Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien

ralf streck 16.03.2004 15:27
Die Wähler in Spanien hatten es satt, sich von der regierenden Volkspartei an der Nase herumführen zu lassen und haben sie am Sonntag abgestraft. Statt der absoluten Mehrheit ist sie auf 37,64 Prozent abgestürzt und wird nur noch 148 Sitze im Parlament erhalten. Großer Gewinner der Wahl sind die Sozialisten die 42,64 der Stimmen erreichen konnten und mit 164 Sitzen im Parlament vertreten sein.

Neues zum Thema auf Telepolis www.heise.de/tp
Gewinner ist auch die Republikanische Linke Kataloniens (ERC). Die Partei, die nur in Katalonien antritt, konnte sich von 0,84 Prozent auf 2,54 Prozent wachsen und hat statt einem Sitz acht Sitze im Parlament und ist vierstärkste Kraft. Die Wähler in Katalonien haben damit den Kurs des Parteichefs Josep Lluis Carod-Rovira gestärkt, der erst kürzlich auf Druck der PP von seinem Posten in der Regionalregierung zurücktreten musste, weil er sich im Januar mit der baskischen Untergrundorganisation ETA getroffen hatte, um die von einer Waffenruhe oder dem Ende des bewaffneten Kampfs zu überzeugen.

Die Stimmen für die ERC kamen im wesentlichen von der katalanischen Regionalpartei "Konvergenz und Einheit" die sowohl in Madrid als auch in Katalonien im Bündnis mit der PP stand und nur noch 10 von 15 Sitzen erhielt. Auf ihrem Niveau halten konnten sich alle baskischen Regionalparteien, wobei auch hier die Linke gestärkt wurde und die sozialdemokratische Solidaritätspartei (EA) erhielt, genauso wie das neue Wahlbündnis aus der Provinz Navarra, Nafarroa Bai. Hier dürfte die Trauer und die Wut zu dem Ergebnis beigetragen haben, nachdem ein Polizist am Samstag einen Ladenbesitzer erschossen hat, der sich weigerte ein Plakat mit dem Slogan "ETA Nein" aufzuhängen.

Am Sonderbarsten ist, dass die Vereinte Linke eingebrochen ist. Statt 5,54 Prozent hat sie nur noch 4,96 Prozent erhalten. Im Parlament wird sie nur noch mit fünf statt mit acht Sitzen vertreten sein. Eigentlich ist dies wieder verständlich, weil die von den Kommunisten dominierte Partei zerstritten ist, und nur eine wenig klare und eigenständige Politik macht. Als Beispiel sei hier nur ihr Verhalten bei den Anschläge in Madrid genannt. Obwohl die Täterschaft der ETA zweifelhaft war, ließ sich deren Parteichef Gaspar Llamazares hinreißen, von einem "faschistischen Massaker der ETA zu sprechen", die versuche die "spanische Demokratie zu zerstören".

Eine Kritik an der Regierung, die mit Zeitungsverboten, Parteienverboten, Eingriffen in die Gewaltenteilung und massiver Repression, auch gegen Einwanderer, die Demokratie in den vergangenen acht Jahren bis zu Unkenntlichkeit verstümmelt hat, fehlte. Dass es sich bei den Anschlägen möglicherweise um die Quittung für die Beteiligung am Irak-Krieg handelt, sagte er auch nicht, obwohl die IU an 90 Prozent der spanischen Bevölkerung anknüpfen konnte, die gegen die Beteiligung waren.

Ohne die Terroranschläge lässt sich das Wahlergebnis nicht erklären. Die führte zu einer Wahlbeteiligung die etwa 10 Prozent über der von vier Jahren lag. Alle Umfragen gingen vor den Attacken davon aus, dass die PP die Wahl gewinnen wird. Unsicher war nur, ob sie eine absolute Mehrheit erhält. Doch ihre Politik, wie stets den Unmut auf die Basken zu lenken, ging schief. Zu offensichtlich war, dass diese Version nicht stimmen kann und so stellten nach dem Dementi der ETA immer mehr Menschen einen Zusammenhang zum Irak-Krieg her. Man hatte noch die Lügen vor Augen, mit den Aznar die Beteiligung gerechtfertigt hat.

Als dann immer mehr Meldungen, auch in den von der PP weitgehend kontrollierten spanischen Medien Spanien über Hinweise auf Al Kaida auftauchten, platzte vielen Menschen der Kragen und sie organisierten Massendemonstrationen gegen die PP und riefen vor der Parteizentrale in Madrid: "PP Faschisten, ihr seid die Terroristen." Als dann der PP Kandidat Mariano Rajoy auch noch juristische Schritte gegen die "illegalen" Demonstranten androhte, war sein Ende besiegelt und der Weg frei für den Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero. In der Nacht von Samstag auf Sonntag musste der Innenminister vor die Presse treten und einräumen, dass es, neben dem Bekennerschreiben, nun auch ein Bekennervideo gäbe.

Dabei hat Angel Acebes, so sagen Kollegen der Radiokette Ser erneut gelogen. Er hatte behauptet, das Video wäre gerade gefunden worden. Doch aus Kreisen der Sicherheitsdienste hatte das Radio schon viel früher über die Existenz des Bekennervideos erfahren.

Zapatero muss jetzt, um eine stabile Regierung zu erhalten, kleinere Regionalparteien aufnehmen. An der Tatsache ob er lieber das Modell Katalonien wählt, also ein Bündnis mit der ERC und der IU, wird sich zeigen, ob er tatsächlich zu einem inhaltlichen Schwenk bereit ist. Bisher, bis auf die Kritik gegen der Kriegsbeteiligung, hatte die PSOE viele Gesetzesverschärfungen der PP mitgetragen.

© Ralf Streck den 15.03.2004
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

obsolet

weist 16.03.2004 - 16:28
''Zapatero muss jetzt, um eine stabile Regierung zu erhalten, kleinere Regionalparteien aufnehmen. An der Tatsache ob er lieber das Modell Katalonien wählt, also ein Bündnis mit der ERC und der IU, wird sich zeigen, ob er tatsächlich zu einem inhaltlichen Schwenk bereit ist. Bisher, bis auf die Kritik gegen der Kriegsbeteiligung, hatte die PSOE viele Gesetzesverschärfungen der PP mitgetragen.''

Zapatero hat angekündigt, keine feste Koalition einzugehen, sondern sich seine Mehrheiten dort zu suchen, wo er sie kriegen kann. Taktisch ist das scheiße, weil repressive Maßnahmen über die PP eine sichere Mehrheit haben; strategisch hingegen interessant, weil es das Fraktionsloyalität-über-alles-Parteisoldatentum schwächt.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an