"Agenturschluss"-Aktion in Köln

Rio 09.12.2005 15:21 Themen: Soziale Kämpfe
Zum wiederholten Mal sind Kölner Erwerbslose im Rahmen der "Agenturschluss"-Kampagne bei einem Träger so genannter 1-Euro-Jobs eingefallen.
Es war wiedermal so weit,
... über 10 AktivistInnen der Kampagne "Agenturschluss", die in Köln speziell die Träger so genannter 1-Euro-Jobs ins Visier genommen haben, trafen sich am 08.12.2005 wieder zu einem ihrer "Spaziergänge".

Das "Gemeinnützige BerufsbildungsWerk Köln e.V." in der Delmenhorster Str. war diesmal Ziel des unangemeldeten Besuchs. 1-Euro-JobberInnen hat man gar keine angetroffen, was die SpaziergängerInnen im Vorfeld ahnten. Recherchen haben ergeben, dass GBW Träger jener Maßnahmen ist, deren Arbeitskräfte sich als "Hilfshausmeister" in städtischen Kindertagesstätten á 1,30 € verdingen dürfen. Vorgeblich, um defekte Spielsachen zu reparieren, aber dann und wann, natürlich, schon mal einen Waschraum streichen oder die Hecke schneiden.
Exakt 47 vorwiegend über 50jährige solcher Hilfshausmeister waren denn auch heute zum Wohle des vermeintlich klammen Stadthaushaltes in den KITAs im Einsatz.

Also mussten die SpaziergängerInnen mit jungen Erwachsenen unter 25 aus dem Maßnahme-Bereich "Sprungbrett" (= 0,70 € die Stunde) vorlieb nehmen, was nicht minder interessant schien.
Das Bild war komisch: etwa 10 coole Mädchen und Jungs, um die 20 Jahre alt, standen um einen Tisch herum und malten mit Pinsel und Farbe einen Weihnachtsbaum ! Grün und rot waren die einzigen zu verwendenden Farben. (Ein Schelm, der böses dabei denkt.) ... Wohl gemerkt: die Atmosphäre war SEHR harmonisch, wenn auch nicht wirklich weihnachtlich.

Um so erfreuter waren alle Anwesenden über den unverhofften Besuch der Agenturschluss-Leute und die damit aufkommende Stimmung. Alle ? ... Nun ja, der Leiter der pädagogischen Abteilung, Herr W., wohl weniger. "Was, Sie haben sich nicht angemeldet ? Das, ... um Gottes Willen, ... das geht doch so nicht. ... Das gibt doch Ärger." Aber man muss es sagen: Herr W. ist einer von den Netten, die nach langen, bisweilen auch lauten, Diskussionen noch weich werden, wenn man sie auf die hehren und bisweilen sicher naiven Ziele anspricht, mit denen sie sich einstmals dem Fachgebiet "Sozial-Pädagogik" zuwandten. Lassen wir das, ... auch um Herrn W. keine Schwierigkeiten zu machen, die Andere längst haben.

Zufrieden in ihrem "Job" waren die jungen Leute natürlich nicht, ihre Anwesenheit ist der Pflicht und der kargen Entlohnung geschuldet (SAGEN sie). Einige stellten sich mit Name und Kontakt einer Langzeit-Befragung zur Verfügung, womit sich denn auch die Frage nach den Zukunftsperspektiven für heute erübrigte.
Bei dieser Frage nämlich, so scheint's, VEREINEN sich die Geister, werden Sozial-Pädogoge W., Projektleiter H. und der herbei gerufene Geschäftsführer Ottmann gleichermaßen betroffen.

Die Maßnahmen haben zig verschiedene Namen: "Für aktiv" ;-), "Job Plus", "MELBA", "SPR", "ESF" ..., worin die JobberInnen hin- und hergeschoben werden, was WOMÖGLICH zur erstaunlich guten Vermittlungsquote auf dem Papier (!) beiträgt. Die Hälfte der angetroffenen Maßnahme-Teilnehmer waren nicht das erste Mal hier.

Mit dem Auftreten des Geschäftsführers Ottmann teilten sich die AktivistInnen. Die Grenzen zwischen untergebenen Beschäftigten und seinen ungebetenen Gästen (OHNE Vertrag bzw. 0-Euro-JobberInnen !), scheinen bei Ottmann fließend. "Man muss doch eine gewisse Form wahren, ... Hausfriedensbruch, ... kommen Sie zurück, ... Sie sind mir zu vorlaut ....", woraufhin die Hälfte der SpaziergängerInnen SELBSTbewusst ihre eigenen Wege gingen und weitere Räumlichkeiten des Geländes besichtigten.

Die andere Hälfte jedoch "fügte" sich der Einladung zum mehrstündigen (!) vertiefenden Gespräch, was der Recherche und Dokumentation durchaus dienlich war !
"Dies gehört zum Konzept.", sagt einer der AktivistInnen, "Wir gehen die Hierarchie von unten nach oben durch. Erst die Betroffenen, dann die Anleiter, bis zur Chef-Etage. Die einen machen dies, die anderen das [Arbeitslose mit Arbeitsteilung !], ... hat heute gut geklappt !“

ps: Bei "Agenturschluss" Köln handelt es sich um lose organisierte Betroffene bzw. Erwerbslose, die sich seit mehreren Monaten unregelmäßig zu so genannten 1-Euro-Job-Spaziergängen verabreden. Die Ergebnisse ihrer Besuche und Recherchen stellen sie sodann anderen Selbsthilfe-Projekten, wie z.B. dem Erwerbslosenrat Köln, oder bei Bedarf auch den Gewerkschaften, dem ARGE-Beirat und der Presse zur Verfügung.

Unter  http://erwerbslose.foren-city.de/ können die meisten anderen Aktionen nachgelesen werden.
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Schön

Arbeiter 09.12.2005 - 16:34
Weiter so !
Solidrität gegen 1 Euro Jobz

Hab ich was verpasst??

Nazipost Nr.2 (garantiert) 10.12.2005 - 04:36
Wo ist das Problem mit diesen sogenannten "1Euro Jobs"?? Wer Arbeitslosengeld kassiert, der hat nun mal auch die Pflicht etwas dafür zu tun. Wenn dieses "tun" gemeinnützig zur Geltung kommt sehe ich kein Problem. Wenn ich mal grob rechne 345 Euro pro Monat plus 160 ( 8 Euro pro Tag mal 5 Tage die Woche mal 4 Wochen pro Monat) sind bei mir 505 Euro pro Monat. Ich bekomme von dieser schei Bürokratendiktatur noch nicht einmal einen "1 Euro Job" obwohl ich mich darüber freuen würde.
Mein Gott, werdet mal realistisch, man kann doch nicht eine Unterstützung forden ohne etwas dafür zu tun. Würde jeder in diesem Land wie ein Sozialschmarotzer denken wäre bald Feierabend mit dem "für lau" leben.
Seien wird doch froh das es läuft so wie es läuft.

selber nazi :)

mein doller name 10.12.2005 - 05:29
das problem mit den ein euro jobs ist dass die leute dazu GEZWUNGEN
werden können, bzw leistungen davon abhängig gemacht werden können.

wir hätten eine ganz andere diskussion über ein euro jobs, wenn es sich dabei nur um freiwilligkeit handeln würde - wie du schon sagtest, prinzipiell ist das in ordnung, wenn leistungsempfänger in irgendeiner form etwas für die gesellschaft leisten. keine probleme damit!

aber bitte unter welchen umständen, dass muss doch wenigstens erlaubt sein, über die umstände zu diskutieren!

in vielen kommunen vermitteln inzwischen die kommunen ein euro arbeitskräfte quasi an sich selbst - also z.b. das sozialamt an die friedhofsgärntnerei - ein schelm, wer böses dabei denkt, wenn eine solche kommune sich dann auch noch weigerst wenigstens der öffentlichkeit die daten und fakten über ihre ein euro jobs mitzuteilen, so dass man vielleicht mal nachproüfen kann, ob es sich tatsächlich um "zusätzliche arbeiten" handelt, wie das gesetz dies vorschreibt.


es gibt noch einen übergeordneten punkt: es ist im angesicht von 10 millionen arbeitslosen generell schwachsinn nun ausgerechnet diejenigen, die angeblich so arbeitsscheu sind, zum arbeiten zu ZWINGEN, während viele andere, die gerne arbeiten WOLLEN, dann noch weniger arbeit haben.

stell dir einfach mal vor, du wärst arbeitgeber, und bei dir bewerben sich 2 leute - einer der richtig bock auf die stelle hat, und einer, der vom sozialamt dazu gezwungen wurde aber eigentlich gar nicht arbeiten will.
wen von beiden würdest du einstellen?



hätten wir einen arbeitskräftemangel, so wie 1953, dann wäre ich der letzte der sich der einführung von pflicht-diensten widersetzt, aber das recht derer, die arbeiten WOLLEN, auch arbeiten zu DÜRFEN, ist viel wichtiger, als den angeblichen oder tatsächlichen faulpelzen eins auszuwischen, indem man sie zum arbeiten ZWINGT mit dem ergebnis dass noch weniger jobs für die da sind, die arbeiten WOLLEN.

das ganze ist einzig und alleine ein mittel um menschen gegeneinander auszuspielen, da wird mit dem fonger auf die schwächtsne gezeigt, und behauptet, sie wären an ihrem eigenen schicksal schuld.

übrigens, selbst dort, wo juristisch gesehen alles mit rechten dingen zugeht haben die ein euro jobs so ihre tücken, sie beförden beipielsweise nicht gerade ehrenamtliche tätigkeiten.

der geplante wegfall von steuerbegünstigungen beim ehrenamt passt da gut ins bild.




@ Nazi3

Dein Name 11.12.2005 - 01:20
...was für Steuervergünstigungen beim Ehrenamt sollen denn wegfallen, wo finde ich genauere Infos?

P.S.: Habt Ihr in Köln schonmal versucht, gegen die 70c für die u25-Leute vorzugehen? Ich glaub es gibt schon Gerichtserfolge dagegen, Leuten weniger als 1E/h auszuzahlen. Wird da etwa der Qualifizierungsanteil nicht bezahlt?
Glaube, dass war hier in Bremen, dass es gelang da "Bildungswerk der niedersächsischen Wirtschaft" zu nötigen, wenigstens 1 Euro auszubezahlen. Hier ist es besonders krass, weil der TRäger eines 1E-Jobs 500E pauschal bekommt, und was dem Jobber nicht ausgezahlt wird ist halt "Verwaltungskostenbeihilfe" für den Träger.

snowblind

Marco Strüber 13.12.2005 - 04:27
Thema verfehlt
INITIATIVE GEGEN EINEN NEUEN REICHSARBEITSDIENST
 http://www.leipziger-montagsdemo.de