129a Verfahren gegen Marco, Daniel, Carsten

Soligruppe/ Rote Hilfe 27.11.2003 00:01
Bericht vom 9.Prozeßtag am 25.11.03
9. Prozesstag (25. 11. 2003)

Nach der überfälligen Aufhebung der Haftbefehle am 21. 11. blieb auch am 9. Prozesstag alles offen.

In insgesamt etwa 50 Minuten entschieden die Richter über einen Beweisantrag des Bundesanwalts und die (ersten) Beweisanträge der VerteidigerInnen. Die Staatsanwaltschaft hatte beantragt, als Beweismittel das Gedächtnisprotokoll der Vernehmung des B. vorzulesen und den Polizeibeamten Brockmüller vorzuladen, der für B.s Vernehmung verantwortlich gewesen war. Zuvor hatte das Gericht jedoch bereits zu erkennen gegeben, daß eine Einführung der Vernehmung als Beweisstück in den Prozeß wegen unerlaubter Verhörmethoden nicht in Frage kommt. Das Gedächtnisprotokoll selbst ist Teil der Verteidigungsunterlagen B.s und kann daher ebenfalls nicht Beweismittel im laufenden Verfahren sein. Der Bundesanwalt verwies in der Begründung seines Beweisantrags auf ein Schreiben des Anwalts von B. Hierin wird das Protokoll als Mittel bezeichnet, um im Verfahren den erpresserischen Charakter von B.s Vernehmung zu belegen. Daraus schlußfolgerte er, daß der Anwalt B.s nichts gegen eine Einführung des Gedächtnisprotokolls einzuwenden hätte. Gleichzeitig belegte das Schreiben jedoch eindeutig, dass das Gedächtnisprotokoll Teil der Verteidigungsunterlagen B.s ist. Diesen Umstand bestritt dann der Staatsanwalt kurioserweise trotzdem und begründete dies damit, daß B. dieses Protokoll Carsten bei seiner Verhaftung gerade übergeben wollte. Bundesanwalt Hornick bestritt außerdem erneut die Verwendung von unerlaubten Verhörmethoden. Die Richter waren von diesem widersprüchlichen Antrag des Staatsanwalts wenig begeistert, zumal in seiner Begründung auf Unterlagen zurückgegriffen wurde, die bisher kein Bestandteil des Verfahrens gegen Marco, Daniel und Carsten gewesen sind.

Nach einer langen Unterbrechung entschied das Gericht dann auch, den Antrag des Bundesanwalts in allen Punkten abzulehnen. Es hob dabei nochmals eindeutig hervor (und dies diesmal nicht nur implizit sondern sehr ausführlich), dass B.s Aussagen beim BKA nur unter erpresserischen Druck zustande kamen. Ein Gedächtnisprotokoll, welches nur über die Vernehmung berichtet, unterliege dann auch dem gleichen Verwertungsverbot, wie die eigentliche Vernehmung und ist nicht als separates Schriftstück zu werten. Darüber hinaus sei das Gedächtnis- protokoll eindeutig als Verteidigerunterlagen zu betrachten, auch wenn dieses zusätzlich noch anderen als Lektüre zur Verfügung gestellt wird. Wichtig sei dabei allein, daß es grundsätzlich für den Anwalt gedacht war und damit auf jeden Fall nicht für Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht.

Allerdings lehnten die Richter auch sämtliche Beweisanträge der AnwältInnen vom 8. Prozesstag ab. Die beantragte Verlesung der Telefonüberwachungen und Observationsprotokolle wurde abgelehnt, da diese sich nur auf den Zeitraum nach den Anschlägen beziehen und daher keine Aussagekraft über die Art des Kontakts von Marco, Daniel und Carsten während der ihnen vorgeworfenen Anschlägen treffen könnten. Dies ist interessant, da gerade die Haftbefehle mit dem angeblich so intensiven Kontakt der drei miteinander in eben diesem Zeitraum mitbegründet wurden. Die Vorladung von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes (diese sollten ihre Einschätzung wiedergeben, dass die Anschläge nicht von denselben Personengruppen begangen wurden waren) wurde abgelehnt, da deren Aussagen von den Richtern nicht als Beweis sondern als Bestandteil der Beweisermittlung bewertet wurden. Beweisermittlungsanträge sind im Prozess jedoch nicht mehr zulässig. Auch die Verlesung von Leserbriefen der Volksstimme, die den legalen Charakter des AZ hervorheben, wurde abgelehnt, da diese nicht zwingend als Beweise für die vollständige Legalität des AZ anzusehen seien.

Zum Schluss des Prozesstages bezeichnete der vorsitzende Richter erstmals ausdrücklich eine Verurteilung Marcos, Daniels und Carstens nach § 129a als nicht wahrscheinlich. Als möglicher Anklagepunkt käme jetzt gemeinschaftliche schwere Brandstiftung infrage. Damit ist der §129a-Vorwurf wohl endgültig vom Tisch. Allerdings hat das Gericht noch nicht den Vorwurf des Bundesanwalts zurückgewiesen, dass es bis zu deren Auflösung (siehe Begründung der Entlassung aus der U-Haft) eine terroristische Vereinigung gegeben habe, deren Mitglieder Marco, Carsten und Daniel gewesen seien. Folgt das Gericht der Ansicht der Staatsanwaltschaft, hätte das schwerwiegende Auswirkungen auf die drei Angeklagten. Dann nämlich könnte das Gericht auch ohne Einzeltatnachweis über eine angebliche gemeinsame Brandstiftung in vier Fällen entscheiden. Jetzt liegt es an den AnwältInnen, mit immer wieder neuen Beweisanträgen die Richter davon zu überzeugen, von der Nicht-Existenz einer terroristischen Vereinigung auszugehen.

Trotzdem hatte dieser Prozeßtages noch etwas Besonderes zu bieten. Zum ersten Mal wurden unsere Genossen nicht in Handschellen in den Saal geführt und zu jeder Prozeßpause in Einzelzellen weggesperrt. Diesmal konnten wir mit ihnen zusammen anreisen, zwischendurch einen Kaffee trinken und am Schluß wieder nach Hause fahren. Das ist zwar nur ein Zwischenschritt zum eigentlich notwendigen Freispruch, aber dennoch ein tolles Gefühl.


Soligruppe Magdeburg/Quedlinburg
Rote Hilfe
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Ergänzungen