zyklus der Gewalt wieder beginnen kann, ermordete Israel Karmi.

Sharon rechtfertigt solche grausamen und illegalen Maßnahmen im Namen der "Sicherheit". Aber so wie man mich selbst oft als Kandidat für ein israelisches Attentat vorsah, kann ich dem Israelischen Volk ver- sichern, dass weder ein Attentat auf mich noch irgendwelche der anderen 82 Attentate während der letzten 15 Monate sie jener Sicherheit, die sie suchen und benötigen, näher bringen werden.

Der einzige Weg zu Israels Sicherheit ist ganz einfach, die 35-jährige Besatzung palästinensischer Gebiete zu beenden. Israel muss den Mythos überwinden, dass es möglich sei, Frieden und Besatzung zugleich zu haben, dass ein friedliche Koexistenz zwischen Sklaven und Herren möglich sei. Der Mangel an israelischer Sicherheit beruht auf dem Mangel an palästinensischer Freiheit. Israel wird Sicherheit nur nach dem Ende der Besatzung haben, nicht vorher.

Wenn Israel und der Rest der Welt diese Grundwahrheit erst einmal verstehen, wird der Weg vorwärts klar: Beenden Sie die Besatzung, erlauben Sie den Palästinensern in Freiheit zu leben, und lassen Sie die unabhängigen und gleichen Nachbarn Israel und Palästina eine friedliche Zukunft mit engen ökonomischen und kulturellen Bindungen aushandeln.

Lassen Sie uns nicht vergessen, wir Palästinenser haben Israel 78 Prozent des historischen Palästinas zuerkannt. Es ist Israel, das sich weigert, Palästinas Recht, auf den übrigen 22 Prozent des 1967 eingenommenen Landes zu existieren, anzuerkennen. Und dennoch wird den Palästinenser vorgeworfen, keine Kompromisse zu schließen und die Chancen zu vertun. Offen gesagt sind wir es müde, die Schuld für die israelische Unnachgiebigkeit immer auf uns zu nehmen, wenn alles, was wir wollen, die Umsetzung internationalen Rechts ist.

Und wir haben kein Vertrauen zu den Vereinigten Staaten, den Gebern jährlicher Milliarden Dollarhilfe, um Israels Expansion illegaler Kolonien zu finanzieren, den "Bekämpfern des Terrorismus", die Israel mit F-16ern und waffenstarrenden Hubschraubern zur Verwendung gegen eine wehrlose Zivilbevölkerung beliefern, den "Verteidigern der Freiheit und der Unterdrückten", die Sharon verwöhnen, sogar als er mit seiner Verantwortung für Kriegsverbrechen, dem Massaker von 1982 an Palästinensischen Flüchtlingen, konfrontiert wurde. Die Rolle der einzigen Supermacht der Welt ist auf die eines bloßen Zuschauers reduziert worden, der nichts als einen ermüdenden Refrain "stoppt die Gewalt" anzubieten hat und nichts tut, um die eigentlichen Gründe der Gewalt zu benennen: die Ablehnung der palästinensischen Freiheit .

Sehen sie, wie der glücklose Anthony Zinni seine Bemühungen auf die "Gewalt" konzentriert, während jüdische Siedler internationales Gesetz und sogar Amerikanische Politik verletzen, indem sie eine neue illegale Kolonie im besetzten Ostjerusalem beziehen. Wir Palästinenser sind nicht beeindruckt.

Die letzten 15 Monate hat Israel mehr als 900 palästinensische Zivilisten getötet, davon ein Viertel unter 18 Jahren. Und dennoch haben die USA die Kühnheit, ein Veto gegen einen U.N. Plan für eine internationale Schutztruppe einzulegen, um die heftigen Angriff zu stoppen.

Deshalb schützen wir uns selbst. Wenn Israel sich das Recht vorbehält, uns mit F -16 und Hubschraubern zu bombardieren, sollte es nicht überrascht sein, wenn sich Palästinenser defensive Waffen beschaffen, um die Flugzeuge herunterzuholen. Und während ich und die Fatah-Bewegung, der ich angehöre, Angriffe auf zivile Ziele in Israel, unsere künftigen Nachbarn, unbedingt ablehnen, behalten ich mir das Recht vor, mich zu schützen, der israelischen Besatzung meines Landes Widerstand zu leisten und für meine Freiheit zu kämpfen. Wenn von Palästinensern erwartet wird unter Besatzung zu verhandeln, muss Israel davon ausgehen, zu ver- handeln, während wir gegen die Besatzung Widerstand leisten.

Ich bin kein Terrorist, aber auch kein Pazifist. Ich bin einfach ein durchschnittlicher Mensch von der palästinensischen Straße, der nur verlangt, was jeder andere unterdrückte Mensch verlangt - das Recht, mir mangels Unterstützung irgendwo anders Hilfe zu suchen.

Dieses Prinzip kann leicht zu einem Attentat auf mich führen. Deshalb lassen Sie mich meine Position deutlich machen, damit mein Tod von der Welt nicht einfach abgehakt wird als ein weiterer statistischer Fall in Israels "Krieg gegen Terrorismus". Sechs Jahre habe ich als politischer Gefangener in einem israelischen Gefängnis geschmachtet, wo ich gefoltert wurde, ich hing mit verbundenen Augen, als ein Israeli mit einem Stock auf meine Genitalien schlug. Aber seit 1994, als ich glaubte, Israel wolle ernstlich die Besatzung beenden, war ich ein unermüdlicher Befürworter des Friedens auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Gleichheit. Ich führte Delegationen von Palästinensern bei Besprechungen mit Israelischen Parlamentariern, um gegenseitiges Verständnis und Kooperation zu fördern. Ich suche immer noch die friedliche Koexistenz zwischen den gleichen und unabhängigen Ländern Israel und Palästina, basierend auf dem vollständigen Rückzug aus den 1967 besetzten Palästinensischen Gebieten und einer gerechten Lösung der Notlage der Palästinensische Flüchtlinge entsprechend den U.N. Resolutionen. Ich will Israel nicht zerstören, sondern nur seine Besatzung meines Landes beenden.

Der Autor ist Generalsekretär der Fatah in der Westbank und wurde in den palästinensischen gesetzgebenden Rat gewählt.

Übersetzung: Herrmann Cropp



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Ha'aretz vom 5. Mai 2002  http://www.haaretzdaily.com/hasen/pages/ShArt.jhtml?itemNo=158323 Original englisch:

Marwan Barghouti: "Sie kamen nicht, um mich zu verhaften. Glaub mir. Ich habe ihre Absichten durchkreuzt. Sie wollten mich nicht lebend. Sie kamen, um mich zu töten."

ZWEI VERSIONEN - PROZESS AUS WUT

Was wird Israel mit der heißen Kartoffel namens Marwan Barghouti anfangen? Der Anwalt des Chefs der Tanzim ist auf einen Medienauftritt im Gerichtssaal und eine Strategie totaler Nicht-Zusammenarbeit mit dem Staatsanwalt vorbereitet. Dieser räumt – zum ersten Mal – ein, dass es kein Verfahren geben könnte.

Von Vered Levy-Barzilai

Schwer zu sagen, wer mehr überrascht war, der Gefangene Marwan Barghouti, Führer der Tanzim-Milizen (von Jasser Arafats Partei El-Fatah), oder sein Anwalt Jawad Boulus. Barghouti, weil er weniger als 72 Stunden nach seiner Verhaftung durch israelische Truppen in Ramallah das vertraute Gesicht seines Freundes und Anwalts wiedersah. Oder Boulus schon allein deshalb, weil ihm überhaupt erlaubt wurde, die Haftanstalt zu einem Besuch bei Barghouti zu betreten.

Das Erstaunen von Boulus war weitgehend professionell. Was bedeutete diese unerwartete Anwandlung von Großzügigkeit seitens der israelischen Behörden, die (laut neu gefasstem richterlichen Beschluss) befugt waren, Barghouti bis zu 18 Tage in Haft zu halten, bevor sie ihn seinen Anwalt sprechen ließen? In Barghoutis Verwunderung mischte sich Rührung und Freude. Er umarmte und küsste Boulus und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.

"Das ist ein Besuch vom Himmel," meinte er zu seinem Anwalt.

"Wie fühlst du dich?" fragte Boulus.

"Müde," antwortete Barghouti. "Sie lassen mich nicht schlafen."

Später erzählte Boulus: "Er berichtete mir, dass sie ihn 24 Stunden hintereinander verhört haben. Erst mit der Genehmigung für den Besuch erlaubten sie ihm, seine Augen für zweieinhalb oder drei Stunden zu schließen, Ich weiß nicht genau, wie lange."

"Welchen Tag haben wir heute," fragte Boulus den Anwalt.

"Donnerstag," gab Boulus ihm leicht besorgt Auskunft. "Du bist am Montag [15. April] verhaftet worden, heute ist Donnerstag. Als ich heute morgen deinen Namen einreichte, glaubte ich nicht, dass sie mich dich heute besuchen lassen würden. Plötzlich forderten sie mich auf, tätig zu werden."

"Warum das?"

"Oh, das ist ein alter Trick, Marwan. Sie bringen dir einen Anwalt als Zeichen des "guten Willens". Sieh mal, wie großzügig sie sind. Das stimmt dich hoffnungsvoll. Aber danach könnte es Wochen dauern, bevor du mich wieder siehst. Sie werden dir irgend welche Geschichten erzählen - dass ich keine Zeit habe, dass ich keine Lust habe – aber glaube nichts von alledem. Eine Hand gibt, und die andere Hand nimmt, was vorher gegeben wurde. Das macht alles noch schmerzhafter. So ist es noch härter. Nimm ihnen nichts davon ab."

Es folgte ein kurzes Schweigen. Barghouti schlug mit der Hand auf den kalten Betontisch. Sie saßen auf Betonstühlen einander gegenüber. Barghouti erhob sich und machte ein paar kleine, nervöse Schritte im Umkreis dieser schrankartigen Örtlichkeit, genannt "Rechtsanwaltsraum" des Gefängnisses im Polizeigebäude auf dem Russischen Compound von Jerusalem. Boulus warf einen prüfenden Blick auf seinen Mandanten. Barghouti sah erschöpft aus. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen. Drei Tage nach seiner Verhaftung hatte er immer noch dieselbe Kleidung an, in der man ihn gefangen genommen hatte.

"Sie lassen mich nicht von dem Stuhl aufstehen," sagte er. "Das macht mich verrückt. Stunden um Stunden, die ganze Zeit in derselben Stellung auf dem Stuhl."

Er nahm Boulus gegenüber wieder Platz. Boulus wollte wissen, ob sein Mandant geschlagen worden war.

"Nein," kam die Antwort, "diese Art Gewaltanwendung gibt es nicht."

Der Anwalt brachte Grüße von Barghoutis Frau Fadwa, von seiner Familie, von seinem Bruder. Deine Frau sagt, sie macht sich Sorgen um dich.

Barghouti bekam einen weichen Gesichtsausdruck. "Wie geht es ihnen? Wie geht es den Kindern?" Plötzlich gab er Boulus einen Klaps gegen seine Hand. "Sag ihr [Fadwa], ein wachsames Auge auf Kassem zu haben. Sag ihr, ihn nicht von ihrer Seite zu lassen, ihn in ihrer Nähe zu behalten!"

Boulus beschwor ihn, nur die Ruhe zu bewahren. Er sagte ihm, dass sich ein breites Komitee von Anwälten zu seiner Verteidigung gebildet hat, und dass es Dutzende von Bitten gab, diesem beizutreten. Jeder möchte dich verteidigen, erklärte er Barghouti. Alle Menschenrechtsgruppen. Adalah – das Rechtshilfezentrum für Arabische Minderheitsrechte in Israel, der Palästinensische Gefangenenverein. Boulus erklärte, er habe einen Anruf vom Büro des Vorsitzenden der Palästinenserbehörde Jasser Arafat erhalten. Er tue alles, was er tun könne, um seine Freilassung zu bewirken. Man sagt, dies sei seine Hauptsorge, teilte Boulus Barghouti mit, und fügte hinzu, dass Arafat seine Verhaftung als illegal und als einen Schlag gegen die Palästinenserbehörde ansehe. Fernsehteams aus aller Welt interessieren sich für Deine Lage. Sei nur ganz ruhig.

Barghouti entgegnete ruhig, "Ich bin kein Neuling. Ich weiß genau, was vor sich geht, und ich verstehe, was diese Verhaftung bedeutet. Auch ihr Verhör. Ich bin kein Kind. Meine Haltung wird sich nicht ändern. Dessen kannst du sicher sein und auch allen anderen diese Zusicherung geben. Sag ihnen, dass ich gefasst bin und zuversichtlich im Bezug auf meine Lage. Beruhige meine Familie."

Alles wird in Ordnung kommen, sagte Boulus.

"Ja, ja, bestimmt, entgegnete Barghouti. "Wirklich, Abu Sari, dass ich hier sitze, war in ihrem Plan nicht vorgesehen. Selbst wenn sie mich ausruhen lassen, habe ich Angst, die Augen zu schließen; denn wer weiß, was in der nächsten Minute geschieht? Ob ich noch am Leben bin, oder nicht."

Nein, nein, das alles liegt jetzt schon hinter dir, versprach ihm der Anwalt. Niemand wird dir jetzt etwas antun. Du hast die denkbar beste Versicherungspolice. Die ganze Welt sah auf dem Bildschirm, dass du lebendig gefangen genommen worden bist. Sie kamen, um dich zu verhaften., glaub mir.

Barghouti lächelte zum ersten Mal seit Beginn der Begegnung. "Hör mir gut zu," sagte er ruhig zu Boulus. "Ich war dort, nicht du. Sie räumten das Haus. Ich sah alles. Dutzende von Soldaten kamen mit Waffen im Anschlag, und alle auf ein Ziel gerichtet – auf mich. Sekunden später, und sie hätten das Haus gestürmt. Es ging nicht um den Unterschied von Minuten sondern von Sekunden. Hätte ich nicht getan, was ich tat, wäre ich nicht in dieser Sekunde nach draußen gegangen, wäre ich jetzt nicht am Leben. Ach Jawad, sie kamen nicht, um mich gefangen zu nehmen. Glaub mir. Ich durchkreuzte ihren Plan. Sie wollten mich nicht lebend. Sie kamen, um mich zu töten.

Die vorliegende Unterhaltung fand am Donnerstag, den 18. April, statt und ist von Anwalt Jawad Boulus für Ha'aretz Magazine rekonstruiert worden. Die Eindrücke und Beschreibungen sind das Produkt seines Gedächtnisses. Da er mit der Verteidigung von Barghouti beauftragt ist, hat er ein spezifisches Interesse. Dass er bei seiner Darstellung objektiv ist, kann nicht erwartet werden. Andererseits ist er nach seiner Mitteilung die einzige Person, die nicht den israelischen Sicherheitskräften angehört und ihn seit seiner Verhaftung gesehen hat. Er saß mit ihm etwa eine Stunde lang zusammen, sah seinen Zustand und hörte, was er zu sagen hatte.

Israel sagt selbstverständlich, dass die Operation zur Ergreifung von Barghouti eindeutig bezweckte, ihn zu verhaften, nicht zu liquidieren. Doch anscheinend ist der Umgang mit einem lebenden und inhaftierten Barghouti für Israel sehr viel problematischer, als wenn Barghouti bei einem Schusswechsel oder auf der Flucht erschossen worden wäre. Letzte Woche drangen Gerüchte über eine entscheidende Grundsatzfrage vom Büro des Generalstaatsanwalts und der Staatsanwaltschaft an die Presse: Gibt es eine Grundlage für ein Verfahren gegen Barghouti? Was allerdings kein Hindernis dafür war, dass Quellen, die mit dem Verhör zu tun haben, wissen ließen, sie seien im Besitz von gewichtigem Beweismaterial gegen Barghouti.

Wie bekannt wurde, hätten einige von Barghoutis Untergebenen, die verhaftet wurden, ihn definitiv mit Akten von Terrorismus in Verbindung gebracht. Über zwei Wochen sind vergangen, seit der Chef der Tanzim verhaftet wurde, und man hat Mühe zu erkennen, wie Israel aus dieser Episode unbeschadet herauskommt. Falls das Verhör ohne Beweismaterial, das für ein Verfahren ausreicht, zu Ende geht, wird es ein Fiasko geben. Auf der anderen Seite könnten ein Schauprozess und eine entsprechend auf die Medien durchschlagende öffentliche Aufregung den Interessen der Palästinenser durchaus dienlicher sein als denjenigen Israels.

Administrative Haft – Arrest ohne Gerichtsverfahren – wird als eine Entscheidung zur Nicht-Entscheidung angesehen werden, und dies bei Anwendung von Methoden, die zunehmend inakzeptabel sind. Barghouti wird zu einem Märtyrer. Sowohl er wie auch sein Anwalt sind sich des Standes der Angelegenheit voll bewusst. Entsprechend bereiten sie sich auf eine schrittweise Operation in einzelnen Phasen vor. Missverständnisse sind da fehl am Platz. Sie beabsichtigen, aus jeder Phase das Meiste zu machen.

Dies ist nicht das erste Mal, dass Barghouti und Boulus in einem ähnlichen Raum unter ähnlichen Umständen gesessen und dieselben Rollen gespielt haben. Vor fünfzehn Jahren wurde Barghouti verhaftet und in Jneid, dem Zentralgefängnis in Nablus, gefangen gehalten. Boulus war damals ein aufstrebender junger Anwalt, der gerade anfing, in der politischen Szene, insbesondere durch die Verteidigung der Bürgerrechte, Ansehen zu gewinnen. Im Alter von 30 Jahren hatte er bereits wichtige palästinensische Gefangene vertreten, darunter Jibril Rajoub, Saeb Erekat, den verstorbenen Faisal Husseini und andere. Er hatte Barghouti im Zuge der Vertretung des palästinensischen Studentenverbandes kennengelernt und mit ihm Freundschaft geschlossen. Als Rajoub aus der Haft entlassen wurde, hätten sich die drei, wie Boulus sagt, oft getroffen. Manchmal kamen Rajoub und Barghouti zu Boulus nachhause, manchmal trafen sie sich bei ihnen.

Als die erste Intifada 1987 ausbrach war Marwan Barghouti der Vorsitzende des Studentenverbandes der Universität Bir Zeit bei Ramallah, wo er in den ersten Semestern politische Wissenschaften studierte. Er war einer der Organisatoren und Anführer der Demonstrationen und Protestveranstaltungen, die sich an der Bir Zeit Universität abspielten. Im ersten Jahr der Intifada (die im Dezember 1987 ausbrach) wurde Barghouti mehrfach kurzfristig von den israelischen Sicherheitskräften verhaftet. Schließlich kam der Shin Bet Staatssicherheitsdienst und die Zivilverwaltung in der West Bank zu dem Schluss, dass Barghouti einer der Organisatoren der Intifada sei, worauf gegen ihn ein Befehl zur Ausweisung nach Jordanien erlassen wurde. Freunde und die Familie baten Boulus dringend sich einzuschalten.

Am nächsten Morgen stellte Boulus einen Antrag gegen den Befehl an den Militärgouverneur. Der Antrag wurde abgewiesen, und Barghouti wurde nach Jordanien abgeschoben. Nach einigen Monaten Aufenthalt ging er nach Tunesien und schloss sich der Führung der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO an, die damals im Exil in Tunis war.

Barghouti (43) wurde in einem Dorf in der Nähe von Ramallah in einem der dortigen großen Familienclans geboren. Seine Familie blickt auf eine Geschichte weitreichender politischer Aktivitäten zurück. Die Ausweisung hat, wie Bekannte von ihm meinen, seine Motivation noch gesteigert. Er scheute nie davor zurück, seine Hände mit Basisarbeit schmutzig zu machen. Er war ausdauernd und zielstrebig, und dadurch verschaffte er sich Ansehen. Im Jahre 1988, nach der Liquidierung des prominenten PLO-Führers Abu Jihad, ging Barghouti nach Jordanien zurück. Nach Ramallah kehrte er 1994 mit der Errichtung der Palästinenserbehörde zurück und betätigte sich intensiv in Jasser Arafats Fatah-Bewegung. Zwei Jahre später wurde er in den Legislativrat, das Palästinensische Parlament, gewählt.

Es gibt zwei sich widersprechende Versionen darüber, was dann folgte. Die israelische Version ist, dass Barghouti die Tanzim gründete (was auf arabisch "Organisation" bedeutet). Diese war ursprünglich eine "naive Bürgerwehr", entwickelte sich aber zu einem zusätzlichen militärischen Arm von Fatah. Die Palästinenser behaupten, dass die israelische Version der Ereignisse eine Entstellung der Wirklichkeit ist, die auf einem fundamentalen Missverständnis beruht. Den Palästinensern zufolge ist "Tanzim Fatah" einfach der Name der Fatah-Organisation. Barghouti arbeitete hart, die Organisation, die eine politische Einheit ohne irgend eine Verbindung zu militärischer Ausbildung oder Waffen war, zu entwickeln und auszuweiten.

Nach einiger Zeit organisierte sich ein Teil der Tanzim als eine militärische Kampfgruppe, bekannt unter dem Namen "Batallione der Al-Aqsa-Märtyrer" – aber Barghouti war für diese Entwicklung nicht verantwortlich. In diesem Zeitraum war Faisal Husseini der Vorsitzende des Höchsten Komitees der Fatah-Bewegung in der West Bank. Barghouti fungierte neben ihm als der gewählte Generalsekretär. Im Palästinensischen Parlament gilt er als eine Figur der Opposition. Man kannte ihn im israelischen Friedenslager sehr wohl als einen glühenden Verfechter des Friedensprozesses, als Freund von Politikern der Arbeitspartei, von Meretz und von Parteien der Linken. Er war einer der wenigen, dessen Verbleiben in der palästinensischen Führung Israel sich als Unterstützung für das Zustandebringen eines Übereinkommens in der kritischen Phase hätte wünschen müssen.

Auch Rechtsanwalt Jawad Boulus hat diese Zeit nicht mit Wassertreten verbracht. Im Jahre 1985 verließ er die Anwaltsfirma seiner Mentorin und Tutorin Felicia Langer, einer israelischen Anwältin, die als Verteidigerin von Palästinensern bekannt war, und machte sein eigenes Büro auf. Außer der Bearbeitung von Streitfällen wegen Grundstücksrechten widmete er viel Zeit der Vertretung von palästinensischen Führern, Wissenschaftlern und Studenten. In den späten 80er Jahren hatte er ein weitläufiges Netzwerk von Verbindungen mit Fatah-Vertretern aufgebaut. Universitäten arbeiteten mit ihm zusammen. Gemeindevertretungen und Flüchtlingslager gewährten ihm Zugang.

Infolge des Ausbruchs der ersten Intifada wurden viele palästinensische Führer in den besetzten Gebieten von Israel verhaftet. Die Mehrheit wurde in einem Zeltlager, das in Ketziot im Gazastreifen eingerichtet wurde, unter Verwaltungsarrest gestellt. Boulus vertrat die Gefangenen neben Felicia Langer, Leah Tsemel, Abed Asali und Mohammed Naamna. Boulus bewegte sich anwaltlich hin und her zwischen der israelischen Militärverwaltung und Faisal Husseini, dessen Vertrauen er allmählich gewann. Er wurde praktisch zur rechten Hand von Husseini.

Husseini ernannte Boulus bald zum Rechtsberater von Orient House, dem Ostjerusalemer Gebäudekomplex, der nach Unterzeichnung der Oslo-Abkommen zum Zentrum der palästinensischen Aktivitäten in der Stadt wurde. Boulus war Husseinis Schatten für Angelegenheiten, die mit Jerusalem zu tun hatte, und die beiden wurden enge Freunde. Husseinis plötzlicher Tod vor etwa einem Jahr infolge eines Herzanfalls bei einem Besuch am Persischen Golf war ein vernichtender Schlag für Boulus. Prof. Sari Nusseibeh, der Präsident der Al-Quds Universität in Jerusalem, der Husseinis Position erbte, erbte auch Rechtsanwalt Boulus. Und Boulus ist nie weit von ihm.

Heute wie damals teilt Boulus seine Zeit zwischen seiner privaten Rechtsanwaltspraxis in der Al-Massoudi Straße in Ost-Jerusalem und den vielen Stunden an Aktivitäten, bei denen er Nusseibeh begleitet. Auch andere arabische Anwälte bemühten sich um den Fall Barghouti, und auch sie traten mit der Familie in Kontakt. Aber Boulus war dort als erster und schaffte an Ort und Stelle Fakten.

Nicht jeder ist mit diesem Gang der Dinge zufrieden. Manche Geschichte ist unter arabischen Anwälten in Jerusalem im Umlauf. Boulus, sagt ein Anwalt in Jerusalem, ging einfach in den Russischen Compound hinein. Von Montag bis Donnerstag rührte er sich nicht von der Stelle. Wann immer eine Tür aufging, sprang er auf und versuchte, mit Marwan in Kontakt zu kommen. Er hat sich Barghouti einfach "aufgedrängt", sagt dieser Anwalt. Boulus, so gibt diese Quelle zu verstehen, erfreut sich eines "besonderen Einverständnisses" mit dem israelischen Establishment.

Als Boulus sich diese Geschichten letzten Dienstag in seinem Jerusalemer Büro anhört, bricht er in schallendes Gelächter aus: "Ich bin über die nicht böse. Das ist verständliche Eifersucht bei einem Teil der Kollegen. Ich habe gute und professionelle Beziehungen mit dem israelischen Establishment, und jeder, der versucht, etwas in Richtung unkoscherer Beziehungen anzudeuten, sollte besser vorsichtig sein, was er sagt. Ich habe auch besondere Bindungen zu der Familie Barghouti, die mich gebeten hat, [Marwan] zu vertreten."

Jedenfalls, so sagt er, rennt man mit diesem Gerede offene Türen ein. "Ich rufe jeden Anwalt [männlich wie weiblich] an, der dem Komitee für die Verteidigung von Marwan Barghouti beitreten möchte, das wir gebildet haben." Und dann verweist er auf Fakten, über die sich schwerlich argumentieren lässt: Er ist der einzige, dem der Zutritt im Russischen Compound und die Zusammenkunft mit seinem Mandanten gestattet wurde; er hat ein Ernennungsschreiben vom Verein Palästinensischer Gefangener unter Vorsitz von Kadura Fares, das ihn als Anwalt ermächtigt, Barghouti zu vertreten; und auch die Mitschrift der Anhörung vom 22. April vor dem Militärgericht in Beit El zitiert Barghouti mit den Worten "Rechtsanwalt Boulus vertritt mich."

Übersetzung aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff



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MARWAN BARGHOUTI SCHAUPROZESS ERÖFFNET Angeklagter klagt den israelischen Besatzerterror an und plädiert für palästinensische Unabhängigkeit und Frieden

Von Hans Lebrecht, Kibbutz Beit-Oren/Israe (18. August 2002) Phone: (972-4) 8307 237 / FAX: (972-4) 823 25 24 E-Mail:  hlebr@trendline.co.il

Am vorigen Mittwoch wurde im Tel-Aviver Bezirksgericht der palästinensische Patriot und Friedensaktivist, Oberhaupt des bewaffneten Arms Tanzim der von Jasser Arafat angeführten el-Fatach PLO Organisation im Westjordangebiet, Marwan Barghouti, als Verantwortlicher einer ganzen Reihe (37) von so genannten „Terror Anschlägen“ gegen Israel angeklagt. Barghouti war während der ersten Intifada (1987-93) schon von der Besatzermacht einige Jahre lang in „administrativer Haft“ eingekerkert, ohne angeklagt oder einem Richter vorgeführt worden zu sein.

Als der Angeklagte in Handschellen in den Gerichtssaal hereingeschleppt wurde, rief er mit lauter Stimme in die Richtung der zahlreich erschienenen Pressevertretern in hebräischer und englischer Sprache:

„Ich, Marwan Barghouti, kämpfe für Frieden und Gerechtigkeit zwischen meiner Heimat Palästina und Israel, für zwei Staaten, welche friedlich nebeneinander bestehen werden. Die Intifada ist ein gerechter und legitimer Kampf gegen fremde Besetzung und den Besatzerterror, für einen unabhängigen Palästinenserstaat. Frieden kann es aber erst geben, wenn die israelische Besetzung beendet wird. Die Intifada wird siegreich sein und Frieden will einkehren“.

Barghouti wird von einer Batterie von Rechtsanwälten verteidigt. Der Vorsitzende dieser, Jawad Boulus, erklärte der Presse gegenüber, „Wir werden die israelische und weltweite Öffentlichkeit davon überzeugen, dass nicht unser Mandant, sondern die israelische Okkupation und das terroristische Besatzerregime in diesem Schauprozess auf die Anklagebank gehört“. Zuerst werde die Verteidigung die Zuständigkeit des israelischen zivilen Gerichts über angebliche, in den besetzten Gebieten verübte Straftaten anfechten. Der im April dieses Jahres von den Schergen der Besatzermacht gefangen genommene Barghouti sei in der Haft und während der Verhören entsetzlich unmenschlicher Folterungen und Qualen ausgesetzt gewesen, Sein aufrechter und patriotischer Geist sei aber standhaft und fest geblieben.

In einer, in der Presse als Anzeige veröffentlichten Verlautbarung des Gusch-Schalom Friedensblocks wird darauf hingewiesen, dass Marwan Barghouti zu einer Gruppe von Friedensaktivisten gehört, mit welchen sich israelische Friedensaktivisten des Öfteren getroffen hatten. „Zusammen träumten wir, und kämpften gemeinsam um eine friedliche Lösung des Konflikts, für eine gemeinsame Zukunft in unseren beiden, in friedlicher Koexistenz lebenden Staaten“. Weiterhin erklärt die Verlautbarung, dass der von der israelischen Regierung veranstaltete Schauprozess dazu dienen solle, das gesamte Oslo Konzept einer friedlichen Lösung des Konflikts zu verurteilen und jegliche Hoffnung auf Frieden für Israel und Palästina zu begraben

Das Höchststrafmaß, welches von dem Gericht bei einer Verurteilung verhängt werden kann, ist lebenslängliche Haft. Rechtsradikale Elemente, darunter auch zumindest zwei Kabinettsminister, haben bereits öffentlich gefordert, die ausschließlich für Naziverbrecher geltende Ausnahme, wie das im Falle von Adolf Eichmann angewandte und vor 40 Jahren ausgeführte Todesurteil, auch im Falle von Barghouti anzuwenden.



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junge Welt v. 18.01.2003  http://www.jungewelt.de/2003/01-18/021.php

Interview Interview: Julia Deeg, Jericho

JW SPRACH MIT AHMAD SAADAT, GENERALSEKRETÄR DER VOLKSFRONT ZUR BEFREIUNG PALÄSTINAS (PFLP) *

Obwohl vom Obersten Gerichtshof Palästinas freigesprochen, sitzt Ahmad Saadat in einem Gefängnis der Palästinensischen Autonomiebehörde. Palästinenserpräsident Yassir Arafat kommt mit der illegalen Inhaftierung einer Forderung des israelischen Premiers Ariel Scharon nach – oder beugt sich vielmehr dessen Drohung, Saadat werde umgebracht, falls er freikäme. Israel wirft Saadat als PFLP-Chef vor, für die Ermordung des israelischen Tourismusministers Rechavam Zeevi im Oktober 2001 verantwortlich zu sein.

F: Ihre Partei steht seit einem halben Jahr auf der sogenannten Terrorliste der EU. Politische Aktivitäten der PFLP sind in den Ländern der Europäischen Union mithin nicht erlaubt. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Ich weiß nicht, nach welchen Maßstäben die EU diese Entscheidung getroffen hat. Sind es die Prinzipien, die sich in internationalen Gesetzen, in der Erklärung der Menschenrechte und in den Genfer Konventionen niedergeschlagen haben? Die PFLP sieht sich keinesfalls im Widerspruch zu diesen Prinzipien. Ganz im Gegenteil. Wir haben diese immer respektiert in unserem Kampf um Freiheit und kulturelle Identität. Oder ist es eine Antwort auf die Parole von US-Präsident Bush: »Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns«? Diese Maxime könnte bald alle europäischen Staaten und Völker sowie Teile der US-Amerikaner, die einen Krieg gegen Irak ablehnen, auf die Liste der »Terror unterstützenden Staaten und Völker« setzen. Oder ist es die israelische Definition, wonach jeder, der sich gegen die Besatzung auflehnt, ein Terrorist ist oder bestenfalls den Terror unterstützt?

Ehrlich gesagt sehen wir darin nur Willkür und eine voreingenommene Sicht auf den Konflikt und einen Abschied von internationalen Prinzipien und Vereinbarungen. Die EU sollte also die maßgeblichen Fakten noch einmal bewerten.

F: Wofür steht die PFLP?

Die PFLP ist eine linke demokratische Partei, die auf nationaler Ebene für eine demokratische, menschliche Lösung des arabisch-israelischen Konflikts eintritt. Wir sind für einen demokratischen, binationalen Staat, dessen politisches System auf der Gleichberechtigung seiner Bürger beruht, einen Staat, frei von religiöser, rassischer und sexueller Diskriminierung. Dies ist das langfristige Ziel, das den Konflikt wirklich beenden, die Ursachen der Gewalt ein für allemal beheben würde und die Gleichberechtigung aller Menschen garantieren würde.

Doch weil wir in der PFLP wissen, dass die Machtverhältnisse diese Lösung vorläufig nicht zulassen, sehen wir in einer Lösung auf der Basis internationaler Resolutionen, die die Besatzung der palästinensischen Gebiete von 1967 einschließlich Jerusalems beenden, die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts sowie die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge garantieren, einen ersten Schritt, um dieses Ziel des binationalen Staates zu erreichen. Damit könnte die Gewalt gestoppt und eine Tür für einen politischen und menschlichen Dialog eröffnet werden.

F: Welche Strategie verfolgt die PFLP in der gegenwärtig verschärften Situation?

Die Prioritäten werden von der Realität bestimmt, die unser Volk unter der Besatzung durchleben muß. Damit hat ein Ende der Besatzung immer Priorität. Wir verteidigen unser Recht, frei zu leben. Dies bedarf eines Kampfes an mehreren Orten. Ziel ist es, international den Druck zu verstärken, damit Israel endlich das Völkerrecht anerkennt und entsprechende UN-Resolutionen zur Beendigung des Konflikts umsetzt.

Darüber hinaus muß momentan alles daran gesetzt werden, den Krieg gegen Irak zu verhindern. Er würde in eine Katastrophe für alle Völker und Staaten der Region ausarten. Ich rufe daher alle Menschen auf, die Würde der Vereinten Nationen und ihrer Konventionen und Grundsätze wiederherzustellen. Die UNO muß als eine Organisation erhalten werden, die sich intensiv dafür einsetzt, Kriege zu verhindern und für Sicherheit für alle Menschen zu sorgen.

Ich rufe die Menschen überall, aber besonders in Europa und den USA auf, sich dem internationalen Protest gegen die imperialistische Globalisierung anzuschließen. Sie stellt ein System des Kriegs und der Unterdrückung armer Länder dar und verwandelt die Menschen in der kapitalistischen Welt in Werkzeuge und Brennstoff für diesen schmutzigen Krieg.



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Israels Okkupationsarmee: ROUTINEMÄSSIGE AUSSERGERICHTLICHE EXEKUTIONEN UND HÄUSERDEMOLIERUNGEN ALS SIPPENBESTRAFUNG Uri Avneri an Staatsanwalt: Kriegsverbrechen

Von Hans Lebrecht, Kibbutz Beit-Oren/Israel (8. Dezember 2002)

Bitte, bitte, liebe Hamas, Dschihad oder Tansim Leute, ich brauche so ein paar Attentate, wenn möglich mindestens eine Mega Selbstmord Aktion in Israel mit toten und verwundeten Zivilpersonen noch vor den Wahlen Ende nächsten Monats, damit meine Likud Partei den sicheren Sieg davon trägt und ich weiter regieren kann. Als Gegenleistung verspreche ich euch dann auch, dass ihr so etwas wie ein kleines Staatsgebilde einrichten könnt. Und ihr wisst ja, ich halte meine Versprechen.... So oder so ähnlich könnte der Frieden-und-Sicherheits Apostel Scharon spekulieren, wenn er und sein Herzbruder, sein neuer Parteikollege und unrühmlich bekannte radikale Kriegsminister Mofas die gerade jetzt wieder so eskalierte aussergerichtlichen Exekutionen von lokalen palästinensischen Führungskader und massenweise Häuserdemolierungen angeordnet haben.

Am vorigen Mittwoch war es ein von den israelischen Sicherheitsdiensten als Bomben Experte verdächtigter Mustafa Sabach, sein Bruder und noch ein Gehilfe, der durch auf sein Auto von Hubschraubern abgefeuerte Raketen „liquidiert“ wurden. Dass dabei auch ein auf der Straße spielender Junge ums Leben kam und noch einige Straßenpassanten verwundet wurden, wird in Israel kaum wahrgenommen. Dann kam am Freitag in den noch dunklen Frühmorgen Stunden die „Liqidierung“ von einem, ebenfalls als lokaler Anführer einer militanten Volksgruppe bezeichneter Aiman Schassnijeh in dem nahe bei Gasa liegenden Flüchtlingslager El-Burtsch. Er soll die Superbomben hergestellt haben, welche schon drei schwere israelische Panzer außer Gefecht gesetzt haben. Bei der Aktion kam es zu einem längeren Schusswechsel. Der die israelische Truppe kommandierende Oberst forderte Hubschrauber Unterstützung an, welche dann auch eingriff, aber nicht nur das Haus des verdächtigten Bombenbauers, sondern gleich ein anderes Gebäude in der Nähe mit Raketen völlig zerstörten. Die Bilanz: Zehn tote, darunter außer Schassnijeh, noch zwei bewaffnete Palästinenser, sowie sieben zivile Opfer der Mansijeh Familie in dem so nebenbei zerbombten Nachbarhauses, darunter die Mutter, zwei Kinder und der Großvater.... Wie zu erwarten, drohen nun die betroffenen Palästinenser mit Rache.

Ich habe absichtlich die in israelischen Massenmedien gebrauchte Definition „Liquidierung“ gebraucht. Denn da werden bei der Gewaltspirale ums Leben gekommene jüdische Israelis durchwegs „ermordet“ (auf hebräisch nirzachu), was ja wohl richtig ist, Palästinenser dagegen genau so durchwegs werden „liquidiert“ (chuslu) bezeichnet, wie es sich für Ungeziefer gebührt.

Seit Beginn der gegenwärtigen Intifada, die Ende September 2000 mit dem provokativen Besuch von Scharon auf dem Haram a-Scharif Tempelberg in Jerusalem und der daran anschließenden Polizei Schießerei, bei der sieben gläubige Palästinenser bei der Al-Aqsa Moschee erschossen wurden, ausgelöst wurde, sind bis jetzt schon etwa 1,600 Palästinenser und nahezu 700 jüdische Israelis, Soldaten, bewaffnete Siedler und Zivilpersonen ums Leben gekommen.

Aber nicht nur das. Seit April des bald ablaufenden Jahres hat die israelische Besetzermacht unter dem Zeichen der angeblichen „Terrorbekämpfung“ die zielgerichtete Entmachtung der seit 1994 eingerichteten palästinensischen Autonomiebehörde mit Jasser Arafat an der Spitze vorgenommen. Die von dieser verwalteten Städte wurden erneut besetzt und blockiert, ja sogar teilweise verwüstet. Israelische Panzer und schwerbewaffnete Besatzer Truppen beherrschen die Städte. Die Sippenbestrafung gegenüber Familienangehörigen von Selbstmordattentätern, sowie von als mutmaßlichen „Terroristen“ wird mehr und mehr als Mittel der „Terrorbekämpfung“ angewandt. Gebäude, in welchen Väter, Mütter, oder Brüder und Schwestern, Vettern, Kinder und Säuglinge, Angehörige von „Terrorismus Verdächtigte“ wohnen, einschließlich der Nachbarn, werden eingerissen. Bis jetzt wurden schon nahezu 13,000 Häuser und Wohnstätten dem Erdboden gleichgemacht. Nach von Menschenrechtsorganisationen, darunter ausländische Beobachter aus den USA und Europa, wurden dadurch etwa 30,000 Menschen, Familien mit Kind und Kegel, obdachlos gemacht. Einstmals und an anderem Ort wurde das als Sippenbestrafung definiert und ausdrücklich vom Völkerrecht als Verstoß gegen die Menschlichkeit verboten. Aber weder Scharon noch seine Kumpane kümmert das wenig....

Während der diesjährigen Wiederbesetzung der Städte im Westjordanland wurden zielbewusst die Archive der palästinensischen Behörden und öffentlicher Organisationen von den Besatzern ausgeräumt, historische Akten und Computer Festplatten und Disketten beschlagnahmt und nach Israel verschleppt, wahrscheinlich sogar zum Teil vernichtet. Hauptsächlich wurden davon die Archive der Grundbuchführung, welche den Boden- und Gebäudebesitz in Palästina schon seit dem 19. Jahrhundert registriert erhalten hatten, völlig ausgeräumt. Das begann mit der Beschlagnahme und dem Raub der Archive des Ostjerusalemer Orient Hauses vor zwei Jahren und wurde intensiv während der „Wiedereroberung“ durch Panzer, gepanzerte Bulldozern und Abriegelung der palästinensischen Städte, Verhängung von Ausgehverboten und Aushungerung der Massen vervollkommnet. Drei Millionen Palästinenser leben in dieser Besatzerhölle! Mit der Beschlagnahme der Archive soll jeder Nachweis von arabisch-palästinensischem Boden- und Gebäudebesitz, sowie Spuren der palästinensischen Kultur und Tradition, vernichtet werden. Wir waren schon selbst Zeuge davon, wie Großväter, die von ihrem Boden vertrieben wurden um neuen jüdischen Siedlungen Platz zu machen, ihre alten, noch aus der Zeit der türkisch-ottomanischen Besetzung Palästinas stammende Urkunden über ihren Bodenbesitz vorgezeigt haben, von den israelischen Besatzern verhöhnt wurden und die Urkunden als gefälscht bezeichnet wurden. Und nun können diese beraubten Leute nicht einmal mehr ein geleertes Grundbuchamt als Zeuge beanspruchen.

All dem gegenüber geht die illegale jüdisch-israelische Besiedlung der besetzten Gebiete frisch, fromm, fröhlich weiter. Für das bald beginnende Jahr 2003 sind schon sechs neue Kolonistensiedlungen und die Erweiterung schon bestehender eingeplant. Ebenso sind neue strategische Überlandstraßen vorgesehen. Der Bodenraub soll also weiter gehen. Alles, einschließlich der Finanzierung und Absicherung durch die Besatzerarmee, ist schon abgeschirmt.

Nun benutzte die provokative, in der westjordanischen Stadt Hebron und der benachbarten Kirjat-Arba Siedlung eingenisteten rechts-radikale Siedlerbanden den bewaffneten Zwischenfall an der die beiden verbindenden Straße, bei welchem vor zwei Wochen neun israelische Armee Angehörige und drei bewaffnete Siedler, sowie drei palästinensische Miliz Kämpfer getötet wurden, als Anlass, diese Straße von den anrainenden Häusern und deren palästinensischen Bewohnern zu „reinigen“. Die Straße soll eine „Sicherheits Promenade“ für ultra-orthodox gläubige Siedler aus Kirjat-Arba zu der traditionellen Patriarchen Gruft und der darin befindlichen Synagoge ausgebaut werden. (Zur Erinnerung: in der in derselben Gruft befindlichen Moschee erschoss 1994 einer der Kirjat-Arba Siedler 29 im Gebet versunkende Muslims und verwundete noch ein paar Dutzende, bevor er unschädlich gemacht werden konnte.) Die ersten der zum Abriss verurteilten 61 Häuser wurden bereits zerstört. Die palästinensische Stadtverwaltung hat in einer Erklärung an die Presse darauf hingewiesen, dass gerade diese zur Zerstörung verurteilten Nachbarschaft Häuser von international anerkanntem historisch-kulturellem Wert haben.

Vorige Woche hat eine Delegation der israelischen Frieden-Jetzt Bewegung an Ort und Stelle gegen die an dieser Straße von den Kolonistensiedlern errichteten illegalen Karawanen Vorposten protestiert. Dabei kam es zu einem Handgemenge mit den Siedlern und dem einseitigen Eingreifen der Polizei gegen die Friedensaktivisten.

Nun hat der bekannte Friedensaktivist des Gusch-Schalom, Uri Avneri, in einem Schreiben an den Oberstaatsanwalt Israels darauf aufmerksam gemacht, dass die Zerstörung dieser Häuser ein neuer Fall sei, welcher als Kriegsverbrechen eingestuft werden müsse. Er forderte daher die Staatsanwaltschaft auf, diesem Verbrechen Einhalt zu gebieten. Gleichzeitig wurde der diese Aktion leitende Oberkommandierende der Besatzerarmee im Westjordangebiet, General Mosche Kaplinsky, von Avneri darauf hingewiesen, dass er wegen dieser Aktion sich womöglich eines Tages auf der Anklagebank sitzend wegen Kriegsverbrechen zu verantworten haben könne.



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AUFRUF ZUR FRIEDENSDEMONSTRATION AM 15. FEBRUAR 2003 IN BERLIN STOPPT DEN KRIEG GEGEN DEN IRAK!

Der drohende Angriffskrieg der USA und Großbritanniens gegen den Irak ist ein Verbrechen gegen die Menschen im Irak. Bereits der Irakkrieg 1991 war ein Massaker: 150.000 Irakis wurden getötet. Die militärischen Angriffe wurden auch nach 1991 fortgesetzt: Bis heute bombardieren US-amerikanische und britische Flugzeuge fast täglich militärische und auch zivile Einrichtungen in den so genannten Flugverbotszonen im Norden und Süden des Irak. Für diese Flug-verbotszonen und für die Bombardierungen gibt es keine Legitimation, auch nicht seitens der UNO.

Bedingungslose Aufhebung des Irak-Embargos!

Das dem Krieg 1991 folgende UN-Embargo bringt der irakischen Bevölkerung seit über zwölf Jahren Hungersnot, Krankheit und Tod. Als direkte Folge dieses Embargos sind bis heute weit mehr als eine Millionen Menschen gestorben, etwa die Hälfte davon Kinder unter fünf Jahren. Das Embargo verhindert beispielsweise die Einfuhr von vielen lebenswichtigen Medikamenten und medizinischen Apparaten, aber auch von anderen Gütern, die zum Aufbau der zerstörten zivilen Infrastruktur unbedingt notwendig sind, etwa für die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung. Keine deutsche oder europäische Unterstützung für den Krieg!

Trotz gegenteiliger Aussagen unterstützt die Bundesregierung den drohenden Krieg gegen den Irak: Dem US-Militär werden Überflugrechte gewährt. Ihm wird die Nutzung der Militärbasen in Deutschland zum Kriegsaufmarsch gestattet. Awacs-Flugzeuge sollen im Kriegsfall auch mit deutschen Soldaten besetzt sein. Durch Auslandseinsätze der Bundeswehr in der Golfregion, in der Türkei, in Kuwait, am Horn von Afrika und nicht zuletzt in Afghanistan entlastet die Bundeswehr das US-Militär für den Irakkrieg.

Wir fordern von der deutschen und von allen anderen europäischen Regierungen:

- einem Krieg gegen den Irak nicht zuzustimmen und sich in keiner Weise an einem Krieg zu beteiligen,

- alle militärische Truppen aus der Golfregion abzuziehen,

- den USA die Überflugrechte und die Nutzung von Militärbasen in Europa zu untersagen,

- das Irak-Embargo nicht länger zu beachten und es zu beenden,

- den Irak wieder als vollständiges und gleichberechtigtes Mitglied der Weltgemeinschaft anzuerkennen.

- Abzug der USA und ihrer Verbündeten aus der Golfregion!

Für ihre Niederlage im Irak-Konflikt!

Die USA wollen mit dem Krieg gegen den Irak ihre Doktrin eines Präventivschlags durchsetzen und ihre geopolitische Vorherrschaft weiter ausbauen: „Unsere Kräfte sind stark genug, potenzielle Gegner davon abzuhalten, ein militärisches Aufbauprogramm in der Absicht zu verfolgen, die Macht der Vereinigten Staaten zu überflügeln oder einzuholen“ (aktuelles Dokument zur Nationalen US-Sicherheitsstrategie).

Die Installation eines Marionettenregimes in Bagdad zielt auf die Neuordnung der gesamten Region im US-Interesse. Weitere Kriege, beispielsweise gegen den Iran, sind zu erwarten. Die imperialistischen Konkurrenten der USA in Westeuropa, insbesondere Deutschland und Frankreich, widersprechen derzeit zwar den Kriegsplänen der militärisch weit überlegenen USA. Gleichzeitig jedoch werden Unterstützungsleistungen nicht ausgeschlossen und zum Teil bereits gewährt, um bei der zu erwartenden Verteilung der Kriegsbeute berücksichtigt zu werden.

Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf!

Der einzige Staat im Nahen Osten, der über Massenvernichtungs- und Atomwaffen verfügt, ist Israel, der engste Verbündete der USA in der Region. Gleichzeitig ist Israel verantwortlich für die seit Jahrzehnten andauernde rassistische Unterdrückung und für systematische Massaker an der palästinensischen Bevölkerung. Im Schatten des 11. September 2001 hat diese Repression entschieden zugenommen. Im September 2002 stellten 150 israelische Wissenschaftler das Anschwellen rassistischer Demagogie in Israel fest. In einem internationalen Appell warnen sie davor, dass in israelischen Regierungskreisen eine umfassende ethnische Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung hinter dem Rauchvorhang eines Irakkrieges befürwortet wird. Wir solidarisieren uns mit dem Befreiungskampf des palästinensischen Volkes und den Menschen und Gruppen in Israel und weltweit, die sich für das palästinensische Selbstbestimmungsrecht und für ein Ende der israelischen Besatzung einsetzen – sei es als Zwei-Staaten-Lösung oder in einem gemeinsamen säkularen Staat aller Bevölkerungsgruppen.

Für das kurdische Selbstbestimmungsrecht!

Die Kurdinnen und Kurden leiden seit Jahrhunderten unter den Verteilungskämpfen fremder Mächte im Nahen Osten. Genauso lange gibt es den kurdischen Widerstand gegen ihre Unterdrückung, gegen die Ausbeutung ihrer Ressourcen und für Selbstbestimmung. Der derzeitige Versuch jedoch, opportunistische feudale kurdische Stammesführer wie Talabani und Barzani für einen Krieg gegen den Irak, für die Aufteilung des Iraks oder eine anderweitige Verfestigung von Fremdherrschaft zu instrumentalisieren, schadet vor allem der verarmten kurdischen Bevölkerung. Eine kurdische Abspaltung im Irak würde aktuell auf eine Stärkung der US-Imperialismus hinauslaufen. Eine Lösung der kurdischen Frage ist nur auf Basis der Gleichberechtigung aller Völker in dieser Region möglich. Letztendlich ist es das Recht der Kurdinnen und Kurden selbst, ohne fremde Einmischung über ihre Zukunft zu entscheiden. Gegen die Kriminalisierung von Befreiungsbewegungen in Europa! Weg mit der EU-Terrorliste!

Mit der Einführung der so genannten EU-Terrorliste wurden im letzten Jahr Befreiungsbewegungen europaweit verboten. Die Initiatoren dieser Liste nutzten die Anti-Terror-Hysterie, um nationale und soziale Befreiungsbewegungen und deren Unterstützung zu kriminalisieren. Betroffen sind beispielsweise die PFLP aus Palästina, die PKK aus Kurdistan, die DHKP-C aus der Türkei, die FARC aus Kolumbien, die NPA von den Philippinen und nahezu alle Organisationen der linken Unabhängigkeitsbewegung im Baskenland, einschließlich der Partei Batasuna. Gleichzeitig unterstützt der Westen die mörderischen Regimes und repressiven Staaten, gegen die sich der Kampf der Befreiungsbewegungen richtet.

Nur aktive Solidarität mit den Befreiungsbewegungen kann diesem Krieg, der gleichzeitig nach innen und nach außen geführt wird, entgegenwirken. Stellen wir uns der aktuellen antiarabischen, antiislamischen und rassistischen Hetze entgegen. Unterstützen wir den Widerstand gegen imperialistische Einmischung und imperialistischen Krieg.

Kommt zum Block der internationalen Solidarität gemeinsam mit dem Block des Solidaritätsbündnisses für Palästina und der Vereinigten Palästinensischen Gemeinde! Treffpunkt: 15. Februar 2003, 11 Uhr 30, Alexanderplatz, Nähe Weltzeituhr, Berlin Stoppt den imperialistischen Krieg gegen den Irak!

Unterstützerinnen und Unterstützer:

Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen, Antifaschistisches Komitee Duisburg, Antiimperialistische Koordination Wien, ATIF, ATIF-NDJ, Freundinnen und Freunde der PFLP in Europa, FreundInnen Irlands Berlin, Internationalismusgruppe Bonn, Iranisches Arbeiter Solidarität Netzwerk , Kommunistische Plattform Hamburg "Friedrich Engels", Rote Aktion Duisburg, Vereinigung der Freunde Palästinas in Sachsen-Anhalt e.V.

Email:  kontakt@internationalismus.net www.internationalismus.net





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Ergänzungen

weitere AufruferInnen zum Block

Berlin /Block der Internationalen Solidarität 06.02.2003 - 21:40
KRIEG DEM KRIEG - NACH INNEN + AUßEN:

Der obige Aufruf zum gemeinsamen Block der Internationalen Solidarität mobilisiert mit folgender zusätzlichen Passage auf dem Aufruf in Berlin + anderswo:

[...]
Widerstand dem Krieg nach innen und nach außen!

Nach der Auflösung der Sowjetunion versuchen die imperialistischen Staaten, mit ihren Kriegen eine globale Herrschaft zu erringen. Der Schritt zur globalen Herrschaft beinhaltet nach innen aber auch die Absage an alle erkämpften Rechte des bisherigen politischen Standards zur Finanzierung dieser Kriege. Der Widerstand gegen extreme Lohnsenkung, stärkere ungarantierte Arbeit, Zwangsarbeit, Abschaffung der freien Wohn- und Arbeitsplatzwahl, rudimentäre Gesundheitsversorgung, ungesicherte Renten und minimale Ausbildung – wie sie mit der sog. Hartz-Reform festgelegt sind – ist für eine Antikriegsbewegung unerlässlich.


UnterstützerInnen des Aufrufes:
(Stand: 02. Februar 2003)

Antifa-Aktion Harburg
Autonome Antikriegsgruppen
Autonome KommunistInnen, Berlin
Berliner Anti-Nato-Gruppe (B.A.N.G.)
DHKC
FreundInnen Irlands, Berlin
Gegeninformationsbüro, Berlin
Internationalistischer Abend/Schnarup-Thumby
KlosterfreundInnen, Nürnberg
Palästina-Solidarität Hamburg
RKL-Thüringen
Rote Aktion Berlin
Sozialistische ArbeiterInnenInitiative - Was tun!
SternBurgBrigade Berlin
TAYAD
Vereinigte Palästinensiche Gemeinde Berlin/Brandenburg e.V.
...

Internet Infos:  http://www.geocities.com/block_international

unzensierbar?

nohopeone 08.02.2003 - 19:06
ich persönlich halte ja m.b. für einen antisemiten und finde es problematisch wenn sich deutsche linke für jemanden einsetzen dessen erklärtes ziel ist juden zu töten,oder

wieso?

ich 09.02.2003 - 01:18
was ist das für ein typ? also ich finde ja die aufrufer schon etwas gruselig: stalinos, maos etc. Marwan Barghouti sagt mir als name aber überhaupt nichts.