Stellungnahme Wagengruppe Rummelplatz Berlin

Rummelplatzbewohner 26.11.2011 13:50 Themen: Freiräume
Stellungnahme der Wagengruppe Rummelplatz Berlin-Lichtenberg
Wir, die Wagengruppe "Rummelplatz", bewohnen seit Oktober 2010 ein bis dahin
brachliegendes Privatgrundstück in der Nöldnerstraße in Berlin-Lichtenberg. Wir kommen aus verschiedenen Zusammenhängen, haben unterschiedliche Hintergründe und Interessen, jedoch die gleiche Motivation solidarisches und selbstorganisiertes Leben umzusetzen.
Als Gegensatz zum oftmals vereinzelten und alternativlosen Wohnen in Miet- oder Eigentumswohnungen, stehen wir für eine unvorgeschriebene und unkontrollierte Form des Zusammenlebens. In einer Gesellschaft, die von Konkurrenz und Kommerzialisierung geprägt ist, ist es als WagenbewohnerIn jedoch ein alltägliches Ringen um Akzeptanz und Daseinsberechtigung, da die selbst gewählte "Unangepasstheit" meist mit Vorurteilen belastet ist und schnell kriminalisiert wird.
Mit der Gründung des "Rummelplatz" wurde nicht nur ein Wohnraum für uns, sondern auch ein Treffpunkt für Freunde und Interessierte geschaffen, an dem verschiedene Veranstaltungen stattfinden.

Wie jedoch bereits zuvor vielen anderen Projekten ähnlich ergangen, wurde nun auch unser Pachtverhältnis Mitte Oktober durch die seit September zuständige Zwangsverwaltung "Wutzke & Förster" zum 30.11.2011 gekündigt. Obwohl es das erste Jahr keine Komplikationen zwischen uns und dem vorigen Verpächter gab, scheinen wir jetzt der Zwangsverwaltung ein Dorn im Auge zu sein.
Die Vermutung liegt nahe, dass aus unserem Platz, wie mittlerweile überall im Einzugsgebiet der Gentrifizierung praktiziert, Profit abwerfender Baugrund entstehen soll.
Soziale Projekte werden durch diesen Prozess aus der Innenstadt verdrängt oder geräumt, lahmer Wohlstand statt flammender Subkultur scheint die Devise zu sein.
Solchen Tendenzen stehen jedoch immer wieder Menschen gegenüber, die mehr vom Leben erwarten, als Tourimeilen, auf Hochglanz pollierte Altbauten, Yuppie- Clubs, Leistungsgesellschaft und Verwertungslogik. Wie beispielsweise die Initiative „Mieten Stopp!“, selbstverwaltete Hausprojekte, selbstorganisierte Nachbarschaftsgärten, sowie andere Wagenplätze, stehen auch wir mit unseren Wägen der kommerziellen Stadtumstrukturierung im Weg.

Neben der Kündigung macht nun auch die Großbaustelle "Neues Ostkreuz" ein Leben hier unmöglich. Ab Montag dem 28.11. wird ein nicht unerheblicher Teil unseres Platzes für den neuen Bauabschnitt zwischen Ostkreuz und Nöldnerplatz von der Deutschen Bahn in Beschlag genommen. Neben dem Platzverlust wäre auch die Lärmbelästigung unzumutbar.

Aus diesem Grund haben wir uns entschieden unsere Energien nicht für ein solches Gelände zu vergeuden. Nichts desto Trotz werden wir uns als Wagengruppe nicht so einfach vertreiben lassen!

Leider haben sämtliche in den letzten Wochen geführten Gespräche mit hiesigen Bezirkspolitikern über Ersatzgelände zu keiner konstruktiven Lösung geführt. Trotz zahlreicher, ungenutzter Brachflächen im Besitz des Landes Berlin, scheint es von parteipolitischer Seite keinen Platz für unser Projekt zu geben.
Erst vor kurzem ließ die Bezirkspolitik verlauten, alternative Subkultur sei - nicht zuletzt als Gegenkultur zu Nazistrukturen - in Lichtenberg wichtig und erwünscht. Dies waren jedoch offensichtlich nur leere Phrasen, denn in der Praxis gibt es keine ernstgemeinten Bestrebungen ein Weiterbestehen von Projekten wie dem Unseren zu unterstützen.
Als Wagenplatz wollen wir eine Bereicherung für unsere Umgebung sein. Es soll nicht nur ein Wohnort für wenige, sondern ein sozialer Treffpunkt für viele geschaffen werden.
Ökologisches Bewusstsein, tolerantes Miteinander, kreativer Erfahrungsaustausch, sowie die Förderung kritisch-politischer Dialoge stehen dabei im Vordergrund.

Da all unsere bisherigen Bemühungen erfolglos waren, sehen wir uns nun gezwungen den vielen Worten Taten folgen zu lassen...

In diesem Sinne...


"RUMMELPLATZ JETZT!!"

WAGENPLÄTZE ALS FREIRÄUME SCHAFFEN, SELBSTORGANISIERTE PROJEKTE ERHALTEN!

Wir senden auf diesem Weg solidarische Grüße an das von Räumung bedrohte "Zomia" in Hamburg und alle anderen Wagenplätzen!!!
Warme Grüße gehen auf diesem Weg auch ins Wendland!!!
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Ergänzungen

Lösungsvorschlag

Baugruppenyuppie 28.11.2011 - 10:13
Macht dem/der Eigentümer_In ein Kaufangebot.
Denen gehts nur um Geld, was mit dem Grundstück danach passiert ist denen egal.
Nur als Eigentümer hat mensch die Möglichkeit, autonome Entscheidungen frei vom Abhängigkeitsverhältnis von Vermiter_Innen zu treffen.
Finanzierungsmöglichkeiten: die eigenen Sparschweine plündern, Oma anpumpen, Spendenaufrufe, Solipartys auf dem Grundstück, Genoss_Innenschaft (in Berlin sollten locker 5000-10000 Aktivist_Innen zu mobilisieren sein, die Interesse am Erhalt von Freiräumen haben. Wenn sich jede_r mit 50-100 EUR beteiligt, kommt schonmal ne halbe Mio. zusammen. Das dürfte problemlos zum Kauf reichen)
Und keine falsche ideologische Scheu vor dem Wort "Eigentümer_In". Euer Fahrrad gehört euch ja auch, warum also nicht der Grund und Boden, auf dem ihr lebt.
Viel Glück!

muss ausgefühlt werden

Sympathisant 28.11.2011 - 11:30
Das Grundstück ist als Bauland auch in soweit unattraktiv, weil es zwischen zwei S-Bahn-Linien liegt.

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Zwischen Nöldnerstraße und Türrschmidtstraße auf seiten der Nöldnerstraße vor dem Gleis. Auf der anderen Straßenseite rauschen auch die Züge lang. Die Victoria-Vorstadt (nördlich) ist leider schon extrem durchgentrifiziert.

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