Proteste gegen Abschiebung in Düsseldorf

antirassistische aktion koeln 09.12.2010 15:48 Themen: Antirassismus
Etwa 50 Aktivist_innen protestierten heute am Düsseldorfer Flughafen gegen eine Sammelabschiebung nach Serbien.
Heute Vormittag sollten etwa 100 Menschen per Charterflug nach Serbien abgeschoben werden. Im Flieger saßen dann jedoch deutlich weniger Menschen, vermutlich deutlich weniger als 40. Dies lag zum Teil daran, dass einige Abschiebungen durch den Wintererlass der Landesregierung NRW aufgeschoben wird. Dieser setzt die Abschiebung von nordrheinwestfählische Roma, Ashkali und Ägyptern für die Dauer des Winters aus, sofern diese nicht mit mehr als 50 Tagessätzen vorbestraft waren. Offensichtlich geht die Landesregierung davon aus, dass Tagessätze nachhaltig warm halten oder es ist einfach egal, wenn sogenannte „Straftäter_innen“ frieren müssen. Ein anderer Teil der Betroffenen konnte sich der Abschiebung zumindest zeitweise entziehen, indem er untertauchte.

Aber jede einzelne Abschiebung ist eine Abschiebung zu viel und so regte sich am Düsseldorfer Flughafen lautstarker Protest. Die Aktivist_innen waren in cognito in den Flughafen eingesickert und traten erst zum vereinbarten Zeitpunkt um 10.30h in Erscheinung. An verschiedenen Stellen wurden Transparente entrollt, Parolen gerufen und Flyer verteilt. Dazu spielten Sambistas, sodass die insgesamt etwa 50 Aktivist_innen das gesamte Terminal erreichten.

Die Polizei war zwar reichlich vorhanden, beschränkte sich aber zunächst darauf, die Aktivist_innen zusammen zu treiben. Diese konnten dann noch für etwa eine halbe Stunde durch das Terminal ziehen und dort die Aufmerksamkeit auf die laufende Abschiebung richten. Dann gelang es der Polizei, die Aktivist_innen aus dem Gebäude zu drängen. Hier wurde dann noch eine Spontandemo zum abseits gelegenen Gate F angemeldet, von dem die Abschiebungen statt finden. Von dort aus konnten die Aktivist_innen dann, soweit bekannt, ohne Personalienkontrollen oder Anzeigen abreisen.
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Ergänzungen

Ein paar Fotos

ArA Köln 09.12.2010 - 16:47
Einige Fotos aus dem Flughafen Düsseldorf

Sponti auch in Jena

antirassistische Gruppen 09.12.2010 - 23:05
Auch in Jena schlossen sich heute abend ca. 30 Menschen zu einer spontanen Demonstration zusammen, um gegen die anlaufenden Abschiebungen der Roma, Ashkali und Ägypter in den Kosovo zu protestieren. Die lautstarke Demo zog an der "Neuen Mitte" vorbei, über den Jenaer Weihnachtsmarkt und löste sich schließlich in der Nähe des Holzmarktes auf. Während der Demo wurden Flugblätter an die umstehenden Passanten verteilt.

Der Inhalt der Flugblätter:


Stoppt die Abschiebung ins Elend !



Während des Bürgerkriegs im Kosovo Ende der 90er Jahre kam es unter anderen Menschenrechtsverletzungen auch zu massiven Pogromen gegen Angehörige der Roma. Im Zuge dieser rassistischen Verfolgung flüchteten damals viele der Roma nach Deutschland. Jetzt knapp 10 Jahre später, zwei Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo, droht ihnen die Abschiebung durch die deutschen Behörden. Wir fordern ein uneingeschränktes Bleiberecht für alle und eine sofortige Aussetzung der Abschiebungen der Angehörigen der Romaminderheit.

Am 15. November 2010 tagte in Hamburg die Innenministerkonferenz. Diese besiegelte das Schicksal von über 10 000 Menschen davon sind circa die Hälfte Kinder. Bleiben dürfe nur wer sich als integrationswillig zeige. Überprüft werden soll dies anhand eines Integrationstests. Auch Kinder und Jugendliche die diesen Integrationstest nicht bestehen sind dabei von Abschiebung massiv bedroht.

Über 10 000 Menschen sollen bis 2013 Abgeschoben werden und die zuständigen Behörden leiten verstärkt die vorbereitenden Schritte ein.
Abschiebeflieger sollen am 7. und 9. Dezember von Düsseldorf nach Kosovo bzw. Serbien Fliegen. Zwar hat das Bundesland NRW Abschiebungen von Minderheiten nach Kosovo bis zum 31. März ausgesetzt (Erlass NRW), aber andere Bundesländer planen weiterhin, trotz des Winters und der dort ohnehin schon katastrophalen Situation, Abschiebungen durchzuführen. Insbesondere aus Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen sollen für diese Flüge Roma angemeldet worden sein. Die Betroffenen erwartet Armut, Ausgrenzung, knapper Wohnraum und Mangel an Heizmaterialien. Im Falle von Krankheit können sie keine Hilfen in Anspruch nehmen. Auch in NRW können weiterhin Roma trotz Erlass abgeschoben werden, wenn sie Straffällig geworden sind.

Was erwartet die Roma im Kosovo

Nicht nur UNICEF weist immer wieder auf die schwierige Lage der Minderheit der Roma im Kosovo hin. Diese sei geprägt von Ausgrenzung und Diskriminierung:

„Kinder aus Roma-Familien haben im Kosovo derzeit schlechte Bildungschancen, keine ausreichende medizinische Versorgung und es gibt für sie kaum gezielte Integrationsangebote.“ (Quelle: UNICEF)




In dem ohnehin von großer Arbeitslosigkeit und Armut geprägten Kosovo haben Angehörige der Roma so gut wie keine Chancen auf eine feste Anstellung um ihre Familie zu versorgen. Bei einer allgemeinen Arbeitslosenquote die bei 45% liegt, beträgt die der Roma nahezu 100 Prozent.
Die wenigen noch im Kosovo verbliebenen Roma müssen meist in abgetrennten Ghettos und Barackenlagern unter elenden Lebensbedingungen leben.
Menschen bewusst in eine solche Situation zu bringen, sie in ein besiegeltes Elend abzuschieben, ohne jede Perspektive auf ein besseres Leben – das können wir nur als inhuman bezeichnen.


Schon in Deutschland sind Sinti und Roma immer wieder von Diskriminierung betroffen. Sei es latent in der deutschen Mehrheitsgesellschaft oder öffentlich durch rassistische Berichterstattung in den Medien, in denen bekannte Stereotype rekonstruiert werden. Im Kosovo hat dieser Rassismus allerdings eine andere Dimension. So zum Beispiel im Jahre 2004 als albanische Extremisten im Dorf Vucitrn Jagd auf Roma machten und deren Häuser zerstörten. Immer wieder schlägt die latent rassistische Feindseligkeit in Gewalt um.

Deutschlands historische Verantwortung gegenüber den Sinti und Roma


Angehörige des Volkes der Sinti und Roma waren während der national-sozialistischen Herrschaft in allen mit Nazideutschland kooperierenden Staaten von massiver Verfolgung und in letzter Konsequenz Vernichtung betroffen. Der systematische Völkermord an den Sinti und Roma hat in der "Aufarbeitung" der deutschen Verbrechen allerdings nur einen untergeordneten Stellenwert. Deutschland kann nicht ohne Auschwitz gedacht werden. Einen Schlussstrich wie er immer wieder gefordert wird, darf und kann es nicht geben. Wenn es schon einen deutschen Staat gibt, dann nicht ohne eine besondere Verantwortung gegenüber den Opfern der national-sozialistischen Gewaltherrschaft.

Trotz der Aktualität und Drastik der aktuellen deutschen Abschiebepraxis der Romaflüchtlinge aus dem Kosovo ist es wichtig auch Abschiebungen im Allgemeinen und hier besonders die Verfahrensweise des deutschen Staates zu kritisieren. Das soll nicht bedeuten, dass Abschiebungen in irgendeiner Weise - seien sie noch so „human“ - legitim sind. Kein Mensch ist illegal – nirgends. Ein Mensch ist nicht weniger Wert, nur weil er nicht den entsprechenden Pass besitzt.

Die Abschiebungen von Flüchtlingen werden immer wieder damit begründet, dass Flüchtlinge das deutsche Sozialsystem belasten würden. Dem entgegen ist eine Zuwanderung von Fachkräften, zumindest in Zeiten des Fachkräftemangels, in Deutschland erwünscht. Es kommt also auf die Verwertbarkeit der Menschen für die deutsche Wirtschaft an. Es gilt schließlich also auch ein System zu kritisieren, das diese Zustände erzeugt und manifestiert – der Kapitalismus und seine menschenfeindliche Verwertungslogik.


FÜR UNEINGESCHRÄNKTE BLEIBE- UND BEWEGUNGSFREIHEIT FÜR ALLE! SOFORT!
ABCHIEBUNGEN VERHINDERN!ANTIZIGANISMUS BEKÄMPFEN!


- Antirassistische Gruppen aus Jena und Umgebung -

Hintergrundinformationen

bewegungsfreiheit 10.12.2010 - 13:04
Zu den Massenabschiebungen von Deutschland ins Kosovo:  http://no-racism.net/article/3599