Strike Bike Produktion abgeschlossen

maximal 45 Zeichen 26.10.2007 12:52 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
11:50 Uhr
das letzte Rad läuft gerade in NDH vom Band.
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Mit dem Rad zur Revolution?


In dem kleinen Ort Nordhausen im Harz, kämpfen 125 ArbeiterInnen um ihren Job. Im Dezember 2005 wurde die Fabrik von dem Finanzinvestor Lone Star aufgekauft. Schon kurz darauf verkaufte Lone Star „Bike Systems“ für eine 25%ige Beteiligung an die „Mifa“1, den bis dahin größten Konkurrenten der „Bike Systems“. Nachdem im Juni 2007 der Belegschaft mitgeteilt wurde, dass das Werk geschlossen werden sollte, regte sich spontan Widerstand in der Belegschaft.2 Mit Hilfe einer „Dauerbetriebsversammlung“ wurde das Gelände im Dreischichtsystem besetzt. Von Anfang an bemühten sich die KollegInnen um Unterstützung aus Gewerkschaften und Parteien, jedoch ohne ihre Autonomie dabei aufzugeben. Nach über 100 Tagen „Werksbesetzung“ und Perspektivlosigkeit, ließen sich die ArbeiterInnen durch KollegInnen des selbstverwalteten Betriebs „Cafe Libertad“ inspirieren. Sie erzählten den KollegInnen von vergangenen Zeiten und fernen Ländern: von der Besetzung der Uhrenfabrik LIP 1973 in Besançon (Frankreich), und von den Betriebsübernahmen in Argentinien seit 2001. Nach gründlicher Diskussion wurde beschlossen eine Woche lang in Selbstverwaltung ein „Strike Bike“ zu produzieren3.
Allerdings: Ziel dieses Plans war nicht die Übernahme des Betriebes durch die ArbeiterInnen. Vielmehr wollten sie so auf sich aufmerksam machen um potentielle Investoren an zu locken.

Internationale Solidarität und Heuschrecken

Trotz eines extrem schmalen Zeitfensters von knapp 21 Tagen, wurden mehr als die benötigten 1.500 Fahrräder bestellt und in Vorkasse bezahlt.4 Intensive Pressearbeit und das Bemühen internationaler Kontakte zu kämpferischen ArbeiterInnen auf der ganzen Welt führten dazu, dass binnen kurzem Bestellungen aus Deutschland, Europa, Nordamerika, Australien, Israel und Afrika bei der Belegschaft eintrafen. Diese direkte Hilfe imponierte nicht nur den KollegInnen in Nordhausen. Auch die NPD, die zwischenzeitlich versucht hatte sich „des Themas an zu nehmen“, entblödete sich nicht trotzdem zu „nationaler Solidarität gegen die Heuschrecke“ auf zu rufen. Ein Aufruf der übrigens von der Belegschaft scharf zurückgewiesen wurde.
Das Bild „Heuschrecke“, wurde leider nicht nur von der NPD gebraucht. Auch die IG-Metall und so manch freier Journalist bemühte diese Methapher immer wieder. Der extra gegründete Verein »Bikes in Nordhausen e.V.« machte in seinen Presserklärungen jedoch immer wieder deutlich, dass sie nicht zwischen „bösem ausländischen“ Kapital und „gutem“, weil „deutschem“ Kapital unterscheiden!

Die Rolle der Gewerkschaften


Zu Beginn des Konfliktes stand die IG-Metall beratend zur Seite und gab wichtige Tip's bezüglich der Legalisierung der „Werksbesetzung“. Die Gewerkschaftslinke hat ihrerseits über den Konflikt berichtet und sich bemüht innerhalb des DGB Öffentlichkeit her zu stellen. In dem Moment als die KollegInnen etwas andere Wege einschlugen als „normal“, zogen sich beide erst einmal zurück. Die IGM versuchte sogar die ArbeiterInnen von dem Vorhaben, auch nur eine Woche selbstverwaltet und ohne Chef bei gleicher Bezahlung für alle zu arbeiten, ab zu bringen.
Erst nachdem die „Tagesthemen“ einen Bericht über die Werksbesetzung gesendet hatte, sprangen sie wieder auf den Zug auf. Allerdings bestellte die IG-Metall keine Fahrräder oder organisierte Solidarität. Vielmehr versuchte sie wieder verstärkt Mitglieder zu werben. Unter anderem versprachen sie ein zinsloses Darlehen, „Übergangsgeld“ genannt. Anstatt dieses Darlehen möglichst schnell an die neuen Mitglieder auszuzahlen, wurden nur die Mitgliedsbeiträge abgebucht, Wimpel und IG-Metall-Girlanden und Fahnen aufgehängt.
Mitlerweile hat die IGM offiziell verlautbaren lassen die „Übergangsgelder“ gar nicht zu zahlen. Viele der neuen IGM-Mitglieder traten daraufhin aus und auch Fahnen und Wimpel der IGM sind in Nordhausen wieder verschwunden.

Zukunft


Mitlerweile gibt es zwei Investoren (darunter sogar ein arabischer Scheich), jedoch steht noch nicht fest, ob und zu welchen Bedingungen einer von beiden „Bike Systems“ übernehmen würde. Darum wurde zeitgleich weiter über eine „Übergangsgesellschaft“ verhandelt. Dank der Aktivitäten des Vereins, Cafe Libertad, der FAU-IAA und der Berliner Radspannerei wurde diese mit deutlich besseren Finanziellen Mitteln ausgestatt als ursprünglich vorgesehen. Zu guter letzt spielen auch einige KollegInnen immer noch mit der Idee eine Produktivgenossenschaft zu gründen.

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Ergänzungen

Filmvorführung und Diskussion

HOLZKOLLEKTIV GmbH 26.10.2007 - 15:55
Filmvorführung und Diskussion Porto Marghera

Gli ultimi fuochi - Die letzten Feuer

Italien 2004, 52 min., O.m.U.
6. November 07, 20 Uhr

HOLZKOLLEKTIV GmbH
Schreinerei
Neureutherstr. 20
80799 München

Diesen Dokumentarfilm haben MitarbeiterInnen der Zeitschrift wildcat
(wildcat strike = wilder Streik) bereits in 40 Städten gezeigt, nun ist er
nochmals aktualisiert worden. Er geht zurück in die 60er und 70er Jahre,
als die Arbeiterklasse in Italien versuchte, »den Himmel zu stürmen«. Die
Kämpfe in Turin (Fiat) und Mailand (Pirelli, Alfa Romeo) sind heute noch
bekannt. Fast vergessen hingegen die Kämpfe im katholisch geprägten Veneto:
in Conegliano, Valdagno und im Industriegebiet Porto Marghera, wo zwei
Kilometer vom historischen Zentrum Venedigs entfernt Italiens größter
Petrochemiekomplex stand. Dass der Weg zu einer anderen Gesellschaft nur
über die Umwälzung der Produktionsverhältnisse zu haben war, schien damals
selbstverständlich.
Der »Operaismus« holte salopp gesagt den Marx zurück in die aktuelle
Diskussion und Aktion. Auch bei uns. Es ging um die Analyse der realen
Produktionsverhältnisse, die Kämpfe der ArbeiterInnen auf diesem Terrain
und ihre Überwindung.
Heute allerdings stellt man dem Begriff »Operaio« (Arbeiter) die Vorsilbe
»Post-« voran; gemeint ist die Zeit »nach« den Arbeitern und Arbeiterinnen,
Begriffe wie »immaterielle Arbeit« und »Prekariat« bestimmen nun Diskussion
und Bewegung.
wildcat beschäftigt sich seit ihrer Gründung mit Arbeitskämpfen. Gerade ist
die Nummer 79 erschienen.
Wir ? la mirada distinta in Zusammenarbeit mit der Basis Buchhandlung und
dem Holzkollektiv ? haben MitarbeiterInnen von wildcat eingeladen.


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Tel: + 49 89 4485945 Fax: + 49 89 487673
EMail:  info@oeku-buero.de
 http://www.oeku-buero.de

das ist eine ergänzung

charlys enkel 28.10.2007 - 01:55
im oben genannten artikel heisst es: Allerdings bestellte die IG-Metall keine Fahrräder oder organisierte Solidarität. diese aussage ergänze ich mit der Tatsache, das "am 27.09.2007 alle funtionärInnen der IG-Metall bundesweit informiert wurden, wo das STRIKE-BIKE wie bestellt werden kann". Kann sein, das ihr das immer noch nicht als ergänzung begreifen wollt, aber dann erklärt mir mal, wo sich die ergänzung im beitrag der holzkollektiv gmbh verbirgt.

Produktionsbedingungen in Selbstverwaltung

Strike-Biker 28.10.2007 - 13:20
Die Löhne wurden für die Produktion in Selbstverwaltung um zwei Euro pro Stunde erhöht.

Der Lohn in der Selbstverwaltung war ein Einheitslohn. Egal wie lange die Betriebszugehörigkeit ist, egal wie alt, egal welche Arbeit, egal ob Mann oder Frau, Azubi oder FacharbeiterIn, Aushilfe oder VorarbeiterIn.

Die Bänder liefen mit 60 % der "Normalgeschwindigkeit".

Es wurden viel mehr Pausen gemacht.

Unsere Produktion war "illegal", die Maschinen haben wir uns genauso wie die Fabrik angeeignet. Damit haben wir kapitalistische Logik bewusst durchbrochen, das Eigentum wurde angegriffen.

Wir haben uns von niemandem etwas reinreden lassen. Weder von den Versagern der IG-Metall, noch von Politikern oder "Linksradikalen". Alles wurde kollektiv selbst entschieden.

Hervorragend war die Zusammenarbeit und Unterstützung durch die FAU, Café Libertad sowie die Hilfe der Radspannerei Kreuzberg.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Lorbeer zu Suppenwürze — ein_fauista

Weitermachen — Maltese

ergänzung — charlys enkel

Danke — Danke

warum? — antifa

merkt ihrs noch... — charlys enkel

was sind inhaltliche — Ergänzungen?