Schöner Leben ohne Naziläden

Antifa Gera 15.12.2004 19:16
In letzter Zeit όberschlagen sich die Ereignisse: in Wurzen zόnden Nazis Sprengsδtze und die darauffolgende antifaschistische Demonstration wird von der Polizei brutal aufgelφst, wobei einem Antifaschisten die Zδhne ausgeschlagen werden. Bei Protesten gegen eine von Thόringer Nazis initiierte „antikapitalistische“ Busfahrt werden letztes Wochenende in Arnstadt einhundert Antifas stundenlang festgehalten und schlieίlich abtransportiert. Von den Zustδnden auf den sogenannten Montagsdemonstrationen ganz zu schweigen.
Gesellschaftliche Etablierung von Nazis, kleinbόrgerliche Standortpflege und damit einhergehende Repression gegen die radikale Linke halten, neben Regionen wie der Sδchsischern Schweiz, natόrlich auch in anderen Provinzen Einzug. So ist eben auch Gera seit Jahren ein Begriff fόr unhaltbare antiemanzipatorische Zustδnde. Skandale, wie das kollektive Leugnen von mordenden Nazis, Hausbesuche der Polizei bei als linksautonom deklarierten Personen, das reinprόgeln von Nazis in Montagsdemonstrationen und eine hetzendes Pressemonopol, bilden mittlerweile nicht mehr die Ausnahme. Sie sind vielmehr Normalitδt, um die brφckelnden Standort-Image-Trδume der ostdeutschen Provinzfόrsten noch halbwegs zu erhalten und jegliche Kritik im Ansatz zu ersticken.

Nazis sind seit dem Antifasommer offiziell zu den Staatsfeinden erklδrt worden, das sie dem Ansehen Deutschlands schaden. Denn Rassismus muss im bόrgerlich-rechtlichen Rahmen unsichtbar hinter dicken Mauern der Abschiebeknδste und nicht in Form von umherziehenden Nazibanden verwirklicht werden. Der Anschein der Humanitδt muss gewahrt werden in einer Gesellschaft, die von Konkurrenzdruck zerfressen ist und alle zu „schmarotzenden“ Wirtschaftsflόchtlingen erklδrt, die vom Leben mehr erwarten, als elendig am Hunger zu krepieren. Doch die Unmenschlichkeit des Kapitalismus hδlt Einzug von der Peripherie in die Zentren und δuίert sich dort in Form von Massenarbeitslosigkeit und dem sogenannten working poor. Der Ruf nach Arbeit wird immer lauter, jedoch verhallt er zusehends ungehφrt, da seit der mikroelektronischen Revolution die Arbeit sich selbst όberholt hat und an ihre historische Grenze gestoίen ist. Somit sehen sich die Menschen in der Krise nach einer Perspektive, die leider alles andere als emanzipatorisch ist, wie die Wahlergebnisse in Sachen belegen. Es werden die einfachen, auch strukturellen, antisemitischen Erklδrungsmuster aus der Mottenkiste geholt, denn irgendwer muss ja Schuld an der Misere sein. Dass die abstrakte Totalitδt des Kapitalismus und alle nach den Prinzipien der Verwertung handelnden Menschen diese stδndig neu konstruierten, ist offensichtlich keine Denkmφglichkeit.

In einem gesellschaftlichen Klima indem es wieder hip ist sich zu Deutschland zu bekennen, die „westlich-weiίe-Parallelgeselschaft“ sich gerne als Leitkultur definiert und der Kanzler erhobenen Hauptes όber das von deutschen Wehrmachtsoldaten verursachte Grδbermeer in der Normandie stolziert und denjenigen gedenkt, die den Rόcken freihielten fόr die grφίte Grδueltat der Geschichte, ist es geradezu eine Zwangslδufigkeit, dass sich die Nazis als verlδngerter Arm der deutschen Gesellschaft betrachten, und mittlerweile in einigen Gegenden auch sind.

In Gera erregte die Tatsache, dass Anfang diesen Jahres 14 bis 18 jδhrige Jugendliche aus einem rechten Tathintergrund heraus einen Menschen ermordeten, keinerlei aufsehen, bis auf die mit Empφrung wahrgenommenen Reaktionen, die sich in Sachbeschδdigungen an Nazilδden- und Kneipen δuίerten. Es wurde bis zum Schluss verharmlost und den Antifas die Instrumentalisierung des Mordes vorgeworfen. Bis heute wird der rechte Tathintergrund in der Φffentlichkeit geleugnet, obwohl der Richter diesen im Abschlussplδdoyer bestδtigte. AntifaschistInnen wurden stattdessen als Nestbeschmutzer gebrandmarkt. Es begann eine Hetze gegen sogenannte „Linksautonome“ mit darauf folgender Razzia im autonomen Zentrum. Diese Stadt ist geradezu ein Musterbeispiel fόr das Zusammenspiel der ignoranten extremen Mitte einer ostdeutschen Provinzstadt, deren grφίte Sorge es ist, jemand kφnnte den rosaroten Blick fόr die Kleinstadtidylle verlieren, und diesen dann auf die ungestφrt agierende Naziszene und den zum Himmel schreienden Zustδnden wenden. Es ist wie so oft eine Melange aus Ignoranz, Standortfetisch und Harmoniesucht, die es den Nazis ermφglicht, ungestφrt ihre Geschδfte mit dem Nazipop zu machen. Seien es Konzerte oder Lδden in denen alle Utensilien zum Nazisein erstanden werden kφnnen.

Nur so ist es mφglich, dass die Nazis Jens Hoffman und Mark Zothe mit ihrem Geschδft „Youngland“, benannt nach der gleichnamigen, britischen Rechtsrockband, direkt am Hauptbahnhof in der Bahnhofstrasse 12 in Gera nicht nur Klamotten anbieten kφnnen, sondern mit einem eigenen Internet-Versand die Angebotspalette des „Aufruhr-Versands“ erweitert. Es gibt das passende Nazi-Outfit zu Bands wie „Kreuzfeuer“, „Landser“, „Blue Eyed Devils“ oder Marken wie „Hooligan Streetwear“, „Radical“ mit Reichsadleraufdruck, „Thor Steinar“ und „Walhall Germany“. In einer lokalen Wochenzeitung wurden Anzeigen verφffentlicht und die szeneeigene Warenvielfalt von Thor Steinar όber Consdaple bis zu Landser feilgeboten.

Wir rufen gemeinsam mit der „Kampagne Schφner leben ohne Nazilδden“ dazu auf, am 29.Januar 2005 nach Gera zu kommen und dem Zusammenspiel zwischen Nazis, Polizei und Lokalpresse den Kampf anzusagen! Denn wenn es in dieser Stadt kein Problem ist, dass Nazis ihre Ideologie verbreiten und damit Geld verdienen, dann haben wir erst recht Keines damit, diesen Zustδnden offensiv entgegenzutreten.



Antifademo am 29.Januar 2005 in Gera

Break the silence!
Nazimord aufdecken – Nazilδden abreissen!
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