Autonomiemodell in Spanien in der Krise

Ralf Streck 30.08.2005 15:57
Die katalanische Regionalregierung ist in einer tiefen Krise. Damit kriselt das Modell der spanischen Sozialisten, die in der bedeutsamen Region eine Koalition mit den Linksnationalisten eingegangen sind und 2003 die Konservativen erstmals aus der Regierung gedrängt haben. Der „Republikanischen Linken Kataloniens“ (ERC) wurde dafür ein neues Autonomiestatut versprochen, dass Katalonien mehr Rechte garantieren sollte.
Bis im März des vergangenen Jahres gingen solche Versprechen leicht über die Lippen der PSOE. In Madrid regierte die ultrarechte Volkspartei (PP) mit absoluter Mehrheit, die jede Ausweitung der Autonomie blockieren würde. Als die PSOE überraschend die Wahlen knapp gewann, wurde es ernst.

So befindet sich die Regionalregierung in Katalonien nun in einer tiefen Krise. Das neue Autonomiestatut passierte zwar im Sommer zwar die zuständige Kommission, doch ohne die Stimmen der Sozialisten. Die wollen es in dieser Form im Parlament ablehnen. Der Entwurf wurde mit den Stimmen der konservativen Nationalisten durchgebracht, deren Stimmen auch im Parlament nötig wären, um ein neues Statut zu verabschieden.

Die Nationalisten haben ein eigenes Finanzierungssystem für Katalonien als „historisches Recht“ definiert. Obwohl sie es einst versprochen hat, lehnt die PSOE das ab, weil dann weniger nach Madrid fließen würde. Sie legt nicht einmal Zahlen vor, wie stark Katalonien den Zentralstaat finanziert. Die Katalanen fordern auch prinzipiell das Recht auf Selbstbestimmung zu verankern. Insgesamt wehrt sich die PSOE gegen 38 der 57 Artikel des neuen Statuts, in denen die Kompetenzen und gegen die Zentralmacht abgesichert werden.

Die Krise hatte der katalanische Sozialistenchef Pasqual Maragall im August angeheizt. Er wollte von dem Zeitplan, im September im Parlament abzustimmen, nicht abrücken. „Wenn es bis zum Mercé (24. September) kein neues Statut gibt, gibt es keins“, sagte er. Die ERC nannte das „kontraproduktiv“ und brachte Neuwahlen ins Gespräch. Das Statut sei die „zentrale Achse“ dieser Regierung, sagte der Chef der Linksnationalisten Josep Lluís Carod-Rovira. „Vorgezogene Neuwahlen müsste man ins Auge fassen, wenn das Statut in Katalonien nicht angenommen wird“. Er deutete auch Folgen für die Zentralregierung an, die von der ERC geduldet wird: „In Madrid regieren einige, die uns brauchen“.

Wegen der Tragweite ist Maragall zu neuen Verhandlungen gezwungen. Er hat Gespräche mit allen Parteien anberaumt, um die Situation zu retten. Am vergangenen Mittwoch hat er Katalonien als „Nation in Spanien“ bezeichnet und Spanien als föderales Land bezeichnet, dabei ist es weit entfernt von einem föderalen System. Die Regionen haben kaum Einfluss und das Unterhaus wurde bisher nicht in eine Art Länderkammer nach deutschem Vorbild verwandelt. Allerdings will er die Absicherung der Rechte gegenüber Madrid verhindern, weshalb sie durch Zentralgesetze ausgehebelt werden könnten.

Damit haben die Basken in den letzte 25 Jahren böse Erfahrungen gemacht. Ein weitgehendes Autonomiestatut wurde beschlossen, aber in großen Teilen nie umgesetzt und durch Gesetze der Zentralregierung ständig weiter ausgehöhlt. Deshalb stellen die das Autonomiemodell grundsätzlich in Frage. Die PSOE muss sich nun in Katalonien entscheiden, ob sie zu einer Dezentralisierung bereit ist oder ob sie die moderaten Forderungen genauso mit der Ultrarechten versenkt wie die Forderungen der Basken. Der Beschluss des baskischen Parlaments über die „freie Assoziation“ mit Spanien hatte die PSOE mit der PP im Madrider Parlament abgelehnt, ohne den Plan in der zuständigen Kommission zu diskutieren.

Galicien ist als Problemfeld für die PSOE hinzugekommen. Mit Hilfe der Linksnationalisten konnte sie die rechte Hochburg erstmals seit dem Ende der Franco knacken. Doch der Nationalistische Block Galiciens (BNG) will eine Ausweitung der Autonomie. „Einen Sprung voran bei der Panzerung der Macht der Galicier“ forderte der BNG-Chef Anxo Quintana. Der sozialistische Regierungschef Emilio Pérez Touriño versprach, wie Maragall einst, ein neues Statut. Sollte es nun Katalonien scheitern, findet sich auch die neue Regierung in Galicien sofort in einer Krise wieder.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 30.08.2005
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen