Gesetzentwurf: Polizeien sollen einfacher an digitale Beweise kommen

<p>Zuletzt haben die EU und die deutsche Politik wiederholt eine Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Dabei hat Deutschland bis heute nicht das E-Evidence-Paket umgesetzt. Mit seinen Instrumenten sollen sich digitale Beweise schnell sichern lassen, bevor sie gelöscht werden.</p>
<figure class="wp-caption entry-thumbnail"><img width="860" height="484" src="https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2025/06/imago823256469-scaled-e175... class="attachment-landscape-860 size-landscape-860 wp-post-image" alt="Stefanie Hubig (SPD) im Bundestag" decoding="async" loading="lazy" srcset="https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2025/06/imago823256469-scaled-e175... 860w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2025/06/imago823256469-scaled-e175... 1200w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2025/06/imago823256469-scaled-e175... 380w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2025/06/imago823256469-scaled-e175... 1536w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2025/06/imago823256469-scaled-e175... 2048w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2025/06/imago823256469-scaled-e175... 660w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2025/06/imago823256469-scaled-e175... 160w" sizes="auto, (max-width: 860px) 100vw, 860px" /><figcaption class="wp-caption-text">Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) will das E-Evidence-Paket der EU umsetzen. <span class='media-license-caption'> &#8211; Alle Rechte vorbehalten <a href="https://www.imago-images.de/st/0823256469?searchID=5b3f9e7a-f77f-42ec-a8... >IMAGO / dts Nachrichtenagentur</a></span></figcaption></figure><p>Bis heute hat Deutschland das sogenannte <a href="https://netzpolitik.org/2023/e-evidence-elektronische-beweismittel-stell... der Europäischen Union</a> nicht umgesetzt. Zuletzt hatte das verfrühte Ende der Ampel-Koalition das geplante Gesetz vereitelt. Nun unternimmt die schwarz-rote Regierung einen neuen Versuch, den grenzüberschreitenden <a href="https://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/0620_E_Evidenc... elektronischer Beweismittel innerhalb der EU zu vereinfachen</a>.</p>
<p>Im Kern geht es um zwei neue Instrumente für europäische Polizeien: Mit der Europäischen Sicherungsanordnung lassen sich Daten bei einem EU-Online-Dienst einfrieren und später wieder auftauen, wenn sie für Ermittlungen gebraucht werden. Das heißt: Der Diensteanbieter darf sie erst einmal nicht löschen. Alternativ können Ermittlungsbehörden mit der Europäischen Herausgabeanordnung digitale Beweismittel direkt bei Anbietern in anderen EU-Ländern anfordern. Dabei kann es um Informationen gehen, welchem Kunden etwa eine bestimmte IP-Adresse zugeordnet war, angefragt werden können aber auch Inhaltsdaten wie E-Mails. </p>
<p>Beschlossen hatte die EU das Paket – eine unmittelbar geltende Verordnung sowie eine ergänzende Richtlinie – im Jahr 2023. EU-Ländern bleibt bis zum Sommer 2026, es vollständig umzusetzen. Über einen Referentenentwurf war Ex-Justizminister Marco Buschmann nicht hinausgekommen. Auf dessen <a href="https://draftable.com/compare/OZzscLlERDPz">Entwurf von Oktober setzt nun der Vorschlag</a> auf, den seine Amtsnachfolgerin, die SPD-Politikerin Stefanie Hubig, <a href="https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2025_E_Evidence... Juni vorgestellt</a> hat.</p>
<h3>Schnelle Sicherung digitaler Beweise</h3>
<p>Insgesamt soll es EU-Polizeien deutlich schneller gelingen, an digitale Beweismittel zu kommen. Dazu lösen die neuen Instrumente den bislang üblichen Prozess über Rechtshilfeabkommen in der EU ab: In der Vergangenheit mussten Ermittlungsbehörden zunächst bei den Justizbehörden des Landes vorstellig werden, wo der betreffende Online-Dienst sitzt. Dies soll nun weitgehend entfallen: Herausgabeanordnungen sollen in der Regel innerhalb von zehn Tagen befolgt werden, in Notfällen gilt eine Frist von nur acht Stunden.</p>
<p>Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen Teilnehmer-, Verkehrs- und Inhaltsdaten. Für die erste der Datenkategorien, die etwa Namen und Anschrift von Verdächtigen umfassen kann, gelten die niedrigsten Hürden. Der aktuelle Entwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) stellt nun klarer, wer Herausgabeanordnungen auf dieser Basis erlassen kann: Neben dem Bundeskriminalamt zählt etwa auch das Zollkriminalamt dazu. Solche Anordnungen muss zudem die Staatsanwaltschaft validieren.</p>
<p>Höhere Anforderungen gelten bei sensiblen Verkehrs- und Inhaltsdaten, deren Sicherung ein Gericht bewilligen muss. Es muss sich hierbei um Taten handeln, die mit einer Mindesthöchststrafe von drei Jahren belegt sind, oder die in bestimmte Kategorien von Straftaten wie sexueller Missbrauch von Kindern oder Terrorismus fallen. Neben dem Diensteanbieter muss zudem die zuständige Behörde im Vollstreckungsstaat benachrichtigt werden. Diese hat zehn Tage Zeit, um die Anordnung zu prüfen und kann sie gegebenenfalls ablehnen. Weitere Sicherungen sollen für Berufsgeheimnisträger:innen wie Rechtsanwält:innen oder Journalist:innen gelten.</p>
<h3>Ein Puzzlestück unter vielen</h3>
<p>Die neuen Regeln fallen in eine Zeit, in der die EU die Zügel im digitalen Raum merklich strafft. Das E-Evidence-Paket macht dabei nur den Auftakt und ist ein Puzzlestück unter vielen: Seit Jahren arbeitet sich die EU an diversen Baustellen ab, die aus ihrer Sicht digitale Ermittlungen erschwerten. Ihre Überlegungen hat die seit vergangenem Winter amtierende EU-Kommission unter Ursula von der Leyen in einer <a href="https://netzpolitik.org/2025/going-dark-eu-stellt-strategie-zur-inneren-...„ProtectEU“ genannten Strategie zur inneren Sicherheit</a> zusammengefasst.</p>
<p>Eine Zahl betont die EU-Kommission dabei immer wieder. So würden rund 85 Prozent der strafrechtlichen Ermittlungen auf elektronischen Beweismitteln beruhen. Zu oft seien diese Daten jedoch nicht mehr verfügbar, wenn sie gesichert werden sollen. Ohne eine EU-weite Umsetzung des E-Evidence-Pakets abzuwarten, hatte die Kommission erst jüngst eine <a href="https://netzpolitik.org/2025/konsultation-zu-vorratsdatenspeicherung-eu-... über einen gemeinsamen EU-Rechtsrahmen für eine Vorratsdatenspeicherung durchgeführt. Noch in diesem Jahr will sie eine Folgenabschätzung dieser anlasslosen Massenüberwachung präsentieren, ein konkretes Gesetz womöglich im kommenden Jahr. Parallel dazu hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) einen <a href="https://netzpolitik.org/2025/vorratsdatenspeicherung-dobrindt-nimmt-anla... Alleingang bei der Vorratsdatenspeicherung</a> angekündigt.</p>
<p>In einem <a href="https://netzpolitik.org/2025/going-dark-eu-kommission-stellt-fahrplan-fu... Woche veröffentlichten Fahrplan</a> macht die Kommission zudem verschlüsselte Daten als Problemfeld aus. Sie stützt sich dabei auf die <a href="https://netzpolitik.org/2024/going-dark-eu-arbeitsgruppe-will-zugang-zu-... einer Arbeitsgruppe</a>, die zuletzt das sogenannte „Going Dark“-Phänomen untersucht und vage Vorschläge zum Zugang zu verschlüsselten Inhalten in den Raum gestellt hatte. Wie und ob sich ein Ansatz findet lassen kann, der nicht die gesamte IT-Sicherheit untergräbt, soll im Jahr 2026 feststehen.<span class="vgwort"><img decoding="async" src="https://vg03.met.vgwort.de/na/1416c3cb1efe45e4a7fe4341536e6722" width="1" height="1" alt="" /></span></p>
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Autor/Gruppe: 
Tomas Rudl
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feed-date: 
Montag, Juni 30, 2025 - 14:24