(B) Interventionen gegen 48h Neukölln

Solidarität statt Quartiersmanagement 16.06.2011 20:24
Vom 17. bis 19. Juni findet in Neukölln wieder das Festival 48h Neukölln statt. Dieses Jahr ist das Motto “Luxus Neukölln”. Die Inszenierung 48h Neukölln verweist beispielhaft auf einen Bezirk in Aufwertung sowie kommerzielle und politische Konzepte, die damit verknüpft sind. Eine Auseinandersetzung mit sozialer und rassistischer Verdrängung, zunehmenden Aktivitäten von Nazis in den Kiezen und der stillen Gentrifizierung, die vor allem Migrant_innen betrifft, findet nicht statt.
Ein paar Initiativen und Projekte in Neukölln wollen dem 48h Neukölln Spektakel der verklärten Armut einer bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft, die Armut lediglich als ästhetischen Reiz des Morbiden und Apokalyptischen konsumiert, eine kritische Öffentlichkeit entgegensetzen.
Neukölln ist hipp. Ganz Berlin ist schon “arm, aber sexy”. Neukölln ist wahrscheinlich noch ärmer und deshalb so richtig geil. Veranstaltungen wie 48h Neukölln haben eine hohe Anziehungskraft und werben für den Standort „Neukölln“. Das zunehmend bessere Image des ehemaligen Problemviertels hat aber auch viele negative Auswirkungen.

Luxus für Alle - Mehr Solidarität und Emanzipation

Was vor Jahren mit der Zwischennutzungagentur und einem ersten Hype im Reuterkiez, der sich von Neukölln gerne abgrenzt und Kreuzkölln sein will, begann, ist längst institutionell perfektioniert worden und sorgt zur Zeit insbesondere im Schillerkiez für massiven Druck auf die Bewohner_innen. Sie werden, wie im Strategie-Papier Task Force Okerstraße des Quartiersmanagment Schillerpromenade nachzulesen ist, in Problemgruppen eingeteilt. Mit gruseligen antiziganistischen Klischees wird die Vertreibung von Sinti und Rroma gerechtfertigt. Vermeintliche Trinker_innen – gemeint sind Menschen, die nicht in einer Kneipe, einer schicken Lounge oder Szene-Bar abhängen können, sondern sich im öffentlichen Raum Raum treffen – sollen aus eben jenem verschwinden und so unsichtbar gemacht werden.

Ethnische und soziale Heterogenität ist vom Bezirksamt Neukölln unter Heinz Buschkowsky, dem Antiziganisten und Migrationsbeauftragten Arnold Mengelkoch und dem dominaten stadtpolitischen kommerziellen Akteur Brandenburgische Stadterneuerungsgesellschaft mbH (BSG), die sowohl zahlreiche Vorortbüros als Quartiersmanagment in den Kiezen als auch Imagekampagnen, wie die Aktion Karl Marx Straße, betreut, weder erwünscht noch wird sie gefördert. Das Zauberwort der Politik der Exklusion ist Überwachung, die als Konzept der “soziale Kontrollen” immer mit einem widerlichen Bestrafungsdiskurs verknüpft ist. Renitente “Verweiger_innen” sollen durch Entzug existenziell notwendiger Unterstützung und Maßnahmen der Sicherheitsorgane zur Kollaboration mit den staatlichen Organen gezwungen werden.

Damit verabschiedet sich das Neuköllner Bezirksamt von jeglichem sozialen Ansatz und forciert die Kommerzialisierung öffentlicher Räume und Ökonomisierung der Stadtteilpolitik. Vermeintlich sozial schwache Bezirke werden als Kreativräume inszeniert, um zahlungskräftige Investoren anzulocken.

48h Neukölln, Gentrification und die kapitalistische Stadt

Die Mieten in Nordneukölln steigen überdurchschnittlich, das bedeutet Verdrängung und die Verschärfung der Armut von Vielen. Gleichzeitig ist es wichtig zu erkennen, dass die verschärfte soziale Ungleichheit nicht auf ein paar Studierende und Künstler_innen und die steigenden Mieten nicht auf schicke Bars zurückzuführen sind, sondern auf die zugrundeliegenden Prinzipien von Wohnungsmarkt und Profit.

Die linksradikale Beschäftigung mit der Entwicklung der Stadt hat in den letzten Jahren wieder stark zugenommen. Dabei ist es klar, dass die Entwicklung in der Stadt nicht losgelöst von ihrem Kontext gesehen werden kann, sondern eingeordnet ist in eine spezifische Produktionsweise (Kapitalismus) und Organisierung von Politik (demokratischer Staat).
Deswegen greift auch der Begriff Gentrifizierung zu kurz, denn er beschreibt nur die Entwicklung von einzelnen Kiezen oder Straßen mit klar definierten Personengruppen und verkennt wie allgemein und grundlegend die neoliberale Stadtumstrukturierung ist. Und dieser Entwicklung kann und sollte Widerstand entgegengesetzt werden.

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Ergänzungen

Veranstaltungen

44 17.06.2011 - 14:02
Samstag 18.6., ab 19:00 Uhr:

"48h Neukölln, Gentrification und die kapitalistische Stadt"
Vortrag und Diskussion

"Die Gruppe "andere zustände ermöglichen" liefert in dieser Diskussionsveranstaltung eine Einordnung von 48h Neukölln in Bezug auf die neoliberale Stadtumstrukturierung und zeigt auf, warum es nicht reicht bei einer Kritik an Gentrifizierung stehen zu bleiben."

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Sa 18.6. , ab 17:00 Uhr:

Dein Block mein Kiez: Das HipHop-OpenAir und die Veranstaltung sollen ein deutliches und nicht zu überhörendes Statement gegen Rassismus, Ausgrenzung und Verdrängung bei uns im Kiez und überall sonst abgeben.

/// HIP-HOP OPEN-AIR /// 17-22 Uhr /// EINTRITT FREI!

live:

talu
mc josh & lena meyer-stoehrfaktor
badkat
amewu
too funk sistaz
kobito
refpolk
pyro one
sookee

+ Grafitti-Wand!

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Pressereaktionen

QM abschaffen 17.06.2011 - 14:28
Repression und Solidarität (indymedia.de):
 http://de.indymedia.org/2011/06/309954.shtml

Bericht im Neuen Deutschland:
 http://www.neues-deutschland.de/artikel/200034.taskforce-solidaritaet.html

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Im Text — fehlt

Primitiv — Sebastian