8. März Berlin

queer-feministische Aktionsgruppe 08.03.2014 21:13 Themen: Antirassismus Gender Soziale Kämpfe
für eine linksradikale queer-feministische Perspektive auf den 8.März
english below

*Für eine linksradikale, queerfeministische Perspektive auf den 8. März*

Der 8. März als feministischer Kampftag hat für uns an seiner Dringlichkeit und Aktualität nichts verloren! Darum finden wir es wichtig, dass es an diesem Tag vielfältige feministische Aktionen gibt. Allerding muss auch immer hinterfragt werden, was unter dem Label „Feminismus“ verstanden wird und welche Perspektiven und Herrschaftsverhältnisse mitgedacht oder eben ignoriert werden.

*Wir verstehen uns als Teil einer linksradikalen, queer-feministischen Szene, sind weiß-deutsch, unterschiedlich betroffen von Diskriminierung bzw. priviligiert aufgrund der sozialen Klassen aus denen wir kommen (Klassismus), sind cis (also nicht trans), abled bodied (der körperlich/geistigen Norm von „gesund“ weitestgehend entsprechend)und konnten alle auf die Uni gehen. Aus diesen Positionen heraus möchten wir eine Kritik an manchen Aufrufenden zu dieser Demo und deren Verständnis von „Feminismus“ äußern.
Wir wollen hier und heute eine linksradikal queerfeministische Perspektive auf den 8. März stark machen. Das heißt für uns patriachale, rassistische und andere Machtverhältnisse, die auch immer durch den Staat getragen, erhalten und (re-)produziert werden, zu kritisieren, aufzubrechen, zu bekämpfen.

*Mit dem Begriff Patriachat soll die Herrschaft von Männern* über Frauen* beschrieben werden. Oft wird dieser aber aus einer zweigeschlechtlichen, weißen, akademischen Perspektive geäußert, bei der jedoch die zahlreichen unterschiedlichen Verwebungen von Herrschaftsverhältnissen nicht mitgedacht werden. Mehrfachdiskriminierungen von zum Beispiel Women of Color, der Zwang nach Zweigeschlechtlichkeit und kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse werden unsichtbar gemacht. Patriachat steht aber immer in Beziehung mit anderen Machtverhältnissen und kann deswegen nur mit diesen zusammen gedacht und bekämpft werden*
*Parteien, die mit zu dieser Demo aufgerufen haben, sind Vertreter_innen des Staates. Der Staat - und damit auch alle Parteien – erhalten aber eben genau solche Machtverhältnisse aufrecht und legitimieren somit Unterdrückung: Deutschlands Grenzen und die Festung Europa werden durch Staatspolitik aufrecht erhalten. Deutsche Kriegseinsätze werden mit dem vermeintlichen Eintreten für „Frauenrechte“ legitimiert und damit Unterdrückung von Frauen* als Problem der „anderen Kulturen“ dargestellt.
Durch die deutsche Vormachtstellung in den aktuellen Krisen und Nationalismus werden Bilder von „selbstverschuldeter Verarmung“ hergestellt und aufrechterhalten. Das verdeckt, dass die entscheidend von Deutschland diktierte Sparpolitik die Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Länder Europas systematisch niedrig hält, um den eigenen Wohlstand zu erhalten und ein „Warnsignal“ an andere kriesenerschütterte Staaten zu senden. Damit bleibt ein mörderischer, rassistischer, kolonialistischer, kapitalistischer Ist-Zustand bestehen, wird reproduziert und ausgedehnt.
*Außerdem fördert der Staat aktiv die bürgerliche, weiße, heterosexuelle Kleinfamilie und damit bestimmte Rollenbilder und Klischees. Beispielsweise durch Gesetzgebungen werden Menschen, die nicht der zweigeschlechtlichen Scheiße entsprechen/entsprechen wollen, systematisch und institutionalisiert diskriminiert.
*Somit stehen für uns der Staat und Parteien einer linksradikalen, queerfeministischen, emanzipatorischen Perspektive entgegen*

*Die weißen akademisierten Teile der Queer-feministischen linksradikalen Szene, da schließen wir uns selbst mit ein, haben sich in den letzten Jahren zu wenig in die Vorbereitungen für einen 8.März mit eingebracht und schaffen es häufig nicht aus ihrem dominanten weiß-akademisierten Rumgeklüngele hinauszutreten.
Gerade deswegen geht es uns hier nicht darum diese Demo zu bashen. Es ist wichtig feministische Inhalte auf die Straße und damit ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. Eine derart große und breite Demo zu organisieren ist verdammt viel Arbeit. Trotzdem haben wir uns – aufgrund der beschriebenen Kritikpunkte- dazu entschieden nicht direkt an der Demo teilzunehmen. Statt dessen wollten wir hiermit einige kritisch-solidarische Anmerkungen „fallen lassen“*

*Für einen Feminismus der Rassismen konsequent mitdenkt und reflektiert. In Solidarität mit Women in Exile und allen PoCs *

*Für einen Feminismus, der Inter*- und Trans*-Positionen konsequent mitdenkt! In Solidarität mit dem Inter* und Trans* Block*

*Für einen Feminimus der sich mit dem FatupBlock und seinen Zielen solidarisch erklärt!*

*Für einen Feminimus, der sich solidarisch mit den Zielen und Aktionen des Sexarbeiter*innenBlocks erklärt*

*Und in Solidarität mit allen emanzipatorischen Blocks auf dieser Demo, von denen wir zum Zeitpunkt des Schreibens noch nichts wissen*

*Für einen linksradikalen Feminismus, ohne Parteien, der alle Herrschafts- und Machtverhältnisse und den Staat bekämpft*

*Für einen Queer-Feminismus jenseits von zweigeschlechtlichem Denken, der ALLE Formen von Sexualität mit einbezieht*

*Für eine linksradikale, queerfeministische Perspektive auf den 8. März*


*for a radical leftist queer-feminist perspective on the 8th of march*

The 8th of march as international womens day has lost none of it's relevance and urgency. That's why it's important for us that a broad variety of feminist actions are happening. Yet it's important to question what is included under the label of „feminism“ for example what perspectives are overlooked and what oppressive systems are ignored.
We consider ourselfes to be part of a radical leftist queer feminist scene. We are white-german, experience varying degrees of discrimination and privilege in connection to the social classes we come from, are cis (not trans), able-bodied (conform mostly to the social norm of „healthy“) and were lucky enough to go to uni.
Out of this perspectives we want to voice a critique of some of the groups calling for the demonstration and their understanding of feminism.
We want to strengthen a radical leftist perspective of the 8th of march. That means to us to fight patriachal and racist structures, and other oppressive systems who are a structural component of the state and get constantly replicated upheld by the state.
The term Patriarchy is used to describe the dominance from men* over women*. Often this analysis comes from a white, gender-binary, academic perspective, in which other numerous and interweaving power relations are not taken into account. Multiple discriminations for example that of Women of Color, the enforcement of gender binary and capitalist exploitation are made invisible. Patriarchy is always interweaved with other power relations and thereby can only be conceptualized and fought against when all are fought against together.
The political parties who also, amongst others, called for this demonstration are representatives of the state. But this state – and thus all political parties – perpetuate these power relations and thereby legitimatise oppression. Germany's borders and fortress Europe are upheld through state policy. German military interventions use “women’s rights“ as a justification, therefore presenting the oppression of women as a problem of ‘other’ cultures.
Through nationalism and German supremacy in the current crisis, images of “self-imposed poverty” are produced and maintained. The “savings policy” (Sparpolitik), mainly decided by Germany, systematically keeps competitiveness of the southern countries of Europe down in order to maintain Germany’s own wealth and economic vitality, and acts as a “warning signal” to other states in economic crisis.
Thus a murderous, racist, colonial, capitalist status-quo is reproduced and expanded.

In addition, the state actively promotes the bourgeois white heterosexual nuclear family, and therefore certain role models and stereotypes. For example, people who don't conform to gender binary bullshit are systematically and institutionally discriminated against.
For us, this is why political parties and the state are incompatible with a radical leftist, queer-feminist, emancipatory perspective.

The white academic sections of the queer-feminist radical leftist scene have done too little in recent years to help organise the 8th of March and often don't manage to break out of white dominated academic circles and cliques – we include ourselves in this critique.
That is also why it's important for us to not bash the demo. It's important to bring feminist topics onto the streets and therefore into public consciousness. To organise such a big and broad demonstration is a shit load of work!
However, we have decided not to actively participate in the demo, but instead to „drop“ some critical-solidarity notifications.

- For a feminism that reflects on and engages critically against racisms. In solidarity with Women in Exile and all PoC.

- For a feminism that engages Inter*- and Trans* positions. In solidarity with the Inter* und Trans* Block*

- For a feminism that is in solidarity with the FatupBlock and their aims

- For a feminism that is in solidarity with the sexworker-block and their aims

- In solidarity with all emancipatory blocks on this demo, of whom were not known at the time of writing

- For a radical leftist feminism without political parties that fights oppressive structures, power relations and the state

- For a feminism beyond binary gender concepts, that includes all forms of sexuality
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Ergänzungen

Eine revolutionäre, dekonstruktivistische ...

TaP 08.03.2014 - 21:38

... Perspektive auf die 8. März-Demo in Berlin:

Eine feministische Kapitulation! – Warum ich die 8. März-Demo in Berlin verlassen habe, bevor sie losging

 http://theoriealspraxis.blogsport.de/2014/03/08/eine-feministische-kapitulation-warum-ich-die-8-maerz-demo-in-berlin-verlassen-habe-bevor-sie-losging/.


Eine vielleicht 'kritisch-konstruktiv' zu nennende Perspektive auf die gleiche Demo:

 http://lowerclassmagazine.blogsport.de/2014/03/08/reclaim-feminism/


Texte - gewissermaßen ;-) - zum Unterschied zwischen "queer" und "dekonstruktivistisch":

 http://arschhoch.blogsport.de/2011/10/07/queere-identitaetspolitik-contra-revolutionaer-dekonstruktivistischem-feminismus/

Es ist sehr gut,...

Clara Zetkin ihre Urenkelin 08.03.2014 - 22:24
...dass deine faschistoiden Ansichten nicht mehrheitsfähig sind in der feministischen Bewegung! Danke allen Menschen, die heute solidarisch miteinander ein deutliches und wahrnehmbares Zeichen gesetzt haben! Es war eine erfolgreiche Demo. Danke an die Organisator*innen!

@ Damia

Querverweis 09.03.2014 - 01:39

siehe die dortige:

 https://linksunten.indymedia.org/de/comment/view/100630

Antwort auf den ähnlichen Einwand von "anonym".

Weitere Bericht

DGS_TaP 09.03.2014 - 20:15

Weitere Artikel-Hinweise zu gestern (9:55, 18:37, 18:46 und 19:56) und zu anderen Themen:

 http://maedchenmannschaft.net/selbermach-sonntag-9-3-2014/#comments

Video

queer-feministische Aktionsgruppe 10.03.2014 - 13:27

Revolutionär-feministische Antwort

(muss nur manchmal ausgefüllt werden) 11.03.2014 - 17:22

Eine (ausführliche) Antwort auf den Artikel:


Eine revolutionär-feministische Perspektive auf die „linksradikale, queerfeministische Perspektive“ (von Samstag) auf den 8. März

 https://linksunten.indymedia.org/de/node/108153;

ein kurzer Auszug daraus:

Revolutionärer Feminismus od. Queerfeminismus

 http://de.indymedia.org/2014/03/353024.shtml