Solidaritätskundgebung für Bahrain

H. Eckel 20.03.2011 03:16 Themen: Militarismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
In Berlin fanden sich am Samstagnachmittag mehrere Dutzend Menschen vor der bahrainischen Botschaft zusammen, um gegen die wiederholten blutigen Angriffe auf friedliche Demonstrant(inn)en in Bahrain zu protestieren. Der bahrainische König hatte zur Niederschlagung der seit Wochen andauernden Protestbewegung nicht nur eigene "Sicherheitskräfte" eingesetzt, sondern vor ein paar Tagen auch noch mindestens 1500 saudiarabische Soldaten und Polizisten mit Panzerfahrzeugen und entsprechenden Waffen ins Land kommen lassen. Auch bei deren Einsatz war es zu mehreren Toten und vielen Verletzten auf Seiten der unbewaffneten DemonstrantInnen gekommen.
Die in Bahrain auf Bitten des Königshauses einmarschierten Soldaten sind nach Angaben aus saudiarabischen Regierungskreisen Teil einer Eingreiftruppe des Golf-Kooperationsrates, welchem sechs Staaten angehören.

Im Unterschied zu den libyschen Aufständischen sind die DemonstrantInnen in Bahrain seit Wochen unbewaffnet auf die Straße gegangen. Dennoch waren die brutalen Übergriffe in Bahrain keinesfalls Anlass für die NATO-Staaten, hier ein militärisches Eingreifen oder auch nur den Rückzug der ausländischen Interventionskräfte zu fordern. Grund dafür dürfte die prowestliche Haltung des Bahrainer Königshauses und vor allem auch die Tatsache sein, dass in Bahrain die 5. US-Flotte stationiert ist; dieser Flotte kommt eine große Bedeutung bei der Kontrolle des Nahen und Mittleren Ostens zu.
Es ist offenkundig, dass die Menschenrechtsfrage von den USA und ihren Verbündeten - wie im Falle Libyens - nur dann eine Rolle spielt, wenn sie für ihre Interessen instrumentalisiert werden kann.

Zu den Hintergründen der Protestbewegung zitiere ich an dieser Stelle aus einer Broschüre, die auf der heutigen Kundgebung verteilt wurde:

"Etwa 80% der bahrainischen Muslime sind gegen die Diktatur der aus Saudi Arabien stammenden Königsfamilie Al-Khalifa. Die übrigen 20% sind zum großen Teil eingebürgerte Saudis, Emiratis, irakische
Sicherheitsoffiziere des gestürzten Saddam-Regimes und weitere Ausländer. Sie wurden von der Herrscherfamilie ins Land geholt, um die wichtigsten Posten, insbesondere im Bereich der Sicherheit, zu besetzen, weil das Regime beim eigenen Volk nie Akzeptanz gefunden hat.

Freiheitsbewegung mit Tradition

Die Freiheitsbewegung in Bahrain hat eine lange Tradition. Im Jahr 1922 gab es massive Proteste gegen das Steuergesetz, das der König durchsetzen wollte. In den 30er Jahren demonstrierten die Bahrainis für die Bildung von Gemeinderäten, freie Parlamentswahlen und die Gründung von Arbeitergewerkschaften, die mit den Ölfirmen über die Löhne verhandeln sollten. 1971 erlangte Bahrain die Unabhängigkeit und 1973 fanden die ersten Parlamentswahlen statt. Doch schon bald wurde das Parlament vom Diktator aufgelöst und seither verfolgten Protestbewegungen das Ziel, die Macht des Königshauses einzuschränken.

In den 80er Jahren, nach der islamischen Revolution im Iran, gewann der Diktator mal durch sinnlose
Verhandlungen, mal durch gewalttätige Unterdrückung der Reformisten die Kontrolle über das Land und entschied sich schließlich in Folge einer westlichen Gesamtstrategie für die islamischen Lander, eine Spaltung des Volkes in Sunniten und Schiiten zu fördern. Das Regime ließ diejenigen Sunniten, die gefügig waren, bis zu einem gewissen Grad an der Macht teilhaben, doch Schiiten wurden generell
diskriminiert und benachteiligt.

Anfang der 90er Jahre hatten die Proteste allgemeine Bürgerrechte und politische Freiheiten zum Ziel. Die Forderungen wurden dem König detailliert in schriftlicher Form vorgelegt. Daraufhin wurden die Unterzeichner des Briefes verhaftet und die Bewegung wurde erneut durch die Sicherheitsorgane niedergeschlagen.

Während der Proteste, die bis 1999 andauerten, wurden viele Menschen getötet, verletzt oder verhaftet. Manche sahen sich genötigt, ins Exil zu gehen. Als Prinz Hamad bin Issa Ale Khalifa 1999 nach dem Tod seines Vaters den Thron bestieg, machte er viele Versprechungen, die vorübergehend für eine ruhige politische Atmosphäre im Land sorgten. Letztlich wurden diese Versprechungen nie realisiert. Die enttäuschten Bürger verloren ihre Hoffnung in den neuen König und boykottierten daraufhin die
Parlamentswahlen im Jahr 2002. Diese Boykottmaßnahmen wurden zum Symbol des Widerstandes und wiederholten sich bei den nächsten Wahlen in den Jahren 2006 und 2010.

Die neue Bewegung, eine Massenbewegung gegen die Diktatur

Nach Beginn der Protestbewegungen in Tunesien und Ägypten rief die "Bewegung der Jugendlichen vom 14.
Februar" zu gewaltlosen Massenprotesten auf, die ab dem 14. Februar 2011 begannen.

Die bitteren Erfahrungen der vom diktatorischen Regime niedergeschlagenen Proteste in den letzten Jahrzehnten sowie die Protestbewegungen in Tunesien und Ägypten veranlassten die Menschen in Bahrain,
nunmehr die Abschaffung der Monarchie und die Beendigung der brutalen Herrschaft von Ale Khalifa zu
fordern.

Am 17. Februar überfiel die Armee auf dem "Perlenplatz" Demonstranten, wobei drei Demonstranten getötet und über 30 Personen verletzt wurden. Daraufhin breiteten sich die Proteste auf das ganze Land aus. Die Proteste wurden von den Sicherheitskraften blutig niedergeschlagen. Eine Reaktion des Volkes ließ nicht lange auf sich warten. Am 22. Februar fand die bislang größte Demonstration in der Geschichte Bahrains statt, die den Diktator zwang, Zugeständnisse zu machen. Politische Gefangene wurden freigelassen, Schulden und Wohngelder vieler Bürger wurden erlassen. Der Golf-Kooperationsrat versprach Ale Khalifa eine Milliardenhilfe, mit der die revoltierenden "Untertanen" des Königs ruhiggestellt werden sollten. Doch all das nutzte nichts, die Revolution ging weiter.

Die USA und ihr Gendarm am Persischen Golf

Ein Regimesturz in Bahrain bedeutet auch einen Aufwind für die Freiheitsbewegung in Saudi Arabien, dem
wichtigsten diktatorischen Partner des Westens in der islamischen Welt. Das rückständige, brutale Regime, das damals von der britischen Kolonialmacht in Hidjaz - dem jetzigen Saudi Arabien - eingesetzt wurde, erfüllt mehrere lebenswichtige Funktionen für die Herrschaff der "Herren der Welt":

- Kontrolle der größten Erdöl- und Gasvorkommen der Welt mit bis zu täglich 10 Millionen Barrel
Förderkapazität

- Politische wie militärische Führung des gesamten südlichen Teils des geostrategisch wichtigen
Persischen Golfes, von Kuwait bis Jemen.
.....

Kein religiöser Konflikt, sondern die US-Politik!

...Viele Saudis, insbesondere die Schiiten, sympathisieren mit der Revolution in Bahrain, bei der sogar die privilegierten sunnitischen Bahrainis mitmachen. Auch viele kuwaitische Bürger, darunter bekannte Fußballspieler, haben die Revolution unterstützt.

Das Königshaus hat mit dem Islam so viel zu tun, wie der Papst mit dem Kommunismus. In Bahrain geht es also nicht um einen Streit zwischen Sunniten und Schiiten, wie die Mainstream (-Medien) dies verbreiten.

Die Sicherheitskräfte in Bahrain haben begriffen, dass sie mit Gewalt gegen die eigene Bevölkerung langfristig nichts erreichen können. Die Machtsäule des Diktators ist ins Wanken geraten. Auf ihrer Reise nach Nahost - Hillary Clinton reiste nach Saudi Arabien, Robert Gates nach Bahrain - am vergangenen Wochenende haben die US-Diplomaten grünes Licht für die Niederschlagung der Demokratiebewegung in Bahrain gegeben. Schließlich ist das Kommandozentrum der fünften amerikanischen Flotte in Bahrain stationiert. Die Doppeldiplomatie der Amerikaner, die auf einer Doppelmoral basiert, eine öffentliche Diplomatie mit schönen Worten in Pressekonferenzen und eine hässliche Geheimdiplomatie hinter geschlossenen Türen, kauft ihnen in der Region niemand ab.

Der pro-amerikanische Rat der Diktatoren GCC, Golf-Kooperationsrat, beschloss entgegen allen internationalen Normen, zwecks Niederschlagung der demokratischen Revolution Truppen in das Königreich zu entsenden. Im Falle einer äußeren Gefährdung des Landes wäre diese Entscheidung vielleicht verständlich, doch sind hier lediglich die unrechtmäßige Macht eines Diktators sowie die
unberechtigten Interessen der USA und Englands, die den berechtigten Interessen der einheimischen Bevölkerung entgegen gesetzt sind, in Gefahr geraten.
...
Um die illegale Truppenentsendung nach Bahrain, welche im Grunde einer unrechtmäßigen Besatzung des Landes nahe kommt, zu rechtfertigen, versuchen die in Panik geratenen Diktatoren den Iran als Drahtzieher der Revolution darzustellen, um eine äußere Gefahr vorzutäuschen. Deshalb dient die Betonung auf schiitische Glaubensrichtung der Bahrainis, die auch von den deutschen Medien wiederholt wird, nur als Alibi für ein neues Verbrechen.

Eine Bewährungsprobe für die westlichen Demokratien

Das Regime hat nun einen dreimonatigen Ausnahmezustand verhängt. 1000 bis 2400 saudische sowie 500 Soldaten und Offiziere aus den Emiraten marschierten am 14. März mit Panzern und gepanzerten
Militärfahrzeugen in Bahrain ein. Die saudi-arabischen Besatzungstruppen schossen unmittelbar nach ihrer Ankunft sogar auf Verletzte und ihre Helfer. Krankenhäuser wurden belagert und die Behandlung der Verletzten wurde teilweise verhindert. Es gab mehrere Aufrufe der Krankenhauser zur Blutspende.

Die Botschaft der westlichen Demokratien, die von dieser Aktion ausgeht, ist eindeutig:

Mit Panzern gegen die Revolution!
..."

(Die etwas religiös gefärbte Terminologie des Artikels habe ich belassen; mir ging es um die darin enthaltenen Fakten. Es dürfte aber klar sein, dass imperialistische Kriege und die Anwendung doppelter Standards längerfristig auch radikalislamische Kräfte in Afrika und Asien stärken wird - H.E.)

Weitere Informationen hier:  http://www.jungewelt.de/2011/03-16/065.php und hier:  http://www.taz.de/1/politik/nahost/artikel/1/saudi-arabien-schickt-truppen/
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Ergänzungen