Luckenwalde: Naziaufmarsch am 23.05.2009 (TF)

TF-News 22.05.2009 18:15 Themen: Antifa
(Brandenburg) Am kommenden Samstag planen Neonazis einen Aufmarsch durch die Stadt Luckenwalde im Landkreis Teltow-Fläming. Mehrere Initiativen und Gruppen planen Gegenaktivitäten und auch die Stadt selber plant ein Straßenfest gegen den Nazi-Aufzug. Dieser Artikel soll einen letzten Überblick zum morgigen Tag liefern.
Aktivitäten der Nazis im Vorfeld
Seitdem Frühling dieses Jahres bewirbt die Nazi-Gruppe „Freien Kräfte Teltow-Fläming“ (FKTF) auf ihrer Internetseite einen Aufmarsch am kommenden Samstag in Luckenwalde (Teltow-Fläming) gegen die BRD und deren Grundgesetz. Angemeldet wurde der Aufzug von Dennis Härtel, selber Mitglied der FKTF, für 300 TeilnehmerInnen. In ihrem Aufruf behaupten sie, die BRD würde nicht existieren und prangern einen „Verrat am eigenen Volk“ an. Des Weiteren wird im Aufruf mal wieder die Kooperation von Freien Kräften und sog. „Reichsbürgern“ als Vordenker offenbar, indem auf der Rückseite Beispielsweise davon gesprochen wird, das „Deutsche Reich“ existiere weiterhin fort und befände sich noch immer mit der restlichen Welt im Krieg.

Anmelder: Dennis Härtel
Dennis Härtel
Die Nazis mobilisieren jedoch nicht bloß im Internet sondern verteilten auf einigen Nazi-Aufmärschen in den vergangenen Monaten Flugblätter für ihre Demonstration, wie z.B. in Freiberg (Bericht+Fotos) und Berlin am 1. Mai und in Burg am 8. Mai. Zudem wurden in manchen Orten im Landkreis Flugblätter für den Aufmarsch in Briefkästen gesteckt, wie z.B. durch Dennis Härtel in Baruth am 12. Mai und in Luckenwalde am 14. und 29. April.
Als Presserechtlich Verantwortlicher tritt bei den Flugblättern FKTF-Mitglied Daniel Teich auf. Aufgrund eines abgebildeten Grabsteins mit der Aufschrift „Es ruhet hier in diesem Grab ein ganz erbärmlich feiger Staat“ ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen Mitglieder der FKTF wegen „Verunglimpfung des Staates“ (§90a StGB) und beschlagnahmten bei sechs Hausdurchsuchungen in der letzten Woche mehrere Rechner und Unterlagen. Die Brandenburger Behörden wurden allerdings erst tätig, nachdem sächsische Ermittler die Flugblätter beanstandeten und ihre Kollegen informierten.
Aufgrund dieser Tatsache mussten die Neonazis auch ihr Demo-Motto ändern in „Freiheit statt BRD“, da das Ursprüngliche von den Behörden auch als Verunglimpfung des Staates gewertet wurde.

Presserechtlich verantwortlich: Daniel Teich

Das diese staatliche Repression keineswegs die Neonazis an der Verbreitung ihrer menschenverachtenden Propaganda hindert, verdeutlicht eine Veranstaltung wenige Tage nach den Durchsuchungen in Wietstock (nahe Ludwigsfelde) am vergangenen Wochenende. In Kooperation mit der NPD und „Reichsbürgern“ fand dort in der Kneipe „Stixx“ (deren Wirt laut Nazis „einer von uns“ sei) ein Vortrag mit einem ehemaligen SS-Mann statt – Antifas machten das Treffen öffentlich.

Nazitreffpunkt "Stixx" in Wietstock

Erwartungsgemäß kommt es im Vorfeld des Neonaziaufmarsches auch zu einer Zunahme rechtsextremer Übergriffe in der Region. Zuletzt wurde am 04.05.2009 ein Bewohner des besetzten Hauses "Trebbe 12" in Luckenwalde von zwei Mitgliedern der "Freien Kräfte Teltow-Fläming", einer davon der Anmelder des Aufzugs Dennis Härtel, mit Reizgas attackiert.
Zuletzt vielen die Mitglieder der FKTF dabei auf, wie sie am sog. „Herrentag“ zusammen mit Berliner Neonazis in einer Treptower Szene-Kneipe sich betranken und Nazi-Parolen skandierten.

Antifaschistische Vorbereitungen und Aktivitäten im Vorfeld
Aufgrund des geplanten Naziaufmarsches durch Luckenwalde gründete sich ein antifaschistisches Bündnis mit dem Namen „Linker Fläming United“. Diesem gehören die Antifa Teltow-Fläming (AATF), die Falken Luckenwalde, JD/JL Brandenburg, die Jusos Teltow-Fläming, das besetzte Haus „Trebbe12“ sowie Linksjugend['solid] TF Nord, und Einzelpersonen an.
Dieses Bündnis organisiert für den Tag eine antifaschistische Gegendemonstration um an dem Tag den Naziaufmarsch nicht unkommentiert zu lassen, aber auch um aus linksradikaler Sicht Kritik an den aktuellen gesellschaftlichen Zuständen zu üben, die für diese Erscheinungsformen verantwortlich sind.
Um die Bewohner Luckenwaldes über den geplanten Neonazi-Marsch und die geplanten Gegenaktionen zu informieren, wurden in den vergangenen Wochen mehrere kleine Kundgebungen am Bahnhof veranstaltet, bei denen Flugblätter an die an- und abreisenden Passanten verteilt und mit Kickertischen und Musik zum Verweilen eingeladen wurden.
Zudem wurden erfolgreich zwei Informationsveranstaltungen im Falken-Haus „KLAB“ durchgeführt. So wurde bei der ersten Veranstaltung durch Referenten des MBT-Trebbin über Neonazi-Strukturen in Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald aufgeklärt und bei der Zweiten Rechtshilfetipps und Empfehlungen für Demonstrationen und Veranstaltungen an die Anwesenden vermittelt.
Zudem kam es Anfang der Woche zu direkten Aktionen gegen Nazis. In einem Schreiben, das einer Tageszeitung zuging und den AutorInnen des Artikels vorliegt, bezichtigen sich die AktivistInnen die DVU-Kneipe „Beelitzer Hof“ in Luckenwalde mit mehreren Farbbomben beworfen zu haben, da sich in der Vergangenheit dort Neonazis von DVU, NPD und Freien Kräften getroffen haben und das Lokal von der DVU-Abgeordneten Birgit Albrecht betrieben wird. Außerdem bezichtigen sie sich, in der gleichen Nacht die FKTF-Mitglieder Michael Brumme und Michael Skupin in ihren Wohnorten Ludwigsfelde und Mahlow durch Flugblätter und Sprühereien geoutet zu haben. Die Scheiben von Skupins Wohnung sollen dabei auch mit Steinen beworfen worden sein. Beide sind durch ihre Anti-Antifa-Tätigkeiten an Aktionen und Übergriffe gegen Andersdenkende beteiligt gewesen.

Angegriffen: DVU-Kneipe "Beelitzer Hof" (Beelitzer-Straße 2 14943 Luckenwalde)

Geouteter Anti-Antifa: Michael-Dennis Skupin (Ulmenhof 8, 15831 Mahlow)

Geouteter Anti-Antifa: Michael Brumme (Dammsdorfer Heide 14, 14974 Ludwigsfelde)

Was plant die Stadt?
Als offizielle Veranstaltung der Stadt Luckenwalde findet ab 14 Uhr ein Bürgerfest unter dem Motto „Fest auf dem Boden des Grundgesetz“ vor dem Rathaus auf dem Markplatz statt. Mit Bratwurst, Bühnenprogramm und Infoständen soll offenbar so passiv wie möglich gegen den Naziaufmarsch protestiert werden. Zudem planen mehrere Redner wie der Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD), die Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide (SPD) und andere Parteienvertreter Ansprachen zu halten. Interessant ist dieses Fest also höchstens als Anlaufpunkt (Siehe Karte), um sich frei in der Stadt bewegen zu können.
Nach Ende des Aufmarsches ist zudem ein öffentlicher „Kehraus“ geplant. Alle TeilnehmerInnen sollen Besen mitbringen. Mit Unterstützung der städtischen Kehrmaschine soll dann die Stadt symbolisch von den Spuren des Aufmarsches gesäubert werden.
Unterdessen wurde von einem der Wahrzeichen der Stadt, dem Marktturm der Stadt, ein Riesen-Plakat gegen Rechts gespannt. Die Idee für den Marktturm als Litfasssäule hatte Pfarrer Detlev Riemer. Ein Plakat im Format von vier mal acht Metern mit dem Schöneberger Freiheitsschwur wurde am Mittwoch am alten Gemäuer angebracht.
SchülerInnen von diversen Schulen in der Stadt haben Plakate und Schilder gegen den Aufmarsch gefertigt, die am Tag selber in Luckenwalde befestigt werden.

 

 

Polizei – Schikanen
Während des Anmeldergesprächs meinte die Polizei, die Route der antifaschistischen Bündnisdemonstration sei aus ihren Augen nicht akzeptabel und drohte damit, diese per Auflage an den Stadtrand zu verschieben. Dabei zeigte sie sich nicht verhandlungsbereit und wollte auch nichts davon hören, das Gegenprotest laut Bundesverfassungsgericht in Seh- und Hörweite zum Naziaufmarsch möglich sein muss.
Von Anmelderseite wurde darum gebeten, diese Auflagen schriftlich zu erhalten, damit dagegen geklagt werden kann. Sicherheitshalber wurde eine zweite Demonstration angemeldet, falls die Auflagen zu kurzfristig kommen oder andere Einschränkungen beinhalten, die nicht rechtzeitig weggeklagt werden können, mit einer Route die als akzeptabel von Polizei-Seite bezeichnet wurde und nicht durch menschenleeres Gebiet zieht.
Der schriftliche Auflagenbescheid enthielt dann überraschenderweise aber keine Einschränkung der Route mehr, jedoch wird nun gefordert, das Fronttransparent dürfe nicht länger als 1,70m sein und Ähnliches.
Dennoch bleibt es dabei, Startpunkt der antifaschistischen Bündnisdemonstration ist die Synagoge (Puschkinstraße/Goethestraße).

Sollten kurzfristige Änderungen eintreten, wird das Infotelefon (siehe unten) darüber Aufklären. Im Online gestellten Stadtplan mit Naziroute und Anlaufpunkten ist auch der Alternativ-Startpunkt eingezeichnet. Aber lasst euch nicht verunsichern, höchstwahrscheinlich wird dieser gar nicht gebraucht!

Die Polizei will nach derzeitigem Stand mit 500 Beamten im Einsatz sein.

 

Facts (Stand 22.05.2009)
Hier findet ihr einen Stadtplan mit allen relevanten Informationen und Telefonnummern.
Der Startpunkt unserer Demonstration ist um 11 Uhr an der Synagoge (Puschkinstraße/Goethestraße) unweit vom Bahnhof.
Die Nazis treffen sich um 12 Uhr am Bahnhof auf der östlichen Seite
Das Infotelefon erreicht ihr am Tag ab 9 Uhr unter der Nummer 01578 - 3660547
Den Ermittlungsausschuss könnt ihr anrufen, wenn ihr Festnahmen beobachtet habt oder selber von Polizeimaßnahmen betroffen seid unter der Nummer 0331 - 9510714

Von Berlin gibt es zwei Zugtreffpunkte:
Um 9 Uhr am Hauptbahnhof (tief) auf Gleis 4
Um 10 Uhr am Bahnhof Südkreuz

Anlaufpunkte nach der Demo mit Infos gibt es am Tag in Luckenwalde an folgenden Orten:
Nach der Demo in der Straße Haag 11 und ab 14 Uhr beim Straßenfest der Stadt (Infopunkt dort beim Stand von „Zossen zeigt Gesicht“)

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Ergänzungen

Brandenburg rockt!!1

23 23.05.2009 - 01:34
bereits am 20. Juni findet die nächste Aktion gegen Nazis in Brandenburg statt.

Antifa-Demo unter dem Motto "Feste feiern ohne Nazis - Der DVU den Stecker ziehen!" in Eberswalde.

Mehr unter  http://inforiot.de/ew

Derzeitiger Stand

ergänzer 23.05.2009 - 13:39
Rund 120 Nazis am Bahnhof, die grade Aufstellung nehmen zum loslaufen. Mind. 400 Leute bei kämpferischer Antifa-Demo auf alternativer Route, die gleich den Endkundgebungplatz erreicht. Mehrere Kleingrüppchen in der Innenstadt unterwegs. Bullen schikanieren die Leute und haben die urspüngliche Strecke verboten.

aktueller Stand

Dein Name 23.05.2009 - 15:34
Mittlerweile sind beim Naziaufmarsch rund 250-300 Nazis. Sie haben grade ihre Zwischenkundgebung vor dem Kreistag beendet und ziehen Richtung Norden. Immer wieder gelangen Antifas an den Aufmarsch, rufen Parolen und greifen diesen mit Müll- und Steinwürfen an. Mindestens ein Nazi wurde am Kopf durch einen Steinwurf verletzt. Polizei macht Festnahmen und schützt den Naziaufmarsch.

aktueller Stand

Dein Name 23.05.2009 - 16:10
Die Leute an der Trebbe kommen nur noch Richtgung Salzufer bzw. Richtung Markt den Haag lang. Bahnhof stehen 12 Wannen und eine Menge an Bullen.

Aktueller Stand

Dein Name 23.05.2009 - 16:45
16:43: Nazis machen ihre Abschlusskundgebung am Bahnhof und fotographieren die Leute. Rund 40 Antifas sind vor Ort!

Pressemitteilung des Linken Fläming United

Dein Name 23.05.2009 - 17:45
PM: Widerstand gegen Naziaufmarsch in Luckenwalde

Rund 200 bis 250 Nazis ziehen durch Luckenwalde – Unterschiedliche
erfolgreiche Antifaaktionen am Rande des Naziaufmarsches – Polizei
schikaniert linke Bündnisdemo.

Am heutigen Samstag marschierten rund 200 bis 250 Neonazis durch
Luckenwalde. Geschützt von der Polizei zogen die Teilnehmer des Aufzuges
der „Freien Kräfte Teltow-Fläming“ vom Bahnhof einmal durch die gesamte
Innenstadt. Neben lokalen Neonazis aus dem Spektrum von Kameradschaften
und Reichsbürgern, beteiligten sich auch Faschisten aus Berlin, Sachsen
und Brandenburg. Die zum Teil vermummten Neonazis rissen mehrfach
Plakate der Stadt mit der Aufschrift „Luckenwalde gegen Nazis“ von
Laternen und fotografierten Passanten und Gegendemonstranten um diese
einzuschüchtern.

Gegen den rechten Aufzug gab es mehrfach erfolgreiche antifaschistische
Aktionen. Angefangen mit einer kraftvollen Demonstration des
Jugendbündnis „Linker Fläming United“ mit über 450 Teilnehmer_Innen, die
jedoch von polizeilicher Repression überschattet wurde. Die
ursprüngliche angemeldete Demonstration durch die Innenstadt wurde
kurzfristig verboten und an den Stadtrand verschoben. Dennoch gelang es
zahlreichen Antifaschist_Innen immer wieder an den Naziaufmarsch zu
gelangen, diesen kurzzeitig zu blockieren, zu stören und teilweise auch
direkt anzugreifen. Mindestens ein Neonazi musste nach einem Treffer am
Kopf ambulant behandelt werden. Den Tag über wurde eine unbekannte Zahl
von Gegendemonstranten, mindestens 20, festgenommen.

Ein Sprecher des antifaschistischen Bündnis „Linker Fläming United“
sagte zum heutigen Tag: „Auch wenn es uns heute leider nicht gelang, den
Naziaufmarsch zu verhindern, wurde er dennoch massiv gestört. Auch im
Hinblick auf die antifaschistische Demonstration kann der Tag aus
unserer Sicht als Erfolg gewertet werden. Den Nazis gelang es nur unter
massiven Polizeischutz durch Luckenwalde zu ziehen und blieben dennoch
nicht unwidersprochen. Luckenwalde bleibt rot!“

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Gut so! — Berliner