Katalanische Regierung in den Knast?

Ralf STreck 18.12.2003 08:17
Mit Drohungen hat die Zentralregierung Spaniens auf die Regierungsbildung am Dienstag in Katalonien reagiert und dem neuen Regierungschef „Gefängnis“ angedroht. Die neue von den Sozialisten (PSOE) geführte Regierung, die von der Republikanischen-Linken Kataloniens (ERC) und der kommunistisch dominierten Initiative für Katalonien/Grüne (IC/V) abhängt, will ein neues Autonomiestatut für die Region ausarbeiten. Katalonien soll eigenständiger werden und ein eigenes Finanzierungssystem erhalten. Dem Vorgang setzte gestern der ehemalige Minister der Franco-Diktatur und PP-Gründer Manuel Fraga auf (heute Regierungschef in Galizien). Er drohte offen mit dem Einsatz des Militärs, um die Einheit des Landes zu sichern. Auch die Aussetzung der katalanischen Autonomie sei drin.
Auf die Palme bringt die Zentralregierung, dass der Koalitionsvertrag vorsieht, wenn nötig ein Referendum über ein neues Statut abzuhalten. Dazu kommt, dass der Vertrag Bündnisse nur mit demokratischen Parteien vorsieht und die Volkspartei (PP), die Spanien mit absoluter Mehrheit und harter Hand regiert, explizit ausschließt. Dieser Passus hat den spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar derart geärgert, dass er auf einer Parlamentssitzung, auf der es eigentlich um sein blockieren der EU-Verfassung gehen sollte, den Part vorgelesen hat.
Doch zurück nach Barcelona, denn dort soll in 100 Tagen das neue Statut ausgearbeitet sein und fällt genau in die spanischen Parlamentswahlen im Frühjahr zusammen und wird den Wahlkampf bestimmen. Bis April 2005 soll es dann beiden Häusern des Madrider Parlaments vorliegen. Zum Referendum käme es dann, erklärte am Montag der zum Regierungschef gewählte Pasqual Maragall (PSOE), wenn die Reform in Madrid abgelehnt oder behindert werde.
Für den Regierungssprecher Zaplana verstoße dieser „Unsinn“ gegen die Verfassung. Er warnte Maragall vor „strafbaren Handlungen“, denn die PP macht aus den Vorstellungen in Katalonien gerade Delikte. Kürzlich wurde, ohne Diskussion im Parlament, mit einem Trick ein Passus in die Strafrechtsreform eingefügt, um die Durchführung eines Referendums mit drei bis fünf Jahren Gefängnis zu bestrafen. Die Reform richtet sich zwar gegen Vorhaben im Baskenland, würden aber auf Katalonien angewandt, sagte Zaplana. Nur wegen dem Bündnis der PSOE in Katalonien wende sich die PSOE gegen das Strafrecht, klagte Zaplana: „Die größten Pessimisten konnten sich eine solche Unterordnung der PSOE unter die ERC nicht vorstellen“.
Noch weiter ging der Ex-Minister der Franco-Diktatur und PP-Gründer, heute Regierungschef in Galizien, drohte offen mit dem Einsatz des Militärs, welches die Aufgabe habe, die Einheit des Landes zu sichern. Auch die Aussetzung der Autonomie nach Paragraph 155 sei drin. "Wenn das das Drama ist was einige wollen, dann Vorwärts: Es lebe die Verfassung", sagte er.
Die PP ist besorgt, denn es gibt tatsächlich Bewegung in der PSOE, die bisher die repressive Politik der PP mitgetragen hat. Dass sie gegen die Strafrechtsreform Verfassungsklage einlegt, lässt sich nur mit ihrem Bündnis mit der ERC und IC/V erklären. Noch am Samstag demonstrierte die PSOE im Baskenland mit der PP gegen einen Plan der Basken, der den Katalanen als Vorbild dient. Einige PSOE-Führer gehen nun auf Distanz und bringen ihre Parteichefs in Bedrängnis. Miguel Buen, Vizeparteichef der baskischen PSOE erklärte, er werde nicht mehr mit Faschisten demonstrieren. Neben der Falange hatten die selbsternannten „Pazifisten“ der Organisation „Basta Ya“ (Es reicht) viele Rechtsradikale aus ganz Spanien angelockt.
Der neue katalanische Regierungschef zeigte sich gegenüber den Drohungen aus Madrid selbstbewusst. Zum Regierungsantritt erklärte er, die PP werde ohnehin im Frühjahr abgelöst und ihre Politik gestoppt. „Das neue Autonomiestatut ist kein Wunsch mehr, sondern schon jetzt eine Realität“. Eine neue Etappe Kataloniens im Zusammenleben „mit den Völkern in Spanien, Europas und der Welt“ werde jetzt eröffnet.

© Donostia-San Sebastián den 16.12.2003

Eine Glosse zur Demo in Donostia:

Ausflug mit Basta Ya.

Für nur 12 Euro einen Ausflug ins baskische Seebad Donostia? Da sollte man zugreifen, auch wenn der spanische Reiseveranstalter „Basta Ya“ (Es reicht) den beliebten Ort San Sebastián nennt. Denn im Preis ist sogar eine Übernachtung und das Frühstück in einem Hotel mit vier Sternen enthalten.
Die selbsternannten „Pazifisten“ von Basta Ya, die von der Regierung mit viel Geld ausgestattet werden, rufen heute (Sa.) zur Demonstration im Baskenland auf. Und zur Entscheidungshilfe gibt es auf ihren Webseiten die nette Offerte. Die Pazifisten, die von Konfliktlösungen per Dialog nichts halten, wollen gegen einen Plan des baskischen Regierungschefs demonstrieren. Der sieht vor, eine „neue Basis des Zusammenlebens“ auszuhandeln und über den „freien Anschluss an Spanien“ abstimmen zu lassen.
Da sich offenbar nur wenige Basken finden, die sich an derlei Demonstrationen beteiligen, müssen die Teilnehmer aus Spanien angelockt werden. Sie sollen ihrer Regierung eine würdige Kulisse bieten, die pazifistisch Basken foltern und Iraker morden lässt. Das die sich nicht von der faschistischen Vergangenheit distanziert hat, stört die Pazifisten nicht.
Man könnte aber bei den oppositionellen Sozialisten laufen. Mist. Die haben sich nicht von ihren Todesschwadronen distanziert, denen unter ihrer Ägide 30 Basken zum Opfer fielen. Entgangen ist denen auch, dass sie gerade in Katalonien mit der Partei eine Regierung bilden, die den baskischen Plan auf ihre Region anwenden will.
Gut. Man kann sich auch am Strand oder in der schönen Altstadt bei Häppchen und Wein vergnügen. Die Madrider Medien sorgen ohnehin dafür, dass auch von Zehntausenden Demonstranten gesprochen wird, wenn sich nur ein paar Tausend Menschen in den Straßen Donostias verlieren.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 12.12.2003
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Erweiterung mit LInks

Ralf 20.12.2003 - 11:37
Eine erweiterte und aktualisierte Version mit zahlreichen Links zum weiter klicken findet ihr unter.

 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16368/1.html

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

test — test

national wahn — staatenlos

für ein selbstbestimmungsrecht — interNationalist