Sodexho-Infracard<->Senat: Offener Brief

Initative gegen das Chipkartensystem 25.03.2002 23:34
Am 31.03.02 läuft der Vertrag zwischen dem Land Berlin und Infracard, bzw. Sodexho-Pass aus. Infracard betreibt das rassistische Chipkartensystem gegen Flüchtlinge in Berlin sowie einigen anderen Kommunen in der BRD.
Die Initiative gegen das Chipkartensystem fordert den Berliner Senat auf, diesen Vertrag nicht zu verlängern.
WEG MIT DEM SACHLEISTUNGSPRINZIP!
WEG MIT DEM ASYLBEWERBERLEISTUNGSGESETZ!
GRENZEN AUF!
Initiative gegen das Chipkartensystem
c/o Berliner Büro für Gleiche Rechte
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Str. 4
10405 Berlin



Offener Brief an die Sozialsenatorin
Heidi Knake-Werner





Berlin, den 25.03.02



Betreff: Auslaufen der Verträge mit der Infracard GmbH



Sehr geehrte Frau Knake-Werner,
wie uns aus informierten Kreisen und inoffiziell aus ihrer Senatsverwaltung mitgeteilt wurde, läuft das Vertragsverhältnis mit der Firma Infracard GmbH zum 31.03.02 aus. Die von dieser Firma angebotenen und verwalteten Chipkarten führen zu einer erkennbaren Störung des sozialen Friedens in Berlin.

- Chipkarten bewirken, dass AsylbewerberInnen beim Einkauf sofort als solche erkannt und anschließend manchmal abfällig behandelt werden. Dies motiviert rassistische Menschen vor und hinter der Kasse zu menschenverachtenden Bemerkungen. Es wird ein Klima von Misstrauen, Angst und Gefahr erzeugt.
- Eine explizit ausgrenzende Flüchtlingspolitik führt langfristig zu erhöhten Kosten für den Landeshaushalt. Bei Gleichbehandlung aller SozialhilfeempfängerInnen wäre dies der erste Schritt eines nachbarschaftlichen Einlebens in Berlin, was eine spätere wirtschaftliche Selbständigkeit der Haushalte begünstigt.
- Die Auswahl der Geschäfte in Berlin, deren Anzahl, Preisklasse und Angebot von der Firma Infracard bestimmt wird, ist nicht akzeptabel. Viele Menschen mit verschiedensten Ernährungs- und Lebensgewohnheiten flüchten nach Berlin. Die Firma Infracard kann für diese besondere Gruppe von SozialhilfeempfängerInnen im Land Berlin kein sozial verträgliches, ausreichendes Angebot realisieren. Zum Beispiel sind Apotheken oder Lebensmittel-Spezialgeschäfte für z.B. religiöse Ernährungsvorschriften nur mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen oder nicht vorhanden. Kinder wie Erwachsene der betroffenen Haushalte benötigen eine voll vom Land Berlin und vom Sozialamt finanzierte BVG-Monatskarte. Dies erleichtert den Verwaltungsaufwand und verringert die Kosten für das Land und die Bezirke, da eine beträchtliche Zahl von Einzelfallprüfungen und ihrer nicht kalkulierbaren Kosten wegfallen würden. Ein kostenloser Zugang zur BVG, für Besuche von Ärzten, Ämtern und Sprachkurse, sowie zur Pflege von sozialen Kontakten, wäre gerecht und dringend notwendig.
- Das auf der Chipkarte gespeicherte Guthaben für Kleidung deckt nicht den notwendigen Bedarf, insbesondere für kleine Kinder, die noch im Wachstum sind. Ein Einkauf in viel preiswerteren Second-Hand-Läden ist nicht möglich.
- Auch das elektronische System von Infracard ist sehr störanfällig. Dies sind unnötige Probleme, die bei Barzahlungen nicht auftreten würden. Jede technische Störung erhöht die Kosten des Verwaltungsaufwands und bedeutet zusätzliche Wege und Belastung der LeistungsempfängerInnen. Das kann für die Haushalte bedeuten, über Tage nicht die benötigten Lebensmittel oder andere Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen zu können. Dies ist ein nicht zur ändernder und deshalb nicht akzeptabler Zustand.
- Die zusätzlichen Kosten von ca. 1,4% des Umsatzes, die an die Firma Sodexho abgeführt werden müssen, könnten für soziale Maßnahmen verwendet werden.
- Allein die Existenz des Chipkartensystems bedeutet eine schikanöse Komplizierung für AsylbewerberInnen und Kriegsflüchtlinge im Alltag, sowie der Amtsvorgänge mit den LeistungsempfängerInnen nach AsylbLG. Es widerspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen Menschen.


Deshalb fordern wir Sie auf, diese diskriminierende Praxis einzustellen und eine 100%ige Auszahlung der Leistungen nach Bundessozialhilfegesetz wieder aufzunehmen.


Mit freundlichen Grüßen

Initiative gegen das Chipkartensystem
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Ergänzungen

Zum zweiten...

Guena Ventura Diaz 26.03.2002 - 08:11
... Ich hab´ hier schon mal an anderer Stelle nachgefragt, ob hier irgendjemand weiß; in welchen anderen Städten Sodexo Geschäfte macht und womit dann genau. Hiermit stell´ ich die Frage nochmal, mit erneuter Bitte um Rückmeldung.
Radikale Grüsse,

alle machen mit

ausgleichendes element 26.03.2002 - 09:52
na liebe freya fluten,

schickt den brief nichr nur an linksradikale gruppen, sondern ruhig auch an parlamentarierinnen, usw. das sachleistungsprinzip abzuschaffen ist ein so konkretes projekt, dass sich auch das buendnis mit der parlamentarischen linken lohnt!

hoch die faust...

Chip-Ini noch mal

Freya Fluten 26.03.2002 - 14:30
Zur Information empfehlen immer auch:
www.infracard.de
www.sodexho.de
www.sodexho.com
etc.
auch interessant:
www.eyeonsodexho.org

Was Zusammenarbeit und Unterstützung angeht:
Bei PDS/SPD/GRÜNE/FDP/CDU finden sich jeweils verschieden viele Leute, die unsere erste Minimalforderung: "Weg mit dem Asylbewerberleistungsgesetz" unterstützen. Teilweise sind die aber schwierig zu finden. Diesen sachlichen Brief dürfen die auch unterschreiben, zumal es tatsächlich hilfreich sein kann und wir uns nie in Abhängigkeit von Parteien begeben werden.

Ansonsten: 16.04.02 19 Uhr Saal der Kiezspinne, Schulze-Boysen Str. 38, Berlin-Lichtenberg: Infoveranstaltung zum Sachleistungsprinzip, evtl. auch mit aktuellen Infos (Was macht die Regierung jetzt schon wieder?)
19.04.02 16-18 Uhr, EXTRA-Markt, Anton-Saefkow Platz, Berlin-Lichtenberg: Gemeinsam antirassistisch einkaufen!
Ihr macht euren Wochenendeinkauf gemeinsam mit Flpüchtlingen, bezahlt mit den Chipkarten und gebt den Betrag den Betroffenen in bar. Kommt mit Geld und Rucksack!
20.04.02 Antifademo in Lichtenberg, Rock für links in Biesdorf