Aufruf zur Demo 22.02.03 Berlin 13°° Uhr Oranienplatz

Pi-Rat 21.01.2003 17:50
die berliner stadtmitte
Genau hier, also auch im konkret-räumlichen Sinne zeigt die neue Berliner Mitte ihr Gesicht. Gerade auf der lokalen
Ebene wird die Globalisierung bzw. die Transformation von einem fordistischen hin zu einem postfordistischen
Gesellschaftssystem mitsamt ihren Veränderungen für Arbeitsorganisation, Geschlechterverhältnisse, Sozialstrukturen
und Migrationspolitik erfahrbar. Für emanzipative Politik ist städtischer Protest daher elementar.
Vor dem Hintergrund der verschärften Städtekonkurrenz will heute jede größere Stadt oder
Region Dienstleistungsmetropole, internationales Drehkreuz oder das europäische Silicon Valley
werden. Auch Städte, die weit von diesem Ideal der wirtschaftlich aufblühenden Region entfernt
sind, verstehen sich zunehmend als Unternehmen auf dem Weg dorthin. Angesichts wachsender
Arbeitslosigkeit und damit steigender Kosten für soziale Transferleistungen bei gleichzeitig
sinkenden Steuereinnahmen wird nach quasi-betriebswirtschaftlichen Kriterien versucht, die
Stadt für Unternehmen attraktiv zu machen. Dazu werden u.a. Flächen kostengünstig und schnell
bereit gestellt (media-spree, Potsdamer Platz).
gegen kapitalistische verwertungslogik und krieg - für den erhalt linker projekte -
für unkontrollierte bewegungen in der stadtmitte und sonstwo

keine ruhe für [die] mitte
- die zähne zeigt, wer?s maul aufmacht
die mitte der gesellschaft

Deutschland im Jahr 2003. Der neuen Mitte ist inzwi-schen auch der letzte Brocken Putz von der Fassade gefallen, welche den altbekannten Ressentiments des rechten BürgerInnenlagers einen progressiven Anstrich geben sollte. Egal ob neue oder alte, die gesellschaftliche Mitte ist ein autoritäres Konzept aus Integration und Repression, aus Integrationsangebot und Normierungszwang. Sie reagiert notfalls mit Repression gegen all die, die durch ihre Muster fallen oder sich bewusst nicht ihrer Logik unterordnen wollen, ist ein normierender Machtmechanismus. Gerade noch normal wäre heute eine Alleinerziehen-de mit zwei Kindern und drei Minijobs, als nicht-normal, als verdächtig gelten all diejenigen, die au-genscheinlich nicht leistungsstark genug, die im schlimmsten Falle nicht weiß, männlich, fit, schlank und schön durchs Leben springen. Verdächtig sind also diejenigen, die sich nicht oder nicht ausreichend der kapitalistischen Verwertungslogik unterwerfen, die kein angemessen hohes Maß an Integrationsbe-reitschaft in die gesellschaftliche Mitte zeigen: nicht innovativ, nicht flexibel, nicht dialogorientiert und kompromissbereit, nicht konstruktiv, ohne jede Ver-antwortung für?s große Ganze. Als nicht normal gel-ten MigrantInnen, ChaotInnen oder Sozialhil-feempfängerInnen - speziell die, die kein Laub fegen wollen. Das Nicht-Normale wird, je nach dem, abge-schoben, ausgegrenzt, verprügelt, kontrolliert und überwacht - oder hat sich dem Konzept der Mitte unterzuordnen.

Welche Farbe sich die Mitte gibt - ob rotrot, rotgrün, schwarzgelb oder schwarzschill - ist dabei in weiten Teilen unbedeutend. Die grüne Mitte ist z.B. zukunftsfähig, trennt ihren Müll und liebt solarbe-triebene Klospülungen und Biodiesel tankende Wasserwerfer. Neu ist die Mitte nicht, neu ist weder ihr Rassismus noch ihr Antisemitismus, beides Mechanismen, mit denen sie operiert, um gegen die vermeintliche Bedrohung von innen und außen den völkischen Schulterschluss zu üben. Ebenso wenig neu ist ihr Sexismus, der all jene trifft die das ?falsche? ?Geschlecht? besitzen und/oder sich diesen ganzen starren Rollen des Patriarchats nicht unterordnen wollen. Die Mitte mag z.B. ExpertInnen, und die sind im Zweifelsfall ?männlich?. Herrschaftsverhältnisse wie Rassismus und Sexismus haben eine entscheidende Funktion für das Konstrukt Mitte, sind jedoch nicht ihr Privileg. Schließlich sind wir alle ein bisschen Mitte.

Auf der anderen Seite ist die Mitte mehr als nur ein Konstrukt. Sie ist für Menschen, die ihr nicht angehören (wollen), sehr real, sie manifestiert sich in den mehr als 50 000 Abschiebungen jährlich, in sogenannten Ausreisezentren oder No-go-areas für Flüchtlinge und MigrantInnen, in der Rasterfahndung gegen junge, männliche ?arabische? Menschen. Die Mitte ist bewaffnet, sie übt Gewalt aus, direkt in derzeitigen und zukünftigen Kriegen oder Polizeiaktionen, strukturell in gesellschaftlich gemachter Ungleichheit, der Bewertung des Menschen an den Maßgaben des kapitalistischen Marktes (Hartzpapier), anhand von rassistischen und sexistischen Normen. Sie ist manifestiert in den Videokameras im Supermarkt, auf dem Bahnsteig oder am Geldautomaten, in der Privatisierung öffentlicher Räume, in privaten Sicherheitsdiensten an jeder Ecke zum Beispiel der Berliner Innenstadt.


die berliner stadtmitte
Genau hier, also auch im konkret-räumlichen Sinne zeigt die neue Berliner Mitte ihr Gesicht. Gerade auf der lokalen Ebene wird die Globalisierung bzw. die Transformation von einem fordistischen hin zu einem postfordistischen Gesellschaftssystem mitsamt ihren Veränderungen für Arbeitsorganisation, Geschlechterverhältnisse, Sozialstrukturen und Migrationspolitik er-fahrbar. Für emanzipative Politik ist städtischer Protest daher elementar.


demo! samstag, 22.2.03, 13 uhr
Oranienplatz, Kreuzberg, Berlin




Vor dem Hintergrund der verschärften Städtekonkurrenz will heute jede größere Stadt oder Region Dienstleistungsmetropole, internationales Drehkreuz oder das europäische Silicon Valley werden. Auch Städte, die weit von diesem Ideal der wirtschaft-lich aufblühenden Region entfernt sind, verstehen sich zunehmend als Unternehmen auf dem Weg dorthin. Angesichts wachsender Arbeitslosigkeit und damit steigender Kosten für soziale Transferleistungen bei gleichzeitig sinkenden Steuer-einnahmen wird nach quasi-betriebswirtschaftlichen Kriterien versucht, die Stadt für Unternehmen attraktiv zu machen. Dazu werden u.a. Flächen kostengünstig und schnell bereit gestellt (media-spree, Potsdamer Platz).

Zum anderen soll die Attraktivität der Innenstadt für qualifizierte und einkommensstarke Arbeitskräfte gesteigert werden. Damit verschiebt sich kommunale Politik weiter hin zur Förderung der kaufkräftigen Mittelschichten. Diese sollen mittels Aufwertung innerstädtischer Quartiere und die Subventionierung von Eigentumserwerb auch im Altbau vom Wegzug ins Umland abgehalten werden. Nicht nur für linke, alternative Lebens- und Wohnentwürfe wie Hausprojekte und Wagenburgen ist dabei kein Platz mehr. Auch soll der Konsum der Mittelschichten die lokale Ökonomie ankurbeln. Schließlich wird davon ausgegangen, dass sie als EigentümerInnen mehr Verantwortung für ihr Wohnumfeld übernehmen und so eine "Ghettoisie-rung" verhindern. Denn Armut an sich scheint immer weniger von Bedeutung zu sein, viel mehr deren sichtbare Zeichen, der "Verfall öffentlichen Raumes", gilt als Problem. In dem Maße, wie Städte daran interessiert sind, Mittelschichten zu fördern, um sie in der Stadt zu halten, werden soziale Unterschiede gerne als pluralisierte "Lebensstile" de-thematisiert, ganz als sei dies Resultat der "Individualisierung" und somit freiwillig und nicht Ergebnis von Ausbeutung und Ausgrenzung.

Die Mechanismen von Ausschluss und Integration verändern sich jedoch auch mit dem widersprüchlichen Zwang der Städte, sich international einerseits als etwas Besonderes zu präsentieren, andererseits internationalen Standards zu genügen. So können auf der einen Seite alternative Kulturangebote oder ein multikulturelles Gastronomieangebot durchaus als "weiche Standortfaktoren" in das Image einer Stadt miteinbezogen werden. Insofern agiert die Stadtpolitik als Mischung aus Aus-grenzung und Vereinnahmung von alternativen Projekten und Lebensentwürfen, so wie Herrschaft im kapitalistischen Sys-tem grundsätzlich über eine Mischung von Konsensherstellung und Zwang / Repression funktioniert. Denn gleichzeitig wächst der Druck auf nicht vermarktbare oder nicht konsumfähige Gruppen. Dies ist besonders in den Innenstädten deutlich. Im Zuge dessen findet ein meist als "Privatisierung" bezeichneter Wandel öffentlicher Räume statt. Zwar gewinnt streng genommen der öffentliche Raum durch die Öffnung vormals rein privater Flächen (z.B. Bahn- und Industrieflächen wie auf dem zukünftigen media-spree Gelände) als Einkaufszentren halböffentliche, als Stadtplätze inszenierte Räume hinzu. Dies jedoch zu dem Preis, dass dort jegliche dem Konsum abträglichen Verhaltensweisen ausgegrenzt werden. Zudem wächst damit auch der Druck von Seiten der Geschäftsleute, auch vormals öffentliche Räume stärker zu kontrollieren. Neben der Einführung verschärfter Polizeigesetze und örtlicher Satzungen sowie technologischer Überwachung wird die Kontrolle zu-nehmend von einer unübersichtlichen Anzahl privater Sicherheitsdienste ausgeführt.

Indem Wohnen, Drogen- bzw. Alkoholkonsum oder Prostitution nur in privater, konsumförmiger Weise und gehobener Preis-klasse akzeptiert ist, wird gesellschaftlich stigmatisierten Gruppen die Innenstadt als attraktiver Ort zum Aufenthalt, Wohnen oder Einkommenserwerb streitig gemacht. "Sicherheit", bedeutet damit vor allem, Armut etwa in Form von Obdachlosigkeit nicht mehr sehen zu müssen, den Kontakt mit ?Anderen? zu minimieren. In der fortschreitenden Kontrolle unseres Lebens zu unserer eigenen ?Sicherheit? verschmelzen Stadtplanung, Architektur und Polizeiapparat.

und genau deshalb bleiben wir in der stadtmitte
Unser Widerstand gegen die herrschende Politik braucht eine soziale Basis. Wir brauchen Hausprojekte, Wagenburgen, kollektiv organisierte unkommerzielle Treffpunkte, soziale Zentren, auch und gerade in der Stadtmitte! Wir brauchen Räume, die ein herrschaftsfreies Leben zumindest vorstellbar machen. Mit den gesellschaftlichen und eigenen Wider-sprüchen konfrontiert zu werden, zu versuchen, die politischen Utopien im Mikrokosmos umzusetzen, ist für uns ein unersetzliches Element linker Politik. Wir lassen uns nicht vereinnahmen. Es geht uns um die Abwicklung von Herrschaft im Grossen wie im Kleinen, um eine linke Politik als permanenten gelebten Alltag. Es geht uns um den Kampf gegen eine Herrschaft, die so sehr als Normalität erscheint, dass sie eine Alternative kaum noch vorstellbar macht. Es geht uns um die solidarische Aneignung von Räumen, die Schaffung von Zusammenhängen, um die Ausweitung von FreiRäumen.

Unsere Politik ist auch weiterhin nicht appellierend, wir bitten nicht um eine bessere Führung, um mehr Geld oder um mehr Toleranz. Dies ist ein Aufruf zum Handeln, ein Aufruf, Widerstand zu entwickeln gegen die herrschenden Verhältnisse, die Mitte zu unterhöhlen. Also: Ab in den Untergrund! Oder erst mal: Ab auf die Straße - beteiligt euch an der Demo, an den Aktionen gegen die Räumungen linker Projekte, an Aktionen gegen Sozialabbau, Abschiebungen, Krieg.

für den erhalt linker projekte I
entwickelt widerstand gegen sozialabbau, ausgrenzung und den ganzen mist I
keine ruhe für die mitte - für freies fluten

demo! samstag, 22.2.03, 13 uhr, oranienplatz, kreuzberg, berlin
Wir wollen eine laute, entschlossene Demo! Geht in Ketten, achtet aufeinander...
Die Telefonnummer des Ermittlungsausschusses Berlin ist (030) 69 22 222.
Und: Drogen und Alkohol haben auf politischen Aktionen nichts verloren!
Es rufen auf: Pi-Rat, Adalbert28, AntiAtomPlenum Berlin, Antifaschistische Initiative Moabit, AStA TU
Berlin, cafe morgenrot, Köpi137, Infoladen Daneben, Initiative gegen das Chipkartensystem,
Kadterschmiede, Laster und Hänger, Liebig14, Liebig34, Rigaer94, Rigaer95 (teilw.), Scharnweber29,
Unabhänige Antifa Reinickendorf, Wagenburg Kinderbauernhof, Wagenburg Schwarzer Kanal und
Einzelpersonen. Es unterstützen: Bödiker9, Gruppe Mücedele, Kreutziger18, Rattenbar,
Reichenberger63a, Schlossplatz-Initiative
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Ergänzungen

Ganz nett, aber...

22.01.2003 - 11:56
Schon mal dran gedacht, den Aufruf so umzuformulieren, dass ihn nicht nur Sowi-StudentInnen ab 2. Semester und sonstige Kundige in Soziologen-Hohlsprech verstehen können?

genau

zeigefinger 22.01.2003 - 13:15
und dann noch in einen terminkalender, statt bei den berichten posten?

@Ganz nett, aber...

19.02.2003 - 14:24
Kaum kommt mal ein inhaltlich vernünftiger Aufruf, kommt gleich wieder ein Flachdenker Kommentar.
Es gibt noch einen anderen Aufruf, soweit ich das mitbekommen habe.
Vielleicht ist der ja auf deinem Niveau.

23.02.2003 - 23:25
sorry, aber der"andere Aufruf" war nur anderes Layout,außerdem hat doch die Demo gezeigt, das trotzdem der übliche Mob kommt.
Ob die wohlden Aufruf gelesen haben ?

aktuelle NeoNazi und AntifaAktionen22.2. -2.3

23.02.2003 - 23:29