Wiedererstarken der Neonazi-Szene in Duisburg

Duisburg gegen Rechts 14.07.2003 15:31 Themen: Antifa
Die Duisburger Neonazi-Szene war aufgrund interner Streitigkeiten und fehlender Führungspersonen ca. ein Jahr lang kaum handlungsfähig. Jetzt aber lassen sich Versuche erkennen, die Neonazi-Strukturen wiederaufzubauen und Nachwuchs zu rekrutieren.
Wiedererstarken der Neonazi-Szene in Duisburg

Die Duisburger Neonazi-Szene war aufgrund interner Streitigkeiten und fehlender Führungspersonen ca. ein Jahr lang kaum handlungsfähig. Jetzt aber lassen sich Versuche erkennen, die Neonazi-Strukturen wiederaufzubauen und Nachwuchs zu rekrutieren.

Die Verurteilung und 18monatige Haft von Nico Wedding, einem der führenden Nazi-Kadern in NRW aus Duisburg, war einer der wichtigen Gründe für die Handlungsunfähigkeit der Szene.

Nico Wedding war nach einem Überfall auf Teilnehmer einer Gedenkkundgebung am Mahnmal der Gedenkstätte des ehemaligen KZ in der Kemna wegen schweren Landfriedensbruchs und schwerer Körperverletzung zu 18 Monaten Haft verurteilt worden. Die Brutalität der Tat hatte damals zu Schlagzeilen in der bundesweiten Presse geführt, z.B. in der jungen welt von 24.11.2000, 8.12.2000 und 11.1.2001.

Trotz – oder gerade wegen ? – dieser Tat ging die „Karriere“ von Nico Wedding in der Szene weiter; er wurde zum Landesvorsitzenden der „Jungen Nationaldemokraten“, der Jugendorganisation der rechtsextremen NPD gewählt.

Seit Anfang der Jahres versuchen die „Jungen Nationaldemokraten – Duisburg“ unter der Führung von Nico Wedding, Aufmerksamkeit zu erregen und Nachwuchs zu rekrutieren, indem sie versuchen gesellschaftlich relevante Themen zu besetzen. So organisierte die JN-Duisburg in Zuge des Irak-Kriegs eine Veranstaltung am 16.2.2003 in Duisburg-Beeck unter dem Titel „Kein Blut für Öl“ mit dem bundesweit bekannten Neonazi Horst Mahler, wo Nico Wedding ebenfalls ein Vortrag hielt. Weiterhin sammelte die JN-Duisburg am 22.2.2003 in der Duisburger Innenstadt Unterschriften und verteilte ihre Propaganda.

Um die so gewonnenen Kontakte auszubauen, und insbesondere Jugendliche für sich zu gewinnen, veranstaltet der Landesvorsitzende der NPD/JN, Nico Wedding, als nächstes einen „großen Kameradschaftsabend“ am 2.8.2003. Die Vorbereitung und Organisierung dieses Treffens läuft größtenteils über seine Wohnung auf der Tonstr.23 in Duisburg-Duissern, von wo aus er die Website der NPD/JN in NRW betreibt und ebenfalls die offizielle Fax-Nummer des Landesvorstands angemeldet ist.

Es liegt an uns allen, dafür zu sorgen, daß diejenigen, die Duisburg als Basis für Neonazi-Aktivitäten in ganz NRW mißbrauchen wollen, keine Chance haben werden. In nächster Zeit werden Veranstaltungen stattfinden, die über die Neonazi-Szene in Duisburg und NRW informieren.

Für weitere Informationen und Rückfragen stehen wir unter  du_gegen_rechts@gmx.de zu Verfügung.

Duisburg gegen Rechts

Anlage:
a) Bericht aus der jungen welt über die Verurteilung Nico Weddings
b) Hintergrundartikel aus der Terz (Düsseldorf) über die JN-Duisburg

a)

»Aus dem Ruder gelaufen«

Wuppertaler Landgericht verurteilte NPD-Mitglieder nach Angriffen zu Haftstrafen

Sieben Prozeßtage hatte es bedurft bis zum Urteil im Prozeß vor dem Wuppertaler Landgericht. Angeklagt waren sieben Neonazis, die am 9. Juli letzten Jahres in Wuppertal gemeinsam mit mindestens acht Mittätern bewaffnet eine 15köpfige Kundgebung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes am Mahnmal der Gedenkstätte des ehemaligen KZ in der Kemna überfallen hatten.

»Im Gegensatz zur Demokratie von Weimar ist die unsrige wehrhaft«, plädierte Staatsanwalt Heinrichs und forderte Haftstrafen zwischen 21 Monaten und dreieinhalb Jahren ohne Bewährung. Man habe den »Linksterrorismus« in die Knie gezwungen und werde nun auch »den rechten in den Griff bekommen«. Die wegen besonders schweren Landfriedensbruchs, schwerer Körperverletzung und Sprengung einer Veranstaltung Angeklagten wurden am Dienstag letztlich zu Haftstrafen zwischen acht und 27 Monaten verurteilt.

Die zwölf- und achtmonatigen Haftstrafen gegen den Wuppertaler NPD-Ortsverbandsvorsitzenden Maik Hilgert und seinen Beisitzer Andreas Stahlschmidt wurden hierbei vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt, da diese nicht aktiv in das Geschehen eingegriffen hätten. Der mehrfach einschlägig vorbestrafte NPDler Axel Boris Hausweiler, der sich vor Gericht als Aussteiger präsentiert und seine Mitangeklagten schwer belastet hatte, kam mit einem Jahr ohne Bewährung, aber Aussetzung seines Haftbefehls davon. Der stellvertretende JN-Landesvorsitzende Nico Wedding aus Duisburg sowie die Wuppertaler Ronny Plexnies und Thomas Haarhaus, die Kundgebungsteilnehmer, darunter auch über 80jährige Zeitzeugen, mit faustgroßen Steinen beworfen und mit Schlagstöcken geprügelt hatten, wurden zu 18monatigen Haftstrafen verurteilt.

Als Initiator und Organisator der Aktion sah das Gericht das 25jährige NPD-Landesvorstandsmitglied Thorsten Crämer an. Dieser wird seiner Partei nun zwei Jahre und drei Monate lang nicht zur Verfügung stehen. Bis zum Schluß hatte Crämers Anwalt, der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Hans-Günter Eisenecker, versucht, das drohende Urteil und politischen Schaden von der NPD abzuwenden. Gewalt sei für Crämer etwas »völlig Persönlichkeitsfremdes«, so Eisenecker. Aufgrund der permanenten Bedrohung seines Mandanten durch »Autonome« habe sein NPD-Kompagnon am 9. Juli weitere Angriffe befürchtet und deshalb die Kundgebung am Mahnmal observieren wollen, um gegebenenfalls Schutzmaßnahmen einleiten zu können. Crämer sei an dem Tag aufgrund der negativen Erlebnisse derartig in seiner »psychischen Konstellation geschwächt« gewesen, daß er gar nicht bemerkt hätte, daß ein Teil der Gruppe offensichtlich Ambitionen hatte, gewalttätig vorzugehen. Die Sache sei ihm »aus dem Ruder gelaufen«, da er von einem Teil der Gruppe nicht als Führungsperson anerkannt worden sei.

Dieser Darstellung der Ereignisse konnte sich Richter Wilfried Keiluweit nicht anschließen. Es habe im Gegenteil ein »Zusammenwirken von gewaltbereiten Funktionären der NPD und gewalttätigen Skinheads« gegeben, die von Crämer zum Zwecke eines brutalen Angriffs zusammengeführt worden seien. Der Vertreter der Nebenklage, Rechtsanwalt Prietzel- Düwel, zeigte sich mit dem Prozeßverlauf zufrieden. Es sei nicht zuletzt gelungen, öffentlich wahrnehmbar auf lokale neonazistische Netzwerke und auf die von ihnen ausgehende Gefahr hinzuweisen.

Nachdem bereits am 29. November drei jugendliche bzw. heranwachsende Mittäter zu siebenmonatigen Bewährungsstrafen verurteilt wurden, sind bislang zehn Täter zur Rechenschaft gezogen worden. Das abgetrennte Verfahren gegen den stellvertretenden Wuppertaler NPD- Kreisvorsitzenden Nobert Wölk, der nach Auffassung von Staatsanwaltschaft und Nebenklage gemeinsam mit Crämer den Angriff geleitet hat, beginnt im Februar. Die restlichen vier oder fünf Tatbeteiligten befinden sich aber nach wie vor auf freiem Fuß. Zwei tatverdächtige Mitglieder der JN Duisburg, deren JN-Mitgliedsausweise am Tatort in Weddings PKW gefunden wurden, können sich auf Alibis von Duisburger JN- Funktionären stützen.

Rolf Krehle, Wuppertal

Aus: junge welt11.01.2001 ( http://www.jungewelt.de/2001/01-11/010.shtml)

b)

Die JN Duisburg unter der Lupe

Seit 1999 wird sie immer umtriebiger, die heutige JN Duisburg, die auch mal gerne im Düsseldorfer Norden "wandern" geht (vgl. TERZ 10/2000). In den letzten zwei Jahren waren Mitglieder dieser Gruppe an mehreren militanten Angriffen beteiligt gewesen. Im folgenden ein Versuch, diese Struktur unter die Lupe zu nehmen. Während der von Karl Weise geleitete NPD-Kreisverband Duisburg nur wenig von sich hören läßt, treibt der Nachwuchs immer munterer sein Unwesen. Eigen Angaben zufolge Ende 1997 in der Nachfolge der "Freien Kameradschaft Duisburg/Volkstreue Jugend" als "reine Kameradschaft" bzw. als "JN Kameradschaft" mit dem politischen Ziel gegründet, "einen homogenen radikalen Block innerhalb einer inhomogenen Partei darzustellen, diese zu radikalisieren um dem Hauptziel, der Zerschlagung des Systems, ein Stück näher zu kommen", wandelte sich die Gruppe am 22.6.2000 in einen offiziellen JN-Stützpunkt um. Insgesamt pflegen aber diverse Mitglieder ein sehr kritisches Verhältnis zur Mutterpartei, was in Zukunft sicherlich noch zu der einen oder anderen gruppeninternen Auseinandersetzung führen wird.

Struktur und Selbstverständnis

Der Duisburger "Stützpunkt" besteht aus ungefähr 15 Mitgliedern und hat ein relativ großes Umfeld im Raum Duisburg, Moers, Oberhausen und Kempen. Alleine im Duisburger Norden und in Moers sind mehrere mehr oder weniger gefestigte neonazistische Cliquen anzutreffen, die großteils aus 16- bis 20jährigen Jungnazis bestehen, die für die JN mobilisierbar sind, wobei man hierbei sehr bestrebt ist, nicht jedem gesichtstätowierten Vollalkoholiker Zutritt zu den eigenen Strukturen zu gestatten. Neben der Durchführung kleinerer eigener Aktionen ist die JN Duisburg nebst Umfeld spätestens seit 1999 in einer Zahlenstärke von 15-30 Personen auf Demonstrationen überall in der BRD anzutreffen, wobei die Mobilierungsstärke aufgrund der permanenten Aufmärsche in letzter Zeit wieder abgenommen hat. Federführende Figur im Duisburger "Stützpunkt" war lange Zeit Thorsten Wawrzyczek (26), der im JN Landesvorstand im "Amt für neue Medien" tätig war und sich um die Internetpräsentation der JN kümmerte. Aufgrund interner Querelen erklärte er am 18.4. seinen Austritt aus der Gruppe, nachdem es mehrfach zu Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und auf Parteidisziplin drängenden JN-Funktionären gekommen war. Ein weiterer wichtiger Duisburger JN- und NPD-Kader ist der stellvertretende JN-Landesvorsitzende Nico Wedding (24), der zur Zeit allerdings eine Haftstrafe abzusitzen hat und erst ab Jahresbeginn 2002 wieder zur Verfügung stehen wird. Weiterhin erwähnenswert ist der "Stützpunktleiter" Steffen Pohl (21) sowie Dennis Maier (18) und mit Abstrichen auch der Moerser Bastian Gostomski (19). Hervorragende Kontakte pflegt die Gruppe zu einer Reihe von "Freien Kameradschaften", insbesondere zu Gruppen aus dem Ruhrgebiet und zur Kempener "Gemeinschaft Nationales Deutschland" (GND). Zur ortsansässigen "Kameradschaft Duisburg" um die ehemaligen FAPler Michael Thiel (35) und Peter Kuckels (32), einer Gruppe, die auch als "Kameradschaft Heinrich Bauschen" und als "Kampfbund Deutscher Sozialisten Duisburg" bekannt ist, gibt es allerdings ein angespanntes Verhältnis, da diese sich nach Angaben der JN Duisburg als "einzige Kameradschaft mit Existenzberechtigung, weil von M. Kühnen gegründet" verstehen würde. Dafür bestehen um so bessere Kontakt zu den "Kameradschaft Heinrich Bauschen"-nahen "Freien Nationalisten - Nationaler Widerstand Ruhr". Einer der Hauptaktivisten dieser Struktur ist der Duisburger Renè Wagner (29), der bereits 1990 als Mitglied des Ortsverbandes Duisburg der Ende 1992 verbotenen Kühnen-Partei "Deutsche Alternative" geführt wurde. Wagner verfügt auch über gute Kontakte zur "Kameradschaft Düsseldorf". Die stark auf Schulungen und Theoriearbeit sowie auf die Verknüpfung von Theorie und Praxis setzende und sich als antiimperialistisch verstehende JN Duisburg begreift sich als Teil der "Revolutionären Plattform - Aufbruch 2000", einem "Zusammenschluß revolutionärer Nationalisten in der NPD/JN" mit nationalrevolutionärer Ausrichtung, der von der NPD zunächst verstoßen, zwischenzeitlich aber in die Parteistruktur integriert und kaltgestellt wurde. Die JN Duisburg hängt der Querfrontstrategie an, möchte also an linke Diskurse anknüpfen und linke Themen besetzen. Charakteristisch für die JN Duisburg ist auch die Betonung eines heroischen revolutionären Kampfes und ihre unerträglich üble antisemitische Ausrichtung, die sich in kruden Weltverschwörungstheorien über das angeblich alles beherrschende "Weltjudentum", über geheime "Freimaurer-" und "Illuminatenzirkel" verliert, was nicht zuletzt zu einer schon fast paranoiden Wahrnehmung führt. Dies geht gar soweit, daß einer der "deutschen Recken" ernsthaft behauptet, die Antifa habe ihm gedroht, seine Freundin zu vergewaltigen und Artikel in der bürgerlichen Presse nicht mehr von Flugblättern der Antifa zu unterscheiden weiß.

"Arafat, Arafat"

Als großes, fast schon vergöttertes Vorbild, dient der JN Duisburg die palästinensische Al Aksa- Intifada. Der "Kampf um die Sache", angeblich heroisch und selbstlos "mit Steinschleudern, Flaschen und Pflastersteinen gegen moderne Kriegstechnik" vorgetragen, gegen einen "Feind, der große Teile der Welt hinter sich hat", ja, so möchten die Duisburger "Revolutionäre" auch sein. Folgerichtig findet man die JN Duisburg auf neonazistischen Demonstrationen oftmals "Arafat, Arafat..." und "Freiheit für Palästina!" skandierend hinter einer PLO-Fahne. Wenngleich sich viele Verlautbarungen der JN Duisburg als großmäuliger Verbalradikalismus entpuppen, so beteiligen sich diverse Mitglieder - wenn auch in Überschätzung der eigenen Kräfte zumeist höchst stümperhaft - auch an militanten Aktionen. Steffen Pohl und andere JNler aus Duisburg waren am 11.9.99 an einem Angriff auf BesucherInnen eines Oi&Punk-Konzertes im Kulturzentrum "Südring" in Moers beteiligt. Bei der Schilderung des Vorfalls vergißt Steffen Pohl jedoch stets zu erwähnen, daß er sich, nachdem sich die angegriffenen BesucherInnen angefangen hatten zu wehren, laut um Hilfe schreiend und mit einem Nasenbeinbruch ausgestattet in die Arme der Polizei geflüchtet hatte. Aus dem gleichen Kreis stammen die Täter, die in der Silvesternacht 1999/2000 einen Angriff auf eine Moschee in Moers gestartet hatten. Beteiligt waren u.a. Kevin Giuliani aus Moers, Pohls Freundin Sandy Schlotmann und - Informationen aus der Szene zufolge - auch Dennis Maier und Steffen Pohl. Fünf der 15 oder 16 Täter, die im Juli letzten Jahres bewaffnet eine KZ-Gedenkstättenveranstaltung in Wuppertal überfallen hatten, gehören der JN Duisburg und ihrem Umfeld an; nur einer, nämlich Nico Wedding, wurde angeklagt und verurteilt. Der Rest konnte entweder nicht ermittelt werden, oder es konnte ermittelten Personen die Tat nicht nachgewiesen werden.

Fazit

Noch verfügt die JN Duisburg nur über wenig Erfahrung bei der politischen Arbeit, schließlich sind die meisten Mitglieder noch sehr jung. Noch ist die Gruppe sehr heterogen und hat mit immer stärker werdenden internen Meinungsverschiedenheiten zu kämpfen. Doch das Gemisch aus Aufstandsromantik, Theoriearbeit und zunehmender Praxiserfahrung kann sehr schnell zu einer im wahrsten Sinne des Wortes explosiven Mischung führen. Dieses sollte Grund genug sein, den braunen Damen und Herren weiter auf die Finger zu schauen und sie nicht länger ungestört agieren zu lassen.

aus: Terz 05-01 ( http://www.terz.org/texte/texte_05_01/antifa.html)
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 8 Kommentare an

anmerkung — (S)

@ (s) — jaja

Nico Wedding? — MSV-Proll

Bitte um konstruktive Kritik — Duisburg gegen Rechts