Widerstand gegen den Militärstaat

Wieland von Hodenberg 03.09.2012 00:36 Themen: Antifa G8 Heiligendamm Militarismus Repression Soziale Kämpfe
Das Bundesverfassungsgericht erlaubt künftig Kriegswaffeneinsätze im Inneren. Gewisse „Freifahrtscheine“ für die Bundeswehr gibt es schon seit einiger Zeit, und auch diese stellen einen weiteren Meilenstein zu Deutschlands Marsch in den Militärstaat dar. Doch die Friedensbewegung hält mit zahlreichen Aktionen des zivilen Widerstandes dagegen.
Bundeswehr-Oberst Klein erhielt nicht nur Absolution für sein Kriegsverbrechen, sondern auch noch einen Freifahrtschein in eine bestens dotierte Karriere als General. Und hier gleich ein weiterer Freifahrtschein für das deutsche Militär: Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) setzt mit seinem Beschluß das Grundgesetz in einigen Punkten außer Kraft und räumt der Bundeswehr weitreichende Inlandsbefugnisse ein. Dazu gehören Einsätze „mit militärischen Kampfmitteln“ zur Abwehr „katastrophischer Gefahren“ (was immer das heißen mag). Damit können die Streitkräfte durchaus auch große Streiks oder andere Widerstandsbewegungen und Demonstrationen ins Visier nehmen. Schon die Massenproteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 lieferten ein anschauliches Beispiel für die erschreckend effektive Zusammenarbeit von Polizei und Militär.

Einzig der Verfassungsrichter Reinhard Gaier zeigte Rückgrat und Zivilcourage, indem er sich weigerte, die Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts mitzutragen. In seiner Begründung warf er seinen Richterkollegen vor, gegen das Rechtsprinzip, Streitkräfte niemals als innenpolitisches Machtinstrument zu missbrauchen, verstoßen zu haben. Damit hat – so schreibt Gaier völlig zu Recht – das Gericht mit seiner Entscheidung „fundamentale Grundsätze aufgegeben.“

Dies alles geschieht binnen weniger Tage und wirft ein grelles Schlaglicht auf die Verfasstheit dieser Republik. Deutlicher als je zuvor fallen die Restauration preußischer Obrigkeitsstrukturen und das Festhalten an den Kontinuitäten zum Hitlerfaschismus auf: Die Bundeswehr(macht), die aufs engste mit Polizei und Geheimdiensten kooperiert, ist längst zu einer jederzeit und überall einsetzbaren Kriegsführungsarmee geworden. Auch ihre künftigen Inlandseinsätze dürften damit ganz im Sinne der Berliner Koalitionsmehrheit und der Waffenindustrie beschlossen worden sein. Wie sagte es einst Heinrich Heine? „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“

Die Friedensbewegung wird sich allerdings keineswegs entmutigen lassen. Schon am Antikriegstag am 1. September zeigte sie überall im Lande Flagge in Form ihrer Friedensfahnen! Die Aktionen wandten sich gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr, speziell in Afghanistan, und gegen deutsche Rüstungsexporte. In Bremen fand auf dem Marktplatz zum Auftakt eine viel beachtete Kundgebung statt. Das Bremer Friedensforum, der DGB, Die Linke und weitere Gruppen hatten sich dort zusammengefunden, um anschließend im Rahmen einer Fahrradtour einige Rüstungsschmieden in der Hansestadt zu besuchen. Schließlich, so die einhellige Meinung, müsse antimilitaristische Politik in einem Dreiklang aus Abzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen, einem Rückzug der Militärs aus zivilen Räumen wie Schulklassen und Hochschulen und einem konsequenten Verbot von Rüstungsexporten und -produktion gedacht und gemacht werden. Selbstverständlich wurde hier wie anderswo auch der unheilvolle Verfassungsgerichtsbeschluß zum Thema gemacht.

Weitere Infos:

www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58403
www.friedenskooperative.de/netzwerk/aktg2012.htm

www.bremerfriedensforum.de

www.dielinke-bremen.de
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Ergänzungen

Unwahr

Horst 04.09.2012 - 19:35
Sie schreiben "Damit können die Streitkräfte durchaus auch große Streiks oder andere Widerstandsbewegungen und Demonstrationen ins Visier nehmen." und bauen auf dieser Behauptung Ihre ganze Argumentation auf. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch genau für diesen Einsatz exakt nichts an der bereits bestehenden Situation geändert.

Dazu aus der Pressemitteilung des BVerfG: "Die Voraussetzungen des besonders
schweren Unglücksfalls gemäß Art. 35 Abs. 2 und 3 GG bestimmen sich in
Abgrenzung zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Einsatz der
Streitkräfte im inneren Notstand. Auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 2
und 3 GG können Streitkräfte daher nur in Ausnahmesituationen eingesetzt
werden, die nicht von der in Art. 87a Abs. 4 GG geregelten Art sind. So
stellen namentlich Gefahren für Menschen und Sachen, die aus oder von
einer demonstrierenden Menschenmenge drohen, keinen besonders schweren
Unglücksfall im Sinne des Art. 35 GG dar. Denn nach Art. 87a Abs. 4 Satz
1 GG dürfen selbst zur Bekämpfung organisierter und militärisch
bewaffneter Aufständischer Streitkräfte auch dann, wenn das betreffende
Land zur Bekämpfung der Gefahr nicht bereit oder in der Lage ist, nur
unter der Voraussetzung eingesetzt werden, dass Gefahr für den Bestand
oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines
Landes besteht.".

Viel Lärm um nichts, lieber Bremer Friendensfreund.

Wirklich unwahr?

Wieland von Hodenberg 05.09.2012 - 00:56
Warum hat dann Richter Reinhard Gaier an der Entscheidung diese deutliche Kritik geübt? Schließlich hat er geschrieben, daß mit dem Urteil "fundamantale Grundsätze aufgegeben" worden seien.

Zitiert ist dies u.a. in einem ausführlichen, und wie immer sorgfältig recherchierten Artikel im seriösen Nachrichtenportal "german foreign policy". Die Sorgen, die in meinem Beitrag zum Ausdruck kommen, sind also keineswegs unbegründet. Und damit stehe ich nicht allein da, denn die Einschätzungen werden offenbar von vielen Friedensgruppen geteilt, die am Antikriegstag demonstriert haben.

Ich bin zwar kein Jurist, aber die Presseerklärung des Bundesverfassungsgerichts kann mich nicht beruhigen, und schon gar nicht vom Gegenteil überzeugen. Die Zukunft wird zeigen, wie sich die Bundeswehr bei Inlandseinsätzen wirklich verhalten wird - harmlos wird das sicherlich nicht.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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