Eine libertäre Skizze

clandestino 20.10.2002 23:04
„Que se vayan todos“: Sie sollen alle abhauen. ALLE.

Ist Anarchismus eine verrückte Idee?
Selbstverständlich ist er das.
Bewahren wir uns diesen Wahnsinn um jeden Preis, denn etwas Besseres als Freiheit hat diese beschissene Welt nicht zu bieten.
 http://www.geocities.com/syndikalist2002/cas.htm  http://www.de.indymedia.org:8081/2002/02/15743.shtml
 http://userpage.fu-berlin.de/~twokmi/anarchismus.html  http://www.junge-linke.de/kritik_der_linken/kritik_am_anarchismus.html  http://www.indymedia.de.vu  http://www.wildcat-www.de/index.htm  http://www.prol-position.net/  http://www.fau.org/  http://www.ainfos.ca Kommunismus vs. Anarchismus | eine weitere Betrachtung dieser Frage... Die Radikal dazu 1981  http://www.nadir.org/nadir/archiv/PolitischeStroemungen/Anarchistische_Bewegungen/taz/node3.html  http://www.nadir.org/nadir/periodika/contraste/anarchis1.htm  http://www.nadir.org/nadir/adressbuch/index-1997.html#anarchismus
Sven Giegold von Attac in der TAZ vom 20.9.02 (S. 3-4):
„Im ersten Semester Politik habe ich begriffen, dass Anarchismus Unsinn ist und das Selbstverwaltung eine gute Idee für Leute ist, die so leben wollen- aber keine Vision für die ganze Gesellschaft. ... Wir brauchen den Staat für soziale Gerechtigkeit.“


Als vernünftig gilt dieser Tage das, was ist und Freiheit gehört nicht dazu (ausser man betrachtet die Freiheiten, die uns der Staat leihweise gewährt hat oder besser: die wir uns, bequem wie wir sind, servieren lassen, als Freiheit: in diesem Falle wünsche ich weiterhin eine geruhsame Nacht).
Vernünftig sind die, die die Freiheit fürchten und hassen.

Menschen zerfetzen sich mit Sprengsätzen gehorsam in Einkaufspassagen und Linienbussen.
Dörfer verschwinden unter Bombenteppichen: Gehorsame Piloten.
Der Rest rennt kopflos zwischen Knüppeln, Steinen und brennenden Autowracks im Tränengasnebel hin und her, doch alles Nebensache: eine einzige Kugel reicht und schon ist aus einem unbequemen ungehorsamen Menschen bequeme tote Materie geworden, die sich auf dem Asphalt verteilt. Gehorsamer geht es nicht.
Bei den meisten Menschen braucht es allerdings nicht einmal eine Kanonenkugel: Sie gehorchen ihren Hirten. Sie haben nicht mal Angst vor ihren Hirten. Sie lieben sie, ob mehr oder weniger, das tut überhaupt nichts zur Sache.

Im Kampf darum, wer in Zukunft wen in wessen Namen beherrschen darf, drehen sich die dummen Schäfchen gegenseitig die Hälse um.

Die wichtigste Frage ist aber trotz allem nicht, wer dafür verantwortlich ist, sondern viel mehr und vor allem was.
Die Vernunft beherrscht die Welt, ganz offensichtlich.
Genau deshalb sollten wir versuchen, so wahnsinnig zu sein, wie nur möglich. Total bekloppt.


Der folgende Text ist keine Anleitung, sondern nur eine kurze Skizzierung anarchistischer Ziele, Wünsche und Vorstellungen; daher erhebt dieser Text weder den Anspruch, eine vollständige Wiedergabe all dessen zu sein, was die vielfältige anarchistische Ideenwelt ausmacht noch erhebt er ihn auf Endgültig- oder sogar Unumstösslichkeit: Der Schwerpunkt liegt auf Ideen des libertären Sozialismus.



„Sometimes I dream about reality”
Manu Chao


Inhalt:

1. Gesellschaft:
1.1: Das Individuum
1.2: Die Gemeinschaft
1.3: Föderalismus

2. Wirtschaft:
2.1: Selbstverwaltung
2.2: Löhne
2.3: Besitzverhältnisse
2.4: Möglichkeiten der Bedürfnisproduktion

3. Grundsätzliches
3.1: Freiwilligkeit
3.2: Kinder dieser Gesellschaft






1. Gesellschaft


1.1 Das Individuum

Der Anarchismus erkennt das absolute Selbstbestimmungsrecht des Individuums unter dem Vorsatz an, dass die Freiheit des Einzelnen Bedingung der Freiheit aller ist. Die Unterordnung des Individuums unter Autorität und Hierarchien wird prinzipiell abgelehnt. Wie das Individuum sein Leben gestaltet, geht nur das Individuum selbst etwas an, niemanden sonst. Herkunft, Kultur, Geschlecht und sexuelle Vorlieben unterstehen keiner „Leitkultur“.
Dem Anarchismus wird oft vorgeworfen, sein Ziel sei die völlige Auflösung aller gesellschaftlichen Bindungen. Das ist falsch. Der Anarchismus verlangt grösstmögliche Freiheit für das Individuum: Das bedeutet jedoch nicht, dass er Organisation und Ordnung, also zwischenmenschlichen Austausch und zielgerichtete Zusammenarbeit, ablehnt oder bekämpft. Er verlangt aber, dass die Grundlage jeglichen menschlichen Zusammenwirkens und –lebens die heilige Freiheit des Individuums ist und nicht der Zwang durch Kollektivideologien gleich welcher Art.
Eine Gemeinschaft im libertären Sinn ist kein „naturwüchsiger Zustand“ (wie z.B. die „nationale Volksgemeinschaft“ oder ähnlich reaktionäre Hirngespinste), sondern ein Zusammenschluss von Einzelnen, der auf nichts als der freien Entscheidung der Einzelnen beruht, diese Gemeinschaft zu bilden und sie wieder aufzulösen oder zu verlassen, wenn es ihnen beliebt.
Diese grösstmögliche Freiheit des Einzelnen schliesst auch mit ein, dass das Individuum bei allen zu treffenden Entscheidungen, von deren Gegenstand es selbst unmittelbar mitbetroffen ist, nicht übergangen, sondern miteinbezogen wird.


1.2 Die Gemeinschaft

Dort, wo mehreren Individuen eine gemeinsame Entscheidungsfindung vernünftig erscheint, kann nach dem basisdemokratischen Prinzip entschieden werden: das heisst, dass die jeweils vom Gegenstand einer bestimmten Frage Betroffenen, zum Beispiel die Mitglieder einer Gemeinde, eine Abstimmung über diese Frage abhalten und die Stimmenmehrheit die Entscheidung fällt.
Eine andere Möglichkeit ist das rätedemokratische Prinzip: Räte sind überschaubare basisdemokratische Einheiten, die als basisorientierte Vertretungen- beispielsweise von Häuserblöcken, Strassen und Stadtvierteln- dienen und regelmässig zusammenkommen, damit sich die Nachbarn und Bürger über aktuelle Probleme austauschen, gemeinsame Entscheidungen treffen und entsprechende Handlungen einleiten können, um Abhilfe zu schaffen. Geht es um Entscheidungen, die über die Befugnis des einzelnen Rates hinausgehen, die z.B. die ganze Gemeinde angehen, werden diese Fragen zuerst innerhalb der einzelnen Räte an der Basis erörtert, bevor die Entscheidung letztenendes durch einen allgemeinen Gemeinderat gefällt wird. Solch ein Entscheidungsprozess würde folgendermassen vonstatten gehen: Zuerst wird die Frage auf der Ebene der Häuserblockräte erörtert und entschieden, diese schicken ihre Delegierten zu den Treffen der Strassenräte, deren Delegierte dann zu den Stadtviertelräten entsandt werden, deren Delegierte an der Vollversammlung der Stadtviertelräte bzw. am Gemeinderat teilnehmen, der schliesslich die Entscheidung ausspricht. Alle Delegierten sind streng an die Weisungen des Rates gebunden, der sie entsandt hat, es handelt sich also um imperative Mandate. Verstossen sie dagegen, können sie sofort abberufen werden. Die Delegierten sind ihrer Basis gegenüber rechenschaftspflichtig.
Diese Prinzipien fanden schon des öfteren erfolgreiche Anwendung in der Geschichte, wurden jedoch durch staatliche Gewalt von bürgerlicher, linker und rechter Seite immer wieder brutal unterdrückt. Das aktuellste Beispiel ist das der Asambleas, die sich infolge der Dezemberrevolte von 2001 in Argentinien gebildet haben.
Bereiche, in denen sich eine gemeinsame Entscheidungsfindung empfiehlt, da sie nicht nur für den Einzelnen von Belang sind, sind beispielsweise die öffentliche Sicherheit, Bildung oder das Verkehrssystem. Dies liegt aber letztlich im Ermessen der betroffenen Menschen.


1.3 Föderalismus

In einer libertären Welt existieren keine Nationalstaaten mehr. So wie sich die Gemeinden basisorientiert von unten nach oben organisieren können, können sich auch die Gemeinden miteinander organisieren, indem sie Delegationen zu kleinen oder grösseren gemeinsamen Versammlungen entsenden, auf denen Themen von gemeinsamen Interesse besprochen und gemeinsame Entschlüsse gefasst werden können. Wir haben es also nicht mehr mit einem zentralistischen Staat oder Bundesland zu tun, sondern mit autonomen Gemeinden von beliebiger Form und Grösse. Autonom heisst, dass die Gemeinden ihre Angelegenheiten unabhängig und frei voneinander regeln können, so wie es die Gemeindemitglieder für richtig erachten: Was für Gemeinde A gut und richtig ist, muss nicht für Gemeinde B gut und richtig sein und für C schon garnicht. Die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden vollzieht sich auf einer freiwilligen, föderativen Ebene und richtet sich nach gemeinsamen oder gegenseitigen Bedürfnissen, Interessen und Notwendigkeiten aus.


2. Wirtschaft


2.1 Selbstverwaltung

Auch in der Wirtschaft soll das autoritäre Prinzip verschwinden und durch die Selbstverwaltung der Betriebe durch die Beschäftigten selbst ersetzt werden.
Hierbei bieten sich ebenfalls basis- oder rätedemokratische Formen an, je nachdem in welcher Grössenordnung sich der Betrieb befindet oder welche Formen die Beschäftigten für zweckmässig erachten.
Um dies zu ermöglichen, müssen die Grenzen zwischen den Abteilungen fliessend werden, damit sich Wissen und Kompetenz nicht auf eine Elite beschränken, sondern zirkulieren können und so jeder Beschäftigte grundsätzlich befähigt wird, bei betrieblichen Fragen Probleme richtig einschätzen und Lösungen im Zusammenwirken mit den Kollegen vernünftig abwägen zu können.


2.2 Löhne

Zudem soll auch überall dort, wo gemeinschaftlich Erträge erwirtschaftet werden, die Lohnhierarchie abgeschafft werden: Sie macht nur innerhalb der autoritären Ordnung Sinn, indem sie die Hierarchien zwischen den Beschäftigten zementiert und die Gesellschaft in (Lohn-)Klassen aufteilt. Es gibt keine rational nachvollziehbare Ermittlung des Wertes und der „gerechten“ Entlohnung einer Arbeit.
Darüberhinaus wird die Ermittlung der Bedürfnisse der breiten arbeitenden Bevölkerung über den Konsum immer zu verzerrten Ergebnissen führen, solange eine höher entlohnte Minderheit in ihrer Gesamtheit genauso viel oder sogar mehr verdient wie die sehr viel niedriger entlohnte Mehrheit, denn dies hat zur Folge, dass die Konsumbedürfnisse einer kaufkräftigeren Minderheit letztendlich stärkeren Einfluss auf die Produktion haben wie die der kaufschwächeren Mehrheit: Die Bedürfnisse der Mehrheit werden zugunsten derer einer Minderheit stark benachteiligt oder schlicht übergangen. Die Abschaffung von Lohnhierarchien und eine weitestgehende Angleichung der Entlohnung stehen demnach nicht im Widerspruch zur menschlichen Individualität: Es geht nicht darum, die individuellen Bedürfnisse einem genormten Konsum zu unterwerfen, sondern darum, jedem Menschen die gleichen Möglichkeiten zu verleihen, seine individuellen Bedürfnisse auszudrücken und zu befriedigen.
Selbstverständlich muss hierbei auch auf den jeweiligen Hintergrund des Beschäftigten geachtet werden, ob er z.B. familiär gebunden ist und Kinder, Alte oder Bedürftige mitversorgen muss und auch die finanziellen Möglichkeiten des einzelnen Betriebes bzw. der Gemeinde selbst dürfen nicht ausser Acht gelassen werden.
Es kann durchaus auch möglich sein als kleiner Geschäftsmann, der schliesslich nur sein eigener Chef ist, auf eigene Verantwortung zu wirtschaften. Wo aber Erträge im gemeinsamen Zusammenwirken erwirtschaftet werden, sollten alle Mitbeteiligten auch möglichst gleichberechigt daran beteiligt sein.


2.3 Besitzverhältnisse

Dies führt uns zur Frage der Besitzverhältnisse und der Unterscheidung von „Besitz“ und „Eigentum“, der eine zentrale Bedeutung in einer libertär-sozialistischen Wirtschaft zukommt.
Besitz wird (im libertären Sozialismus) über die persönliche Nutzung und den Gebrauch von Gegenständen definiert, genauer: durch Dinge, die ein einzelner Mensch in Gebrauch nehmen und über die er verfügen kann, wie er will, ohne dazu in grösserem Ausmass das Mitwirken anderer zu benötigen- wie z.B. die Wohnung, das Auto oder die Kleidung.
Eigentum aber ist die freie Verfügungsgewalt über Gegenstände, die ein Einzelnder nicht ohne das Mitwirken anderer in Gebrauch nehmen und über die er somit nicht nach eigenem Ermessen verfügen kann, ohne damit auch gleichzeitig über Menschen zu verfügen- wie z.B. bei industriellen Maschinenparks (also Produktionsmitteln), die nicht alleine bedient, grossen Wohnhäusern, die von mehreren Leuten bewohnt, oder grossen landwirtschaftlichen Flächen, die nicht alleine bebaut werden können.
Das so definierte Privateigentum wird also abgelehnt, da seine Nutzung und Aufrechterhaltung die Verfügungsgewalt von Eliten über Menschen erfordert, der persönliche Besitz aber wird anerkannt, da er sich auf die individuelle Ebene bechränkt.
Natürlich sind Besitz und Eigentum nicht immer so klinisch trennbar wie im Falle des Gegensatzes zwischen den Produktionsmitteln und einem persönlichen Paar Schuhe, doch trotzdem kann diese Bestimmung der Besitzverhältnisse als nützliches Werkzeug dienen, um zumindest etwas Klarheit zu schaffen.
Gegen „Privatwirtschaft“ ist also im Falle des Obsthändlers an der Ecke, des eigenständigen Klempners, des Webdesigners, der Blumenhändlerin, des Kneipenbetriebs oder des Dönerladens aus libertär-sozialistischer Sicht grundsätzlich nichts einzuwenden, da es sich hier nicht zwangsläufig um das hierarchische Verhältnis zwischen Privateigentümern und Lohnabhängigen handeln muss.

2.4 Möglichkeiten der Bedürfnisproduktion

Von der Grundlage der weitestgehenden Lohngleichheit aus, mit der zum ersten Mal ernstzunehmende wirtschaftliche Chancengleichheit im Streben nach individueller Selbstverwirklichung geschaffen wird und von der aus man zumindest die Grundbedürfnisse der breiten Bevölkerung zum ersten Mal in ihrem Ausmass genauer erfassen kann, könnte man dazu übergehen, die Schlüsselindustrien, deren Produktion der Befriedigung der Grundbedürfnisse dient, zu reinen Bedürfnisproduktionsstätten zu machen, die der Versorgung einer oder mehrerer Gemeinden oder eines ganzen Landes dienen: Wünschenswert ist eine möglichst dezentrale Versorgung, um der Autonomie der Gemeinden keine engeren Grenzen als unbedingt nötig aufzuerlegen und den Informationsaustausch zwischen Produzenten und Konsumenten, der weitherhin notwendig ist, nicht allzu sehr zu verkomplizieren, was zu krassen Verzerrungen der Bedürfnisproduktion führen könnte. Dies hängt davon ab, inwieweit sich landesweite oder auch globale wirtschaftliche Verflechtungen dezentralisieren lassen oder sich trotz denzentraler Grundbestrebungen als notwendig oder wünschenswert erweisen.
Ob es allerdings ratsam ist, die gesamte Wirtschaft auf eine solche Bedürfniswirtschaft über die Grundbedürfnisse hinaus hin zu entwickeln, ist sehr fraglich. Ausser den Grundbedürfnissen- wie den Grundnahrungsmitteln und der Strom-, Gas-, Wasserversorgung beispielsweise- hat man es bei Menschen nicht ausschliesslich mit mehr oder weniger konstanten Bedürfnissen zu tun, sondern sogar mit starken, unberechenbaren Bedürfnisschwankungen und niemand kann sich als freiheitsliebender Mensch ernsthaft für eine Diktatur von genormten Konsumbedürfnissen aussprechen. Dies würde, wie oben bereits erwähnt, eine Beschneidung der menschlichen Individualität darstellen und eine Unterordnung unter ein ungesundes Kollektivdenken erfordern. Eine wichtige Frage- gesetzt den Fall, freie Märkte würden komplett abgelehnt- bleibt daher, wie man eine funtionierende, unkomplizierte Kommunikation zwischen Produzenten und Konsumenten herstellen könnte.
Bei der Behandlung dieser Frage, die sich im Grunde um das komplexe Verhältnis von langfristigen Grundbedürfnissen und stärker schwankenden (also sich ändernden, zurückgehenden oder neu entstehenden) Bedürfnissen und den daraus folgenden Konsequenzen für die Produktion dreht, sollte man keinesfalls dem Dogmatismus verfallen, sondern versuchen, akzeptable Wege zu finden, die sich am Ideal einer freien Welt mit freien Menschen orientieren.


3. Grundsätzliches


3.1 Freiwilligkeit

Natürlich wünschen sich die libertären Sozialisten eine möglichst breite Zustimmung zu ihren Ideen und ihrer Praxis, wer aber durch einen blinden Allgemeingeltungsanspruch die Anwendung von Gewalt und Zwang im Sinne eines „Allgemeinwohls“ meint rechtfertigen zu können, zeigt ganz klar und deutlich wessen Geistes Kind er ist.
Deshalb soll an dieser Stelle ein Beispiel folgen, um den hohen Stellenwert, der der Freiheit der Einzelnen in einer freien Gesellschaft zukommt, nochmals zu verdeutlichen:
Sollte sich eine Assoziation (=freiwilliger Zusammenschluss) von Einzelnen in einer libertären Gesellschaft dafür entscheiden, auf kapitalistischen Grundlagen zu wirtschaften, so sollte sich kein libertär gesinnter Mensch genötigt sehen, sie daran zu hindern, solange sie niemand anderem als sich selbst diese Produktionsweise auferlegen wollen.
Eine Herrschaft des Kapitalismus über die Gesamtheit aller menschlichen Individuen und damit auch über Individuen, die es ablehnen, unter diesen Bedingungen zu arbeiten, lehnen Anarchisten aber- wie überhaupt jegliche Herrschaftsform- prinzipiell ab: Zwingt ein Betriebschef seinen Arbeitern gegen deren absoluten Widerwillen gewisse Arbeitsbedingungen auf, wird er dass nur mit Gewalt durchsetzen können, wie dies bei jeder Form der Herrschaft auf irgendeine Art und Weise erforderlich ist. Daher wird Herrschaft abgelehnt- selbst wenn sie sich sozialistisch nennen sollte und vorgibt „nur das Beste“ zu wollen: Wie dieses „Beste“ praktisch aussieht ist weithin bekannt.


3.2 Kinder dieser Gesellschaft

Oft wird dem Anarchismus pauschal vorgeworfen, seiner Kritik an der herrschenden Gesellschaft mangele es an Tiefe. Da der Anarchismus in seinen vielfältigen Formen viele Fürsprecher hat und hatte, auf deren Gesellschaftskritik dieses Urteil durchaus voll und ganz zutreffen mag, kann dem auch nicht pauschal widersprochen werden.
Es kann und sollte aber nicht abgestritten werden, dass der Mensch als Kind, das in dieser Gesellschaft aufgezogen und geformt worden ist und wird, eine so starke Prägung durch diese Gesellschaft erhält, dass ihm die kapitalistische, autoritäre „vernünftige“ Wertewelt, die uns überall begegnet, praktisch in „Fleisch und Blut“ übergegangen ist und wir uns daher beim Kampf für einen libertären Sozialismus mit sehr viel mehr als dem gewaltsamen Widerstand irgendwelcher Herrschenden herumzuärgern haben: Unter anderem- oder vielleicht sogar hauptsächlich- mit uns selbst.
Trotzdem und gerade deshalb haben wir es hier aber eben nicht mit einem Zustand zu tun, der so unumstösslich wie die Schwerkraft wäre. Es erfordert langwierige und anstrengende Kämpfe, die Mauern einzureissen, aber unmöglich ist es nicht.

Links:

Ein klassischer und sehr erhellender Text zur Arbeiterselbstverwaltung von Cornelius Castoriadis und Daniel Mothé findet sich hier:
 http://www.geocities.com/syndikalist2002/cas.htm

Über die Basisbewegungen und Kämpfe in Argentinien gibt’s hier ein (allerdings schon etwas älteres) Indy-Feature:
 http://www.de.indymedia.org:8081/2002/02/15743.shtml

Zu einer sehr reichhaltigen Quelle, was deutschsprachige anarchistische Texte von gestern und heute anbelangt, hat sich die folgende Seite entwickelt:
 http://userpage.fu-berlin.de/~twokmi/anarchismus.html

Unter vielen anderen guten kritischen Texten findet sich auf den Seiten der „Jungen Linken“ eine lesenswerte Anarchismus-Kritik:
 http://www.junge-linke.de/kritik_der_linken/kritik_am_anarchismus.html

Leute, die gerne Heulsusen oder beleidigte Leberwürste spielen, eh total humorlos sind, von Kritik und selbstkritischem Denken schon garnix halten, sei von dieser Seite abgeraten, ansonsten gibt’s keinen vernünftigen Grund, dort nicht mal vorbeizuschauen (ausser man sieht Gespenster):
 http://www.indymedia.de.vu

Zum Thema Arbeiterautonomie/-kämpfe und Basisgewerkschaften findet sich Aktuelles auf:
 http://www.wildcat-www.de/index.htm
 http://www.prol-position.net/
 http://www.fau.org/

Anarchistischer globaler News-Ticker in zig Sprachen:
 http://www.ainfos.ca

Versuch einer basisdemokratischen Mobilisierung:
 http://soziale-consulta.de/


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Ergänzungen

Anarchie!

Cleo Guevara 20.10.2002 - 23:31
Jeder macht was er will!
Keiner macht was er soll!
Aber Alle machen mit!

Guter Text

20.10.2002 - 23:44
Attac aufs Maul!

Sowas wäre ach mal ein Feature wert

HanZ 20.10.2002 - 23:57
Fände fast, daß sowas auch mal ein Feature wert wäre. Es wird immer gegen irgendwas protestiert, aber eigene Utopien kommen fast gar nicht mehr vor. Allerdings wäre es noch besser, webnn wir irgendwann unsere -ismen überwinden würden und nur noch bestimmte Strukturen oder Elemente dessen anstreben. Die Menschen in Chipapas oder Argentinien haben sich bewusst kein -ismus gegeben. -Ismen engen immmer ein und sorgen für Abgrenzungen anderen gegenüber. Mal ist sowas sicher gut, mal aber nicht... Nur mal so als Anregung.

Zum Kommentator von 22:44: Sowas könnten die Mods ruhig konsequenter löschen. Mir ist dabei egal, ob diese Art von Kommentaren als Provo gegen Indymedia kommen oder Ausdruck dogmatisch-autoritärer Identitätspolitik sind. Diese Aggressiven Hasspostings gegen Andersdenkende sind reaktionär und alles andere als Fortschrittlich. Selbst wenn Kritik an den Strukturen von Attac angebracht sind, ist ein Verharren in einer Anti-...-Haltung wirklich was bekämpfenswertes.

hi clandestino

urmel 21.10.2002 - 00:08
hast du lust,auf der oekonux-tagung deine ideen zu diskutieren, z.b. bei der "gruppe-gegenbilder" ?

unter dem link gibts infos. deine teilnahme wäre ne bereicherung der dortigen diskussion.

gääähn

für den libertären kommunismus! 21.10.2002 - 01:18
werdet erwachsen, wachst aus den jacken mit den (A) aufnähern raus, wascht eure haare wieder und lest den guten alten marx, dann noch ein paar bücher mit aktuellerem bezug und ihr werdet eure ewigen 2-3 klassiker ganz schnell vergessen...

erwachsen werden?

anarchia si 21.10.2002 - 01:23
dazu würde auch gehören, nicht alles auf schlagwörter wie "ökonomie" zu reduzieren. marxismus als "religion" ist was für die 70er. marx für denkansätze lesen, durchaus heute noch sinnvoll. a-aufnäher hab ich übrigens nie getragen und waschen tu' ich mich auch. an a-aufnähern sind auch nicht unbedingt anarchisten, sondern kids, die anarchisten toll finden zu erkennen.

warum so ängstlich?

bürgerliche Denkformen... 21.10.2002 - 02:11
da soll jedeR den gleichen Lohn bekommen? Wozu dieses? Damit der eine seinen Lohn spart, um später als der grosse Zampano dazustehen während der andere seinen Lohn gleich verprasst (kapitalistisch gesprochen)? Was hat das wieder für auswirkungen auf eigentum/Besitzverhältnisse... Warum dann nicht gleich eine Bedürfniswirtschaft, unabhängig von irgendwelchen "Lohn"vorstellungen, oder hängt ihr so dem Arbeitsfetisch nach, dass ihr denkt, nur wer "produktiv" arbeitet, soll auch seinen "Lohn" bekommen? Und eine Erhaltung gewinnorientierter "Privatwirtschaften" ist ja wohl nur noch kleinbürgerlich :-)

wieso kleinbürgerlich?

clandestino 21.10.2002 - 02:19
ist mir doch scheissegal, wenn sich andere durch eigene anstrengung mehr verdienen. neid ist das problem ist das problem der neider würde adorno sagen... oder war´s einer seiner kollegen?

WIR-Genossenschaft statt ICH-AG

rekombinant 21.10.2002 - 02:22
Zufall, dass heute dieser Beitrag und der der Gruppe "Gegenbilder" fast gleichzeitig erscheinen? Beide sind wichtig, gehen in eine ähnliche Richtung. Es wird höchste Zeit, dass konstruktive Überlegungen für eine systemüberwindende Praxis die Oberhand über Sektenscharmützel und bloße Abwehrkämpfe gewinnen.

Kommunitäre Ansätze, Selbstverwaltung, direkte Demokratie, Aufbau von Netzwerken die auch eine ökonomische Relevanz haben und eine vorurteilslose (!) Debatte darüber sind nötig. Ökonomische Relevanz deshalb, weil die Suche nach Alternativen Arbeitsformen heute nicht mehr ein Luxus für ein paar Aussteiger ist, sondern für wachsende Teile der Bevölkerung zur _Überlebensnotwendigkeit_ werden. Der "Alternative", entweder als Ich-AG aus der Arbeitlosenstatistik zu verschwinden oder den zu erwartenden unverhohlenen Zwangsarbeitsregeln des rennovierten Arbeitsmarks (Stichwort: Hartz-Papiere) unterworfen zu werden, müssen gangbare, kollektive Auswege entgegengesetzt werden.

WIR-Genossenschaft statt ICH-AG

Projekte aufbauen und politischen Druck dahingehend erzeugen, dass Gelder zur "Arbeitsförderung" dorthin fließen (keine Angst vor Staatsknete!) - die Abermilliarden, die Konzernen in den Rachen zur "Schaffung von Arbeitsplätzen" in den Rachen geworden, wenigstens teilweise in zukunftsträchtige, selbstverwaltete Projekte fließen zu lassen. Von dort aus eine Ausstrahlung auf weitere Teile der Gesellschaft entwickeln. Netzwerke schaffen, die interne Geldbeziehungen zumindest reduzieren. Demokratische Initiativen auf Gemeindeebene schaffen, die realen Einfluss auf die Poltitik der Gemeinde haben, den Stadtrat übernehmen, regionale und (dem Internet sei's gedankt) virtuelle internationale Kooperativen schaffen. Den Nationalstaat, den Kapitalismus aushöhlen und ihnen schließlich den letzten Stoß verpassen, wenn ihre Überlebtheit allen klar geworden ist.

Reformistisch? Geschenkt. Was sollen Parolen wie "Staat zerschlagen! Kapitalismus zerschlagen!" ? Ich hab 'nen 5kg-Hammer im Keller, aber das wird wohl kaum helfen.

Utopie? Ja, zum Teufel ja, aber realistischer als zu glauben, dass der Kollaps des kapitalistischen Weltmarkts noch lange auf sich warten lässt. Leute, die Uhr tickt!


Mal was neues?

sandankoro 21.10.2002 - 02:30
Erstmal ein Lob an Clandestino für die Arbeit und die Idee, wenn ich auch einigen der Texte in den Links nicht so zustimmen möchte.
Das Problem vieler Menschen ist doch, daß sie sich eine Ideologie "raussuchen", sich mit dieser beschäftigen und dann oft alle anderen verdammen.
Die Welt ist jedoch nicht nur schwarz und weiß, gut oder böse, oft versagen die Ideologien bei der Erklärung der Zwischentöne, dem grauen Alltag, der Unzulänglichkeit die irgendwo in uns allen ist.
Anarchie ist für mich ein schöner Traum, leider wirst du wohl nie den Moment erleben wo die ganze Welt ihn mitträumen will, daher wird es Anarchie immer nur in Nischen geben, in Freiräumen die der Gesellschaft abgerungen werden müssen, die jedoch auch nur dann existieren können, wenn sie eine breite Akzeptanz finden.
Eventuell können wir dann erleben, daß sich die menschen überzeugen lassen, ein bloßes rumgerenne mit einem "A" auf der Jacke reicht da nicht und zeugt meiner Meinung nach nur von einem Unverständnis der Realitäten.
Wichtig finde ich, möglichst viele Bereiche des öffentlichen Lebens zu besetzen, wir fordern viel aber schaffen es oft noch nicht einmal mehr zu organisieren als die Vokü beim nächsten Konzert.
Überzeugen können wir andere Leute nur indem wir eine andere Welt vorleben, auch wenn das im Moment im Korsett des Staates passiert.
Das "zottelhaarige Bauwagenexperiment" reicht als Überzeugung wohl kaum, dient es doch eher der Befriedigung eigener Bedürfnisse. Anarchie wird am Ende viel mehr gegenseitigen Respekt, harte Arbeit und Kompromisse bedeuten als das Leben in der BRD. Wenn wir oder unsere Kinder mal an diesem Punkt sind, werden sie hoffentlich auch freier sein.

Sehr guter Text !

21.10.2002 - 05:32
Der sollte zum Hauptthema werden, vielleicht noch etwas ergänzt durch weitere Links und grafische Darstellungen.

@rekombinant

sandankoro 21.10.2002 - 05:36
Wo du recht hast-hast du recht!

...with hope in Your hearts...

Blumenkind 21.10.2002 - 10:58
Es ist gut und wichtig sich Ideen ueber die Idealwelt zu machen... aber ich wuensche mir kaum etwas weniger als eine Revolution in dem Sinn wie man sie in den Geschichtsbuechern findet. Jeder kann im Alltag bei seinen Naexten die Herrschaftsstrukturen im Kopf in Frage stellen, man kann sich Freiraeume schaffen, die Schrittchen fuer Schrittchen ausgebaut werden koennen... damit ist man um einiges weniger anfaellig gegen eine autoritaere Uebernahme, wie sie geschichtlich noch nach jeder "gelungenen" Revolution passiert ist.
Besides, clandestino: "diese beschissene Welt" -- das ist einfach undankbar. Komm mal einen dieser Tage aus der Stadt raus und lauf n bisschen durch den Wald und schau den gelben roten Blaettern zu wie sie leise ven den Baeumen zum Boden schweben... oder lauf am Strand entlang und hoer den Wellen und den Schreien der Moewen zu...

schnurzel 21.10.2002 - 11:55
der zusammenbruch des kapitalistischen systems wie ein vorschreiber ihn am horizont sieht wird wohl noch eine ganze weile auf sich warten lassen. eher wird china zur weltmacht nr.1. und die werden auch erstmal ihre konsumbedürfnisse voll ausleben, vielleicht diesmal auf unsre kosten. russland boomt auch gerade, indien sowieso. wo also ist das grab das der kapitalismmus sich selbst schaufelt also zu sehen?

dazu kommt noch, dass sehr viele leute diese grundhaltung nicht teilen, die meisten gehen gern arbeiten und für die meisten reicht das auch in unserem system völlig aus. (ich gebe zu, ich gehe auch gern arbeiten)
flache hierarchien ist ein modewort aus dem modernen management, jede einigermassen "gute" firma praktiziert das schon heute. wohlgemerkt in segmenten, die hochausgebildete leute erfordern. und da nähern wir uns eher dem kernproblem unserer heutigen zeit: was soll man mit mehreren millionen schlechter ausgebildeter menschen anfangen? früher gab es den job der kartenabreisserin im kino, der mensafrau, die die essenmarken abstempelt usw. alles wegrationalisiert. weil arbeitskraft zu teuer ist. diese leute wollen aber nicht mehr freiheit, sie wollen am reichtum/konsum teilnehmen. sie wollen "ganz normale" mitglieder der verschiedensten sozialen gruppen (zb. arbeitskollegen) sein, schwatzen, geld verdienen, auto fahren.
viel eher sehe ich daher folgendes szenario eintreten: es werden weiterhin immer mehr maschinen/roboter jobs übernehmen, mit zunehmender intelligenz dieser dinger kommen irgendwann auch jobs die anspruchsvoller sind unter den hammer. gipfeln könnte das letzten endes in der maschinenversion eines managers, die komplexen arbeitsabläufe und die ständig wachsende informationsflut schafft in 20 jahren vielleicht kein mensch mehr zu bewältigen. das die entwicklung darauf hinaus läuft, wird vielleicht niemand bestreiten, ok, lass es statt 20 eben 50 jahre sein. wir könnten es jedenfalls noch erleben, oder unsere kinder.
wenn fast alle tätigkeiten von intelligenten maschinen ausgeführt werden (können), stellt sich die frage nach eigentum und geld eventuell tatsächlich neu. denn was bringt es, wenn das komplette produzierende gewerbe nur noch aus chips und metall besteht, lediglich der eigentümer ist ein wesen aus fleisch und blut -- was nicht gerechtfertigt wäre. dann müsste arbeit aus beschäftigungsgründen neu verteilt werden, was mit arbeitslosen jugendlichen passiert sehen wir ja zum beispiel in der sächsischen schweiz. geld bräuchte man nicht mehr, der anreiz fiele weg. vater staat oder die basisdemokratische ortsgruppe sorgt für erfüllung der materiellen wünsche, die gestaltung der eigenen zeit übernimmt jeder selbst. zum beispiel obst&gempüse anbauen und verschenken ;-)

die marktmechanismen, die ja nicht per se schlecht sind (immerhin liefern sie ähnlich wie in der biologischen evolution selektionskriterien, das wiederum führt zur (weiter)entwicklung) bestünden ab diesem punkt eventuell nur noch rein softwaretechnisch. (oha, da wird schon heute klar, warum bestimmte monopole schnellstmöglich beseitigt werden sollten --- da ist der user gefragt). schliesslich wollen wir ja auch nicht entwicklungsmässig stehenbleiben - wer träumt schon nicht von intergalaktischer solidarität und zusammenarbeit.
aber wie gesagt, das sind relativ europäische ansichten, schliesslich wohne ich hier. die restlichen milliarden menschen in ländern die noch nicht einmal die "soziale marktwirtschaft" erlebt haben, werden da ein ganz gewaltiges wörtchen mitreden.

fazit dieser etwas verworrenen ergänzung: entwicklung voran treiben, möglichst viel lernen (und nicht nur philosophisches, sondern auch praktisches), ansonsten auch innerhalb des kapitalistischen systems spass haben (auch am konsum), man lebt schliesslich nur einmal.

Problem der Linken

Mischung aus Pessimist und Optimist 21.10.2002 - 12:23
Das Problem der Linken in Dtl. ist ja vor allem, daß hier überwiegend Leute mitlaufen, weil sie mit sich selbst nicht klarkommen und weniger, weil sie ein Bedürfnis nach einer besseren Welt haben. Lauf mal mit nem Micro auf ner Demo mit und frag die verschiedenen Leute, was sie eigentlich wollen oder wie sie sich ne bessere Welt vorstellen. Einige werden was stammeln und andere werden ebgestandene Parolen zu besten geben, die sich dadurch auszeichnen, noch nie mit der Realität überprüft worden zu sein. Das ist echt ein großes Defizit, weshalb ich Systemkritische Ansätze bei Normalos wesentlich interessanter als die Linke finde, die eh nur Selbsdemontage hinbekommt. Die Frage wäre halt, wie wir einerseits Utopien und andererseits konkrete Schritte dorthin (Vernetzung, Strukturaufbau,...) hinbekommen. Ich blicke da mit etwas Erwartung auf den Oekonux-Kongress...

Hallo Clandestino

21.10.2002 - 16:21
Nichts für ungut, aber in deinem schönen Modell fehlt einfach das Problem der politischen Willensbildung.

Basisdemokratie ist ja keine Garantie dafür, daß die Mehrheit das gleiche will wie du, oder anders gefragt:

Was macht (nach der Revolution) ihr mit dem organisierten Protest derjenigen, die alles wieder so haben wollen, wie es bisher war? Wenn die Mehrheit auf der ersten Basis-demokratischen Versammlung gleich die Abschaffung der Basisdemokratie beschließt? Und die Wiedereinführung des ausbeuterischen Kapitalismus (was höchstwahrscheinlich der Fall sein würde)??
Kommen die dann in den Gulag?
Wenn ja, dann sag es doch gleich!
Wenn nicht, dann könnt ihr genausogut schon jetzt alles so lassen wie es ist.

Zur Unternehmensorganisation:
Gründe doch einfach mal so eine Unternehmen und sammle Erfahrungen! Und mit dem Profit könnt ihr dann immer noch die Revolution finanzieren...

Den (guten) Text lesen bevor man gleich

mit der Standardkritik ankommt... 21.10.2002 - 17:37
Ich geb einfach mal 2 Zitate...
"Sollte sich eine Assoziation (=freiwilliger Zusammenschluss) von Einzelnen in einer libertären Gesellschaft dafür entscheiden, auf kapitalistischen Grundlagen zu wirtschaften, so sollte sich kein libertär gesinnter Mensch genötigt sehen, sie daran zu hindern, solange sie niemand anderem als sich selbst diese Produktionsweise auferlegen wollen.
Eine Herrschaft des Kapitalismus über die Gesamtheit aller menschlichen Individuen und damit auch über Individuen, die es ablehnen, unter diesen Bedingungen zu arbeiten, lehnen Anarchisten aber- wie überhaupt jegliche Herrschaftsform- prinzipiell ab: Zwingt ein Betriebschef seinen Arbeitern gegen deren absoluten Widerwillen gewisse Arbeitsbedingungen auf, wird er dass nur mit Gewalt durchsetzen können, wie dies bei jeder Form der Herrschaft auf irgendeine Art und Weise erforderlich ist. Daher wird Herrschaft abgelehnt- selbst wenn sie sich sozialistisch nennen sollte und vorgibt „nur das Beste“ zu wollen: Wie dieses „Beste“ praktisch aussieht ist weithin bekannt."

"Gemeinden ihre Angelegenheiten unabhängig und frei voneinander regeln können, so wie es die Gemeindemitglieder für richtig erachten: Was für Gemeinde A gut und richtig ist, muss nicht für Gemeinde B gut und richtig sein und für C schon garnicht."

soll heissen: jeder kann im endeffekt das machen, was er will, wenn jemand unbedingt einhundertstel von seinem Chef verdienen will wirts ihm keiner verbieten. Es wird alles solange akzeptiert, bis nicht andere Leute gezwungen werden dh ihrer Freiheit beraubt werden zB der Chef lässt die Person nicht mehr aus dem Arbeitsvertrag aussteigen bzw zwingt andere Leute dazu unter den Bedingungen zu arbeiten...

erst lesen, dann denken (in deinem fall 2mal wiederholen) dann kommentar posten...

ausserdem steht da unübersehbar:

21.10.2002 - 18:19
"Natürlich wünschen sich die libertären Sozialisten eine möglichst breite Zustimmung zu ihren Ideen und ihrer Praxis, wer aber durch einen blinden Allgemeingeltungsanspruch die Anwendung von Gewalt und Zwang im Sinne eines „Allgemeinwohls“ meint rechtfertigen zu können, zeigt ganz klar und deutlich wessen Geistes Kind er ist."

Hallo Clandestino

21.10.2002 - 20:15
Ja, wenn das so ist, dann könnt ihr schon jetzt alles beim alten lassen.

Denn auch hier wird ja keiner gezwungen, unter kapitalistischen Bedingungen zu arbeiten oder sich den Marktgesetzen zu unterwerfen.

Genau im Gegenteil: Ihr könnt dauch jetzt schon eure basisdemokratische Wunderwirtschaft aufbauen -- wenn ihr das wirklich wollt.
((VORSICHT: Das wäre mit Arbeit verbunden!! ;-))

Gründet einfach einen Weltkonzern und verschenkt den Profit an die Armen! Kein kapitalistisches Zwangsgesetz verbietet Bill Gates, von einem einfachen Angestelltengehalt zu leben.

Im Übrigen: Wovon bezahlen eure basisdemokratischen Betriebe dann regelmäßig Löhne und Gehälter? Von ihren Einnnahmen etwa? Und woher haben sie Einnahmen, wenn sie nichts verkaufen? Und wie können sie etwas verkaufen, wenn sie sich gegen die kapitalistische Konkurrenz durchsetzen sollen (die wie immer alles viel billiger und besser herstellt??)

Und das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage könnt ihr mit Papierdekreten und Beschlüssen nicht aufheben (ihr könntet es bestenfalls kriminalisieren wie Dzerszynski, aber ihr wollt ja nicht einmal das. Besser so.


Wir bleiben Freunde...

lest

Chrigu 21.10.2002 - 20:21
Bildet bolos! (oder lest wenigstens das Buch (bolo`bolo, p.m., paranoia city))

Kampf dem Kapitalismus!

Tolle Träume...

paule_ 21.10.2002 - 20:21
...und sehr wichtig, dass man solche hat (Die gegenwärtigen "Pragmatiker" an der Macht sind das beste Beispiel)

Auf Quartier- und Gemeindeebene sollte das alles auch weitgehend durchführbar sein...wenn es losgeht mit dem Zusammenschluss von Gemeinden, wird das Ganze aber etwas unrealistisch. Wenn der direkte (persönliche) Kontakt nicht da ist, halte ich es für unwahrscheinlich, dass sich eine basisdemokratische Mehrheit dafür findet, beispielsweise ärmeren Regionen Unterstützung zukommen zu lassen (Stichwort: Länderfinanzausgleich) und ein wirtschaftlicher Darwinismus droht. Hier hilft tatsächlich die durch das nicht imperative Mandat vermittelte Abstrahierung von direkten persönlichen Interessen.

@19:15

börbs 21.10.2002 - 20:47
...wenn jeder gleich viel Geld verdient, haben alle Leute genug Geld, das sie ausgeben können. Deswegen werden die Leute auf Qualität + Ursprung der Waren achten, dh nciht von Kapitalistenschweinen kaufen, weil sie wissen das sie damit ihren Untergang unterstützen.
Kleines Bsp aus dem Kapitalismus: Hast du schonmal einen reichen Snob bei Aldi gesehn? Nein? Ich auch nich...

Netter Text

Freier Sozialist 21.10.2002 - 21:39
Wenns dann mal soweit sein sollte, so nach dem 3. oder 4.Weltkrieg oder so, dann kann ich endlich mit meiner Splatterpunk-Gang(im MAD-MAX Style) brandschatzend und plündernd um die Häuser ziehen.
Und da braucht ihr euch alle jar nix vorzumachen!

@börbs & alle träumer (inkl. mir)

.org 21.10.2002 - 21:56
ist das dein ernst mit dem aldi? wo wohnst du denn? aldi ist ganz in, auch bei snobs!

wenn jeder gleich viel verdient... warum soll jeder gleich viel verdienen?
ohne geld würde mir das prinzip einleuchten, also waren verschenken.
mit geld funktioniert es nicht. es wird arbeitenden nur schwer zu vermitteln sein, warum nicht-arbeitende das gleiche bekommen. vor allem wenn die arbeit
1.) notwendig ist und
2.) keinen spass macht.
sowas solls ja geben. (alte, kranke usw. klammern wir hier mal aus)

ohne geld ist aber auch ein problem: wie sollen die "anarchistischen inseln" mit ihren nachbarn, die eventuell kapitalistisch sind oder feudalistisch oder was weiss ich was (am ende kriege mit massenvernichtungswaffen führen) handel treiben?
was machen kinder, deren eltern in der schulfreien zone gelebt haben, die aber den film ihrer eltern nicht mitfahren wollen? wenn überhaupt funktioniert das nur auf der ganzen welt und mit dienstleistungsrobotern, arbeit müsste möglich sein - aber nicht notwendig (auch gesellschaftlich gesehen).
es gibt viel mehr probleme als diese genannten. unterschiedliche kulturkreise und ergo auffasungen von freiheit lasse ich gleich ganz aussen vor (wie gesagt, ich denke wenn, dann nur global). mit naivität lässt sich keines lösen, träumen allein reicht auch nicht.

mir kommt der traum von anarchie wie das zurücksehnen nach der kindheit vor. völlig klar, dass der mensch solche fantasien hat, von mir aus utopien genannt. religiöse menschen nennen das auch paradies. (ich hätte auch gern das paradies auf erden)

nur ist unsere welt tatsächlich nicht so. da kann man das system weit aussen vor lassen, da kommen schon ganz banale dinge wie ehrgeiz, neugier, (biologischer) konkurrenzkampf, eifersucht etc pp ins spiel. alles dinge, die uns als menschen ausmachen. die alternative wären gefühllose harmonie-klons. wer will das schon... nicht zu vergessen: nur wo es unglück gibt, kann es glück geben.

Prolet

Kapitalismus = Zwangsarbeit 21.10.2002 - 22:00
Jahrtausende lang mussten Menschen unter Androhung von Gewalt zur Arbeit gezwungen werden.
Plötzlich reissen sie sich darum,nicht selten wird Arbeitslosigkeit sogar als Schande angesehen.
Da muss doch was faul sein,am Kapitalismus!

Kein Kapitalist zwingt uns heute,in seinem Betrieb zu arbeiten,das ist richtig.
Trotzdem sind die meisten von uns immernoch gezwungen,täglich für andere arbeiten zu gehen.
Der Zwang geht aber nicht von den Kapitalisten direkt aus,sondern indirekt von den Eigentumsverhältnissen.
In einer libertären Gesellschaft wird daher niemand die Gelegenheit erhalten,Eigentumsrechte zu erschaffen (er bräuchte ohnehin eine Form von Staat,um dieses Privileg aufrechtzuerhalten),da dadurch die Freiheit und Selbstbestimmung seiner Mitmenschen negiert würde.

Ansonsten bleibt noch zu sagen,daß natürlich niemand gezwungen werden wird,in einer libertären Gesellschaft zu leben.
Wer eine kapitalistische(d.h. staatliche)Gemeinschaft gründen will,wird auch die Möglichkeit dazu erhalten.
Sollten sich die dort unterdrückten Menschen allerdings entschliessen,ihre Bosse loszuwerden(d.h. sie zu enteignen),werden die Anarchisten wohl die ersten sein,die sie dabei unterstützen werden!

@prolet

21.10.2002 - 22:13

21.10.2002 - 22:26
Hunger ist also höhere Gewalt!
Ich war mal für drei Jahre Selbstversorger - ist natürlich ne zu kurze Zeit und so, aber: noch nie musste ich so viel arbeiten! Nur für mich, kein Ausbeuter weit und breit. Nicht mal Marsriegel hab ich mir "anbauen" können. Ich hatte fast nur noch mit Menschen zu tun, die gerne ANDERS WOLLEN, aber NICHT KÖNNEN. Weil sie zu ungebildet, drogenabhängig, alt, faul was weiss ich was waren. Diese waren die Marktgänger, denen man die selbstgemachten Käse, das Gemüse usw. VERSCHENKT hat, bevor es schlecht wurde. Kaum etwas wurde gekauft, die Szene unter sich hat eben kein Geld. Hätten sie aber alle gern gehabt, damals in Südfrankreich. Nur anstrengend darfs nicht sein.

Nach drei Jahren hatte ich jedenfalls keinen Bock mehr. Seitdem empfinde ich das ganze Gesabber von Tauschgeschäft und alles selber machen und die Kommune entscheidet gemeinsam als Hohn! Besoffen waren sie die meiste Zeit. Es hat sie nichts interessiert. Basisdemokratie? Worüber denn entscheiden... is mir doch egal. Mach was Du willst. Haste noch Tabak? Die wahre Anarchie führt zu russischen Verhältnissen: die schwächeren arbeiten weil sie nicht anders können (in dem Falle die Frauen für die Kinder), die Kerle saufen den ganzen Tag. (OK, natürlich auch kiffen)

Und, wo ist sie dann die schöne Welt? Sehen 0,5% arbeitswillige Anarchos zu, wie das Nachbar-Basisdemokratie-Örtchen verhungert? Oder müssen sie ne Armee gründen, weil die hungrigen und besoffnen Horden ihre hippieske (peace)Grundeinstellung auf einmal vergessen?

le petit prince 21.10.2002 - 22:38
Hi, danke für den Text, zwei Anmerkungen:

1. "heilige Freiheit des Individuums": heilig? Nö...gibt`s dann auch Gott? Das Paradies? Gibt es dann auch Unheiliges, objektiv schlechtes?
Wir sollten nicht den Fehler machen, ein Paradies zu konstruieren. Damit ist noch jeder auf den Bauch gefallen.

2. Was macht meine Kommune, wenn zwei andere sie angreifen und übernehmen wollen? Ist zur Sicherung nicht vielleicht doch eine übergreifende Organisation notwendig, die sowas erörtert? Eine "Weltkommune"? Und wenn mir die Weltkommune nicht passt, wohin kann ich dann abhauen?

ui, klasse...

21.10.2002 - 23:37
anarchokapitalisten melden sich auch zu wort ;-)

@ 21:26

iX 21.10.2002 - 23:41
Nur ein Punkt aus Deinem recht kurzschlusshaften Kommentar: Wir hier im Norden sind es, die die Ressourcen Welt verbrauchen und für unseren Wohlstand sterben Menschen. Allein daß sollte Grnd sein, schluss mit dem jetzigen System zu machen - natürlich wollen wir hier im Norden das nicht. Wir sind ja die Nutzniesser und ein Gewissen ist ja was für Gutmenschen...
Zu den Kommunen: Bitte nicht verallgemeinern - ich kenne genügend andere Beispiele aus Spanien und Lateinamerika.

@21:26

rekombinant 21.10.2002 - 23:48
Eine Gemeinschaft kann eben nur soundsoviel Prozent arbeitsunfähige oder -unwillige Leute durchschleppen. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Wenn natürlich, so wie du das hier erzählst, eine Gruppe fast nur aus Besoffenen und Bekifften besteht, die ohne Plan irgendwo in der Pampa rumhängen, ist das Ergebnis ja wohl vorhersehbar, oder?

Wenn du aus deiner begrenzten Erfahrung den Schluss ziehen magst, dass kooperatives, selbstverwaltetes Arbeiten nicht möglich ist, so ist das dein Bier. Dann brauchst du halt die Knute eines Bosses im Rücken (bzw. versteckst dich hinter dem bequemen Argument, dass alle - außer dir natürlich - faul und unfähig sind). Keiner zwingt dich, es anders zu wollen. Darum geht's ja in diesem Thread.

klares Defizit beim Thema Ökonomie

clandestino 22.10.2002 - 00:16
In diesen ökonomischen Grauzonen, unter denen bisher alle mir bekannten formulierten Utopien (und damit auch mein Text, der als eine Art Zusammenfassung gedacht ist) leiden, liegt der problematische Knackpunkt: Produktion, Konsum, Bedürfnisse, Märkte ja oder nein... man muss das gnadenlos beleuchten: kein sozialistischer Entwurf klärt diese Fragen auch nur annhähernd befriedigend.
Eine intensive Beschäftigung mit der Ökonomie ist meiner Meinung auch ein klares Defizit der "sozialen Bewegungen" allgemein. Diese Löcher müssen wir stopfen, ohne uns dabei von irgendwelchen Dogmen und Vorurteilen blenden zu lassen. Das ist aber bisher kaum geschehen.

rekombinant

22.10.2002 - 12:23
hast du es denn schon mal probiert?
da kann ne menge idealismus den bach runter gehen.

@klares Defizit beim Thema Ökonomie

Kommunist 22.10.2002 - 13:37
Stimme ich dir vollkommen zu das du ein klares Defizit bei der Ökonomie hast. Les mal den Marx !

@schlaumeier

clandestino 22.10.2002 - 13:46
Hab ich. Der sagt aber überhaupt NICHTS darüber, wie eine alternative Ökonomie aussehen könnte. Auf dem Gebiet ist er so wertlos wie alles andere.

Aber aber

Oli 22.10.2002 - 14:19
So wertlos ist er aber nicht. Nur weil kein fertiger Weg beschrieben ist, heisst das noch lange nicht, bla bla bla... Es bringt einfach nichts ausser neue Ideologien, heute schon die Lösung zu präsentieren. Zur Zeit gehts eher um schonungslose Kritik (am bestehenden Ganzen) UND die praktischen Schlüsse die zur Zeit daraus zu ziehen sind. Das soll aber nicht heissen, dass dein Text nicht Interessant wäre.

Ach Clandestine, schreib mir doch mal wieder.

Oli

nichts gegen schonungslose kritik...

clandestino 22.10.2002 - 15:13
... aber viele beschränken sich nur darauf und ziehen eben keine konstruktivten schlüsse. ausser natürlich den, das sie den kapitalismus ablehnen.
post folgt, oli ;)

@11:23

rekombinant 22.10.2002 - 15:44
Probiert? Was? Selbstverwaltung & Co? Ja. Habe ein gutes Dutzend Jahre in solchen Zusammenhängen gearbeitet und gelebt. Ja, man kann dabei "Idealismus" verlieren, aber auch Realismus gewinnen. Auch wenn ich schon ein paar Jahre draußen bin, habe ich immer noch die Vorstellung, dass selbstorganisiertes Leben und Arbeiten machbar und zudem notwendiger denn je ist. Resignieren kann ich auch noch auf dem Friedhof.

Gibts auch was Konkretes?

enttäuschter 22.10.2002 - 16:50
Sehr guter Beitrag der das Niveau auf Indy hebt! Leider zeigt er auf klare Weise die Undurchführbarkeit solcher Träume. Derartige Ansätze existieren nun jedoch schon sehr lange und kaum jemand vertritt sie. Wie die Masse überzeugen? Was passiert mit Leuten die die Freiheit des Individuums konkret zerstören wollen?
Neid, Faulheit, Zerstörungslust usw. soll einfach übersehen werden?

Der Ansatz geht von einem durch und durch "guten", gebildeten Menschen aus, der immer seine Freiheit und die der Gemeinschaft achtet. Leider existiert dieser nicht, noch hat er jemals existiert.

Wenn das alles ist... realitätsferne und somit selbstzerstörerische Träume und Hoffen auf einen anderen Menschen... dann wünsch ich noch einen angenehmen Schlaf.
Gute Nacht Anarchos!

@rekombinant

poldi 22.10.2002 - 16:59
Warum biste denn da draussen? Zu alt?

Buenaventura 22.10.2002 - 16:59
1.Wert wird GESAMTGESELLSCHAFTLICH produziert. das herrschende gesamtgesellschaftlich produzierende Wirtschaftssystem ist der Kapiatalismus! das zwingt allen Teilen der Gesellschaft die Kap. zwänge auf. darum ist es auch so unglaublich schwierig in einzelnen abgetrennten Kommunen würdig und lebenswert zu leben. du stehst immer im Wettbewerb, ob du willst oder nicht.
2.solange wir unsere Arbeit auf dem Markt verkaufen müssen um zu leben, stehen wir unter Zwang, leben im "Reich der Notwendigkeiten", genau wie die einzelnen Kapitalisten. wenn wir es schaffen unsere Grundversorgung selbst-, und nicht kapitalistisch zu organisieren, kommen wir aus dem Reich der Notwendigkeiten ins "Reich der Freiheit". wir haben die Möglichkeit frei zu entscheiden was richtig und falsch ist und stehen nicht wie bisher unter dem Zwang des Überlebenskampfes.
im Grunde sehe ich da gar kein so grosses Problem.
diejenigen die sich hier so auslassen über die "illusionsbeladenen Utopisten" sollten sich mal genau anschauen in was für einem System wir eigentlich leben und wieviel Zukunftsfähigkeit das eigentlich hat. nur weil ihr dem Mainstream zustimmt habt ihr nicht automatisch recht. ihr seid die Utopisten!

@enttäuschter

clandestino 22.10.2002 - 17:27
Was du da alles ansprichst wäre Stoff für einen weiteren Artikel. Diese ganzen Fragen zu beantworten war auch garnicht Sinn und Zweck dieses Textes. Es sollt eher dem weitverbreiteten Vorurteil widersprochen werden, eine libertäre Gesellschaft wäre "Unsinn" und "keine Vision für die ganze Gesellschaft".
Was du beantwortet haben willst, dabei kann uns wirklich nur die schonungslose Kritik an herrschenden Zuständen helfen.
NUR Kritik und keine Utopie oder NUR Utopie aber keine Kritik ist natürlich nicht ausreichend. Ich finde, beides gehört zusammen. Man kritisiert ja nicht einfach die herrschenden Zustände zum Selbstzweck, weil das Nörgeln soviel Spass machen würde. Man will damit ja schliesslich auch auf etwas hinarbeiten. Welchen Weg wir dazu konkret gehen müssen, kann hier keiner wirklich beantworten... und der obige Text gibt dazu höchstens die ungefähre Windrichtung an.

Elend!

DDR-Import 22.10.2002 - 17:45
Um so dümmer und schlechter die Zeiten, umso dümmer die linken "Theoretiker".

Wieso kommt jemand auf den Gedanken im 21. Jahrhundert wieder eine primitive Kleinwirtschaft einführen zu wollen, in der sich alle beschränken müssen und den ganzen Tag schuften müssen? Wo ist da die freie Entwicklung des Einzelnen möglich? Die Freiheit des einzelnen hört in einer kommunistischen Gesellschaft nicht an der des anderen auf, sondern die Gesellschaft ist so eingerichtet, dass das Ausleben meiner Freiheit die Freiheit der anderen Gesellschaftsmitglieder noch fördert.
Wieso den ganzen Proudhon-Kram 150 Jahre nach seiner theoretischen wie praktischen Widerlegung noch mal?

Vorsätzlicher Diebstahl?
"Der Anarchismus erkennt das absolute Selbstbestimmungsrecht des Individuums unter dem Vorsatz an, dass die Freiheit des Einzelnen Bedingung der Freiheit aller ist."

Das Original:
„Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. Die politische Gewalt im eigentlichen Sinn ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer anderen. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingung des Klassengegensatzes, der Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf. An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation , worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“ (Kommunistisches Manifest, MEW 4, 482)

Warenproduktion?
"Es kann durchaus auch möglich sein als kleiner Geschäftsmann, der schliesslich nur sein eigener Chef ist, auf eigene Verantwortung zu wirtschaften."

Die Vorraussetzungen für Warenproduktion sind:
Privatbesitz an Produktionsmitteln. Unabhängig voneinander stattfindende Privatproduktion. Unbewußte, nicht gesellschaftliche,Produktion, d.h. Produktion für einen Markt. Ziel der konkurrierenden "Geschäftsmänner" "bei Strafe des Untergangs": Stets wachsende Mehrwertproduktion.

Die ganze kapitalistische Scheiße soll also auf einen fiktiven Zustand "einfacher Warenproduktion" heruntergeschraubt werden. Den gab es noch nie. Den kann es nicht mehr geben, es sei denn als Gewaltakt oder Selbstbeschränkung der Menschen.
Anstatt dass sich die Menschen von den Zwängen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse befreien, wollt ihr weismachen, sie könnten die netten Seiten des Kapitalismus haben ohne ihn ganz (die unbewußte, nicht-gesellschaftliche Privatproduktion von Waren!) abzuschaffen.
»Sie will die Theorie verwirklichen, soweit dieselbe sich von der Praxis unterscheidet und den Antagonismus nicht einschließt. Selbstverständlich ist es in der Theorie leicht, von den Widersprüchen zu abstrahieren, auf die man auf jedem Schritt in der Wirklichkeit stößt. Diese Theorie würde alsdann die idealisierte Wirklichkeit werden. Die Philanthropen wollen also die Kategorien erhalten, welche der Ausdruck der bürgerlichen Verhältnisse sind, ohne den Widerspruch, der ihr Wesen ausmacht und der von ihnen unzertrennlich ist. Sie bilden sich ein, ernsthaft bürgerliche Praxis zu bekämpfen, und sie sind mehr Bourgeois als die anderen.« (Karl Marx, Das Elend der Philosophie, MEW 4, S. 142 f.)

Wo aber das Arbeitsprodukt Ware ist, gibt es Geld und Kapital.
»Es ergibt sich daher der Irrtum jener Sozialisten, namentlich der französischen, die den Sozialismus als Realisation der von der französischen Revolution nicht entdeckten, sondern historisch in Umlauf geworfnen bürgerlichen Ideen nachweisen wollen, und sich mit der Demonstration abmühen, daß der Tauschwert ursprünglich (in der Zeit) oder seinem Begriff nach (in seiner adäquaten Form) ein System der Freiheit und Gleichheit aller, aber verfälscht worden sei durch Geld, Kapital etc. … Das Tauschwertsystem und mehr das Geldsystem sind in der Tat das System der Freiheit und Gleichheit. Die Widersprüche aber, die bei tieferer Entwicklung erscheinen, sind immanente Widersprüche, Verwicklungen dieses Eigentums, Freiheit und Gleichheit selbst; die gelegentlich in ihr Gegenteil umschlagen. Es ist ein ebenso frommer wie alberner Wunsch, daß z. B. der Tauschwert aus der Form von Ware und Geld sich nicht zu der Form des Kapitals oder die Tauschwert produzierende Arbeit sich nicht zur Lohnarbeit fortentwickeln soll.« (Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, S. 916.)

Entweder ihr schafft die Warenproduktion ab, oder ihr müßt euch mit der Welt wie sie ist abfinden.
Wer nimmt denn eigentlich dem "kleinen Geschäftsmann" die Kohle ab, die er, sei's durch Zufall, sei's durch "Fleiß" durch seinen Betrieb anhäuft? Dadurch hat er ja wieder Macht über andere.
Kommt dann doch der Staat?
Oder gibt er gern und freiwillig? Was, wenn nicht?
Wollt ihr dann die "Freiheit des Einzelnen" einschränken?


Zur Methode Marx':

"Ist die Konstruktion der Zukunft und das Fertigwerden für alle Zeiten nicht unsere Sache, so ist desto gewisser, was wir gegenwärtig zu vollbringen haben, ich meine die rücksichtslose Kritik alles Bestehenden, rücksichtslos sowohl in dem Sinne, daß die Kritik sich nicht vor ihren Resultaten fürchtet und ebensowenig vor dem Konflikte mit den vorhandenen Mächten." (MEW 1/344)
"Wir treten dann nicht der Welt doktrinär mit einem neuen Prinzip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder! Wir entwickeln der Welt aus den Prinzipien der Welt neue Prinzipien. Wir sagen ihr nicht: Laß ab von deinen Kämpfen, sie sind dummes Zeug; wir wollen dir die wahre Parole des Kampfes zuschreien. Wir zeigen ihr nur, warum sie eigentlich kämpft, und das Bewußtsein ist eine Sache, die sie sich aneignen muß, wenn sie auch nicht will." (MEW 1/344f)

Sehr wohl gibt Marx aber einige Hinweise, wie die Produktion organisiert werden muss, wenn es keine kapitalistische oder primitive Subsistenzwirtschaft sein soll:

- Abschaffung der Warenproduktion, dafür bewußte, gesellschaftliche und geplante Produktion von Gebrauchswerten.
- Abschaffung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln,
d.h. Vergesellschaftung dieser.

Literaturtip: "Das Elend der Philosophie" (MEW 4) von Marx.
Danach dürfte die Diskussion überflüssig sein.

P.S. Natürlich ist der Attac-Heini ein Idiot.






@ddr-import: ts, ts, ts...

clandestino 22.10.2002 - 18:44
... warum so beschissen unfreundlich? Das ist echt unnötig. Lass meinen Kopf ruhig dran, ich will dir deinen auch nicht abreissen.
Ansonsten war´s eigentlich so ein Beitrag, den ich mir mehr oder weniger erhofft hatte...

"- Abschaffung der Warenproduktion, dafür bewußte, gesellschaftliche und geplante Produktion von Gebrauchswerten."

"Gebrauchswerte": Das müsste man genauer definieren, um darüber zu sprechen... klingt für mich wie "Grundbedürfnisse". Aber wie steht´s mit den Bedürfnissen, die verschwinden, die sich ändern, die hin- und herschwanken und die man nicht einfach mit "kapitalistischer Konsumgeilheit" erklären kann? Wie will man die in die "bewusste, gesellschaftliche und geplante Produktion" miteinplanen? Oder sollen wir alle gleich arm und asketisch leben? Deckt die "Produktion von Gebrauchswerten" die Gesamtheit aller menschlichen Bedürfnisse ausreichend ab? Kann sie das?


"- Abschaffung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln,
d.h. Vergesellschaftung dieser."

Das ist klar. Aber selbst hier passt der böse "kleine Geschäftsmann" rein. Du erwähnst hier nur das Eigentum an Produktionsmitteln. Ist der Taxifahrer oder Blumenhändler so jemand?

Unterschied

Big L 22.10.2002 - 19:43
Sowohl Kommunismus wie auch Anarchismus bauen eigentlich auf eine sozialistische Gesellschaftsform auf. Die wesentlichen Unterschiede sind die Standpunkte zum Thema Staat und Herrschaft. Bei Rätekommunismus bzw. Anarchosyndikalismus vermischen sich beide Ideologien (treffen sich irgendwo - daher die Farben schwarz und rot)
Allgemein halte ich es auch ungünstig sich immer noch nach einer ideologischen Richtung einzuteilen. Gute Ideen gibts in viele Ideologien. Das einzige was wirklich überwunden werden sollte, sind die Autoritätsliebe, die die dogmatische Linke kennzeichnet.

Buenaventura 22.10.2002 - 20:52
Ob es nach dem Kapitalismus noch Blumenhändler gibt oder nicht, können und sollen wir nicht im Voraus wissen. Unsere Vorstellung baut auf dem auf was wir kennen und verstehen. Eine befreite Welt können wir uns natürlich nur schemenhaft vorstellen. Das wesentliche ist dass wir nicht mehr abhängig von Markt oder Herrscher sind. Dass wir das was wir wirklich brauchen kooperativ und solidarisch herstellen und verteilen.
Wir werden kein System finden dass das Böse abschafft. Wir können aber ohne weiteres eines schaffen das das Gute überhaupt zulässt und nährt. Absolute Freiheit und Glückseligkeit kann es natürlich nicht geben und das erwarten auch die wenigsten.

23.10.2002 - 00:36
Was erwarten denn die meisten? Oder was glaubst Du, was die meisten erwarten?

Gäähn zurück

sonja 23.10.2002 - 00:58
Und dann haben wir Marx und was machen wir dann ?

JAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJAJA

uhlalala 23.10.2002 - 09:28
Ich freu mich auf eine basisdemokratische Gesellschaft mit den ganzen Indy-Usern! Die Toleranz, das Verständnis, die Fähigkeit Kompromisse einzugehen --- DAS WIRD GANZ GROSS!!! Vor allem wenn dann meine Oma mit bestimmt, da gibts zu den Entscheidungsplenen wenigstens Kekse und Kuchen. Überzeugen wird sie allerdings keiner, die Neigung andere Meinungen anzuhören ist auch bei ihr sehr schwach ausgeprägt. Mein Opa erst...

23.10.2002 - 14:53
irgendwie schlüpft Mensch bei solchen Diskussionen von einer Frage in die andere. wenn eine beantwortet ist wird sie wieder nichtig gemacht durch eine andere. das gibt dann eine Kreisbewegung. sind ja alles wichtige Punkte, die müssen aber nacheinander abgehandelt werden. ansonsten mit deiner Oma.... naja, wo gehobelt wird fallen Späne und so....;)

gebrauchswert

ddr-import 24.10.2002 - 19:04
Nun gut, Freundlichkeit erfordert Geduld.
Wer hat die zur Zeit schon...

Gebrauchswert:
"Die Ware ist zunächst ein äußerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigenschaften menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt. Die Natur dieser Bedürfnisse, ob sie z.B. dem Magen oder der Phantasie entspringen, ändert nichts an der Sache (2). Es handelt sich hier auch nicht darum, wie die Sache das menschliche Bedürfnis befriedigt, ob unmittelbar als Lebensmittel, d.h. als Gegenstand des Genusses, oder auf einem Umweg, als Produktionsmittel."

Es geht also nicht nur(!) um Grundbedürfnisse.
Alles was ein menschliches Bedürfnis, egal ob geistig oder körperlich, befriedigt ist Gebrauchswert. Über den Sinn und Unsinn von Bedürfnissen lässt sich sicher streiten.
Wer weiss jetzt, wie eine befreite Gesellschaft den Umgang mit "problematischen" Bedürfnissen regelt?
Das lässt sich nur dann entscheiden. Bestenfalls demokratisch.

Schwankende Bedürfnisse? Was ist das? Z.B. Wenn ich morgens aufwache und denke, "ich will jetzt ein rosa T-Shirt haben"? Dann wird das eben produziert. Oder es wurde bereits produziert. Im Kapitalismus kann das auch passieren, dass ein Bedürfnis nicht befriedigt werden kann, weil die Ware nicht produziert wurde. Der andere Fall, dass die Ware produziert, das Bedürfnis aber nicht befriedigt werden kann, weil der Gegenwert fehlt, kommt hier allerdings weit häufiger vor.

Es geht bei der Frage des Privateigentums an den Produktionsmitteln nicht nur um Reichtum und Armut, sondern um die Form der Produktion. Privatproduktion ist Warenproduktion. Es besteht kein Überblick und keine geellschaftliche Bewußtheit über das, was produziert wird.
Der Markt tritt den MEnschen als Zwang gegenüber. Sowohl den Kapitalisten, als auch den Arbeitenden.
Es ist aber nur ihr eigener selbst produzierter gesellschaftlicher Zwang, den die Warenproduzenten, als vereinzelte und unabhängige ProduzentInnen nicht durchblicken (können).
Deshalb: Keine Taxifahrer mit Privattaxis mehr und auch keine Blumenhändler mit eigenen Geschäften. Dafür vergesellschaftete Taxis, durch die Gesellschaft demokratisch, bewußt, geplant und unter voller Kontrolle verwaltet.



wenn natürlich...

clandestino 24.10.2002 - 19:39
...die Blumen eh überall für jeden wachsen, brauchts natürlich keinen Blumenladen mehr. Aber die Vorstellung vom kollektivierten Dönerladen stellt ne kleine Denksportaufgabe dar. Aber zu Detailfragen mehr während der Revolution, wir sehen uns ;-)

25.10.2002 - 15:12
THE LAST CAPITALIST von Steve Cullen lesen!