Spielend zur Kritiklosigkeit erzogen

Roberto De Lapuente 18.12.2007 11:16 Themen: Medien Repression
CSI-Serien zeigen den Rechtsstaat als Hindernis auf.
Kein Verbrechen bleibt ungesühnt, jedes Vergehen wird der Justiz überantwortet. Zumindest könnte man das annehmen, wenn man die jeweiligen Konzepte sogenannter CSI-Serien bewertet. Womöglich liegt der gigantische Erfolg dieser Ermittlerserien auch darin, daß des Zuschauers Gerechtigkeitssinn zu seinem Recht kommt. Die Kollateralschäden, die dabei hinterlassen werden, um einen spektakulären Mord aufzulösen, nehmen die Zuschauer nur beiläufig zur Kenntnis. Der österreichische Big Brother Award ließ sich aber nicht blenden und zeichnete dieses Jahr den CSI-Autor Anthony E. Zuiker aus. In der "Laudatio" heißt es unter anderem:

"Die C.S.I.-Serien präsentieren Rasterfahndung, DNA-Analysen und die Aushebelung von Bürgerrechten unkritisch, verharmlosend und gefährlich einseitig. (...) Die C.S.I-Beamten zeigen, wie smart sie ihre Arbeit erledigen, in dem sie all diese Rechte links liegen lassen bzw. systematisch umgehen. (...) Die Ermittler benutzen des Weiteren alle Tricks, um heimlich und an den Schutzrechten der Bürger vorbei, DNA- und Fingerabdrücke von Verdächtigen zu besorgen. In einem sensiblen und oft hochemotional gehaltenen Kontext werden im Kampf gegen Terror und Verbrechen Bürgerrechte zu einem lästigen Anhängsel des letzten Jahrhunderts degradiert und die Mittel durch den Zweck gerechtfertigt. Diese Indoktrination hat dementsprechend fatale Effekte in der politischen Diskussion über den Kampf gegen den Terror."

Es liegt in der Natur der Unterhaltungsindustrie, sich an gegebene Umstände, d.h. an der Realität zu orientieren. Neu ist es also sicher nicht, wenn macht- oder sozialpolitische Fragen in ein Serienkonzept geworfen werden. Und dennoch begeben wir uns in eine Unterhaltungswelt, die an Dreistigkeit und Indoktrinationsbereitschaft keine Schamgefühle mehr festmachen will. Freilich kann man den Staatsbürger auch mittels Aufklärung zum Segrationisten, Sicherheitsfanatiker oder Sozialdarwinisten hinmanipulieren. Aber gleichwohl man Hündchen spielend zu Wachhunden erzieht oder Kinder im Spiel auf die sogenannte "Welt der Erwachsenen" vorbereitet, so ermöglicht das Unterhaltungsprogramm eine ebenso spielende Sichtbarmachung angeblich notwendiger politischer Entscheidungen. In dieser Weise macht man dem Zuseher mittels einer spannenden Geschichte weis, daß allgegenwärtige Überwachung, der gläserne Bürger gemeinhin und repressive Ermittlung immer zum Erfolg führen.

Dies gaukelt Sicherheit vor; dies vergrößert den Anschein, wonach Terroranschläge so - und nur so - im Vorfeld gelöst werden können. Dem Zuschauer muß klar werden: Es gibt keine andere Lösung, Terror kann nur durch Terror bekämpft werden. In den Drehbüchern finden sich keine Dialoge, die auch nur ansatzweise den Repressionsapparat der CSI-Behörden anzweifeln. Kein Wort zu Zwangslagen vieler Täter, die sich manchmal - nicht immer - zu einer Straftat durchringen müssen, weil ihnen der Staat sämtliche Teilhabe entzogen hat. Resozialisierung und Menschsein des Täters sind zudem Fremdworte. Die Kritik am System bleibt unausgesprochen. Nicht das System schafft Verbrechen, sondern das Verbrechen ist rein individuell. Prostitution, Ausbeutung, Beschaffungskriminalität werden als freie Entscheidungen der Protagonisten dargestellt, gerade so, als würde man aus einer lüsternen Laune heraus zur Hure werden. Das Gut-Böse-Schema muß also erhalten bleiben, um den Zuschauer nicht zu überfordern, ihn nicht zum Nachfragen zu animieren. Er muß lernen: There is no alternative. Keine Alternative zum Kapitalismus, keine Alternative im Abbau sozialer Strukturen, keine Alternative im Kampf gegen das Verbrechen und den Terror.

All jenes, was in der "Laudatio" zur Sprache kommt, ist die direkte Beeinflussung und Zertrümmerung aufklärerischer Grundsätze. Ist das wackelige Rechtsempfinden der Menschen erstmal halbwegs zum Einsturz gebracht, rollt eine Lawine des Rechtsnihilismus los, die kaum noch zu bremsen ist. So klagen seit einiger Zeit Gerichtsmediziner über den sogenannten "CSI-Effekt". Durch die Eindrücke dieser Serien genährt, entsteht in der Bevölkerung - aber auch innerhalb des Polizeiapparates - eine hemmungslose Analysengläubigkeit. Gerade in den USA, welche sich im Justizwesen immer noch das Relikt vergangener Siedlertage leisten - die Geschworenen -, fördert diese Gläubigkeit das Abschalten kritischen Denkens und Schlußfolgerns. So kann es geschehen, daß alle Indizien zugunsten eines Angeklagten stehen, aber eine Haaranalyse behauptet das Gegenteil. Gerichtsmedizin, so sagt die Branche selbst, ist aber nicht unfehlbar. Unfehlbar sind nur die Ermittler dieses Serienformats, die einen vermeintlichen Realismus vorspielen, der mit den wahren Umständen nichts gemein hat.

Gerade anhand dieser indirekten Ineinflußnahme, dieser Frucht der Manipulation, gibt man den persönlichen Ressentiments gegen Minderheiten oder Randgruppen Auftrieb. Wenn der Geschworene seinen Verstand auf Sparflamme köcheln läßt, weil er sowieso nur den forensischen Beweis abwartet, wie kann er da unvoreingenommen an den Fall herantreten? Das letzte Fünkchen Hoffnung wird für einen schwarzen Angeklagten zerschlagen, wenn der rassistische Geschworene den Sachverhalt nurmehr am Rande beobachtet.

Forensiker beklagen zudem, daß die Serienkonzepte unrealistisch sind. Meist werden Fälle innerhalb eines Tages aufgelöst. Nicht, weil der Verdächtige sofort geständig ist, sondern weil innerhalb eines Ermittlungstages DNA- und Stoffanalysen, Zeugenaussagen und Bilder diverser Überwachungskameras ausgewertet werden. Der reale Ermittleralltag sieht wesentlich zeitaufwendiger aus (DNA-Analysen dauern teilweise Wochen), zudem finden sich längst nicht so viele Ermittlungsansätze an jedem Tatort, wie es diese Serien suggerieren wollen. Hervorzuheben ist außerdem, daß Forensiker keine polizeilichen Ermittler sind. Sie werten Proben aus, die sie am Tatort aufnehmen, befragen aber keine Zeugen und stehen schon gar nicht bei der aktiven Erfassung oder gar Verfolgung eines Tatverdächtigen hilfreich zur Seite. Das schnelle, effiziente und gerechte Handeln der Serienermittler projeziert ebenso das Trugbild der Absolutheit forensischer Ermittlung. Das fiktive Universalgenie fördert den Primat der Unfehlbarkeit der Forensik.

Auffällig auch: Innerhalb der CSI-Serien wird jeder Todesfall, der sich zumeist als Mord herausstellt, genauestens ermittelt. Jeder Tote kommt zu seinem Recht, egal ob Millionär oder Obdachloser. Man darf indes bezweifeln, ob die Behörden teuere Ermittlungsarbeit erlauben, wenn es sich um jemanden handelt, der in dieser Gesellschaft keinen Produktivwert aufweisen kann. Der Schein kapitalistischer Allgerechtigkeit wird hier am Leben erhalten. Die gute, alte Mär von der gerechten Gesellschaft, wo gleiches Recht für alle gilt.

CSI-Serien sind einerseits unterhaltungstechnische Ausgeburten eines omnipräsenten Überwachungsstaates, andererseits spiegeln sie den Zeitgeist wider. Wer also den Ausführungen des Schäubles nichts abgewinnen kann, hat immer noch die Möglichkeit, spielend zum treuen Staatsbürger erzogen zu werden, indem er sich Serienkonzepte dieser Art zu Gemüte führt.
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Ergänzungen

Außerdem...

alter! 18.12.2007 - 13:58
Außerdem gibt es ja noch die zahlreichen Kopien dieser Serie, z.B. das Plagiat "Navy CIS" auf Sat1 oder diverse glücklose Versuche von den beiden großen Privaten RTL und Sat1, die Serie mit einer eigenen deutschen Produktion zu adaptieren.

Übrigens: CSI Miami erreicht auf seinem Sendeslot zur Hauptsendezeit mindestens fünf Millionen Zuschauer (zumindest nach den offiziellen Quotenzählungen) und ist damit die erfolgreichste Serie aus den USA und wohl die erfolgreichste, die auf einem privaten Fernsehsender läuft.

Den Einfluss, den die Serien inzwischen haben, sollte man da nicht unterschätzen!

Noch harmlos..

schnat 18.12.2007 - 15:37
...gegenüber 24 ("Twenty Folter") mit Kiefer Sutherland in der Hauptrolle. Seitens der dort dargestellten "Counter Terror Unit LA" werden dauernd Geständnisse via Folter erpresst, irgendwelche Leute nebenbei durch Schüsse hingerichtet usw.

Dennoch: Es handelt sich um Unterhaltung, genau wie die Paranoiafilme zur Zeit des kalten Krieges, oder die Vietnam- Verherrlichungsepen. Ich halte es für eher einen Fehler, die Kritikfähigkeit der Zuschauerschaft zu unterschätzen. Jeder, der schonmal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist, wird wissen, dass es sich bei den in CSI dargestellten Kriminalfällen um filmische Konstruktionen handelt. Und in den USA sind statistisch gesehen ein Zehntel aller Bürger bereits in den "Genuß" eines Gerichtsurteils gekommen, soweit ich informiert bin.
Nebenbei: Durch diese extremen Überschreitungen wird auch in den Staaten die Diskussion zum Thema Polizeigewalt angefacht bzw am Leben gehalten.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Kontext fehlt

Hans 18.12.2007 - 12:15
Was sind "CSI-Serien"? Nach dem Artikel würde ich raten, es handelt sich um eine österreichische Fernsehserie. Aber warum der Plural?

Grund

b 18.12.2007 - 12:30
Es ist eine US-Amerikanische Serie. Prural weil es mehrere arten von CSI gibt :CSI-New-York, CSI Maimi usw.

CSI ....

joah 18.12.2007 - 12:34
gibts auf verschiedenen sendern , unter anderen das original CSI , CSI Miamie sowie CSI New York , ausgestrahlt auf VOX und RTL !

sehr

guter 18.12.2007 - 14:48
Beitrag. Meiner Meinung nach durchaus ein Fall für die Mittelspalte!

gefälschte beweise

gyx 18.12.2007 - 14:49
Hinzu zur Rechtsgläubigkeit an "fornesissche" Beweise kommt noch, dass es regelmässig zu Beweisfälschungen durch manipulierte Gutachten kommt...

Wenn die Schlussfolgerungen von angeblich wissenschaftlichen Gutachten nicht mehr auf ihre Plausibilität hinterfragt werden...mir graut.

täglich grüsst die volksverdummung

oskar 19.12.2007 - 05:24
ja, fernsehen macht dumm, fernsehen beinflusst und fernsehen lügt...

will man jedoch hollywood-serien wie CSI zum wegbereiter eines überwachungs-staates erklären, dann muss man im gleichen artenzug auch das A-Team als wegbereiter der selbstjustiz, ernie und bert und die teletubbies als schwul und pipi langstrumpf als die oberfiese terroristin, die auch noch fragliche beziehungen zu tieren unterhält, brandmarken!

guns don't kill people - kids who play videogames kill people!?!

und überhaupt sind die horror-filme schuld!

Diese Serie

Tim 19.12.2007 - 11:31
ist genaus (un)realistisch wie jede andere Polizei- (Arzt-, Anwalts-, Gerichs-, ...)serie auch. Würde man diese Serien realistisch gestalten würde sich die Zuschauer zu Tode langweilen. Oder glaubt hier irgendjemand ernsthaft die Autobahnpolizei würde jeden Tag 5 Autos zu Schrott fahren wie bei Cobra 11?

Absicht , Effekt und gespiegeltes Denken

Ottokar 19.12.2007 - 20:16
Analyse und Kritik populärer Texte, Filme, und anderer auf die Masse zugeschnittennen "kulturellen" Erzeugnisse wird schnell mit dem Argument auf die Seite gewischt, es handele sich doch "nur um Unterhaltung", es ginge eben um den Spaß, die Entspannung. Zu stützen ist diese Linie sicherlich auch noch, indem wir uns fragen, ob die AutorInnen, ProduzentInnen usw überhaupt die im Produkt entdeckte Wirkung intendiert haben. Sing begründete Zweifel daran zu formulieren, fällt das gesammte kritikgebäude in sich zusammen. Hier ist noch immer die Idee des Schöpferisch tätigen, produktiv/manipulativ tätigen Einzelnen am Werk, die sich Konsequent for die komplexen gesellschaftlichen Vorgänge schiebt, die der Entstehung eines Textes im weitesten Sinne, in diesem fall einer Fernsehserie vorausgehen, folgen, und diese begleiten. Nicht "will der die CSI AutorIn bewusst und zielstrebig, am besten noch von der Regierung unterfüttert etc..., den Überwachungsstat propagieren?", ist die entscheidende Frage, sondern ob die Inhalte und die Strukturen der Serie eine solche Interpretation, die Aufmerksamkeit für eine Entwicklung, nahe legen. Ohne den Begriff überstapazieren zu wollen, handelt es sich um ein quasi dialektisches Verhältnis, in dem die ProduzentInnen populärer, dass heißt bereits pottentiell von einer breiten Masse konsumierbarer Waren, gesellschaftlich vorhandene Strömungen bewusst oder unbewusst antizipieren, und ihnen eine Gewinnbringende, hier Sendezeit verheißende Richtung geben. Das massive Auftreten populärer Fiktion, in der der Rechtsstaat umgangen wird, der Terror bekämpf, das Wir zuungunsten des Anderen glorifiziert, und die Ordnung stabilisiert wird, sagt also in erster Linie etwas über bereits existierende Dispositionen, und deren ideologisches wie auch marktwirtschaftliches Verankerungspotential in der Mitte der Gesellschaft aus, und nicht über agitatorische Subjekte im Kulturbetrieb, die der "Welt" ihr Programm aufzwingen (obwohl diese, mit oder ohne Lobbygruppen, existieren können, mensch denke an die fruchtbare Ehe des Militärs und der SitCom "Hör mal wer da hämmert" . Somit darf und muss der "Kulturbetrieb" ohne Rücksicht auf die Absichten der "Schaffenden" kritisierbar sein und bleiben. Der Einwand, es gehe um Unterhaltung, nicht um das Setzen einer Agenda, spricht, in diesem Kontext betrachtet, Bände. Denn was unterhät eine Gesellschaft besser als das, was ihr (mit gewollten Spannungsverhältnissen, vielleicht), im großen und Ganzen aus dem Herzen spricht? Unterhaltung als positives Kriterium zu betrachten, ohne den Inhalt unter Bezug auf externe Maßsstäbe zu reflektieren, ist stark realtivistisch, oder, verständlich veranschaulicht:
Eine Rassistisch geprägte Gesellschaft wird ihren Spaß an rassistischen Witzen haben. Sie sind im Wahrsten Sinne unterhaltung. Und trotzdem noch immer rassistisch.