Polizei schiesst in Exarchia

AutorIn des Beitrags 30.08.2012 14:01 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Die griechische Haupstadt Athen hat eine der größten offenen Drogenszenen Europas. Der Handel mit Heroin wird vom Staat als Mittel zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt. Um diesen Handel in den gewünschten Zonen zu ermöglichen hat ein Beamter der ZITA am Samstag in der Nähe des Exarchia Square ungezielte Schüsse aus seiner Waffe abgegeben.
Der Exarchia Square war bis vor zwei Jahren Standort einer kleinen, lokalen Junkie Szene. Diese verkehrte dort seit in den 80er Jahren Heroin mit staatlicher Protektion verkauft wurde um den Nachwuchs der anarchistischen Bewegung zu schwächen: wer spritzt wirft keinen Stein.
In den letzten Jahren wurde diese Szene von AnwohnerInnen mit Gewalt aus Exarchia verdrängt. Ziel war es den Platz auch wieder Familien mit Kindern zugänglich zu machen und bei politischen Aktionen keine potentiellen Spitzel in der Nähe zu haben. Denn viele Junkies arbeiten mit der Polizei zusammen (auch wenn andere User und Dealer mitrandalieren).

Seit dem stehen die Junkies meistens zwischen Polytechnio und Museum oder direkt an der Patision und Stournari Straße. Die Polizei treibt besonders im Sommer, wenn viele AktivistInnen im Urlaub sind, die Szene nach Exarchia rein. Auch die Drogenszene aus Omonia und von Panepistimio oder anderen kleineren Standorten wird regelrecht in die Seitenstraßen vom Exarchia Square getrieben.
Das geschieht durch einzelne Streifenwagen, die neben den Junkies herfahren, bis diese Straßen betreten, die für die Polizei problematisch sind und durch Motorradbullen, die auf Gehwegen große Junkiegruppen treiben.
Das Ziel ist natürlich Jugendliche Anarchisten mit Heroin in Kontakt zu bringen aber auch die BewohnerInnen vor Probleme zu stellen: mit den Junkies kommt auch die Beschaffungskriminalität und niemand ruft in Exarchia die Polizei, weil sie ausser vielleicht bei Mord und Brandanschlägen nicht erscheint. Und grade der Versuch einer Gesellschaft ohne Polizei soll durch die Drogen zum Scheitern gebracht werden.

Zudem sollen touristische Zentren von Junkies verschont bleiben und durch die Repression gegen migrantische Straßenhändler diese zum Dealen gebracht werden um sie dann als "Volksschädlinge" präsentieren zu können.

Das Vorgehen der anarchistischen Gruppen und AnwohnerInnen ist durchaus fragwürdig: um eine Verschiebung der Junkieszene zu erreichen wurden zahlreiche Kleindealer und Konsumenten in letzter Zeit mit Knüppeln bearbeitet. Diese zogen dafür wenige hundert Meter weiter.

Seit Anfang des Sommers wird der Polizeieinsatz gegen die Drogenszene härter. Sie soll mit Gewalt wieder im Zentrum Exarchias etabliert werden.

Letzten Samstag gegen 16:50 wurden Dealer oder Konsumenten (unklar bislang) von AktivistInnen vom Exarchia Square vertrieben. Zwei davon flüchteten zu einer ZITA Streife vor dem Polytechnio, Stournari Str. und baten diese um Hilfe. Von den ZITA Beamten wurde offenbar ein Mensch festgenommen und die anderen Verfolger vertrieben. Dem Festgenommenen wurde laut Indy Athen von den ZITA gesagt: “it is us who are in control of heroin, you have no idea what you got yourselves into”
Natürlich sammelte sich auf dem Exarchia Square sofort eine Menge um die Bullen anzugehen.
Jedenfalls gelang es den Verhafteten zu befreien. Einer der ZITA Beamten zog seine Waffe und gab ungezielte Schüsse quer über den Platz, drei Patronenhülsen wurden später gefunden.
Bei dem folgenden Sturm von Duzenden DIAS und DELTA Motorrädern auf den Square wurden mindestens drei Menschen verhaftet.

ZITA wurde vor längerer Zeit als Spezialeinheit aus Nahkampfspezialisten mit Motorrädern aufgestellt. Sie wurden jedoch oft zusammengeschlagen und ausmanövriert im Straßenkampf. Auf klobigen Maschinen sitzt immer nur ein Beamter. ZITA gibt es zwar noch aber meistens als taktischen Raumschutz. Zur Kriminalitätsbekämpfung wurde dann DIAS und zur Politbekämpfung DELTA aufgestellt. Diese Einheiten arbeiten meistens zusammen. Zwischen den einzelnen Spezialeinheiten herrscht auch Konkurrenz, die schon gewaltsam ausgetragen wurde.

Der griechische Staat betreibt eine paradoxe Drogenpolitik. Mit einem scharfen BtmG wandern selbst kleine Kiffer in die Knäste, die mit Süchtigen überfüllt sind. Alte klapprige Transporter in Zivil fahren durch die Stadt und zerren plötzlich Menschen hinein um sie drinnen nach Drogen zu durchsuchen. Junkies und Dealer werden in aller Öffentlichkeit aufs Übelste mißhandelt. Wer mit Überdosis irgendwo rumliegt wird kaum von staatlichen Organen beachtet. Der jetzige Schußwaffen Einsatz um Dealer zu protegieren ist jedoch neu.
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Ergänzungen

Video Drogenszene...

wok 30.08.2012 - 14:18
...Stournari Straße vorm Polytechnio:
 http://www.youtube.com/watch?v=BAkvWZyB8M4&feature=related

öhh

hhö 30.08.2012 - 14:53
"Der Exarchia Square war bis vor zwei Jahren Standort einer kleinen, lokalen Junkie Szene. Diese verkehrte dort seit in den 80er Jahren Heroin mit staatlicher Protektion verkauft wurde um den Nachwuchs der anarchistischen Bewegung zu schwächen: wer spritzt wirft keinen Stein. "

ich möchte ja nicht ketzerisch, unsolidarisch oder gar positivistisch rüber kommen - aber wenn ein artikel so aufgemacht wird, hätte ich doch ganz gern nen beleg für obige behauptung/these! ich halte das ja nicht für undenkbar, und das staaten bewusst drogen bzw. alkohol in aufständischen (sub-)proletarischen milieus einschleusen und verbreiten zwecks sozialer zerschlagung und kriminalisierung ist ja auch oft nachgewiesen worden (v.a. gegen die blackpower bewegung in den usa in den 70'er jahren).
aber: drogen sind in modernen gesellschaften oftmals ein mittel, zu denen menschen greifen, die sonst ihren psychischen verletzungen erliegen würden; gerade heroin fungierte in den 80'er jahren als eine art anti-depressiva der der sozial ausgeschlossenen; angebot und nachfrage funktionierten und funktionieren zwar extra-legal, aber ansonsten nach den prinzipien des kapitalistischen normalbetriebs: konkurrenz, kostenreduzierung (schlechte bezahlung der kleindealer, minimierung der produktionskosten durch strecken der ware etc.) und kundenbindung. dafür braucht es keinen staat.

linke (großstadt-)positionen waren daher seit spätestens den 90'er jahren die des gemeinsamen kampfes um raum: gegen vertreibung der staatlich/bürgerlich unerwünschten. im artikel tauchen nun aber linke "anarchistische" saubermänner/frauen auf, die anstatt einer gemeinsamen perspektive von stadt eine szenerie vertreiben, da sonst ja keine kinder auf der straße spielen könnte - ein zutiefst bürgerliches bild, welches die eigene biederkeit überdeckt und auf ein "entweder/oder" zuspitzt. ja, auch heroinabhängige können, wenn gleichberechtigt, sich mit ihren nachbarInnen arrangieren.
dass diese "junkies" nun auch noch spitzel sein sollen wirkt ja geradezu überideal: es sind die anarchistInnen, die für die bevölkerung, batman gleich, gegen den schmutz auf der straße und die fiesen machenschaften des staates in die schlacht ziehen.

athen liegt an einem neuralgischen punkt des drogenflusses nach europa, und insbesondere für das produkt opium bzw. heroin. an diesem milliardengeschäft, dass in und über den gesamten eurasischen raum abgewickelt wird, verdienen sicherlich alle möglichen mit; mafia-kartelle, milizen aller möglichen religösen und politischen richtungen, korrupte staatsbedienstete oder ganze behörden, militärs oder auch ganze militärapparate, geheimdienste, parteien, bürgermeister, vllt. auch ganze staaten. dass hier auch die möglichkeit des gezielten politischen einsatzes von drogen gegeben ist, ist nicht von der hand zu weisen; aber dass es in athen eine drogenszene, zumal eine heroinszene, gibt, ist 1. für eine großstadt und hauptstadt mehr als normal, und 2. angesichts der geopolitischen lage zwischen türkei und balkan eigentlich mehr als verständlich.

daher: wenn dieser artikel nicht wie ein märchen wirken soll, bitte stichhaltige quellen aufführen!

dass diese junkies nun auch noch spitzel sein

@hhö 30.08.2012 - 15:44
das hat nun wirklich nichts mit überideal zu tun sondern einfach was mit schwächstes glied in der kette.

einen junkie brauchst du nicht zu erpressen oder zu bedrohen, du musst einfach nur warten bis er entzugserscheinungen bekommt und er wird alles, und ich meine ALLES erzählen. das ist fakt und das machen unsere bullen auch nicht anders. funktioniert ja selbst mit zigarettenentzug bei verhören.

überideal find ich eher die vorstellung vom gemeinsamen kampf mit junkies und einer gemeinsamen perspektive. harte drogen sind der letzte dreck und ich frag mich in was für ner suizidalen kackwelt willst du eigentlich leben oder soll dasn scherz sein?

gibt zwar tatsächlich einige denen man den konsum für eine weile nicht anmerkt (äußerlich), aber das sind dann eher die aus der *besseren* gesellschaftsschicht* die sich das im monat locker ein paar tausend euro mehr kosten lassen.

ja, wo leben wir denn?

hhö 30.08.2012 - 17:24
in was für einer welt ich leben möchte - etwas breitgefächerte frage - aber ich lebe in der realität und die sieht so aus dass gerade drogenszenerien wie jene um die es hier geht gerne aus dem eigenen blickfeld verdängt werden, ohne dass damit irgendein problem gelöst wäre. drogen werden aus vielen verschiedenen gründen genommen, und meistens steckt da nicht der staat als direkter akteur dahinter. tatsächlich sind oftmals diejenigen stadtteile (u.a. auch meiner) mit einer offenen drogenszene jene, in denen viele familien mit mehreren generationen wohnen (denn aus den vierteln aufstrebender single bzw. päärchen oder hipper studies wurden sie ja vertrieben, damit die sich da ansiedeln können). und hier kann man durchaus kinder auf der straße spielen sehen und 50 meter weiter treffen sich jene menschen, die im artikel als "junkies" bezeichnet werden - und ja, das geht. den von drogensucht betroffenen geht es sichtbar nicht gerade blendend, und perverser weise ist es ja in wahrheit oft eben dass, was die leute stört: der äußerliche zustand drogensüchtiger. in jenen stadtteilen, in denen es eine mehr oder weniger akzeptierende drogenpolitik gibt - z.b. spritzenautomaten, medizinische räumlichkeiten, dulden der treffpunkte - gibt es durchaus zumindest ein funktionierendes nebeneinander. dass bedeutet nicht, dass es innerhalb der drogenzusammenhänge keine scheiße gäbe, gerade auf dem gebiet der prostitution, und natürlich macht abhängigkeit von sog. harten drogen kaputt. aber dies bedeutet eben 1. nicht zwangsläufig gefahr für nachbarInnen bzw. für "kinder", um die sich der artikel oder die besagten anarchistInnen ja genauso sorgen wie einst ronald schill in hamburg, und 2. ist durch vertreibung das problem noch nie gelöst worden.

and still: ein paar hinweise zu quellen, die eine verstrickung der athener polizei oder welcher behörde auhc immer in die drogenszene seit den 80'er jahren zur bekämpfung der anarchistischen bewegung glaubbar machen, wäre ganz nett. denn wie gesagt: westliche großstädte haben alle eine drogenszene (und alle ine heroinszene seit den 80'ern), ich bezweifle dass die norwegische regierung zwecks zersetzung einer linken aufstandsbewegung heroin in die straßen von oslo schwemmte. und dass gerade athen im drehkreutz des drogenhandels nicht davon unberührt bleibt ist einfach beileibe kein wunder. ich kann mir durchaus vorstellen, dass die im artikel erwähnten repressionsorgane nun ihre eigene politik mit der drogenszene fahren; aber der artikel macht eben so auf, als sei die drogenproblematik ursprünglich auf eine solche politik zurückzuführen. und das ist einfach eine kühne these die belege braucht!

Gegen die herrschende Drogenverbotspolitik

vertreibung muss nicht sein 30.08.2012 - 19:45
Erklärung der Roten Flora zu Drogenkonsum und –handel
 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/roteflora/texte/zwergenflugblatt.html

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