[Le] Lebenslaute-Konzertaktion am Kriegsflughafen

Lebenslaute 13.09.2011 23:13 Themen: Militarismus
Lebenslaute-Konzertaktion am Kriegsflughafen Leipzig/Halle

Am Sonntag, 4. September, besetzten 63 MusikerInnen der Gruppe Lebenslaute für zwei Stunden Terminal B des Flughafens Leipzig/Halle und gaben ein Klassik-Konzert gegen dessen militärische Nutzung. Rund 150 ZuhörerInnen und lokale AktivistInnen fanden sich ein und unterstützten die antimilitaristische Aktion.
Die Musik-Aktionsgruppe Lebenslaute, ein offenes Netzwerk von musikalischen Laien und Profis, hatte ihr Konzert unter dem Motto „Piano und Forte statt Kriegstransporte“ für den 4.9.11 am Flughafen Leipzig Halle angekündigt – aber nicht angemeldet. Gegen 11:30 Uhr fanden sich dann über sechzig MusikerInnen, ein stimmgewaltiger Chor und ein Orchester in Sinfoniestärke, in der Mitte des Ankunft- und Abflugterminals zusammen. Sogleich erteilten Sicherheitskräfte einer Musikerin ein erstes Hausverbot. Als hätte Lebenslaute auf dieses Einsatzzeichen gewartet, wurde ein erstes Chorstück angestimmt und der Aufbau des Orchesters zügig fortgesetzt. Zeitgleich brachten AktivistInnen verschiedener Aktionsgruppen im Terminal antimilitaristische und Antikriegstransparente an (u.a. „Der Krieg beginnt hier“), darunter ein Großtransparent von über 20qm, welches ein Motiv des Künstlers Jan Caspers, das auf die militärische Nutzung des Flughafen aufmerksam macht und dessen Darbietung ihm vor drei Jahren im Rahmen einer Kunstaktion im Flughafen Leipzig/Halle verboten worden war. Auf dem Außengelände des Flughafens hatte der Friedensweg Leipzig eine Mahnwache angemeldet, die zeitgleich durchgeführt wurde.

Schon bald nach Konzertbeginn forderte ein Vertreter des Flughafenbetreibers die Polizeiführung auf, das Orchester sofort zu räumen, sollte es nicht freiwillig einen weiter abgelegenen Platz einnehmen. Nach SprecherInnen-Rat und Bezugsgruppenberatung entschied Lebenslaute, den Aufforderungen der Polizei nicht nachzukommen. Das bewusste Missachten von Gesetzen zur Wahrung der eigenen Handlungsfähigkeit und Verbreitung der politischen Inhalte gehört zum Konzept von Lebenslaute.

Im Konzertprogramm waren Stücke verschiedener klassischer Epochen mit meist direkt antimilitaristischem oder friedenspolitischem Text zu hören. Zur Eröffnung wurden zwei Sätze aus Haydns sogenannter „Militärsinfonie“ gespielt, wobei der Chor Scherenschnitte mit Antikriegsmotiven von Jan Caspers zeigte. „Ach Krieg oh Unglück“ von Leos Janacek und das Lacrimosa aus Brittens „War Requiem“ waren zwei Stücke, die das individuelle Leid, welches Kriegsgewalt mit sich bringt, behandeln. Während bei einer von zwei Chören gerahmten Händel-Arie aus dem „Alexander-Fest“ der Originaltext bereits mit „Waffenhandwerk schafft nur Unheil“ beginnt, wurden zwei Bach-Choräle mit neuem, friedenspolitischem Text vorgetragen. Zu einem berühmten Walzer aus der Orchester-Jazzsuite Nr. 2 von Schostakowitsch zeigten Lebenslaute-AktivistInnen eine Performance: Tanzpaare, die gerade noch im Walzerrhythmus schwelgten, wurden auseinander gerissen, sobald einer TänzerIn symbolisch eine Militärmütze aufgesetzt wurde.

In mehreren Redebeiträgen und auf Flyern informierte Lebenslaute über das Kriegsgeschäft, welches hinter den Kulissen des „zivilen“ Flughafens Leipzig/Halle immer größere Dimensionen annimmt: Jedes Jahr steigen hier mittlerweile rund 500.000 SoldatInnen um, werden von Leipzig aus direkt in Kriegsgebiete geflogen. Da es an diesem Flughafen kein Nachtflugverbot gibt, ist Leipzig/Halle für das US-Militär zu einem entscheidenden Drehkreuz geworden. Großraumflugzeuge des Typs Antonov werden am Flughafen Leipzig/Halle gewartet und starten von hier zum Transport von schwerem militärischem Gerät. Nicht nur die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, die Städte Leipzig und Halle verdienen über die Flughafen-Betreibergesellschaft am Krieg, auch das private Logistikunternehmen DHL hat in Leipzig/Halle sein Zentrum. Die DHL transportiert neben der Feldpost u.a. Militärgüterpakete bei zu einem Gewicht von 50 kg.

Lebenslaute forderte u.a. die Beendigung der militärischen Nutzung des Flughafens, die unverzügliche Abschaffung der Bundeswehr und konsequentes Engagement in ziviler Konfliktbearbeitung. In kurzen Moderationen wurde das reisende Laufpublikum immer wieder auf den politischen Hintergrund der Konzert-Aktion aufmerksam gemacht. Die Reaktionen der Reisenden waren von offener Ablehnung, über Interesse bis zu Anerkennung wie erwartet sehr verschieden.

Geprobt hatte Lebenslaute vom 31.08. bis 04.09.11 in der Attac-Villa in Könnern und wurde dort von lokalen Infrastruktur-Einrichtungen sowie kulinarisch vom Kochkollektiv Krisenherd aus Leipzig unterstützt. Am Vorabend dem 03.09. fand ein Vorkonzert im Westwerk in Leipzig statt. Die gesamte Aktion wurde von Lebenslaute in Zusammenarbeit mit den Gruppen Nein-zum-Kriegsflughafen und Flughafen-Natofrei aus Leipzig sowie dem Friedenskreis Halle vorbereitet und durchgeführt.

Mehr zu Lebenslaute:
www.lebenslaute.net
 http://www.graswurzel.tv/v166.html

Mehr zum Flughafen Leipzig/Halle
 http://www.flughafen-natofrei.de
 http://www.nein-zum-kriegsflughafen.de
 http://www.friedenskreis-halle.de

Indy-Artikel zum Kriegsflughafen.
LEJ-Militärflüge: Aufklärung beginnt zaghaft (15.05.2009):  http://de.indymedia.org/2009/05/250567.shtml
LEJ-Militärnutzung: Sachsen leugnet weiter (01.05.2009):  http://de.indymedia.org/2009/05/248965.shtml
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Ergänzungen

Guter und langer Bericht im Neuen Deutschland

Antimil 26.09.2011 - 21:23