Palästina - Noch ein Beitrag zur Debatte in der Linken Deutschl.

ImmortaL 29.12.2002 20:25
Inhalt : Eine Zusammenfassung der Geschichte Palästina/Israel´s
Und ein hoffentlich nicht ein alltäglicher Beitrag der zur Verschärfung der Debatte zwischen "antideutschen" und "pali-alt-linken" beiträgt. [thx to anews.tk für diese metapher]
in Land, Zwei Völkern versprochen:
Palästina

Wie die Britische Großmachtpolitik zum blutigen Konflikt zwischen Arabern und Juden führte.

So mancher ?Internationale Beobachter? hatte erwartet, dass am tatsächlichen Beginn des neuen Jahrtausends, am Jahreswechsel 2000/2001, der israelisch-palästinensische Konflikt gelöst oder zumindest auf gutem wege zu einer lösung sein würde.
Doch diese Silversternacht bot ein ganz besonderes Feuerwerk, das weder Freude noch Begeisterung auslösen konnte.
Wer sich am Neujahrstag vor den Fernseher setzte konnte in den Nachrichtensendungen verfolgen, dass auch in der Nacht des Jahreswechsels zwsichen einer jüdischen Siedlung und einem palästinensischen städtchen Leuchtspurgarben durch die Finsternis rasten. Er konnte Explosionen hören, die keine Böllerschüsse zur Begrüßung des neuen Jahres waren, sondern die Einschläge von Granaten aus den geschützen israelischer Panzer, die zum ?Schutz? der ?Siedler? in stellung gegangen waren. Die zweite Intifada [?Abschütteln? im sinne von Befreiung ], diee Im September 2000 als Reaktion auf die Harte niederschlagung palästionensischer proteste gegen den provokanten besucher des hardliners Ariel Sharon auf dem Jerusalemer Tempelberg begonnen hatte, hielt auch an Jenem Jahreswechsel noch an. Die Ursache für die Erneute Zuspitzung des Nah-Ost Konflikts sah der Leiter des Instituts für Konfliktforschung an der Universität Haufa, Prof. Ilan Pappe, darin, dass der immer wieder verschleppte Oslo- friedensprozess im Herbst 2000 an einem wendepunkt angelangt war. Denn jetzt waren die bis dahin stehts ausgeklammerten fragen, die die eigentliche substanz der auseinandersetzung ausmachen un deren lösung ?in der tat der beendigung des konflikts gleichkommen würde? auf die Tagesordnung gerückt : die zukunft der jüdischen siedlungen im Westjordanland um im gazastreifen, die rückkehr der mehr als drei millionen palästinensischer flüchtlinge, der status vom jerusalem und die detaillierte gestaltung des palästinensischen staates. ? Bei allen fragen würden die israelis am liebsten den status quo beibehalten?, schrieb Professor pappe, ?aber es ist völlig klar, dass es keinen dauerhaften frieden geben wird, wenn die israelische seite nicht bei all diesen punkten zugeständnisse macht.? Bisher standen im mittelpunkt des friedensprozesses die Probleme der Sicherheit israels und andere Interessen des jüdischen Staates. Dazu hatte man immer wieder von den Palöstinensern Zugeständnisse eingefordert. Nun aber - sieben Jahre nach Oslo - war es an Israel, Zugeständnisse zu machen. ?Doch die Israelische Öffentliche Meinung war zu keinem zeitpunkt auf die Notwendigkeit des Nachgebens vorbereitet, und es scheint, dass auch die Israelischen Politiker nicht gewillt sind, Ihren Beitrag zu leisten?, erklärte der Politikwissenschaftler aus Haifa kurz vor dem Jahreswechsel.
Warum diese Unnachgiebigkeit, warum noch immer diese Scheinbar unversöhnliche Feindschaft, warum ist im ?Heiligen Land? jeder Baum, jeder Grashalm, jeder Fels und Kiesel hassverseucht ?
Kern des fast ein Jahrhundert währenden, oft blutigen Streits zwischen den Juden und Arabern ist die Frage: ?Wem ?gehört? das Heilige Land ??
Zunächst : Als heilig erklärt wird es seit mehr als anderthalb Tausend Jahren von den drei großen religionen, deren Heilsgeschichten auf diesem Territorium angesiedelt sind. Die jüdische Mischna, der Gebots- und Kommentarteil des Talmud, beschreibt nicht nur die Herrlichkeit Jerusalems, sondern ordnet auch dessen Plätzen und Bauten verschiedene Stufen der Heiligkeit zu. Auf der höchsten rangiert der Tempelberg. Die Mischna legt sogar fest, dass bestimmte Gebote des Talmud nur in Israel erfüllt werden können. Deshalb sei dieses Land heilig. Der Islam lässt im Koran den Sohn Allahs, Mohammed, nach Jerusalem reisen und dort auf dem Tempelberg vom Felsendom, wie die Omar-Moschee oft genannt wird, in den Himmel aufsteigen. Und für die Christen gibt es nicht das ?Heilige Grab? des Sohnes Gottes in Jerusalem. Ihre Kirche hat auch alle Orte, an denen - dem Neuen Testament zufolge, das gut fünfhundert Jahre früher als der Koran und der Talmud entstanden ist - Jesus gewirkt haben soll, zu Heiligtümern erklärt. Doch wenden wir uns einigen Eckpunkten der Geschichte des Landes zwischen Mittelmeer und Jordantal zu, den historischen Tatsachen, oder besser dem, was man uns als solche überliefert hat :
Eine Rekonstruktion der Frühgeschichte ist schwierig. Ausserbiblische Quellen gibt es nur sehr wenige. Die Biblischen wiederum enthalten eher Geschichtsdeutung als tatsächliche Geschichtsabläufe. Fest steht lediglich, dass um 1500 v.u.Z. Hirtenstäme aus Arabien in die damalige ägyptische Provinz Palästina eindrangen. Der Bibel nach waren es Abraham, der Stammvater, und seine Gefährten, die von Ur, einem Ort am Euphrat in Mesopotamien [heute Irak] nach Westen zogen und - 300 Jahre später - einige Stämme, die aus Ägypten, wo man sie versklavt hatte, fliehen konnten. Nach einer grossen beschwerlichen Wanderung durch die Wüste Sinai, die 40 Jahre [!] dauerte, sollen sie schliesslich in Palästina angelangt sein. Aus dieser Zeit stammt auch die ägyptische Quelle, in der zum ersten Mal von einem Volk Israel die Rede ist. Die Israeliten kämpften gegen die Hethiter (die von Zentralanatolien aus nach Süden vorgedrungen waren), die Kanaaniter (die ein halbes Jahrtausend früher eingewandert waren und wie die Juden und die Araber sowie einige Völker Äthiopiens zur semitischen Völkerfamilie gehörten) und die Philister (die Bewohner der Küste Palästinas, die vom Balkan uns aus Kleinasien stammten). Die ?Neuankömmlinge? gründeten schliesslich ein Staat unter den Königen David und Salomo mit der Hauptstadt Jerusalem. Er zerfiel in Zwei Reiche : Israel im Norden und Juda im Süden. 587 v.u.Z. eroberten die Babylonier Palästina. Nebukadnazar II. Führte große Teile der Bevölkerung in die ?Babylonische Gefangenschaft? . Nach fast 50 Jahren konnten diese Juden nach Palästina zurückkehren, dass inzwischen von den Persern beherrscht wurde.
Zu Beginn unserer Zeitrechnung erschienen dann auf dem Schauplatz jüdisch-arabischer Geschichte die Begründer einer Zweiten (noch kommenden) Weltreligion : Jesus von Nazareth und seine Jünger. Das Auftreten des ?Sohnes Gottes? schien die Messias Hoffnung der Juden zu erfüllen. Doch sein Anspruch der ?von Gott gesandte Erlöser?, der ?Gesalbte? (griech. Christos) zu sein, führte um 30 u.Z. zu seiner Kreuzigung [*fg*]. Der Glaube seiner Anhänger an seine Auferstehung wurde zum Mittelpunkt der Verkündigung der neuen Lehre. Nachdem sie sich im Mittelmeerraum, vor allem in der griechischen Kultur- und Sprachreligion vornehmlich unter Armen und Sklaven verbreitet hatte, enstand das Christentum.
63 u.Z. eroberten die Römer das Land. Sieben Jahre später zerstörten sie Jerusalem und den jüdischen Tempel. 153 kam es zu einem grossen Aufstand. Die Römer schlugen ihn nieder und verjagten alle Juden, die noch in Jerusalem wohnten. Ausserdem gaben sie Ihrer Provins ?Judäa? den offiziellen Namen Palästina. Nach der Teilung Roms fiel die Provinz an Byzanz.. 636 eroberten islamische Araber das Land und wurden als Befreier gefeiert. Mit dem Koran brachten sie die dritte grosse Glaubenslehre nach Palästina. 1096 kam es nach einem Hilferuf an den Papst zum ersten Kreuzzug gegen Araber und Juden zur ?Befreiung der heiligen christlichen Stätten?. 1099 eroberten die Kreuzfahrer Jerusalem und errichteten ein christlichen Königreich. Es existierte keine hundert Jahre. 1187 zerschlug Saladin, Sultan von Syrien und Ägypten, die Herrschaft der Kreuzfahrer. Palästina wurde wieder zu einer Provinz Ägyptens und ab 1517 Teil des Osmanischen Reiches. 1799 stattete der Revolutionsgeneral Napoleon Bonaparte dem Heiligen Land einen Besuch ab. Er kam mit seiner Ägypten-Armee, die eigentlich das britische ?Tor zu Indien? hatte aufstoßen sollen. Osmanische Truppen stoppten Ihn und seine Soldaten bei der Hafenstadt Akko. Bonaparte kehrte nach Frankreich zurück, um dort I. Konsul und später Kaiser zu werden[wie ihr sicherlich wisst *g*]. Palästina blieb - eine Achtjährige Ägyptische Herrschaft ausgenommen - 400 Jahre bis zum Ende des Ersten Weltkriegs in der Hand der osmanischen Sultane.
Wem also gehört das ?Heilige Land? ? Michal Wolffsohn, in Deutschland lebender israelischer Historiker und Politikwissenschaftler, macht einen Unterschied zwischen ?Besitzern? und ?Eigentümern? und nennt das ?Heilige Land? einen ?Völkerfriedhof? : ?Auf Ihm ruhen die Kanaaniter. Weder die Palästinenser noch die Juden sind ihre Nachkommen. Ihre Nachfolger hingegen waren zahlreich. Sie alle hielten sich im Laufe der viertausendjährigen Geschichte des ?Heiligen Landes? für die wahren Eigentümer. Indem sie das Land in Besitz nahmen, meinten sie, es auch erworben zu haben.. Alle Besitzer des ?Heiligen Landes?, auch Juden und Araber, trugen von Anfang an den Makel, Eroberer zu sein... In der Geschichte war diese Landnahme moralisch eigentlich nicht zu rechtfertigen. Sie basierte stets auf Macht. Wohl deshalb haben die jüdischen Eroberer eine heilsgeschichtliche Rechtfertigung gesucht und gefunden. Sie beriefen sich mit Hilfe der (von Ihnen verfassten) Bibel auf das Göttliche Versprechen. So wurde aus dem Eroberten Land das Gelobte Land. Mit anderen Worten : Die Jüdischen Besitzer stellten sich selbst die Eigentumsurkunde aus.?

Selbst wenn man diese auf den Ur- oder Stammvater Abraham zurückgreifende ?biblische Eigentumsurkunde? akzeptiert, hat die Geschichte noch immer einen Haken. Denn auch die Araber, einschliesslich der Palästinenser, berichteten in ihrer ?Bibel?, dem Koran, der übriogens einige Verhaltensregeln und anderes aus dem ?Original? übernommen hat, von Abraham und den anderen Propheten, nehmen sie für Ihren Islamischen Glauben in Anspruch. Dessen Begründer Mohammed, der sich wie Jesus als ein von Gott - in diesem fall Allah - Gesandter verstand, hatte seine Lehre sogar zu wiederhergestellten reinen Urreligion Abrahams erklärt, die von den Juden und den Christen verfälscht worden sei. So greift die Auseinandersetzung um den Anspruch auf Palästina selbst in die Religionsgeschichte beider ?Kontrahenten? ein. Ali H. Qleibo schreibt : ?Wenn wir den Konflikt aus Palästinensischer Sicht, in der muslimische Religion und arabische Geschichtsschreibung zusammenwirken, untersuchen, Ist die Dynastie des Propheten Abraham, Des Vaters alle Propheten, qaisi, also nordarabisch. Und vergessen wir nicht, dass der Status Jesu Christi als Prophet zu einem großen Teil von seiner Abstammung aus dem Hause Davids abhängt : aus der Prophetendynastie, die aus dem Hedschaz in Nordarabien stammt, aus dem Zweig des Isaaq, Bruder Ismaels, aus dessen Zweig wiederum unser Prophet Mohammed abstammt.? Verwirrende Familienverhältnisse für jeden, der nicht Bibelfest ist. Doch selbst wenn man nicht alle Details kennt oder klärt, eins wird deutlich : Araber und Juden waren sich näher als Ihnen heute lieb ist. Sie sind nicht nur als semitische Völker miteinander verwandt, sonder auch in ihren Religionen.
M. Wolffsohn meint : ?Das Heilige Land war als ?Durchgangsland? eigentlich immer multinational, multikonfessionell und multikulturell. Der Gedanke, es in den Staat einer Nation, also in einen Nationalstaat umzuwandeln, ist verständlich. Er ist jedoch unrealistisch. Man könnte fast meinen, zu dieser Erkenntnis sei 1917 auch der britische Außenminister Arthur James Balfour gekommen, weil er es peinlichst vermied, in seinem immer wieder als Legitimation für die Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina zitierten Briefes vom 2.November das Wort `Staat` zu verwenden. In dem Schreiben an den Londoner Bankier Lord Rothschild, der für seine Mithilfe bei der Finanzierung der britischen Kriegskosten die Regierung um die Unterstützung der jüdischen Einwanderung nach Palästina gebeten hatte, heißt es : ?Seiner Majestät Regierung betrachtet die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina mit Wohlwollen und wird die größten Anstrengungen machen, um die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, wobei klar verstanden wird, dass nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina ... beeinträchtigen könnte.? Der Brief des Außenministers schliesst mit dem Satz : ? Ich bitte Sie, diese Erklärung zur Kenntnis der Zionistischen Förderation zu bringen.?
Als Idee hatte sich der Zionismus bereits Mitte des 19. Jahrhunderts heruasgebildet. Mit ihrer seit der Französischen Revolution zunehmenden Emanzipation und dem Aufschwung des bürgerlichen Nationalismus in Europa sahen sich säkularisierte Juden immer öfter vor die Frage gestellt, zu welcher nationalen Identität sie sich bekonnen sollten. Nicht alle wollten Deutsche oder Franzosen, Österreicher oder Polen sein. Sie beschäftigten sich mit der Geschichte des Jüdischen Volkes, drangen in die Gedankenwelt der gläubigen Juden ein und erinnerten sich an das traditionelle bekenntnis ihrer Eltern oder Großeltern : *Wenn ich dich vergesse, Jerusalem, vergesse ich meine rechte Hand.* Das Land der Vorväter rückte in den Blickpunkt.
Es entwickelte sich ein teils religiös verbrämter, teils tief religiöser völkischer nationalismus, der in seiner unerbittlichkeit dem religiös dominierten ethnischen Nationalismus der balkanvölker gleichkam. Und doch war er anders : Er war zwar auch ein ?kind seiner zeit? wie die nationalismen anderer Völker. Aber er enstand nicht als unmittelbares ergebnis revolutionärer veränderungen und imperialistischer machtpolitik im 18 und 19 jahrhundert. Er gründete sich auf fundamente, die schon vor unserer zeitrechnung gelegt und durch verfolgung, vertreibung, asugrenzung und abkapselung über jahrhunderte hinweg immer breiter geworden waren. Als politisch-soziale bewegung für die errichtung eines judenstaates erschien der zionismus - so genannt nach dem hügel zion in jerusalem, auf dem einst der palast des königs david und der tempel jahwes gestanden hatten - freilich erst im letzten jahrzent des 19. jahrhunderts. Getragen wurde er von dem fast 2000 jahre alten traum der juden, nach palästina zurückzukehren, aus dem ihre vorväter zuerst von den babyloniern und dann von römern vertrieben worden waren. Ein land, von dem sie glaubten (und viele bis heute glauben), gott habe es ihnen ?als bleibenden besitz für sie und ihre nachkommen? zugewiesen (V. Buch moses, 1. teil, 1. abschnitt). Daher hat das zionistische Ideal der Rückkehr in das Land Israel tiefe religiöse wurzeln.
Und das gebot, jerusalem niemals zu vergessen, gehört bis heute zu den hauptgrundsätzen des judentums. So war es schon vor der herausbildung des politischen zionismus zu rückwanderungen gekommen. Nur getrieben von dem visionären wunsch nach ?zion?, wie nicht nur jerusalem, sondern ganz palästina oft genannt wurde, ?heimzukehren?, kamen juden aus jemen, marokko, dem irak und dem osmanischen reich in das ?Gelobte Land?. Juden, die weder etwas von den judenverfolgungen in osteuropa wussten, zu denen der im ausgehenden 19. jahrhundert auflebende religiöse und rassitische antisemitismus geführt hatte, noch die broschüre ?Der Judenstaat? kannten. Als sie 1896 von theodor herzl , einem österreichischen korrespondeten in paris - wo er die antisemitische kampagne anläßlich des dreyfuss-prozesses miterlebt hatte - veröffentlicht wurde und dazu aufrief, ?auf eigenem boden ein eigenes Staatswesen zu gründen?, lebten diese einwanderer bereits in palästina.
In den achtziger jahren war es in polen und vor allem in russland zu einer serie von ritualmordprozessen und pogromen gekommen. Allein in südrussland hatte man 1891 in 160 städten und dörfern tausende juden gejagt und niedergemetzelt. Immer mehr osteuropäische juden sahen in der auswanderung die einzige möglichkeit, den verfolgungen zu entkommen. Bevorzugtes Ziel war das ?Land der unbegrenzten Möglichkeiten?, die USA. Von 1881 bis 1900 wanderten dort 400 000 zumeist osteuropäische juden ein. Nach argentinien gingen 30 000 jüdische auswanderer. Einige tausend nur, zumeist intellektuelle, emigrierten nach england. Und auch in palästina blieb die zahl der jüdischen einwanderer, selbst nach den pogromen in russland, noch gering. Als die erste gruppe, die vor der russischen verfolgung geflohen war und nur 16 mitglieder umfasste, im sommer 1882 in palästina eintraf, lebten dort erst 25 000 juden, unter ihnen nur einige tausend, die aus europa eingewandert waren. Das änderte sich auch noch nicht wesentlich, als theodor herzl, ein jahr nach dem erscheinen seiner schrift, 1897 den ersten Zionistenkongreß nach basel einberief und seine 204 teilnehmer dem Zionismus eine politische organisation und vor allem ein Programm gaben. Darin wird zunächst von dem streben nach ?einer rechtlich gesicherten heimstätte für das jüdische volk? gesprochen. Zur erreichung dieses Ziels nimmt der Kongreß ?verschiedene Mittel in Aussicht?. Als erstes wird angeführt : ?Die zweckdienliche Förderung der Besiedlung Palästinas mit jüdischen Ackerbauern, Handwerkern und Gewerbetreibenden?. Es ist kein Zufall , dass die Ackerbauern im ersten Programmpunkt und unter den Berufsgruppen zuerst genannt werden. Die Zionisten meinten nämlich ?einen ungesunden aufbau des jüdischen volkes?, bedingt durch die Aufsplitterung in viele Länder und den Zugang nur zu bestimmten Berufen, erkannt zu haben. Dieser unnormale Volksaufbau sollte durch die ?Wiederaufnahme des Kontaktes mit dem Boden?, durch die Landarbeit beseitigt werden. Die Punkte Zwei und Drei beschäftigen sich mit der Organisation der Bewegung und der Aufgabe, das ?jüdische Volksgefühl und Volksbewusstsein zu stärken?. Der Letzte, der vierte Programmpunkt, führt uns wieder zur Balfour-Erklärung. Er lautet : ?Vorbereitende Schritte zur Erlangung der Regierungszustimmung(en), die nötig sind, um das Ziel des Zionismus zu erreichen.? Eine solche ?Regierungszustimmung? war der Brief des britischen Aussenministers zweifellos, aber eben nur zu einer ?Heimstätte?, nicht zu einem ?Staat?. Interessanterweise taucht dieser Begriff auch nicht in dem eben zitierten Programm auf. Selbst in dem Entwurf, den die ?Zionistische Förderation? zehn Jahre später dem britischen Kabinett für eine ?Regierungszustimmung? zukommen ließ, ist nicht von ?Staat? die Rede. Dennoch unterscheidet sich die Balfour-Erklärung deutlich von dem Entwurf der Zionisten. Der Nahostexperte Mark Sykes, den Premierminister Lloyd George mit der Abfassung der dann von Balfour unterzeichneten Erklärung beauftragt hatte, war äußerst vorsichtig. Vermutlich wusste er zu gut, dass die Verwendung des Begriffs ?Staat? die nach einer Veröffentlichung des Papiers zu erwartenden arabischen proteste um ein vielfaches steigern könnte. Daher formulierte er nicht, wie im zionistischen Entwurf vorgesehen, ?Palästina als Heimstätte?, sondern nur ?(Errichtung) eine(r) Heimstätte in Palästina?. Und er fügte noch den Passus über den Schutz der Rechte der ?bestehenden nichtjüdischen Gemeinschaften? (zu dieser zeit noch 90% der bevölkerung) ein, der in dem vorgeschlagenen Text nicht enthalten war.
Einen wesentlichen Anteil am Zustandekommen dieses Dokuments hatte der spätere erste Präsident Israels, Professor Dr. Chaim Weizmann, einer der führenden Köpfe der Zionisten Bewegung, der er seit seine Studienzeit angehörte. In Weißrussland geboren und ind Deutschland ausgebildet, arbeitete er als Biochemiker in einem Institut der britischen Admiralität. An deren Spitze stand damals als ?Erster Lord? Arthur Jamen Balfour, der zugleich das Amt des Aussenministers bekleidete. Es ergab sich, dass Weizmann eine kriegswichtige Erfindung machte. Als nämlich 1917 in Großbritannien der Rohstoff für die Produktion des für die Schießpulverherstellung notwendigen Azeton, Nutzholz, knapp wurde, suchte man fieberhaft nach einem Verfahren, Azeton synthetisch herzustellen. Professor Weizmann fand es innhalb weniger Wochen. Auch wenn die industrielle Produktion von synthetischem Azeton bis zum Kriegsende nicht voll zum Tragen kam, ihrem Erfinder brachte sie gute Kontakte zu Premierminister Lloyd George und mehreren Ministern. Einige von ihnen konnte der Wissenschaftler für das zionistische Palästina-Projekt gewinnen. Mit dem Balfour-Brief wollte das Londoner Kabinett natürlich auch die Bitte von Lord Rothschild, die jüdische Einwanderung nach Palästina zu unterstützen, erfüllen. Aber für die Abfassung und Veröffentlichung dieses Dokuments gab es handfeste, vor allem machtpolitische Gründe, die keinerlei humanitären bezug hatten :
Zum einen wollte man die große und einflussreiche jüdische gemeinschaft in den usa für die noch stärkere beteiligung dieses Landes, das am April 1917 zum verbündeten geworden war, an den Kriegsanstrengungen mobilisieren. Zum anderen sollten die russischen juden motiviert werden, das drohende ausscheiden Russlands aus dem Krieg nach der Februar(bzw März) Revolution verhindern zu helfen. Und natürlich wollte sich London als Schutz-oder Garantiemacht für eine jüdische Heimstätte in Palästina die Kontrolle über dieses Land sichern, dessen strategische Bedeutung nach der Inbetriebnahme des Suez-Kanals stark gestiegen war. Darüber hinaus stellte Palästina die Landverbindung zwischen dem britischen Ägypten und einem künftig britischen Mesopotamien dar. Vier Wochen nach der Übergabe der Balfour-Erklärung an die Zionistische Förderation befreiten britische Truppen und arabische Verbände [!], die seit Mitte 1916 an deren Seite kämpften, Jerusalem von der Osmanischen Herrschaft. Die Jubelnden Araber waren davon überzeugt, dass der Lohn für ihren Beitrag zum sich deutlich abzeichnenden Zusammenbruch des Osmanischen Reiches ein souveränder arabischer Staat sein würde, der für sie, die sie weder geheime abkommen noch briefwechsel zu dieser Frage kannten, selbstverständlich Palästina mit einschloss. Umso größer waren Enttäuschung und Wut, als der Text der Balfour Erklärung nach und nach bekannt wurde. Weniger wegen des zugesandten britischen ?Wohlwollens? für den Aufbau einer Jüdischen ?Heimstätte? in Palästina - in der sie zunächst gar keine bedrohung sahen - , als vielmehr wegen des Ausbleibens einer entsprechenden Äusserung zugunsten der ?nichtjüdischen Gemeinschaft? der Araber. Schließlich waren sie an der Seite der Briten für ein Arabisches Reich in den Krieg gezogen, das man ihnen - wenn auch vage - versprochen hatte. Außderdem kam, fast zeitgleich, mit der Öffnung der zaristischen Geheimarchive durch die Bolschewiki 1917 das britisch-französische Sykes-Picot-Abkommen ans Tageslicht, das die arabischen gebiete schon 1916 unter den beiden Großmächten aufgeteilt hatte. Für ein nationales arabisches Staatswesen war nun eigentlich gar kein Platz mehr. Gerade jetzt, wo der arabische Nationalismus, auch in Gang gesetzt durch den von London initiierten ?Aufstand der Wüste?, seinen ersten Aufschwung erfuhr. Der Umschlag des Bewusstseins von der Arabischen Identität in einen ethnischen arabischen Nationalismus - lange unterdrückt durch die Islamische Glaubensbrüderschaft mit den Türken - war von der Repression durch die osmanischen Behörden ausgelöst und befördert worden. Die Unterdrückung wurde während des Ersten Weltkriegs verschärft und erreichte eine neue ?Qualität? , die Widerstand provozierte, der bis zur bereitschaft zum bewaffneten Aufstand ging. Die Alliierten, besonders Großbritannien, machten sich diese Entwicklung zunutze. Sie hatten zwar die Absicht, gemeinsam mit den arabischen Aufständischen die Herrschaft der Osmanen über die arabischen Territorien zu stürzen, aber nur, um sie zur durchsetzung ihrer strategischen und ökonomischen Interessen selbst zu übernehmen, nicht um die gründung eines gesamtarabischen Staates zu ermöglichen :
Aus der Sicht der Grossmächte war das Osmanische Reich bereits am Vorabend des Ersten Weltkriegs ein ?Kranker Mann am Bosporus?, der nicht mehr lange zu leben hatte. Ein Testament muß her, sagten sich daher diejenigen, die ihn im Nahen Osten beerben wollten. Der Zeitpunkt dafür schien gekommen, als die Alliierten im Frühjahr 1916 einen Angriff af die Dardanellen und das ?Herz? des ?kranken Mannes?, auf Konstantinopel, einleiteten. Paris ernannte Georges Picot, einen Karrierediplomaten, der zuvor Frankreich im osmanischen Syrien als Generalkonsul vertreten hatte, zum Verhandlungsführer. In London fiel die Wahl auf Mark Sykes , den bereits erwähnten Nahostexperten, der die Balfour-Erklärung formulierte. Als Koordinator für Nahöstliche Angelegenheiten zwischen dem Kriegskabinett, dem Aussenministerium und dem Kriegsministerium saß er an einem der Schalthebel der Kriegsführung und der Nachkriegsplanung für diese Region. Er hatte einige Zeit - wie auch T.E. Lawrence, der legendäre ?Lawrence of Arabia? - im Nachrichtenbüro des britischen Militärbefehlshabers in Ägypten und in der in Kairo stationierten Ägypten-abteilung des Aussenministeriums gearbeitet. Die beiden kannten sich gut.
Sykes Pendelte zwischen London und Paris, um ein Teilungsabkommen für die arabischen Gebiete des Osmanischen Reiches auszuhandeln. Er reiste auch mehrfach nach Petersburg. Dem russischen Verbündeten wurde die Zustimmung zu einem britisch-französischen Teilungsplan mit der Zusicherung abgekauft, ihm bei Friedensschluss das Dardanellengebiet und die Verwaltung bzw. Oberherrschaft über Armenien und Ostanatolien zuzusprechen. Dass London den größten Teil der erhofften Beute beanspruchte, akzeptierten beide Partner. Schliesslich mussten die Briten die Hauptlast des Krieges im Nahen Osten ertragen. Am 16. Mai 1916 unterzeichneten die Verhandlungsführer das streng geheime Abkommen. In der Mehrzahl der zwölf Punkte des Vertrages werden die Territorien in zwei Zonen, ?A? und ?B? aufgeteilt und die beabsichtigte Nutzung der Mittelmeerhäfen vereinbart. Im einzelnen heisst das :
Mesopotamien [heute Iraq], Transjordanien [Heute Jordanien] und die Arabische Halbinsel werden zu britischem Einflussgebiet erklärt. Kilikien [Heute Südwestanatolien] und Syrien, ausgenommen der südlichste Teil [Heute Palästina]
Sowie die Erdölregien von Mossul [die sich die Briten dann später doch unterstellten] sollen von Frankreich beherrscht werden. Das Abkommen enthält ausserdem Festlegungen zur Weiterführung der Bagdad-Bahn und Zollfragen.
Die Eigentümer der Territorien, die Araber, wurden nicht konsultiert.Zwar erklärten Großbritannien und Frankreich in der Einleitung des Vertrages, sie seien ?darauf vorbereitet, einen unabhängigen arabischen Staat oder eine Konförderation arabischer Staaten anzuerkennen und Schutz zu gewähren.? Doch die möglichen Grenzen eines solchen Staates oder Staatenverbandes sucht man im Vertragstext wie auch auf den dazugehörenden Landkarten vergeblich. Kein wunder, denn ?während Sykes in Paris und Petersburg verhandelte?, schreibt die amerikanische Publizistin Barbara Tuchmann, ?tauschte Sir Mac Mahon[zu dieser zeit Britischer Hochkommissar für Ägypten] Briefe mit dem Groß-Scherif von Mekka, Hussein, aus. Während er dem Scherif Souveränität versprach, wurden die ihm zugesagten Territorien in dem Abkommen unter den Alliierten verteilt.? Schliesslich enthält das Abkommen auch noch die Festlegung, dass eine dritte, sehr kleine Zone im Süden Syriens, nämlich Palästina, einer Internationalen verwaltung unterstellt werden soll, ?über deren Form noch zu entscheiden sei?.
Das waren Nachkriegspläne, die vom Sieg der Alliierten im Ersten Weltkrieg ausingen. Doch den galt es im Nahen Osten noch zu erkämpfen. Dschemal Pascha, osmanischer Militärgouverneur für Syrien und Mitgleid des Jungtürkischen Triumvirats, liess keinen Zweifel daran, dass die Osmanische Armee, nun mit deutscher Hilfe, ein zweites Mal versuchen werde, den Suezkanal zu überqueren und damit zu sperren. Zugleich verstärkte er die Verfolgung arabischer Nationalisten.
Die Araber hatten am Vorabend des Ersten Weltkriegs mit der Jungtürkischen Revolution, deren Führer Im Siegesrausch ihre Nationalistische Grundhaltung vergaßen und die Verbrüderung aller Osmanen verkündeten, ihre nationale Identität neu entdeckt. Arabische Gesellschaften und Vereine aktivierten Ihre Tätigkeit. Forderungen nach einer Autonomie der Arabischen Gebiete tauchten auf. Doch als die Jungtürken schon bald ihre Idee von einem modernisierten Osmanischen Reich wieder aufgaben und zu Ihrer Nationalistisch-Chauvinistischen grundposition zurückkehrten, begannen sie jede Regung des abrabischen Nationalismus erbarmungslos zu verfolgen. Ihre Konzeption sah neben der Vernichtung oder Zumindest vertreibung der Christlichen Minderheiten, der Griechen und Armenier, die Türkisierung der muslimischen Kurden und Araber vor. Also ?wurden die arabischen Abgeordneten fortgejagt, die arabischen Bünde verboten, die arabischen Notabeln geächtet. Arabische Kundgebungen und die Arabische Sprache wurden von Enver Pascha noch rücksichtloser unterdrückt als früher von (Sultan) Abdulhamid.?[T.E.Lawrence]
Als die Erste Osmanische Suez-Offensive gescheitert war, ließ Dschemal Pascha frankophile Persönlichkeiten und arabische Nationalisten reihenweise aufhängen. Öffentlich gemacht wurden freilich nur wenige Hinrichtungen, zumeist als Kriegsgerichtsurteile. So meldeten am 28. September 1915 mehrere Nachrichtenagenturen aus Beirut : ?Vom Kriegsgerich wurden 13 Todesurteile ausgesprochen wegen Teilnahme an einem Komplott, das die Schaffung eines unabhängigen arabischen Staates unter dem Protektorat Englands bezweckte.?
Doch die Araber gaben nicht auf. Druck erzeugt Gegendruck. Je Schärfer due verfolgung wurde, um so schneller verwandelte sich ihr nationales Bekenntnis, ihr ethnischer Nationalismus in wütenden Hass gegen die Unterdrücker. Die Arabischen Gesellschaften existierten im Untergrund weiter. In Mesopotamien bildete sich eine geheime Bruderschaft, die fast nur aus arabischen Offizieren der Osmanischen Armee bestand und Vorbereitungen zum bewaffneten Aufstand traf. Zentrum des Arabischen Widerstands wurde jedoch die Scherifenfamilie [nachkommen der familie Mohammeds] in Mekka. Mit Ihrem Oberhaupt, dem Großscherifen Emir Hussein, führte Sir Mac Mahon, seit 1915 den schon erwähnten geheimen Briefwechsel. Der Emirwar 1909 von den damals noch liberalen Jungtürken zum Hüter der heiligen Stätten im Hedschas, dem südöstlichen Teil des heutigen Saudi-Arabiens entlang der Küste des Roten Meeres, bestellt worden. Inzwischen jedoch galt er als Kandidat für ein eigenes arabisches Khalifat und war der Aufforderung des Osmanischen Khalifen, den heiligen Krieg gegen die Entente-Mächte auszurufen, nicht gefolgt. Im Gegensatz zu anderen arabischen Führern wollte er nicht am Osmanisch-Islamischen Loyalitätenverbund festhalten. Über seinen Sohn Faisal, den späteren König von Syrien, unterhielt er enge Kontakte zu den arabischen Geheimgesellschaften in Syrien und Mesopotamien. Daher sahen die Briten in ihm den geeigenten Partner zum Aufbau einer arabischen Befreiungsarmee. Hussein - entschlossen, Arabien aus dem Osmanischen Reich herauszulösen und sich nicht mit einer Autonomie zu begnügen - stützte sich in seinen Vorverhandlungen mit Mac Mahon auf das sogenannte Damaskus-Protokoll. Darin hatten die wichtigsten arabischen Geheimgesellschaften die Grenzen eines künftigen unabhängigen arabischen Reiches skizziert. Es sollte mit Ausnahme von Ägypten und Aden ganz Arabien umfassen. Doch Mac Mahon machte, nachdem er London konsultiert hatte, eine Einschränkung : Die Gebiete von Mersin und Iskenderum sowie die Teile von Syrien, die ?westlich der Distrikte von Damaskus, Homs, Homa und Aleppo liegen? (im wesewntlichen der Libanon), könnten nicht als rein arabisch gelten und müßten deshalb ausserhalb der geforderten Grenzen bleiben.? Ansonsten stimmte Mac Mahon zu.
Überhaupt nicht erörtert wurde freilich der künftige Status eines anderen wichtigen Teils Arabiens, des Wahabiten-Reiches (streng-gläubige Islamische Sekte) und einiger Sultanate am Persischen Golf, in denen die Briten bereits Stützpunkte unterhielten. Diese Territorien lagen jedoch ausserhalb des osmanischen Hoheitsgebietes und waren daher nicht gegenstand des Briefwechsels gewesen. Es blieb auch keine zeit mehr, dieses Problem noch in die Verhandlungen einzubeziehen. Dschemal Pascha war der deutsche General von Falkenhayn zugeteilt worden, der die Vorbereitungen für einen Zweiten Angriff auf den Suez-Kanal forcierte. Zugleich verstärkten die Osmanischen Behörden die Jagd auf die Mitglieder der arabischen Geheimgesellschaften. Sie drohte die arabische Befreiungsbewegung bis zur Bedeutungslosigkeit zu dezimieren. Da ausserdem das osmanische Oberkommando eine Verstärkung der türkischen Garnison in Medina in Marsch setzte, entschlossen sich die Britische Regierung und die Arabische Führung, mit einer gemeinsamen militärischen Operation zu beginnen, obwohl in den Verhandlungen die territorialen Probleme noch nicht vollständig geklärt waren. Hussein ging notgedrungen mit den strittigen Grenzfragen ein politisches Risiko ein. Ihm blieb jedoch die Hoffnung, sie durch Waffenglück zugunsten der arabischen Bewegung zu entscheiden.
Das britische Oberkommando hatte mit der Vorbereitung und Organisation der militärischen Zusammenarbeit mit Hussein und seinen Söhnen Faisal und Abdullah (späterer König von Transjordanien) einen Reserveoffizier beauftragt, den Stabshauptmann Thomas Edward Lawrence. Er war Archäologe von Beruf und von der Figur her eigentlich zu klein für den aktiven Armeedienst. Doch wegen seiner hervorragenden Arabien-Kenntnisse, einschliesslich der Sprache, und seiner Fähigkeit, sich nicht nur wie ein Beduine zu kleiden, sondern auch zu leben, wurde er sehr schnell zur Schlüsselfigur für den ?Aufstand in der Wüste?, eben zu jenem bald schon berühmten ?Lawrence of Arabia?. Sein Einfluss auf Hussein und Faisal, der als arabischer Befehlshaber die Wüstenkrieger führte, trug entscheidend dau bei, dass der Aufstand am 6. Juli 1916 begann. Einem Stammesführer, der zu bedenken gab, dass man gegen moslemische Brüder kämpfen müsse, beschied Hussein - von einem ?Nachkommen Mohammeds? nicht unbedingt zu erwarten - : ?Wir sind zuerst Araber und dann Moslems!?
Zunächst wurden die kleinen türkischen Garnisonen am Roten Meer überrannt oder eingeschlossen. Dann unterbrachen die Wüstenkrieger, verstärkt durch britische Sprengstoffexperten, und hin und wieder unterstützt von britischen Flugzeugen aus Ägypten, die Hedschas-Bahn. Von den Türken von 1900 bis 1908 als Verbindung zwischen Damaskus und Medina für den osmanischen Nachschub zum Roten Meer.
Die zumeist auf Partisanenart durchgeführten Operationen halfen den Briten
im August 1916, den zweiten osmanischen Angriff auf den Suez-Kanal erfolgreich abzuwehren.
Zwei Monate später erklärte sich Gross-Scherif Hussein zum ?König von Arabien?. Doch der größte, osmanisch beherrschte Teil Arabiens war bereits dreieinhalb Monate zuvor im geheimen Sykes-Picot-Abkommen zwischen Großbritannien und Frankreich aufgeteilt worden. Daher erkannte London Hussein nur als ?König des Hedschas? an. Obwohl der anhaltende Kleinkrieg der Beduinen unter der Führung von Faisal und Lawrence es der britischen Ägypten-Armee schliesslich ermöglichte, ihre ende Oktober 1917 begonne Offensive bis nach Jerusalem vorzutragen, dachten weder London noch Paris daran, den arabischen Traum von einem Großreich zu erfüllen. Im Gegenteil. Getreu dem Motto ?Teile und herrsche!? hielt London während des Krieges engen Kontakt mit Ibn Saud, dem Herrscher des Wahabiten-Staates am Persischen Golf und kaufte seine probritische Neutralität für die Jährliche Zahlung von 60 000 Pfund Sterling. Es ermunterte ihn sogar, 1921 das Hinterland des Hedschas, den Dschebel Schamar zu erobern und sah tatenlos zu, als er 1924/25 auch noch den Hedschas seinem Reich einverleibte und Hussein vertrieb. 1927 erkannte Großbritannien die Souveränität Saudi-Arabiens an. Seine Herrscher mußten sich jedoch dazu verpflichten, ?die besonderen Beziehungen? Londons zu den kleineren arabischen Staaten am Golf und den Aden-Protektoraten zu respektieren.
Doch kommen wir zum letzten Kriegsjahr, 1918, zurück :
Die Araber fühlten sich ?verraten und verkauft?. Sie begriffen, dass London mit Ihnen ein doppeltes Spiel getrieben hatte: Das Sykes-Picot-Abkommen und Ihr ?Aufstand in der Wüste? mit den dazu gegebenen Versprechungen waren zwei Seiten ein und derselben Medaille! Selbst Thomas Edward Lawrence - inzwischen Oberst und ?Sir? - , der die Tatbestände und Zusammenhänge bestens kannte und sich wohl deshalb beim Friedensschluss zum Anwalt der Araber machte, spricht in seinem Buch: ?Die Sieben Säulen der Weisheit? von vorsätzlicher Täuschung : ? Von Anfang an war es klar, dass diese Versprechungen im Falle unseres Sieges nur Papier sein würden; wäre ich ein aufrichtiger Berater der Araber gewesen, dann hätte ich ihnen geraten, nach Hause zu gehen und nicht Ihr Leben für so etwas zu riskieren.? Mark Sykes hingegen wurde nicht von solchen Gewissensbissen geplagt. Er stand noch immer - wie urpsrünglich auch Lawrence - im banne der Vision von der ?Wiedergeburt des (Nahen) Ostens?. Er war davon überzeugt, dass nun, da die alle nationalen Regungen erstickende osmanische Herrschaft zusammenbrach, die alten Völker Isreal uns Ismael ihr Land uns sich Selbst erneuern würden. Daher nahm er sich auch der Sache der Zionisten an. ?Vielleicht ist es das Schicksal des jüdischen Volkes?, erklärte er 1917, ?die Brücke zwischen Asien und Europa zu sein, um Europa die Spiritualität Asiens und Asien die Vitalität Europas zu bringen.? Sykes erlebte nicht mehr, wie die semitischen Brüder Israel und Ismael zu Feinden wurden und nicht die gegenseitigen Bereicherungen entwickelten, sondern zum gegenseitigen Terror griffen. Während der Pariser Friedenskonferenz erkrankte er schwer und starb nach nur 5 Tagen.
Gut 14 Monate nach der Balfour-Erklärung, am 8. Januar 1918, verkündete der Amerikanische Präsident Woodrow Wilson sein 14-Punkte Programm für eine demokratische Nachkiegsordnung, in dem allen Völkern die Selbstbestimmung zugesichert wird. Im Frieden von Brest-Litowsk verpflichtete sich am 3. März deselben Jahres die russische Revolutionsregierung, künfitg auf alle Annexionen zu verzichten, so wie es schon Anfang November 1917 - übrigens fast zeitgleich mit der Balfour-Erklärung - der zweite Allrussische Sowjetkongress in seinem ?Dekret über den Frieden? gefordert hatte. Paris und London bemühten sich deshalb, ihre Absicht, den arabischen Nahen Osten de facto zu annektieren, nicht offenkundig werden zu lassen. Kurz nach dem Abschluss des Waffenstillstands mit dem Sultan, am 30.Oktober, wandten sie sich am 7. November mit einer gemeinsamen Erklärung an die Bevölkerung der nun von Ihren Truppen besetzten Gebiete des Osmanischen Reiches, also auch Palästinas. Darin sichern sie ihr ?vollkommene Gleichberechtigung und freie Wahl nationaler Regierungen? zu. Die Araber schöpften neue Hoffnung. Sie forderten, allen ehemals osmanischen Untertanen arabischer Nationalität - nicht nur denen im Hedschas, Königreich Husseins - nationale Unabhängigkeit zu gewähren und verwiesen auch auf das von Wilson proklamierte Selbstbestimmungsrecht. London reagierte mit einem Ausweichmanöver: Es bekannte sich zwar zum Selbstbestimmungsrecht, aber nicht zu dem der Araber, sondern zu dem der Juden. Um ihr Bestreben, Palästina in ein britischen Protektorat zu verwandeln, nicht als Annexionspolitik erscheinen zu lassen, erklärte die Londoner Regierung, mit der Unterstützung für eine jüdische Heimstätte wolle sie lediglich helfen, das Selbstbestimmungsrecht des jüdischen Volkes zu verwirklichen.
Wie schon festgestellt, waren die Araber zunächst durchaus bereit, jüdische Siedler aufzunehmen und sogar beim Aufbau eines jüdischen Gemeinwesens mitzuwirken. T.E. Lawrence war es gelungen, Prinz Faisal als Vertreter des Königreiches Hedschas und Professor Dr. Weizmann als Vertreter der Zionistischen Union während der Friedensverhandlungen in Paris an einen Tisch zu bringen. Sie sprachen über die künftige Gestaltung Palästinas und unterzeichneten Anfang Januar 1919 in London ein Abkommen über freundschaftliche Zusammenarbeit: ?Mit Hinsicht auf die Rassenverwandschaft und Bindungen zwischen den Arabern und dem jüdischen Volk, unter Verständnis dessen, dass es das sicherste Mittel zu Verwirklichung ihrer gemeinsamen nationalen Ziele ist, in enger Zusammenarbeit bei der Entwicklung des Arabischen Staates und Palästinas zu wirken. Ausserdem wünschen sie, das gute Einvernehmen zu festigen, das zwischen Ihnen herrscht, und haben darum folgende Artikel beschlossen.? So die Einleitung zu den neun Punkten des Vertrages. Sie bestimmen eine gemeinsame Festlegung der Grenzen Palästinas, die Beachtung der Balfour-Erklärung bei der Ausarbeitung der Verfassung und dem Aufbau der Verwaltung des Territoriums, die Förderung der jüdischen Einwanderung, die Wahrung der rechte der arabischen Landbesitzer und Bauern, den Schutz der Würdenträger aller Religionen, die freie Ausübung aller zivilen und politischen Rechte unabhängig vom religiösen Bekenntnis, die jüdische Unterstützung für den arabischen Staat bei der Nutzung seiner Bodenschätze und der Enwicklung seiner Wirtschaft sowie die Aufsicht der Moslems über ihre Heiligen Stätten. Hinzugesetzt wurde ein handschriftlicher Hinweis Feisals, dass er das Abkommen erst dann in Kraft treten lassen könne, wenn die Araber die von Großbritannien eingeforderte uneingeschränkte Unabhängigkeit erlangt hätten.
Mit dem ?arabischen Staat?, von dem die Rede ist, war offenbar Syrien gemeint, wo Faisal bereits eine provisorische arabische Verwaltung eingerichtet hatte, nachdem er im Oktober 1918 ab der Spitze der arabischen Kampfverbände in Damaskus eingezogen war. Was Palästina als künftige jüdische ?Heimstätte? angeht, so weist die Bestimmung, dass dessen Grenzen gemeinsam festgelegt werden, darauf hin, dass nur ein Teil Palästinas dafür vorgesehen wurde. Denn nach der damaligen Lesart und so auch von den Osmanen verwaltet, war Palästina ein Bestandteil Syriens. Aus anderen Vertragsbestimmungen ergibt sich, dass dieser ?Heimstätte?-Teil als eigenständiges binationales Gemeinwesen, jedoch wirtschaftlich eng verbunden mit Syrien entstehen sollte. Offen blieb freilich, ob als autonomes Gebiet innerhalb oder ausserhalb der syrischen Grenzen. Wie auch immer, eine solche Konstruktion bedeutete ein beachtliches Zugeständnis Feisals, weniger an die Zionisten als vielmehr an deren ?Schutzpatron?, die britische Regierung, zu der er die bisher - trotz des Ausbleibens der geforderten Zusage einer unbeschränkten Unabhängigkeit - noch immer guten Beziehungen offenbar erhalten wollte.
Beachtenswert ist noch, dass sich die arabischen Führer stets, wie auch in diesem Fall wieder, mit ihren Forderungen an London und nicht an Paris wandten. In der britischen Regierung sahen sie wegen dem Ihnen 1916 gegebenen Unabhängigkeitsversprechen offenbar den Hauptschuldner. Als Frankreich im März auf der Pariser Friedenskonferenz 1919 seinen Anspruch auf Syrien anmeldete, formierte sich nach Teilwahlen ein ?Allgemeiner Syrischer Kongress?, der die sofortige Unabhängigkeit Syriens einschliesslich des Libanons und Palästina verlangte. Mitglieder einer inter-alliierten Komission (King-Crawe Kommission), die wegen des syrischen Widerstandes gegen den französischen Anspruch das Land bereisten, empfahlen im August 1919 der Friedenskonferenz, die Einheit Syriens unter Einschluss Palästinas zu wahren, das zionistische Programm einer unbeschränkten Einwanderung zu ?modifizieren? und ein Mandat für Syrien, das der am 14. Februar 1919 gegründete ?Völkerbund? (55 Staaten) während der Friedenskonferenz vergeben sollte, keinesfalls Frankreich zu übertragen. Aber London wollte sich nicht gegen Paris stellen. Beide sorgten dafür, dass die Empfehlung unter den Tisch fiel. Daraufhin kam es im März 1920 zu Unruhen in Syrien. Der ?Allgemeine Syrische Kongress? erklärte ohne Zustimmung der Alliierten die Unabhängigkeit des Landes und wählte Deisal zum König eines ?Vereinten Königreiches von Syrien?. Das Adjektiv ?Vereinigtes? sollte weniger auf Zugehörigkeit des Libanons und Palästinas hinweisen als vielmehr die Chance oder die Hoffnung auf eine Vereinigung Syriens mit dem im Süden am Toten Meer und am Sinai angrenzenden Königreich Hedschas zu dem erträumten grossarabischen Reich offenhalten. Wenige Wochen später, vom 19. bis 26. April, einigten sich in San Remo die Alliierten auf der Grundlage des Sykes-Picot-Abkommens über die Aufteilung der arabischen Provinzen des Osmanischen Reiches in Mandate der Grossmächte. Frankreich nahm sich also doch Syrien (ohne Palästina) und Grossbritannien Mesopotamien (Irak). Palästina, das international verwaltet werden sollte, wurde dem ?Völkerbund? übergeben, jedoch gleich mit dem Hinweis, die Mandatur an Grossbritannien weiterzureichen.
Im Juli 1920 verwirklichte Frankreich sein Mandat mir Waffengewalt. Französische Truppen wurden gegen die Syrer eingesetzt, die heftigen Widerstand leisteten, aber schliesslich vor der Übermacht kapitulieren mussten. Paris zerschlug nicht nur das ?Vereinigte Königreich?, sondern auch das Freundschaftsabkommen, das Professor Weizmann und Feisal im Januar 1919 in London abgeschlossen hatten. Der gestürzte König sagte sich von diesem Vertrag los, ehe er in das Exil gehen musste. Eine historische Chance für eine friedliche Zukunft Palästinas war der Grossmachtpolitik geopfert worden.
Die Proteste und die Empörung der Araber richteten sich auch gegen London, weil es Paris nachgegeben und wieder einmal gegen seine Unabhängigkeitsversprechen von 1916 gehandelt hatte. Unruhe und Proteste gab es auch im ?Heiligen Land?. Die erste Einwanderungswelle (1882 - 1904) hatte aus 20 000 bis 30 000 Juden bestanden, die sich vorwiegend als Siedler der Landwirtschaft widmeten, um dem zionistischen Auftrag ?Kontakt mir dem Boden!? zu erfüllen. Die zweite Welle (1904 - 1914), 35 000 bis 45 000 Einwanderer, von denen viele sozialistisch-zionistischen Gruppen in Russland angehört hatten, kam mit derselben Orientierung nach Palästina, verwirklichte sie jedoch in einer anderen Qualität. Diese Einwanderer bauten seit 1919 auf vom ?Jüdischen Nationalfonds?,der vom fünften Zionistenkongress 1901 ins Leben gerufen worden war, gekauften Boden Siedlungen eines neuen Typs: die Kibbuzim, Genossenschaften, in denen nicht nur der Boden kollektiv bearbeitet, sondern auch das übrige Alltagsleben gemeinsam bewältigt wurde, in denen es kein Privateigentum und keine sozialen Unterschiede gab. Die genossenschaftliche Bodenbewirtschaftung schloss arabische Lohnarbeit aus. Auf die jedoch waren die duch den Verkauf der Länderein arabischer Grossgrundbesitzer, von denen die meisten gar nicht in Palästina lebten, arbeitslos gewordenen Pächter, die Fellachen, angewiesen. Die Arbeit auf dem gepachteten, nun verkauften Boden war Ihre Existenzgrundlage gewesen. Wenn sie nicht verhungern wollten, mussten sie die Kibbuzim-Gebiete verlassen. Allein im Jesreel-Tal östlich von Haifa verschwanden durch den Landaufkauf 21 arabische Dörfer. Die Zahl der jüdischen ländlichen Siedlungen vergrösserte sich von 60 im Jahr 1917 auf 272 im Jahr 1944. Der grösste Teil der palästinensischen Araber wurde auch in anderen Wirtschaftsbereichen von der Teilnahme am Aufbau einer Jüdischen Gesellschaft ausgeschlossen. Bald hiess es : ?Jüdischer Boden, jüdische Arbeit, jüdische Waren!?. Eine andere nicht zu unterschätzende Ursache dafür, dass sich allmählich die traditionelle orientalische Gastfreundschaft (?Dem Orientalen steht der Fremde näher als der Nachbar oder Verwandte. Weil er ein Fremder ist, muss man Ihn in seinem Haus, in seinem Land aufnehmen.? (Sami al Joundi)) in Feindseligkeit verwandelte, lag daran, dass mit der jüdischen Masseneinwanderung in Palästina zwei völlig gegensätzliche Welt(en)-anschauungen aufeinanderprallten: ?Für die noch weltlicher orientierten Zionisten der zweiten Einwanderungswelle lag das Heil im Aufbau ihrer neuen, hochmodernen, westlich-europäischen orientierten Gemeinschaft. Schlimmer noch: Die Männer und Frauen der zweiten zionistischen Einwanderungswelle, besonders die Frauen, kleideten sich modern und freizügig. Auch die sexuelle Freizügigkeit wirkte wie eine Provo0kation für gläubige Muslime.? Die Hinwendung dieser Gruppe Einwanderer zum Marxismus, den sie mit dem Zionismus zum ?Sozialistischen Zionismus? vermischten, wurde ebenfalls als Provokation empfunden. ?Kurzum: Das alles beunruhigte die vor-modernen, eher traditionalistischen und in der Regel tief religiös-islamischen Palästinenser. Sie spürten instinktiv, dass Gefahr im Verzug war. Und bald wehrten sie sich auch mit Waffengewalt.?[M. Wolffsohn] Aber der arabische Widerstand begann friedlich. Schon am ersten Jahrestag der Balfour-Erklärung, am 2. November 1918, kam es zu ersten Protestdemonstrationen. Im Laufe jenes Jahres enstanden ?Muslimisch-christliche Vereinigungen?, die Anfang Februar 1919 in Jerusalem den ersten ?Arabisch-Palästinensischen Kongress? abhielten. Seine Teilnehmer schickten ein Protesttelegram gegen die Balfour-Deklaration an die Pariser Friedenskonferenz und verlangten, keine Entscheidung über Palästina zu treffen, ohne vorher die Bevölkerung gehört zu haben. Es folgte eine ganze Serie von Demonstrationen für die Einheit Syriens (gegen die Abtrennung des Libanon und Palästinas) und gegen die zionistische Masseneinwanderung. Im Februar 1920 überfielen dann zum ersten Mal arabiche Palästinenser Siedlungen jüdischer Kolonisten. Bei der Verteidgung der Siedlung Tel Chai im Norden des Landes fielen acht Kolonisten. Im April schliesslich kam es in Jersualem zu blutigen Unruhen, die jedoch von britischen Truppen, die nach dem Sieg über die Osmanen im Land geblieben waren, schnell niedergeschlagen wurden. Ende Juni 1920 löste London die britische Militäradministration auf und setzte ab 1. Juli eine Zivilverwaltung für Palästina ein, an deren Spitze als Hochkommissar der jüdische Brite, Herbert Samuel, berufen wurde. Sie sollte als Organ der britischen Regierung das Mandat ausüben, das freilich der Völkerbund erst zwei Jahre später, am 24. Juli 1922, bestätigte und das wegen der Verzögerung beim Abschluss des Friedensvertrages mit der Türkei erst im September 1923 Rechtskraft erlangte. Mit der Aufnahme der Tätigkeit der britischen Mandats-Verwaltung wurde die Abtrennung Palästinas von Syrien (dessen Mandatsmacht Frankreich war) vollzogen, die bis dahin nicht nur die palästinensischen, sondern die Araber aller Länder im Nahen Osten - ausgenommen Saudi-Arabien und einige kleine Fürstentümer am Golf - zu verhindern versucht hatten. Der zugleich veröffentlichte Text des Mandatsauftrages enthielt die Verpflichtung, die Balfour-Deklaration zu verwirklichen. Diese Londoner Absichtserklärung erhielt dadurch den Charakter eines völkerrechtlich verbindlichen Dokuments. Eine Welle der Empörung überflutete die arabischen Länder, gemischt mit tiefer Enttäuschung, vor allem veu den Arabern Palästinas. Sie hatten gehofft, dass an die Stelle der aufgelösten Militäradministration eine arabische oder zumindest doch eine arabisch-jüdische Verwaltung treten würde. Aber im Text des Mandatsauftrages wurden Araber nicht einmal erwähnt. Da war ausser von Juden nur von ?verschiedenen Völkern und Gemeinden? die Rede. Obwohl die Verantwortlichen dafür, die ?Schuldigen?, die Briten waren, richtete sich der Zorn der arabischen Palästinenser, wie auch bei späteren Anlässen, weniger gegen sie als vielmehr gegen die Juden. Erneut überfielen Araber zionistische Siedlungen und bedrohten jüdische Familien in Jaffa und Jerusalem. Den Unterschied zwischen Zionisten und Juden, den sie zur Zeit der ersten beiden Einwanderungswellen noch gemacht hatten, gab es für viele Araber nun nicht mehr. Nicht die Mandatsmacht, den Verursacher ihrer misslichen Lage, hatten sie im Alltag immer wieder vor ihren Augen, sondern die Juden. Und der Aufbau einer nach zionistischen Idealen gestalteten jüdischen Gesellschaft griff direkt in Ihr Leben ein.
?Vor dem Mandat hatte es im Land weder grössere arabische Industriebetriebe noch nennenswerte Finanzindustrie gegeben. Während des Mandats verhinderte die potente jüdische Konkurrenz die Entwicklung dieser beiden Bereiche. Das Bankwesen kam, soweit es sich um Inländische Firmen handelte, ganz in jüdische Hände, das arabische Gewerbe (von einer regelrechten Industrie kann man im arabischen Sektor nicht sprechen) entwickelte sich zwar quantitativ, blieb aber in jeder Hinsicht weit hinter der jüdischen Industrie zurück. Die Löhne arabischer Arbeiter waren in der Regel viel geringer als die gleich qualifizierter jüdischer Arbeiter. Die Histradut, der zionitische Gewerkschaftsverband, verfolge eine rigorose Verdrängungs- und Boykottpolitik gegenüber Arabischen Arbeitern: aus jüdischen Betrieben versuchte man sie ganz herauszuhalten,aus anderen Unternehmen und dem Öffentlichen Sektor soweit wie möglich zu verdrängen.?(A. Flores)
London sah, dass sich die Lage in Palästina zuspitzte und versuchte, die Situation mit einem Schachzug zu entspannen, vor allem dem Arabischen Widerstand den Wind aus den Segeln zu nehmen: Im März 1921 zauberte Kolonialminister Winston Churchill einen neuen arabischen Staat aus dem Hut, und zwar auf palästinensischem Boden. Dazu trennte London - der Mandatsvertrag (Artikel 26) gab ihr das Recht dazu - von Palästina vier Fünftel ab, nämlich den östlich des Jordan gelegenen grössten Teil des Landes, der im Osten bis in die mesopotamische Wüste hinein ragt und im Norden bis zum See Genezareth sowie im Süden bis zum Golf von Akaba reicht. Ein Jahr später erklärte die britische regierung dieses Territorium zum selbstständigen Emirat Transjordanien. Nicht offiziell, aber hinter vorgehaltener Hand, hiess es nun: jetzt haben doch die Palästinenser ihren eigenen Staat und so gut wie ohne Juden (es gab nur eine jüdische Siedlung am See Genezareth). Doch damit nicht genug. Die britische Regierung versuchte gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Den neuen Staat gab sie Abdullah, dem jüngeren Sohn des inzwischen von Ibn Saud vertriebenen König von Hedschas, Grossscherif Hussein, dem sie 1916 ein unabhängiges arabisches (Gesamt-) Reich versprichen, aber nicht ermöglicht hatte. Zwar war Transjordanien, schon weil es Bestandteil des Mandats blieb, kein vollwertiger Ersatz, aber immerhin sass auf dem Wenn auch nicht ganz so prachtvollen Thron des Emirs ein Sohn des Alten Königs. London musste sich gut stellen mit der Familie des Grossscherifs, weil Faisal, der Bruder Abdullahs, den die Franzosen aus Damaskus vom Königsthron verjagt hatten, sich gerade anschickte, die Führung des arabischen Widerstands gegen die Mandatspolitik Frankreichs, aber auch Grossbritanniens zu übernehmen. Und da es nicht nur in Palästina, sondern auch in Mesopotamien, dem zweiten britischen Mandatsgebiet, immer wieder zu Unruhen kam, auch dort die Araber Unabhängigkeit forderten, bot die britische Regierung ihrem einstigen Verbündeten, der mit T.E. Lawrence den ?Aufstand in der Wüste? zum Erfolg geführt hatte, einen Königsthron in Bagdad an. Faisal nahm an. Alles schien geregelt!
Aber die Rechnung ging nicht auf. Faisal dachte nicht daran, die antibritischen Proteste im Irak zu unterbinden, und die Palästinenser durchschauten Churchills Staatsgründungsmanöver. Ihre Mehrheit lebte schliesslich seit fast anderthalb Jahrtausenden zwischen Mittelmeer und dem Jordan und nicht in den fast menschenleeren Wüsten Transjordaniens. Ihre Heimat lag diesseits des Jordans. Ausserdem war das neue Emirat nicht jener souveräne arabische Staat, den man Ihnen versprochen hatte. Solange die Briten ihr Mandat ausübten, blieb er nicht viel mehr als eine Halbkolonie. Empörung auch bei den Juden Palästinas. Dass Ihnen von London zugesagte Territorium für eine ?Heimstätte? war plötzlich stark geschrumpft. Die Zionisten, von denen einige schon von einem Gross-Isreal träumten, beklagten ?die erste Teilung Palästinas?. Die Araber, die sich erneut betrogen fühlten, fürchteten, dass sie aus dem kleiner gewordenen Palästina noch schneller herausgedrängt werden könnten als aus dem Territorium mit den alten Grenzen. Sie gingen zu größeren Gewaltaktionen über. Im Mai 2922 kam es in Jaffa zu den bis dahin blutigsten pogromartigen Unrugen. 47 Juden, aber auch 48 Araber starben. Mehr als 200 Menschen wurden verletzt. Die Mandatsverwaltung beendete die Ausschreitungen durch den Einsatz des Militärs. Kurz danach ernannte sie - offenbar um Beruhigung bemüht - den 25-jährigen Aminn al-Husseini, der ein Jahr zuvor als ?Anstifter? von Unruhen zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, zum Großmufti von Jerusalem und zum Präsidenten des Obersten Moslemsrates. Um zu demonstrieren, dass sie nicht einseitig für die Zionisten Parter nehmen, veröffentlichten die Briten im Juni 1922, nur wenige Wochen nach den Unruhen in Jaffa, ein Weissbuch, in dem die Begrenzung der jüdischen Einwanderung nach Palästina gefordert wurde, weil sie die ?wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes? überbeanspruchen könne. Und zum ersten Mal wird darin festgestellt,dass ?Palästina nicht als Ganzes? zur jüdischen ?Heimstätte? werden soll. Ausserdem müsse ein ?Gesetzgebungsrat? von der (ganzen) Bevölkerung gewählt werden, also ein bi-nationales Organ und für ein bi-nationales Gemeinwesen. Das war eigentlich die Idee, die seinerzeit dem Londoner Abkommen von Weizmann und Faisal zugrunde lag, die aber Weizmann und andere führende Zionisten längst aufgegeben hatten. Trotzdem war das alles zusammen als Stellungnahme der britischen Regierung neu, fast sensationell, weil ein halber Rückzug. Doch wie man es auch beurteilt, eins war es ganz bestimmt: ein Beispiel für jene Schaukelpolitik, mit der Grossbritannien versuchte aus der Sackgasse des Palästina-Mandats herauszukommen, in die es sich in imperialer Selbstüberschatzung mit Versprechungen an beide Seiten hineinmanövriert hatte. Die Zionisten waren natürlich empört und verärgert, ?blieben aber in der Defensive, weil sie damals noch viel zu schwach für den Angriff (auf wen auch immer) waren. Sie mussten zeit gewinnen, damit mehr Menschen kamen, die halfen, ihre Position zu stärken.? (M. Wolffsohn) Das war in den Zwanziger Jahren tatsächlich die grösste Sorge der Zionisten. Denn Während des Ersten Weltkrieges war die ?Jischuw?, die jüdische Bevölkerungsgruppe in Palästina, von 85 000 auf 56 000 zusammengeschmolzen und betrug nur etwa 8 Prozent der Gesamtbevölkerung. Um jedoch die jüdische ?Heimstätte? in einen jüdischen Staat umwandeln zu können - und dies Ziel der Zionisten wurde mehr oder weniger offen ausgesprochen - , mussten wenigstens 30 bis 40 Prozent erreicht sein. Auch die dritte Einwanderungswelle brachte noch keine spürbare Veränderung. Es kamen sogar etwas weniger Immigranten als mit der zweiten Welle gekommen waren, etwa 35 000. Wieder zumeist junge Leute, zionistisch orientiert auf die Ansiedlung als Landwirte, zum grossen Teil auch schon darauf vorbereitet, dafür ausgebildet. Und sie bauten ihre Kibuzzim als Wehrdörfer auf. Yigael Allon, Mitbegründer eines Kibuzz, später General und Minister, schreibt in seinen Memoiren: ?Der Siedlungsort wurde nicht nur in Anbetracht seines wirtschaftlichen Potentials gewählt, sondern auch (und oft hauptsächlich) im Hinblick auf seine Verteidigungsmöglichkeiten, die allgemeine Siedlungsstrategie (Schaffung einer jüdischen politischen Präsenz in allen Teilen des Landes) und die Rolle ganzer Siedlungsblöcke in einem kommenden, möglicherweise entscheidendenm Kampf.?
Die vierte ?Alija? (hebräisch ?Aufstieg? als Bezeichnung für die Einwanderungswellen) von 1924 bis 1931 brachte wesentlich mehr Einwandere nach Palästina als jede der vorangegangenen, nämlich etwa 80 000. Und zum ersten Mal kamen, neben Landwirtschafts-Pionieren n größerer Zahl auch Kleinhändler, Geschäftsleute und Handwerker. Ihre Aktivität führte zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, vor allem in den städtischen Zentren der ?Jischuw?. In Schwung kam ebenfalls die zionistische Kampagne zu Einführung eines modernisierten Hebräisch als Umgangssprache. Zum ersten Höhepunkt dieser Aktion wurde die Eröffnung der ersten Hebräischen Universität am 1. April 1925 in Jerusalem. Dazu war hoher Besuch aus London gekommen. Lord Balfour persönlich gab sich die Ehre. Geschützt von einem grossen Militäraufgebot, war er am 25. März zu einem mehrtägigen Aufenthalt in Palästina eingetroffen. Die nationale Führung der arabischen Palästinenser hatte zur Arbeitsniederlegung im ganzen Land aufgerufen. Der Aufruf wurde fast überall befolgt. Und so blieben auch am 1. April, am Tag der festlichen Universitätseröffnung, in Jerusalem die (zumeist arabischen) Geschäfte geschlossen. Zu Unruhen kam es nicht, die Proteste blieben friedlich.
Das änderte sich jedoch in der zweiten Jahreshälfte. In der jüdischen Landwirtschaft und Bauindustrie bahnte sich eine Krise an, die nicht nur Einwanderer, sondern auch einheimische Araber arbeitslos machte. Denn in beiden Wirtschaftszweigen, aber vor allem in den Baubetrieben, hatte man - unter Mißachtung des zionistischen grundsatzes ?Jüdische Arbeit nur für Juden? - begonnen, arabische Arbeiter zu beschäftigen, einfach wegen der niedrigeren Löhne. In einer Denkschrift, die eine arabische Delegation im November dem neuen Hohen Kommissar, General Plummer (er hatte im Mai Samuel abgelöst), überreichte, erklären die Palästinenser: ?Die jüdische Einwanderung zerstöre das wirtschaftliche Wohlergehen des Landes, steigere die Lebenskosten und die Arbeitslosigkeit und verbreite revolutionäre Ideen, gegen die die regierung einschreiten müsse (gemeint war damit der zionistische Sozialismus, wie er in den Kibuzzim praktiziert wurde) Mehr als 3000 Juden wanderten monatlich ein, die nicht sofort Arbeit finden konnten. Sie trieben sich in den Strassen herum und vergifteten die Meinung der Einwohner mit bolschewistischen Ideen. Die offizielle Anerkennung der hebräischen Sprache erhöhe die Steuerlast. Neunzig Prozent der Bevölkerung zahlten Steuern, nur damit eine Tote Sprache wiedererweckt werden könne, die weder der Regierung noch dem Lande irgendeinen Nutzen bringe. Die Gesetzgebung sei in der Hand eines führenden Zionisten, der als Generalstaatsanwalt Gesetze zugunsten der Juden in kraft setze, ohne auf die Bedürfnisse und Traditionen der Araber Rücksicht zu nehmen.?
Die Araber gingen bei der Verteidgung ihrer Rechte nicht so zielstrebig und geschlossen vor wie die Zionisten. Und sie liessen manche Chance ungenutzt. Als 1923 ein ?Gesetzgebender Rat? gewählt wurde, beykottierten sie die Wahl. Dazu aufgerufen hatte die ?Arabische Exekutive? - neben dem Obersten Moslemrat die nationale Führung der arabischen Palästinenser - , weil sie fürchtete, die Teilnahme an der Wahl könne als Akzeptierung der Balfour-Deklaration ausgelegt werden. Sie lehnte auch die von London vorgeschlagene Bildung einer ?Arab Agency? als Pendant zur ?Jewish Agency? ab, die der Mandatsvertrag von 1922 vorsah, dann aber doch erst 1929 gegründet wurde.
Zwar wehrten sich immer noch arabische Bauern gegen den Aufkauf von Land, weil sie damit oftmals ihre Pacht-und Weiderechte verloren. Es kam dabei weiter zu bewaffneten Auseinandersetzungen und zu Überfällen auf jüdische Siedlungen. Aber der gesamtpalästinensische Widerstand liess in der Mitte der Zwanziger Jahre etwas nach. In der Nationalbewegung gab es Notabeln, die sich arrangieren, vielleicht sogar ein Amt wollten. Und es entwickelte sich dei Rivalität der sogenannten ?grossen Familien?, der Clans der Grossgrundbesitzer, Handelsherren und Intellektuellen. So bildete sich z.B. eine Opposition gegen die Familie Husseini, aus der auch der Grossmufti stammte. Bis 1928 fand kein arabischer Kongress mehr statt. Und als er nach fünfjähriger Unterbrechung im Juni 1928 einberufen wurde, verzichtete er auf die Forderung nach völliger Unabhängigkeit und auch auf die eigentlich obligatorische Verurteilung der Balfour-Deklaration. Dafür verlangte er von London eine parlamentarische Regierung für das Mandatsgebiet und kritisierte, dass in dessen Verwaltung zu viele englische und kaum arabische Beamte sassen. Das Problem der vertriebenen Landpächter und verarmten Bauern kam gar nicht zur Sprache. Die Führende Rolle im nationalen Widerstand übernahm die moslemische Geistlichkeit. Ausgelöst durch das Eingreifen britischer Polizei bei einem jüdischen Gottesdienst an der Klagemauer, trat im Herbst 1928 der Streit um die heiligen Stätten in Jerusalem in den Vordergrund des zionistisch-arabischen Konflikts. Der Grossmufti verband sehr geschickt religiöse Aktivität mit der Demonstration nationalarabischer Gesinnung. Ohne unmittelbar politisch Stellung zu beziehen, wurde er ?zu einem Führer mit nationaler Statur?. (A. Flores) Der Mufti hatte schon vor 1928 eine Sammlung zu Instandsetzung der beiden grossen Moscheen auf dem tempelberg, des Felsendoms und der Al-Aqsa-moschee, organisiert. Sie fortzuführen und für sie zu werben - während gleichzeitig die Zionisten Anspruch auf den Tempelberg einschliesslich der Klagemauer erhoben - machte die beiden Moscheen zu Wahrzeichen des antizionistischen Widerstandes der Araber Palästinas. ?Statt der abstrakten nationalistischen Parolen von Selbstbestimmung, Mehrheitsrechten usw. hatten sie nun ein konkretes Symbol, das von den muslimischen Massen klar verstanden wurde.? (Y. Porath) Viele moslemische Araber fürchteten, dass ihre religiösen Rechte zugunsten der Juden eingeschränkt werden sollten. Die Zeitung des Grossmufti schrieb: ?Die Muslime Palästinas sind entschlossen, Leib und Seele zur Rettung ihrer religiösen Rechte zu opfern. Es ist genug, dass Ihnen ihre Nationalen Rechte gestohlen wurden.?
Diese Fixierung der Auseinandersetzung auf die heiligen Stätten ermöglichte es einerseits den Zionisten, den Kampf um Palästina als religionsbedingt darzustellen und andererseits der arabischen Führung die Wut der Massen gegen die Juden als Juden zu lenken, und nicht nur gegen den Zionismus und dessen britischen Schutzpatron. Als es fast ein Jahr später, im August 1929, an der Klagemauer zu Zusammenstössen zwischen Juden und Arabern kam, entwickelten sich daraus schwere Unruhen, die sich im ganzen Land ausbreiteten. Am 23. August rief der Grossmufti zum ?Heiligen Krieg? auf. In Jerusalem begannen blutige Strassenkämpfe, bei denen das jüdische Viertel gestürmt wurde. In Jaffa griffen die Araber ebenfalls den jüdischen Stadtteil an. Und in verschiedenen Landesteilen überfielen sie jüdische Siedlungen. Es kam auch zu Auseinandersetzungen mit der britischen Polizei. Die Revolte dauerte fast eine Woche, bis sie schliesslich von aus Ägypten herangeschafften Truppen, unterstützt von Panzerwagen und Flugzeugen, niedergeschlagen werden konnte. Die blutige Bilanz : 133 jüdische und 156 arabische Tote sowie 339 jüdische und 232 arabische Verletzte. Die Mehrzahl der arabischen Todesopfer war von britischen Soldaten und Polizisten getötet worden. Die Araber mussten erkennen, dass Grossbritannien entschlossen war, den Aufbau einer zionistischen ?Heimstätte?, wenn nötig auch mit Waffengewalt, durchzusetzen. Am 3. Juni 1930 beriet die Mandatskommission des Völkerbundes über die Unruhen. Über ein ihr vorgelegtes Memorandum der ?Ständigen syrisch-palästinensischen Delegation am Sitz des Völkerbundes? berichteten die europäischen Nachrichtenagenturen aus Genf : ?Die Besitzer des Landes seit 13 Jahrhunderten hätten das Recht, diesen Boden gegen eine unkontrollierte Einwanderung von Elementen, welche die Araber in kurzer Zeit majorisieren wollten, zu verteidigen. Und wenn es hierbei für den Frieden zu gefährlichen Zuständen komme, so trügen Grossbritannien und der Völkerbund dafür die Verantwortung.? In Ihrem Abschlussbericht kritisierte die Kommission die Britische Mandatsverwaltung, weil sie nicht rechtzeitig Gegenmassnahmen ergriffen und - das ist bemerkenswert - ?nichts für die wirtschaftliche Entwicklung der Araber? getan habe. Beanstandet wurde auch, dass sie nichts gegen de Propaganda unternommen habe, ?mit der Öffentlichkeit und Presse lange vor dem Zwischenfällen Araber und Juden gegeneinander verhetzten.? Diese Propaganda trug dau bei, die inzwischen aufgebaute Feindschaft zwischen beiden Völkern nach und nach in Hass umzuwandeln. London, das immer noch auf seinen Herrschaftsanspruch über diese Region beharrte und keine Skrupel hatte, dafür die beiden Kontrahenten auch gegeneinander auszuspielen, reagierte stets mit einer Schaukelpolitik. Nachdem ein Untersuchungsausschuss (Shaw-Kommission) als Ursache für die Revolte von 1929 enttäuschte nationale Hoffnungen der Araber und ihre Befürchtung, ?unter die Herrschaft der Juden zu geraten?, konstatiert hatte, forderte Kolonialminister Passfield in einem Weissbuch am 30. Oktober 1930, Einwanderund und Landerwerb drastisch zu begrenzen. Doch als die Zionisten heftig dagegen protestierten, nahm Premierminister Mac Donald vier Monate später grosse Passagen wieder zurück. In einem Brief an den zumeist kompromissbereiten Präsidenten der ?Zionistischen Weltorganisation?, Chaim Weizmann, versicherte der Premier die Einwanderung könne - wenn dabei die Aufnahmefähigkeit des Landes beachtet werde - ohne weitere Einschränkungen weitergehen. Professor Weizmann akzeptierte zbd wzrde daraufhin von den hardlinern (Jabotinskys ?Revisionisten?) und den religiösen Zionisten abgewählt. Die Araber nannten das Schreiben Mac Donalds einen ?Schwarzen Brief?. Für sie zeigte er noch deutlicher als die Niederschlagung ihrer Revolte, dass London an einer prozionistischen Position festhielt und nur noch mit Gewalt davon abzubringen war.
Die Konfrontation war perfekt. Es begann die Radikalisierung des palästinensischen Widerstandes. 1932 formierte sich innerhalb der arabischen Intelligenz Palästinas die ?Istiqlal (Unabhängigkeits-)Partei?. Sie sah in der Existenz und der Politik der Mandatsmacht die eigentliche Ursache für die zionistische Bedrohung und lenkte daher den immer stärker aufkommenden Hass gegen die Briten. Zugleich kritisierte sie die Zusammenarbeit der arabischen nationalen Führung mit den britischen Behörden und rief zum zivilen Widerstand auf, z.B. die Zahlung von Steuern einzustellen. Im Oktober 1933 gelang es dieser Partei zum ersten Mal, machtvolle Demonstrationen gegen die britische Regierung und deren Mandatsverwaltung zu organisieren, auf denen die Einschränkung der Einwanderung verlangt wurde. Zeitgleich entstanden die ersten Organisationen , die sich auf den bewaffneten Kampf vorbereiteten. Die bedeutendste war von die Al Quassam, ins Leben gerufene Kampfgruppe, einem Prediger aus Haifa, der zu den Gründern der ?Muslimischen Vereine junger Männer? gehört hatte. Er lehnte die Herrschaft von ?Ungläubigen? über Moslems ab und sah in der Tatsache, dass Palästina am Ende des Ersten Weltkrieges von einer osmanisch-moslemischen Herrschaft unter eine nicht-moslemische, eben britische Herrschaft gebracht worden war, die Verpflichtung zum ?Heiligen Krieg?. Seit 1925 hatte er unter der Landbevölkerung Kämpfer für seine geheime Organisation angeworben und ausgebildet. Zu Beginn der Dreißiger Jahre begannen sie jüdische Siedlungen zu überfallen und Landverkäufe an Zionisten mit Gewalt zu verhindern. 1935 fiel Al Quassam in einem Gefecht mit der Mandatspolizei. Seine Organisation jedoch zerfiel nicht, sondern führte in den folgenden Jahren ihren bewaffneten Kampf weiter.
Auch der Jugendverband der vom Grossmufti 1935 gegründeten ?Palästinensisch-Arabischen Partei? bereitete sich auf Kampfaktionen vor. Die Angehörigen der nach dem Vorbild der Pfadfinder organisierten ?Al Futtawah? (Ritter-) Jugendgruppe wurden später Mitglieder verschiedener geheimer Terror-Kommandos. Diese Gruppierung trug freilich einen Makel : Ihre pronationalsozialistische Ausrichtung war unverkennbar. Kein Wunder, denn der Grossmufti selbst hatte schon am 5. März 1933 begrüsst, dass in Deutschland eine faschistische Partei an die Macht gekommen war. Doch Hass erwies sich - wie immer - als schlechter Ratgeber. Die kurzsichtige Anwendung des Grundsatzes ?Die Feinde meines Feindes sind meine Freunde? auf das Verhältnis zwischen dem Grossmufti bzw. den von Ihm dirigierten arabischen Kräften und Hitler-Deutschland, selbst noch nach dem Beginn der faschistischen Judenverfolgung, brachte der palästinensischen Nationalbewegung keinerlei Nutzen, sondern fügte ihr grossen Schaden zu. Sie war geradezu ein Musterbeispiel für jene politische Blindheit, zu der jeder sich aus Feindschaft und Hass entwickelte Starrsinn führt, weil er zu einem Handeln drängt, das letzlich den eigenen Interessen zuwiderläuft. Diese Hinwendung zum Hitler-Regime verschärfte natürlich die Feindschaft zwischen den beiden Volksgruppen und trug dazu bei, dass sie auch auf jüdischer Seite immer öfter in Hass umschlug. Stefan Wild, einer der Autoren der grossen Historiker-Analyse ?Die Palästina-Frage 1917 bis 1948?, schreibt :
?Das politische Kalkül des Grossmufti, sich mit Deutschland als politischen und später militärischen Feind der verhassten Kolonialmacht England zu verbünden, war aus der Sicht der Kolonialisierten verständlich. Das Kalkül führte jedoch zu verbalen Kollaboration mit dem Hitler´schen Rassismus, besonders nach der Flucht des Mufti nach Deutschland. Diese Kollaboration erleichterte es später den zionistischen Führern, den palästinensischen Widerstand gegen den Zionismus als Spielform des europäischen Antisemitismus zu denunzieren.? Mit dem Beginn der Naziherrschaft in Deutschland stieg die Zahl der jüdischen Einwanderer sprunghaft. 1933 erreichte sie 37 337 gegenüber nur 12 553 Immigranten im Jahr 1932. Und 1935 wanderten sogar 66 472 Juden in Palästina ein, das war der absolute Jahresrekord. Insgesamt kamen in dieser fünften ?Alija? (1933 bis 1939) fast 250 000 Juden in das ?Heilige Land?. Dadurch stieg der jüdische Anteil an der Gesamtbevölkerung von rund 18 Prozent (1931) auf etwa 30 Prozent, die Zahl, die sich die Zionisten nach der Balfour-Deklaration als Ziel gesetzt hatten, um damit zumindest eine minimale Grundlage für die Errichtung eines jüdischen Staates zu schaffen. Mit diesem Wachsen der ?Jischuw? nahm der Einfluss der Zionisten auf das öffentliche Leben, besondern in Jerusalem und Tel Aviv, zu, wo sich der Anteil der jüdischen Einwohner verdoppelt bzw. verdreifacht hatte. Dieser Ansturm mobilisierte den arabischen Widerstand, zumal die grosse Zahl der Neueinwanderer den Druck auf den Arbeitsmarkt verstärkte und die zionistische Gewerkschaft ?Histradut? die Verdrängung arabischer Arbeitskräfte forcierte. In den ländlichen Gebieten mussten ausserdem immer mehr kleine arabische Landbesitzer ihren Boden verkaufen, weil sie der Konkurrenz der modern und effektiv wirtschaftenden jüdischen Siedler nicht mehr gewachsen waren. Feindschaft und Hass wucherten weiter. Die zionistische Führung sah, dass ein bewaffneter Konflikt vor der Tür stand. Sie versuchte für die ?Haganah? (Schutz), eine 1920 gegründete militärische Untergrundorganisation, Waffen ins Land zu schmuggeln. Als eine dieser illegalen Aktionen im April 1936 aufflog, weil eine Waffenlieferung im Hafen von Jaffa entdeckt worden war, bildeten fünf der inzwischen sechs existierenden arabischen Parteien ein Komitee zur Abwehr der verstärkten ?zionistischen Bedrohung?. Das Komitee rief zu einem Proteststreik auf und forderte die Beendigung der jüdischen Einwanderung, das Verbot des Landankaufs und eine demokratische Regierung. Einige Wochen zuvor hatte ein fünfzigtägiger Generalstreik im benachbarten Syrien Paris gezwungen, diesem arabischen Land ein gewisses Mass an Unabhängigkeit zu gewähren. In London war jedoch zur gleichen Zeit vom britischen Parlament ein erster Schritt zur beschränkten Unabhängigkeit Palästinas, nämlich die Bildung eines gesetzgebenden Rates, verhindert worden. Beide Ereignisse beförderten die Bereitschaft der Palästinenser, zur Durchsetzung ihrer Forderungen nun zur Gewalt zu greifen, nachdem viele Versuche, sie auf friedlichem Wege zu verwirklichen, immer wieder gescheitert waren.
Zum Funken, der einen Flächenbrand auslöste, wurde die Ermordung zweier Juden in der Nähe von Nablus am 15. April 1936, es folgten sofort blutige Zusammenstösse. An mehreren Orten bildeten sich spontan arabische ?Nationale Komitees?, die zu Demonstrationen und zum Generalstreik aufriefen. ?Um die Initiative nicht zu verlieren, bildeten die traditionellen arabischen Führer ein ?Oberstes Arabisches Komitee? (OAK) mit Beteiligung aller sechs Parteien und unter dem Vorsitz des Mufti. Das OAK unterstützte den Streik. Trotz der grossen Opfer, die er von der arabischen Bevölkerung verlangte, wurde er sehr weitgehend befolgt. Er hatte aber nicht die gewünschte Wirkung, weil der jüdische Bevölkerungsteil nicht an ihm teilnahm, sondern vielmehr nur zu gern bereit war, von Arabern aufgegebene ökonomische Positionen zu besetzen.? (A. Flores) Ohnehin war der jüdische Sektor in der Wirtschaft und im Handel schon so stark, dass er Teile dieser beiden Bereiche bereits beherrschte.
Verbunden mit dem Generalstreik begann landesweit der bewaffnete Kampf. Die noch kleinen Einheiten der Palästinenser wurden bald verstärkt durch Freiwillige aus Syrien und dem Irak. Sie griffen britische Armeeposten an, sprengten Brücken, Eisenbahngleise und sogar die Erdölleitung, die vom Irak an das Mittelmeer führte. Immer wieder überfielen sie auch jüdische Siedlungen, griffen Autobusse und jüdische Feldarbeiter an. Doch auch dieser militärischen Seite des Aufstandes blieb der durchschlagende Erfolgt versagt. Weniger weil die britische Militärpräsenz stark war und es der ?Haganah? und den Siedlern zumeist gelang, die Angriffe zurückzuschlagen, sondern eher wegen der Zersplitterung der militärischen Kräfte der Araber : Die einzelnen Kampfgruppen hatten kaum Verbindung untereinander, es gab keine einheitliche Befehlsstruktur, kein gemeinsamen Oberkommando und damit keine Strategie für die militärischen Operationen. Sie wurden ausserdem noch erschwert durch Streitereien unter den regionalen Kommandeuren.
Nach einem Appell der Herrscher Saudi-Arabiens, Transjordaniens und des Irak an die palästinensischen Brüder , ?auf die guten Absichten unseres Freundes, der britischen Regierung zu vertrauen?, und Vermittlungsbemühungen ihrer Regierungen sowie der Ägyptens erklärte das ?Oberste Arabische Komitee? am 12. Oktober, also nach fast sechs Monaten, den Generalstreik für beendet. Eine königlich-britische Kommission suchte (wieder einmal) nach den (eigentlich längst bekannten) Ursachen für das Aufbegehren der Araber. Die Schlussfolgerung jedoch, die aus der Untersuchung gezogen wurde, war neu : Der Aufbau einer jüdischen ?Heimstätte? bei gleichzeitigem Schutz der Interessen und der Rechte der arabischen Bevölkerung sei undurchführbar, deshalb müsse Palästina geteilt werden (Peel-Bericht). Die arabische Nationalbewegung protestierte sofort und lehnte eine Teilung strikt ab. Feindschaft und Hass hatten nicht nur ihr, sondern auch der übergrossen Mehrheit der palästinensischen Araber bereits die Fähigkeit genommen, die tatsächliche Lage nüchtern zu beurteilen. Sie glaubten noch immer, dass trotz der fast 400 000 Juden im Land und ungeachtet der weltweiten Unterstützung für eine weitere Einwanderung jüdischer Siedler ganz Palästina ein arabischer Staat oder Teil eines arabischen Grossstaates werden könnte. Und sie gaben sich der Selbsttäuschung hin, sie könnten die Mandats(Kolonial-)macht Grossbritannien zwingen, den Weg dazu freizumachen. Daher lebten im Juli 1937 die Unruhen wieder auf, und auch der bewaffnete Kampf begann erneut. Am 26. September wurde der britische Distriktskommissar von Galiläa erschossen. Daraufhin löste die Mandatsverwaltung das ?Oberste Arabische Komitee? auf und deportierte die arabischen Führer nach Rhodesien (Zimbabwe) und auf die Seychellen. Dem Grossmufti gelang es nach der Verhaftung in den Libanon (und weiter nach Deutschland) zu fliehen. Die arabische Nationalbewegung reagierte mit mehr Gewalt. Der bewaffnete Kampf eskalierte und erreichte im Herbst 1938 einen Höhepunkt. Grosse Teile Palästinas entglitten der Kontrolle durch die Mandatsbehörden. Überall wurde gekämpft. Erst nach dem Heranführen britischer Truppen aus Ägypten und England und dem Einsatz der ?Haganah?-Kämpfer als Hilfs-oder Siedlungspolizisten konnte die Kontrolle Ende des Jahres wiederhergestellt werden. Die Überfälle und Sabotageakte durch palästinensische Kämpfer hielten jedoch noch bis zum August 1939 an. In dieser letzten Phase des Aufstandes wurde seine Niederschlagung durch Streiterein zwischen militärischen Führern, wieder aufflammende Querelen zwischen den ?grossen Familien? und die immer öfter gewaltsame Einziehung finanzieller Beiträge zum Widerstandskampf begünstigt. Die Niederlage war natürlich in erster Linie der Übermacht des britischen Militärs geschuldet. Sie hatte freilich weitere Ursachen. Dazu zählte die Taktik der arabischen Führung, ihre Propaganda und die meisten Aktionen ausschliesslich gegen die Juden zu richten, obwohl sie wusste, dass ihre Forderungen nur im Kampf gegen die britische Herrschaft verwirklicht werden konnten. Zu Gefechten mit britischem Militär oder britischer Polizei kam es in der Regel nur, wenn diese jüdische Siedlungen oder andere Einrichtungen verteidigten bzw. nach den Überfällen Vergeltungsaktionen gegen die Araber unternahmen. Diese Vorgehensweise und der Umstand, dass die Todesopferbilanz des Aufstandes ?nur? 610 Briten, aber 3764 Araber und 2934 Juden auswies, gaben der Feindschaft zwischen beiden Volksgruppen neue Nahrung. ?Für das Verhältnis der jüdischen und arabischen Bevölkerung im Mandatsgebiet bildete der Aufstand einen bedeutenden Einschnitt. Waren bis Mitte der dreißiger Jahre auf zionistischer Seite noch viele Stimmen zu hören gewesen, die eine prinzipielle Verständigung zwischen beiden Völkern für möglich und notwendig hielten, so verstummten diese nunmehr fast völlig. Auch das Verhältnis der zionistischen Führung zur Mandatsmacht änderte sich. So sprach sich Ben Gurion 1938 dafür aus, die Briten nicht länger (zu) unterstützen, sondern unsere eigene Militärmacht auf(zu)stellen, damit wir wenn nötig gegen sie antreten könnten.? (J. Glasneck / A. Timm)
Aber noch war es nicht soweit. Die heraufziehenden Gewitterwolken des Zweiten Weltkrieges brachten für die beiden Palästina-Kontrahenten eine neue Situation : Die Araber profitierten davon, dass Grossbritannien seine strategische Position im Nahen Osten angesichts der akuten Kriegsgefahr sichern musste und deshalb keine Risiken eingehen konnte. Und da bereits im Irak und in Ägypten nationale arabische Kräfte darauf drängten, sich von der britischen Kolonial- bzw. Mandatsherrschaft zu befreien, hätte es ein grosses Risiko bedeutet, weiter Druck auf die palästinensischen Araber auszuüben. Also war Entgegenkommen angesagt. London nahm deshalb wieder seine ?White Paper? - Schaukelpolitik auf und präsentierte im Mai 1938 ein neues Weissbuch. Darin wurde der Teilungsplan der Peel-Kommission von 1937 zurückgenommen, Palästina die Unabhängigkeit (das Ende der Mandatsherrschaft) innerhalb der nächsten zehn Jahre in Aussicht gestellt und (wieder einmal) die Beschränkung der jüdischen Einwanderung und des Landerwerbs zugesagt. Eigentlich ein Erfolg für die Araber. Aber da Grossbritannien seine Herrschaft über Palästina offenbar noch zehn Jahre aufrechterhalten wollte, lehnten sie ab.
Die Zionisten, die natürlich sofort protestierten und in dem neuen Weissbuch einen Verrat an den Buchstaben und dem Geist der ?Balfour-Deklaration? sahen, brachte der drohende Krieg in eine widersprüchliche Situation. Einerseits wurde der weitere Ausbau ihrer ?Heimstätte? zu einem jüdischen Staat durch die angekündigten Beschränkungen gefährdet. Andererseits erhielt die Einwanderung aus Europa wegen der inzwischen begonnenen Judenverfolgung durch die Nazis einen hohen moralischen Stellenwert. Denn nun kamen kaum noch Juden, die in das romantisch verklärte ?Land der (Vor-)Väter? wollten, sondern Immigranten, die um Leib und Leben fürchten mussten, die oft der faschistischen Vernichtungsmaschinerie gerade noch entkommen waren. Die weltweite Unterstützung für die jüdische Einwanderung nach Palästina erhielt eine neue Qualität. London freilich liess sich davon nicht beeindrucken. Es ging trotz massiver internationaler Proteste, auch von den USA, daran, die Vorgaben des Weissbuches zu verwirklichen. Die Kolonialmacht Grossbritannien nahm Ansehensverlust und Beschimpfungen in Kauf, um den Suez-Kanal als Seeweg nach Indien und die Irakischen Ölquellen vor jeder Gefährdung durch einen neuen Araberaufstand, der sich möglicherweise von Palästina aus bis nach Ägypten und in den Irak ausgebreitet hätte, zu schützen. Selbst als Anfang der vierziger Jahre immer mehr Nachrichten über die Judenvernichtung in Deutschland und den von ihm besetzten Gebieten durchsickerten, blieb London stur. Es liess Schiffe mit illegalen Einwanderern aufbringen und internierte die Flüchtlinge auf Zypern.
Die bewaffneten Organisationen der Zionisten, die ?Haganah?, deren Eliteeinheit ?Palmach? und die ?Irgun Zwinah? (Nationale militärische Organisation) mit ihrem radikalen Ableger ?Lechi?, hatten nach der Veröffentlichung des Weissbuches beschlossen, mit dem Kampf gegen die britische Mandatsverwaltung zu beginnen. Doch als wenige Monate später der Zweite Weltkreig ausbrach, verzichteten sie darauf. Schliesslich konnten sie sich nicht zu Verbündeten des Judenfressers Hitler machen, zumal Palästina als Nachschubbasis der 8. Britischen Armee, die in Ägypten stationiert war, nun auch für diesen Krieg grosse strategische Bedeutung erhielt. Die jüdische Untergrundkämpfer wandten sich einer anderen Aufgabe zu : Sie halfen bei der Organisation der illegalen Einwanderung und schützten sie. Es gelang ihnen 1941 und 1942, zu der Zeit, da die britische Mittelmeerflotte regelrecht Jagd auf die von den zionisten gecharterten Flüchtlingsschiffe machte, immerhin rund 10 000 Einwanderer in das Land zu schleusen. Und sie versuchten es weiter, mit Erfolg. In den beiden folgenden Kriegsjahren gelang es ihnen, die Zahl der illegalen Zuwanderer zu verdoppeln und 1945 sogar zu verdreifachen (15 259). Inzwischen hatte die Auseinandersetzung zwischen den Zionisten und den arabischen Palästinensern zwar an Intensität verloren, aber sie wurde weiter geführt. Obwohl die Araber noch immer die deutliche Bevölkerungsmehrheit in Palästina stellten, veränderte sich das Kräfteverhältnis während des Zweiten Weltkrieges zu ihren Ungunsten. Dabei spielte ihre Diskretierung als Kollaborateure Hitlerdeutschlands, die nach propagandistischen antibritischen Auftritten des Grossmuftis in Deutschland zugenommen hatte, eine untergeordnete Rolle. Den Ausschlag gaben andere Fakten :
?Die jüdische Bevölkerung war hochmobilisiert und effektiv organisiert; sie stand weitgehend unter Kontrolle der Zionisten. Die arabische Bevölkerung war ebenfalls, wenn auch in geringerem Grad, mobilisiert, aber nicht kohärent organisiert und daher schwach. Ihre ohnehin sehr zersplitterte Führung befand sich im Ausland, ihre Kampforganisationen waren zerschlagen. In den vierziger Jahren spielte die palästinensische Nationalbewegung keine selbstständige Rolle mehr. Aufgrund ihrer Erfahrungen verliessen sich die palästinensischen Araber nun zunehmend auf die Bemühungen der bereits selbstständigen arabischen Staaten. Damit war das weitere Schicksal Palästina schon präjudiziert : es hing nicht mehr hauptsächlich von den arabischen Bewohnern des landes ab, sondern wurde von äusseren Faktoren bestimmt.? (A. Flores) Und als diese zu wirken begannen, als der sich 1944 abzeichnende Sieg der Alliierten die ?Entscheidungsschlacht um Palästina? auslöste (weil bei dieser Kriegslage die Zionisten keine Rücksicht mehr auf die britische Interessen nehmen mussten), besassen weder die arabischen Palästinenser weder eine politische noch eine militärische Organisation, die funktionsrüchtig bzw. schlagkräftig gewesen wäre. [Arafats ?Al Fatah? (Eroberung) wurde erst 1959 gegründet, die PLO 1964].
Die Zionisten hingegen konnten sofort in die Offensive gehen. Sie besassen nicht nur die ?Jewish Agency?, die seit Jahren Einwanderung und Ansiedlung organisierte. Hinter ihnen stand auch die ?Zionistische Weltorganisation?, die - unterstützt von den USA - die Wiedereröffnung Palästinas für die legale Einwanderung und die Errichtung eines jüdischen Staates forderte. Und sie besassen die schon erwähnten Kampforganisationen, vor allem die inzwischen 36 000 Kämpfer starke ?Haganah?. Unter deren Schutz kamen von 1945 bis 1947 weitere etwa 90 000 Einwanderer nach Palästina. Die Zahl seiner jüdischen Bewohner erhöhte sich auf etwa 608 000 und erreichte einen Bevölkerungsanteil von 33 Prozent (1947). Die ?Jewish Agency? beschloss im September 1945, nun mit Waffengewalt gegen die britische Palästina-Politik vorzugehen. In der Nacht zum 31. Oktober griffen die zionistischen Kampfverbände landesweit das Eisenbahnnetz an. An 153 Stellen sprengten sie Eisenbahngleise und Brücken. Sie begannen einen Guerilla-Krieg gegen das britische Militär und die Mandatspolizei. Sein blutiger Höhepunkt wurde ein schwerer Sprengstoffanschlag, den ein ?Irgun?-Kommando angeblich mit Wissen der ?Haganah?-Führung am 22. Juli 1946 gegen das britische Hauptquartier in Jerusalem führte. 91 tote und 45 verwundete Briten waren die Opfer. London reagierte mit Verhaftungen, Todesurteilen, Beschlagnahme von Waffenvorräten der ?Haganah? und der Verstärkung seiner Streitkräfte. Aber den Kleinkrieg konnte es damit nicht beenden. Die Guerilla-Aktionen hielten an. Der mit diesem jüdischen Aufstand gegen die Mandatsmacht erneut proklamierte zionistische Anspruch auf Palästina führte natürlich zu arabische Protesten. Freilich wegen der oben dargestellten desolaten Lage der palästinensischen Nationalbewegung nicht im Lande selbst, sondern in den arabischen Nachbarstaaten. Auf Massendemonstrationen erhob man die immer wiederkehrenden Forderungen auf die Einstellung von Einwanderung und Landerwerb und - gewissermassen im gegenzug - die Gründung eines unabhängigen arabischen Staates Palästina.
Am 22. März 1945 schlossen sich die arabischen Staaten zu ?Arabischen Liga? zusammen. Die neue Organisation erklärte zwei Monate später, sie werde den arabischen Charakter Palästinas mit ?allen zur verfügung stehenden Mitteln verteidigen?. Die Liga reaktivierte das palästinensische ?Oberste Arabische Komitee?. London sah nicht nur zu, sondern ging wieder zur Schaukelpolitik über und sorgte dafür - wohl nach dem Motto ?Auf den groben (zionistischen) Klotz gehört ein grober (arabischer) Keil? - , dass der als Nazi-Kollaborateur kompromittierte Grossmufti an die Spitze des OAK zurückkehren konnte. Doch nun drohte sich der britisch-zionistische Konflikt durch die sich abzeichnende Wiederaufnahme des bewaffneten Widerstands der Araber noch auszuweiten. Die britische Regierung sah, dass sie der Situation in Palästina nicht mehr Herr wurde. London musste sich eingestehen, dass eine Mandatsherrschaft gescheitert war. Die Briten gaben auf. Am 14. Februar legte die Regierung seiner britischen Majestät die ?Palästina-Frage? ganz offiziell in die Hände der ?Vereinten Nationen?. Die Zionisten jubelten. Die Araber schöpften Hoffnung.
Die UNO brauchte acht Monate, bis sie zu einer Entscheidung kam. London hatte gehofft, die Vereinten Nationen würden das Mandat als Treuhänder übernehmen, und es könnte dann wenigstens einen Rest von Einfluss auf Palästina behalten. Aber die UNO entschied sich für die Teilung des Landes in zwei unabhängige Staaten. Am 29. November 1947 wurde über die Resolution Nr. 181 (II) abgestimmt. Die Entschliesslung, die eine Zweidrittelmehrheit erhielt, legt fest, dass der arabische Staat 46 Prozent und der jüdische Staat 56 Prozent des Territoriums von Palästina umfassen soll, beide durch eine Wirtschaftsunion verbunden. Für das Stadtgebiet von Jerusalem (ein Prozent des Territoriums) ist ein ?besonderes internationales Regime? vorgesehen. Nicht nur die Zionistischen Aktivisten, sondern die jüdische Bevölkerung Palästinas begrüsste diesen UNO-Beschluss, ausgenommen die orthodoxen Juden, die jede Staatlichkeit ablehnen, und die Extremisten in der ?Irgun?, die von einem grossen jüdischen Staat auf beiden Seiten des Jordans träumten. Auch die ?Jewish Agency? war mit dieser Teilung einverstanden. Die arabischen Staaten hingegen lehnten sie ab. Und das ?Oberste Arabische Komitee? schloss sich deren Haltung an. Eine inzwischen entstandene arabische Guerilla, die sich bereits in den vorangegangenen Monaten Scharmützel mit den zionistischen Kampfverbänden geliefert hatte, leitete eine Offensive ein : Landesweit überfilen sie jüdische Siedlungen, unterbrach Verkehrsverbindungen und griff Armeelager an, aus denen sich die Briten nach und nach zurückzogen. Doch mit Waffen schlecht ausgerüstet und kaum ausgebildet, waren diese arabischen Kampfgruppen trotz ihrer Personalstärke von etwa 11 000 Mann und die mit ihnen gemeinsam operierenden Dorfmilizen in der Stärke von fast 50 000 Mann den gut ausgerüsteten und trainierten zionistischen Kampfverbänden klar unterlegen. Eine von der ?Arabischen Liga? im Dezember 1947 beschlossene Waffen- und Munitionslieferung blieb im Ansatz stecken, ebenso die zugesagte finanzielle Unterstützung. Ausserdem fehlten den arabischen Einheiten - wie schon beim Aufstand von 1936 bis 1939 - eine einheitliche Führung und eine funktionierende Kommandostruktur. Die zionistische Seite dagegen hatte sich seit 1945 zielstrebig und umfassend auf die zu erwartende ?Schlacht um Palästina? vorbereitet. Finanziert von verschiedenen jüdischen Fonds, besonders in den USA, kaufte die ?Jewish Agency? grosse teile der Waffen-Hinterlassenschaft des Zweiten Weltkrieges in Europa auf und sorgte für deren Transport nach Palästina. Aus den USA kamen die finanziellen Mittel zur Unterhaltung und Ausrüstung der ?Haganah?, etwa vier Millionen Dollar monatlich. Am 1. April 1948 traten die Kampfverbände der Zionsiten zu ihrer Offensive an. Die ?Operation Dalet? hatte das Ziel, alle im Teilungsplan der UNO für den jüdischen Staat vorgesehenen Territorien zu besetzen und soweit als möglich auch in den Arabern zugesprochene angrenzende Gebiete vorzudringen. Die Operation ?verlief erfolgreich?, wie es in der Sprache der Militärs heisst. Es kam jedoch zu einigen Massakern an der arabischen Bevölkerung, zuerst in dem Ort Deir Jasin, der in der Zone lag, die international verwaltet werden sollte. ?Irgun?-Kämpfer besetzten das Dorf. ?Sie richteten ein Blutbad an, dem 354 Menschen zum Opfer fielen, die Hälfte von ihnen waren Frauen und Kinder. In den folgenden Wochen fanden ähnliche Massaker in Nasser-el Dein und Ain Zeitun statt. Vergeltungsaktionen palästinensischer Freischärler - wie der wenige Tage nach Deir Jasin erfolgte Überfall auf einen Konvoi mit jüdischen Verwundeten und Pflegepersonal, der zum Hadassa-Krankenhaus auf dem Scopusberg in Jerusalem fuhr - trugen zu weiterer Eskalation bei.? (J. Glasneck / A. Timm) Nicht nur die Kämpfe, auch Feindschaft und Hass eskalierten, und dazu kam die Furcht. Die jüdischen Angriffe, besondern die Terroraktionen, lösten eine erste Fluchtwelle aus. Sie erfasste zwischen 500 000 bis 750 000 Palästinenser, die in die arabischen Nachbarstaaten flohen.
Nur so ist zu erklären, dass einige Wochen später, als am 14. Mai 1948 wenige Stunden nach dem Abzug der letzten britischen Soldaten, Ben Gurion in Tel Aviv den jüdischen Staat Israel ausrief, dessen Bevölkerung aus etwa 650 000 Juden und nur 156 000 Arabern bestand. Am Vorabend der Staatsgründung waren auf dem (freilich grösseren) Territorium Palästinas noch 1,3 Millionen Araber gezählt worden. Michael Wolffsohn schreibt dazu : ?Ein dramatischer Wandel war aufgrund dramatischer Entwicklungen eingetreten, brutal formuliert heisst das : Der jüdische Staat war fast araberrein geworden.?
Die Araber hatten den Kampf um das ?Heilige Land? verloren. Daran änderte auch nichts der Krieg, der am nächsten Tag, am 15. Mai 1948, begann, und von dem sich die Araber eine Wende erhofften.
Die Armeen Ägyptens (mit Einheiten Saudi-Arabien), Transjordaniens, Syriens, des Irak und des Libanon griffen an, angeblich nur, um die den Arabern im Teilungsplan zugesagten Gebiete zu besetzen. Ihre Generäle freilich waren von der Idee erfüllt, die Israelis ?in das Meer zu treiben.? Doch der arabische Goliath konnte den jüdischen David nicht besiegen. Der Krieg, der sich bis zum März 1949 hinzog, endete mit einer Niederlage der Araber. Und so verliefen auch die bis 1985 noch folgenden fünf weiteren Kriege von denen drei die Israelis vom Zaune brachen. Doch weder diese Kriege noch die Geschichte des Staates Israel sind Gegenstand dieser Untersuchung. Ich möchte hier nur noch auf drei Aspekte des Konflikts eingehen, die das Thema, die Frage nach dem ?Warum? berühren und bis in die Gegenwart reichen : zunächst zu den Ursachen der arabischen Niederlage und der Implantation einer Spirale der Gewalt, die sich - mit Unterbrechungen natürlich - bis heute dreht. Sie rückte die Visionen der Araber - ein grossarabisches Reich - und der Juden - das ?Land der Väter? als Gross-Israel - immer wieder in die Nähe des Verbrechens, löste Mord, Terror und Vertreibung aus. Diese Spirale konnte entstehen, weil Feindschaft und Hass - werden sich nicht abgebaut - zu Starrsinn führen, zu politischer Blindheit, zum Verlust der Fähigkeit, die Realitäten zu erkennen und entsprechend zu handeln. Diese Engstirnigkeit besteht darin, ?eine Situation nach vorgefassten, festen Anschauungen einzuschätzen und gegenteilige Anzeichen zu missachten oder zu verleugnen. Daraus erwächst Wunschhandeln, das sich von Tatsachen nicht beirren lässt.? (B. Tuchmann)
Missachtet haben die Araber zu lange Anzeichen dafür, dass die Zionisten keine ?Heimstätte?, sondern einen Staat in Palästina errichten wollten, und zwar einen weitgehend araberfreien. Missachtet haben sie auch die Anzeichen dafür, dass sich die zionistischen Einwanderer bereits nach wenigen Jahren eine Position von so grosser Festigkeit erarbeitet und erkämpft hatten, aus der sie nicht mehr zu vertreiben waren, dass es dann nur noch eine Alternative gab : die Teilung Palästinas. So war letztlich auch der gescheiterte Versuch, einen Tag nach der Ausrufung Israels die Zionisten durch die arabischen Armeen vertreiben zu lassen, ein typisches Beispiel für das ?Wunschhandeln?, das Tatsachen - hier die Kampfentschlossenheit der Juden und die weltweite Unterstützung für Ihre Staatsgründung - einfach nicht zur Kenntnis nimmt.
Missachtet haben die Zionisten von Beginn an das von den Briten den Arabern gegebene Versprechen, dort, wo sie gemeinsam 1916/17 für die Befreiung Palästinas gekämpft hatten, den Aufbau eines arabischen Staates zu ermöglichen.
Missachtet haben die Zionisten das Recht der Araber, nach mehr als 1300 Jahren Anwesenheit Palästina ebenfalls als Heimat, als ihr Land zu betrachten. Und missachtet haben sie bis in die jüngste Vergangenheit hinein, dass deshalb die Araber das Recht haben, wie sie auf diesem Boden einen Staat zu errichten, mit einem genauso geschlossenen Territorium wie Israel und genauso souverän, kein Protektorat und keine Provinz eines Nachbarstaates wie etwa (Trans-)Jordaniens. Und ihr Aufruf bei der Gründung Israels an die palästinensischen Araber, Bürger dieses Staates zu werden, war auch ein Beispiel für jenes ?Wunschhandeln?, das sich von Tatsachen nicht beirren lässt, in diesem Fall von der Tatsache, dass die Mehrheit der Palästinenser seit mehr als 30 Jahren versuchte - und auch künftig versuchen würde -, gerade das zu verhindern.
Die aus Feindschaft und Hass geborene Engstirnigkeit findet jedoch ihren schärfsten Ausruck im Fundamentalismus auf beiden Seiten. Der englische Historiker Bernard Lewis hat diese Geisteshaltung, die nicht an eine bestimme Religion gebunden ist, mit nur einem Satz treffend beschrieben : ?Ich habe recht, du hast unrecht - fahr zur Hölle!? Heutzutage ist man versucht den Fundamentalismus der arabischen ?Hamas?-Bewegung mit dem Fundamentalismus fanatischer jüdischer Siedler gleichzusetzen. Ein israelischer Journalist, der seinen Namen aus sicherheitsgründen nicht nenne wollte, sagte dazu in einem Interview mit der Berliner Wochenzeitung FREITAG am 4. März 1994 : ?Sicher sind die jüdischen Siedler Fundamentalisten. Aber es gibt einen Unterschied. Sie kennen eine andere Realität, sie sind in einer westlichen Zivilisation aufgewachsen. Sie sehen fern und benutzen Computer. Sie hatten eine Wahl in ihrem Leben. Sie lebten vorher in Haifa, in einem Kibbuz oder in Brooklyn. Die Hamas-Fundamentalisten hatten nicht diese Wahl. Sie leben dort, wo sie immer gelebt haben. Und sie sind sehr arm. Normalerweise ist der religiöse Fundamentalismus dort sehr stark, wo die Menschen unwissend und arm sind. Das kann man von den jüdischen Fundamentalisten nicht behaupten. Damit will ich Hamas nicht rechtfertigen. Aber es ist ein Unterschied.?
Damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt der Betrachtung, der aktuellen Situation im Nahostkonflikt, den Grossbritannien vor gut 80 Jahren mit seinem rücksichtlosen Bestreben, sich die Kontrolle über diese Region - koste es was es wolle - zu sichern, ausgelöst hat. Professor Pappe von der Universität Haifa hatte zur erneuten Zuspitzung zu Beginn des ersten Jahrhunderts im neuen Jahrtausend auf vier Probleme verwiesen, die nun in den Vordergrund gerückt sind : Jerusalem, die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge, die Zukunft der jüdischen Siedlungen und die genaue Fixierung eines palästinensischen Staates. Die beiden zuletzt angeführten sind miteinander verbunden. Ein Blick auf die Landkarte zeigt : Die Jüdischen Siedlungen, vor allem jene, die in den letzten Jahren angelegt wurden, überspannen oder zerschneiden wie ein Spinnennetz die autonomen Gebiete, das künftige Territorium des jetzt geplanten arabischen Staates. Es ist das Bild eines ?Flicken-Teppichs?, nicht das eines geschlossenen Territoriums, wie es - zumindest als Kern - für das funktioniern eines Staates unerlässlich ist. Nicht nur deshalb dürfte kein Weg daran vorbeiführen, viele Siedlungen wieder abzubauen. Frieden, ein Ende des Nahostkonflikts, kann es nur geben, wenn sich nicht länger wie in Hebron 500 Siedler inmitten einer Stadt mit 120 000 arabischen Einwohnern niederlassen dürfen und deshalb ein ganzes Viertel dieser Stadt mit 40 000 arabischen Bürgern von israelischem Militär abgeriegelt werden muss. Würde das so bleiben, wäre das geradezu ein Triumph jener Engstirnigkeit, die bis heute die Spirale der Gewalt immer wieder in gang setzt, ein Symbol fpr eine kontraproduktive Politik des Beharrens auf Konfrontation, die den Interessen Israels und seiner Bürger zuwiderläuft.


beste grüsse ..mortaL

für diese recherche wurden öffentlich zu erhaltende bücher benutzt. für eine liste, bitte mailen.
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Ergänzungen

erster!

29.12.2002 - 20:47

Indymedia ist kein Diskussionsforum

angenervter 29.12.2002 - 20:51
Könnt ihr eure Sinnlos-Debatten nicht anderswo führen? Wenn Ihr ständig eure Befindlichkeiten durch Projektionen in Richtung Nahost ausleben müsst, weil ihr ja hier in Deutschland alles soweit ok findet, dann könnt ihr das gerne tun. Euer Ding. Aber lasst bitte endlich die NACHRICHTEN-Plattform Indymedia damit in Ruhe! Niemand ausserhalb der dogmatisch-kommunistischen Kleinstgruppenszene will irgendwas mit dieser Scheindebatte, in der es von Beginn an nicht um Argumente und Realtität ging, zu tun haben!
Mods: Wie wäre es mit einem Spam-Kriterium "deutsche Sinnlosdebatten über Nahost"?

"debatte in der linken"?

ich 29.12.2002 - 20:55
der text mag ja ok sein (quellenangabe???), aber die überschrift: also erst mal ist indy nicht die interim und zweitens ist das nicht ein der linken, sondern eine diskussion, die bestimmte leute der linken gerne aufdrängen möchten. die meisten, die sich links nennen, haben gar keinen bock auf nahost-diskus.

Find ich auch

Charles McWaeffele 29.12.2002 - 22:26
find ich auch, lassen wir die in Nahost das machen, und kümmern wir uns um Deutschland, warum zum Beispiel die Linken und Alt68 nach dem zusammenbruch des Sozialismus nun heimatlos so plötzlich zu Faschisten mutierten wäre auch ein schönes Thema.

Oder über den ehemaligen Putzt- und Pflasterstrandruppenführer und Volkstribun, und heimlichen Kanzler und Weltinnenminister und Ehrendoktor Fischer, könnte man sich auch auslassen.

Kein Wort des Bedauerns und Beileidsbezeugung wegen der Opfer des Terrors in Russland, sondern die Aufforderung an die REgierung, die Waffen niederzulegen, und die Zivilbevölkerung unter die Knute von Extremisten auszuliefern.

Da merkt man dass der gruene Planungsstab im Aussenministerium "Dick und SChmierer" früher bei Pol Pot und Enver Hodscha in die Lehre gingen.

und dazu die Feindseligkeiten der Fischerpress "TAZ" gegenüber Russland, die die Terroranschläge unverblümt feiert.

es gibt also viel zu debattieren , packen wir es an....

Diskutieren?

30.12.2002 - 02:38
Was soll diskutieren bringen? Woe wäre es mit handeln?

Auge auf Auge!

Ali 30.12.2002 - 12:40
Zahn um Zahn!

icke

@ 29.12.2002 20:55, "debatte in der linken"? 30.12.2002 - 13:52
natürlich gibt es linke die sich überhaupt nicht für außenpolitik interessieren, aber bei einem thema, zu dem sich eine dreistellige zahl von intiativen mit linkem selbstverständnis geäußert hat, von einer "aufgedrängten" debatte zu sprechen, ist doch arges vogel-strauß-verhalten

wie jetzt?

ich 30.12.2002 - 14:59
soll das wieder so ein toller rethorischer trick sein? nur weil die meisten leute sich nicht auf euer projektions-niveau herablassen, beschäftigen sie sich nicht mit aussenpolitik? nur mal so zur info: auch wenn ihr antideutschen nur 4 länder kennt: es gibt mehr als hundert auf dieser welt!
zur dreistelligen zahl: es gibt vielleicht eine dreistellige zahl von antiD/atiimps, aber eine vierstellige zahl von leuten, die sich links od. anarchistisch definieren. aber das dürfte dir jetzt wieder zu hoch sein.

@ich

30.12.2002 - 15:20
Er schrieb genau das Gegenteil von dem, was Du verstanden hast. Tatsächlich beschäftigt sich ein großer Teil der Linken hier mit "Außenpolitik". Genau deshalb ist das auch eine Debatte, die fast alle Linken interessiert und genau deshalb ist das Gejammer "Indymedia ist kein Diskussionsforum" hier scheinheiliger Unfug.

"scheinheliger unfug"?

30.12.2002 - 15:24
nur weil ihr kommie-sektierer eine nachrichtenseite nicht aktzeptiert und allen eure sinnlos-debatte aufdrücken wollt, ist ein verweisen auf diesen umstand "scheinheiliger unfug"? ihr scheint echt so dermassen auf dem film zu sein, daß ihr paar hanseln euch für "alle" haltet. naja, ausserhalb eurer kleinen kleinstkreisen (die ihr für die welt haltet) reagieren die leute (die ja für euch alle nur "die anderen" sind) eher genervt. interesse hab ich noch nirgends bemerkt.

ich hab es geahnt ..

ImmortaL 31.01.2003 - 23:00
Nach alledem, was Ihr geschrieben habt, solltet Ihr jetzt auch endlich die Konsequenzen ziehen und der Szene, der Ihr Euch zugehoerig gefuehlt habt, "Tschuess" sagen,wenn ihr keinen "bock" drauf habt. Denn dazugehoeren heisst immer auch, Auseinandersetzungen INNERHALB einer solchen Szene zu fuehren und fuehren zu wollen! Ihr steht immer noch auf Eurem Sockel, redet von Freiheit, "links sein" und viele gucken Euch mittlerweile an und denken laut, dass Ihr da was nicht begriffen habt.


beste grüsse ..mortaL

p.s.: die liste mit den büchern kommt noch, hab im augenblick mit meiner hausarbeit zu tun.