(B) Repression gegen Freundeskreis von Denis

No Justice - No Peace 14.06.2011 18:05 Themen: Repression
Vorgeschichte

Am 31.12.2008 tötete ein Berliner Polizeibeamter in Zusammenarbeit mit seinen 2 Kollegen im brandenburgischen Schönfließ Dennis. Die Familie, der Freundeskreis und auch die UnterstützerInnengruppe „No Justice – No Peace“ organisierten in den folgenden Jahren eine Gegenöffentlichkeit, um die Notwehrtheorie der Polizei zum Einsturz zu bringen. Dies gelang teilweise recht erfolgreich, so dass sich die Berliner Polizisten vor dem Landgericht in Neuruppin wiederfanden, wo gegen sie das Verfahren eröffnet wurde. Am 03. Juli 2010 kam es dann zum Urteil. Reinhard R. wurde wegen Totschlags in einem minderschweren Fall zu zwei Jahren Haft verurteilt. Dies wurde zur Bewährung ausgesetzt. Seine beiden Mitangeklagten erhielten Geldstrafen wegen „Strafvereitelung im Amt“. Die Familie, der Freundeskreis und auch die anderen UnterstützerInnen waren entsetzt über das milde Urteil und äußerten lautstarken Protest. Daraufhin schritt die Polizei ein und nahm 2 Freunde von Dennis fest. Gegen sie wird jetzt in Neuruppin wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ verhandelt.
Der Prozess gegen M.

Dieser erfolgte im März 2011 vor dem Amtsgericht in Neuruppin und endete mit einer Geldstrafe gegen M.. Die Richterin sah es als erwiesen an, dass M. einem gegen ihn ausgesprochenen Platzverweis nicht nachkam und deshalb festgenommen werden musste. Zahlreichen Fragen, z.B. ob es jemals diesen Platzverweis gab, wurde vom Gericht bewusst nicht nachgegangen. M. legte gegen das Urteil Berufung ein und nun wird vor dem Landgericht neu verhandelt.

Der Prozess gegen W.

Bei dem Prozess gegen W. stellte seine Anwältin erst einmal einen
Nichteröffnungsantrag, da es weder Beweise noch Zeugenvernehmungen gab,
lediglich eine Aktennotiz sollte ausreichen, um den hinreichenden Tatverdacht zu begründen. Das störte die Richterin, welche dieselbe wie beim Prozess gegen M. ist, allerdings nicht und sie eröffnete im Mai 2011 die Verhandlung ohne vorherige Beweiserhebung. Dass trotz der Nichtermittlung der Staatsanwaltschaft und ohne Beweise die Richterin davon ausgeht, dass eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch, spricht klar für eine Vorverurteilung und eine Befangenheit der Richterin.

1., Verhandlungstag

Es waren mehrere Polizisten als Zeugen geladen, sowohl die Cops, die die Festnahmen direkt durchführten, als auch deren Vorgesetzter. Die Cops,
welche die Festnahme durchführten, erklärten, sie hätten von dem
Festnahmebefehl durch ihren Vorgesetzten erfahren. Dieser gab allerdings bei
seiner Zeugenvernehmung an nichts von diesem gewusst zu haben. In der Anklageschrift taucht ein Platzverweis als Grund auf, dieser wurde jedoch von keinem Beamten erwähnt.
Nun stellte sich also die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Ordnungshüter eigentlich handelten? Bezeichnend auch die Antwort auf die Frage, warum gerade W.
festgenommen wurde: der Cop sagte sinngemäß aus „Er stand dort am
nächsten und war am einfachsten festzunehmen“. Während der Vernehmung
versuchte die Richterin mehrmals die Polizeibeamten in eine bestimmte
Richtung zu drängen, so dass sie beispielsweise nach klaren Verneinungen von Fragen nachbohrte, ob es nicht doch so oder so gewesen sein könnte, oder gewesen sein müsste.

2., Verhandlungstag

Rechtsstaatliche Verfahren nur für Polizisten?

Am 31.05.11 begann die Richterin mit einer Neuterminierung den Prozess. Dabei räumte sie der Verteidigerin keine Zeit ein sich mit ihrer Kanzlei zu verständigen, um die neu festgelegten Termine abzuklären. Auch lagen 2 der Termine in der Urlaubszeit der Verteidigerin, welche schon im Vorfeld dem Gericht bekannt war. Die Richterin sagte dann sinngemäß, dass es ihr egal sei, ob die Verteidigung anwesend sei. Nachdem in einer Folge auch der Antrag der Verteidigerin auf Beiordnung abgelehnt worden war, stellte die Anwältin einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin. Die Stimmung war recht hitzig im Gerichtssaal. Über einen Antrag vom 1.Verhandlungstag zur Beiziehung von ungeschnittenem Material des RBB, der im Juni 2010 über die Urteilsverkündung berichtet hatte und das entsprechend wertvolle Informationen über die damalige Situation, die zur Festnahme von M. und W. geführt hatte, beinhalten könnte, gab es keine Entscheidung.

3., Verhandlungstag

Der 3. Prozesstag begann mit der Fragestellung, ob die geladenen ZeugInnen alle anwesend seien. Die Verteidigerin unterbrach das mit der Frage, was denn mit ihren Ablehnungsantragantrag sei. Nun bekam die Verteidigerin die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft ausgehändigt, nachdem der Antrag bereits abgelehnt worden war. Darauf folgte ein 2. Ablehnungsantrag der Verteidigung. In der Frage nach der Beiziehung des Materials vom RBB kam es wohl zu einigen Missverständnissen oder Unvermögen seitens der Staatsanwaltschaft und so sah sich die Anwältin gezwungen, nochmals den Unterschied zwischen einem nichtchronologischen und zusammengeschnittenen Fernsehbericht und einem ungeschnittenen Rohmaterial zu erklären. Der Staatsanwaltschaft fiel dann plötzlich ein, dass das Landgericht im Berufungsverfahren gegen M. das Material auch beantragt hätte. Die Stimmung selbst war nicht mehr so gereizt wie am Prozesstag zuvor, allerdings ist von einem starken Verurteilungswillen der Richterin auszugehen.


Wie geht’s weiter?

Die Verhandlung ist erst einmal bis zum 14.06.11 ausgesetzt, dann soll auch über den Befangenheitsantrag der Anwältin gegen die Richterin entschieden werden. Der Freundeskreis und die Familie sind über das Verhalten am Amtsgericht empört, aber lassen sich dadurch nicht einschüchtern. Gemeinsam mit „No Justice No Peace“ haben wir alle viel in den letzten Jahren gelernt, vor allem, dass es sich zu kämpfen lohnt. Deshalb sei hier auch an eine Aussage eines Familienmitgliedes erinnert „Ohne
Gerechtigkeit werden wir niemals Ruhe geben“. Es ist dabei egal, ob es um schießwütige PolizistInnen geht, oder um RichterInnen, die trotz aller Beweise
unschuldige Menschen nicht freisprechen wollen.

No Justice - No Peace / Juni 2011
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Infoveranstaltung in Berlin am 16.06.11

Niemand ist vergessen 14.06.2011 - 18:25
"Nicht Freund und Helfer, sondern Richter und Henker".
Infoveranstaltung zu tödlicher Polizeigewalt.

Datum: 16.06.2011 / 19 Uhr
Ort: Drugstore (Potsdamer Str. 180 / Berlin - Schöneberg)

In Deutschland werden Menschen getötet, die zu Gruppen gehören, die von staatlicher Seite bewusst diskriminiert und durch die Medien stigmatisiert werden. Täter_innen sind immer auch Polizeibeamt_innen, die dafür selten juristisch belangt werden.
So wurde in Berlin, in einer Phase Sozialer Kämpfe und Hausbesetzungen, Klaus Jürgen Rattay 1981 bei einer Häuserräumung getötet. Hausbesetzer_innen waren damals von Senat und Medien als "Chaoten" praktisch für vogelfrei erklärt worden.
Auch Asylsuchende werden in der BRD als Feinde deklariert, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. So ist es kein Zufall, dass mit Oury Jalloh einer von ihnen im Polizeigewahrsam verbrannte.
Die Bemühungen, sogenannte "Internsivtäter_innen" für Probleme in der Gesellschaft verantwortlich zu machen, führten zu einem Klima, das die Ermordung von Dennis in Schönfließ und Slieman in Schöneberg erst möglich machte.

Eine Analyse tödlicher Polizeigewalt legt den Schluss nahe, dass Menschen getötet werden, wenn sie zu einer Gruppe gehören, die aktuell ganz oben auf der Liste der "Sündenböcke" steht. In den wenigsten Fällen wurden bislang Polizist_innen für eine Tötung bestraft. Findet tödliche Polizeigewalt also mit Billigung des Staates oder gar als Programm zur inneren Sicherheit statt? Und wie können wir unseren Widerstand und die Forderung nach Gerechtigkeit offensiv nach außen tragen?

Sprechen werden:
- Beate Böhler (Rechtsanwältin der Nebenklage im Dennis-Prozess und der Familie von Slieman)
- die Familien und Freund_innen von Slieman Hamade, Dennis J. und Oury Jalloh
- Wolfgang Meyer-Franck (Rechtsanwalt der Familie von Jürgen Rattay)
- Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP).

weitere Prozesstermine gegen W.

njnp 14.06.2011 - 18:28
DIE NÄCHSTEN PROZESSTERMINE:
20.06.
11.07.
19.07.
08.08.
23.08. (noch unklar)
12.09.
19.09.
26.09.

wo ?
Amtsgericht Neuruppin
Karl – Marx – Straße 18a
16816 Neuruppin

Treffpunkt ist immer 9 Uhr vor dem Haupteingang des Gerichtsgebäudes.

Tod bei Polizeieinsatz - Ermittlungen eingest

mopo 15.06.2011 - 13:52
Tod bei Polizeieinsatz - Ermittlungen eingestellt
Mittwoch, 15. Juni 2011 13:27

Im Fall um den Tod eines Mannes bei einem Polizeieinsatz sind die Ermittlungen erneut eingestellt worden. Die Eltern von Slieman Hamade hatten die Polizei alarmiert, weil ihr Sohn aggressiv wurde. Als dabei Reizgas eingesetzt wurde, erlitt der 32-Jährige anscheinend einen allergischen Schock.

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat im Fall um den Tod eines 32-Jährigen vor über einem Jahr die Ermittlungen gegen Polizisten wegen Körperverletzung eingestellt. Dies bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Familie des Opfers Slieman Hamade kündigte an, ein Klageerzwingungsverfahren anzustrengen, wie es in einer Pressemitteilung eines Unterstützerkreises heißt.

Den Polizisten war zunächst vorgeworfen worden, den Mann getreten zu haben, als er sich weigerte, von ihnen abgeführt zu werden. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen jedoch wenige Wochen nach der Tat zunächst ein, weil keine Ansatzpunkte für pflichtwidriges oder strafrechtlich relevantes Verhalten der Polizisten vorgelegen hätten. Im Februar dieses Jahres wurden die Ermittlungen erneut aufgenommen, nachdem die Anwältin der Familie des Opfers einen Zeugen ausfindig machen konnte, der das Geschehen im Treppenhaus beobachtet hatte.

Laut Staatsanwaltschaft riefen am 28. Februar 2010 die in Berlin-Schöneberg lebenden Eltern von Hamade die Polizei, weil ihr Sohn wegen lauter Musik der Nachbarn aggressiv wurde. Die Beamten wollten den 32-Jährigen offensichtlich auf Bitten der Eltern mitnehmen. Er wehrte sich jedoch auch körperlich gegen die Intervention der Polizisten.

Diese setzten nach Angaben der Opferberatungsstelle „Reach Out“ Schlagstöcke und Reizgas im Treppenhaus ein, um Slieman Hamade zu überwältigen. Dieser wurde dabei bewusstlos, erlitt einen allergischen Schock und starb wenig später vermutlich wegen Versagens des Herz-Kreislauf-Systems. Genauere Umstände blieben im Unklaren. Vermutet wurde unter anderem, dass das eingesetzte Gas in Verbindung mit Drogenkonsum zu der tödlichen Reaktion geführt hat.

 http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article1672075/Tod-bei-Polizeieinsatz-Ermittlungen-eingestellt.html

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

Carlo G. Gedenkdemo — fight for carlo

Was wir wollen? — Nachbar