[B] Gedenkdemo und -kundgebung C. Kesim

Antifa 05.01.2013 20:43 Themen: Antifa Repression
Ca. 150 Menschen beteiligten sich heute in Berlin an einer Demonstration und Gedenkkundgebung für den türkischen Antifaschisten Celalettin Kesim, der am 5. Januar 1980 am Kottbusser Tor erstochen wurde.
Dazu heißt es im Aufruf:
„Am 5. Januar 1980 wurde unser Genosse Celalettin Kesim durch die Anhänger der faschistischen Türkischen Föderation und den Fanatikern der islamistischen Milli Görüs, die vom Geheimdienst der Türkei (MIT) sowie dem deutschen Verfassungsschutz logistisch unterstützt wurden, ermordet. […]
10 bis 15 unserer GenossInnen, unter denen sich auch Celalletin Kesim befand, verteilten am 5. Januar 1980 am Kottbusser Tor im Stadteil Kreuzberg Flugblätter gegen die „Militärische Note“, die die Türkischen Streitkräfte am 27. Dezember 1979 dem türkischen Parlament übergaben. Zur gleichen Zeit versammelten sich die Anhänger der faschistischen Türkischen Föderation sowie die Fanatiker der islamistischen Milli Görüs am Kottbusser Tor, um gegen den militärischen Eingriff der Sowjetunion in Afghanistan zu protestieren. [Sie kamen aus der nahegelegenen Mevlana-Moschee.]

Die Faschisten und Reaktionäre waren nicht nur gekommen, um zu demonstrieren, sondern es wurde ein detailliert geplanter Angriff vorbereitet; das lässt sich daran erkennen, dass sie unter ihrer Kommandokleidung Bücher befestigten, um sich gegen Schläge zu wehren, und an ihren Stöcken Messer anbrachten. In den Aufsätzen und Büchern zum türkischen „tiefen Staat“, der nach langen Jahren und vielen Morden, deren Tatverdächtige bekannt sind, einigermaßen aufgedeckt wurde, wird festgestellt, dass diese „Operation“ die erste „ernste“ Operation des türkischen Geheimdienstes (MIT) im Ausland war.

Wenn dieser Mord im Zusammenhang mit dem in den letzten Monaten aufgedeckten „deutschen tiefen Staat“, also dem Verfassungsschutz, betrachtet wird, dann ist es klar, dass diese Zweierkoalition die Tat organisiert hat. Außerdem erleben wir in den letzten Jahren in Deutschland ähnliche Morde wie den an Celalettin Kesim. Wenn auch der türkische Geheimdienst nicht an der faschistischen Mordserie an neun Arbeitern mit Migrationshintergrund und einer Polizistin des vom Verfassungsschutz benutzten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ beteiligt war, bestehen dennoch zwischen den zwei Phänomenen große Ähnlichkeiten.

Alle politischen Morde – auch der an Celalletin Kesim, der seit 33 Jahren nicht aufgeklärt wird –, in denen der Staat verwickelt ist, müssen aufgeklärt werden sowie alle verantwortlichen Institutionen und Personen benannt werden.“


Kesim lag schwer blutend lange Zeit am Kottbusser Tor, ohne dass sich anwesende Zivis um ihn gekümmert hätten. Die Presse berichtete danach auf drastisch rassistische Weise:
„Schwarze Schleier und Hammelduft über Kreuzberg, Zockerstuben mit dunkelhäutigen Männern beim Brettspiel in Neukölln, der Anblick schwersteißiger Kurdinnen auf dem Türkenmarkt am Maybachufer, Gebet gen Mekka bei Siemens -- das Pittoreske ist geblieben, gewiß. Aber hinzugekommen ist, daß sich viele Berliner Türken aus gescheiterter Hoffnung in nationale Subkultur flüchten oder sich in radikalen Islamgruppen ("Großer Ideal-Verein") organisieren. Immer öfter stoßen Anhänger rivalisierender Gruppierungen gewaltsam aufeinander.“ wie der Spiegel 5/1980 beispielsweise schrieb.

Celalettin Kesim war 1973 nach West-Berlin gekommen. Er arbeitete bei Borsig als Dreher und war IG-Metall-Vertrauensmann. Später arbeitete er als Berufsschullehrer. Kesim war aktiv im Berliner Türkenzentrum.
Es existiert seit langem eine Gedenktafel zu ihm am Kottbusser Damm 28. Auf der Tafel steht auf türkisch und deutsch: „An diesem Ort wurde der Lehrer und Gewerkschafter Celalettin Kesim von Anhängern rechtsextremistischer türkischer Organisationen erstochen.“
Es befindet sich dort auch eine Gedenkstele, die der bekannte türkische Künstler Hanefi Yeter Anfang der 90-er Jahre anfertigte.
Auf der Kundgebung heute sprachen türkische und deutsche Antifaschisten. Die Kundgebung war nicht angemeldet, wurde aber von der Polizei toleriert. Am Ende brachten Aktivist_innen an einem Pfahl ein Straßenschild an und benannten damit den bislang namenslosen Platz nach Celalettin Kesim.

Es wäre zu wünschen, dass sich die antifaschistische Bewegung stärker auch mit türkischen Nationalisten und Faschisten beschäftigt und in Zukunft bei Aktivitäten rund um das Kottbusser Tor den Gedenkort mit einbezieht.

Die Initiative zur Benennung des Platzes nach dem Antifaschisten Celalettin Kesim wird sicher fortgeführt – Unterstützt sie!
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Ergänzungen

Fotos von der Demo und Kundgebung

Dein Name 05.01.2013 - 22:47

Mehr Fotos

phopective 06.01.2013 - 07:30

Hintergrund & Zusammenhang Infos

Initiative Recherche 06.01.2013 - 12:32

6 Tote in der Abschiebehaft Neujahr 83/84

Initiative Recherche 06.01.2013 - 12:35

NICHT DIE DUMMPAROLE "NIEMAND IST VERGESSEN" IST DIE REALTITÄT

SONDERN "VIELE SIND VERGESSEN"

WIE ETWA

Hamned Djelassi
Kassem Said(19)
Krishnapillai Velautvapillai (22)
Nzar Sleimann (24)
Rejasingam Jevvakumaran (24)
Kulanthaigopulu Thirunarukkaru (26)


6 Tote in der Abschiebehaft Neujahr 83/84
ein Mensch 28.12.2001 04:54
 http://de.indymedia.org/2001/12/12914.shtml

"6 Tote in der Abschiebehaft" 20. Jahrestag
GEGEN DAS VERGESSEN 30.12.2003 20:30
 http://de.indymedia.org/2003/12/71029.shtml

Berlin Mahmud Azhar Angriff 7.1. † 6.3.90

Initiative Recherche 06.01.2013 - 12:40

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Mahmud Azhar, das erste Opfer rassistisch motivierter Gewalt nach dem Mauerfall

am 7.1.90 wurde Mahmud Azahr angegriffen am 6.3.90 starb er an den Folgen

Erinnern an zwei politische Morde in Berlin
ein Mensch 25.12.2001 05:28
 http://de.indymedia.org/2001/12/12827.shtml

Todesopfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland
 http://de.wikipedia.org/wiki/Todesopfer_rechtsextremer_Gewalt_in_Deutschland