(B) Seifenfabrik wurde verkauft - Proteste

Ad Orno 19.06.2010 16:02 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Gestern war die Versteigerung der Alten Seifenfabrik. Das Aktionsbündnis "Mediaspree entern!" fuhr Punkrock, Redebeiträge und Flugblätter auf, die Berliner Polizei reagierte mit einem massiven Aufgebot. So war die Aufmerksamkeit der Auktionsgäste und Passant_innen garantiert. Schließlich wurde das Grundstück für einen Schnäppchenpreis von 2,6 Mio. Euro von einem Herrn aus dem Frankfurter Raum geangelt. Das Aktionsbündnis kündigt an, nach dem Protest folge nun der Widerstand gegen eine kommerzielle Umgestaltung des Spreeufers auch an dieser Stelle. Investoren müssten sich auf entschlossene Gegenaktionen gefasst machen.
Ungewöhnlicher Anblick am gestrigen Freitag in Berlin-Wilmersdorf: Vor dem Vier-Sterne-Kongresshotel "abba Berlin" stehen einige Mannschaftswagen der Polizei, vor dem Eingang zwei Reihen Absperrgitter. Auf der gegenüberliegenden Seite ertönt aus Lautsprechern, nochmals abgeschirmt durch Hamburger Gitter, Punkrock. Leute schauen irritiert, Gäste des Hotels auch mal verärgert, Passant_innen fragen nach, worum es geht.

Im "abba Berlin" ist nämlich eine Grundstücks-Auktion angesetzt. Neben 46 anderen Grundstücken aus Berlin und Brandenburg wird auch die Alte Seifenfabrik in der Köpenicker Straße 50-52 versteigert. Zum Politikum wurde dies nicht nur, weil das Grundstück am Spreeufer und mitten im umstrittenen "Mediaspree"-Investorenprojekt liegt, sondern weil die Versteigerung auch eine Privatisierung darstellt.

Die Seifenfabrik in der allseits bekannten Privatisierungsmühle

Investoren einseifenBis gestern war die Alte Seifenfabrik nämlich im Besitz der Gesellschaft zur Entwicklung und Sanierung von Altstandorten mbH (GESA), einer bundeseigenen Grundstücksgesellschaft im Dunstkreis der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) und der Treuhandanstalt / TLG Immobilien. Die Seifenfabrik ist also ein Restbestand aus der Abwicklung der zur Zeit der DDR verstaatlichten Grundstücke. Hier hat offensichtlich keine Rückübertragung stattgefunden, daher versuchte die GESA seit Jahren, das Grundstück zu verkaufen. Klappte aber nicht, und nun ging sie den Weg der Versteigerung und beauftragte die Deutsche Grundstücksauktionen AG damit. Angesichts dessen, dass am Spreeufer Grundwerte von 1000 Euro/m² üblich sind, war das festgelegte Mindestgebot von 2,5 Mio, Euro ein ziemlicher Schnäppchenpreis.

Am Spreeufer wurde aber schon viel zu viel privatisiert (Karte als PDF), um gegen diese Praxis ein deutliches Zeichen zu setzen, rief das Aktionsbündnis Mediaspree entern! zum Protest gegen die Versteigerung auf. Die Berliner Polizei erwartete gleich das schlimmste, tauchte mit einem massivem Aufgebot auf und verbat eine Kundgebung direkt vor dem Hotel.

Punkrock in Wilmersdorf

Den langen Weg nach Wilmersdorf nahm schließlich aber nur etwa ein Dutzend Mediaspree-Versenker_innen auf sich, sozusagen als Abordnung der Bewegung. So kam beinahe ein Polizeibus auf eine Teilnehmer_in der Kundgebung. Aber es waren auch Transparente und Flugblätter (pdf) zur Hand, und es wurde ab 13:30 Uhr fleißig Punkrock gespielt, unterbrochen von Redebeiträgen zu den Themen Privatisierung, Spreeufer-Bebauungspläne und steigende Mieten. Den potenziellen Käufer_innen der Seifenfabrik wurde ein entschlossener Widerstand gegen Bauvorhaben angekündigt, und es wurde nicht ausgelassen, vor dem äußerst investor_innenfeindlichen Umfeld der Köpi zu warnen - schließlich mussten andere Bauvorhaben häufigen Glasbruch und so manche Farbbeutelattacke verzeichnen.

Das Geschehen vor dem Hotel und im Veranstaltungssaal wurde aufmerksam von lokaler Presse verfolgt, es waren mehrere Journalist_innen und ein Kamerateam der Abendschau anwesend. Drinnen ging die Show um 14 Uhr los, es dauerte aber eine glatte Stunde, bis die eigentliche Versteigerung los ging. Um 16:15 Uhr war es dann soweit, der Posten Nr. 14 wurde aufgerufen.

Wenige Interessent_innen für die Seifenfabrik - Verkauf für 2,6 Mio.

Auch wenn die Versteigerungsfirma im Vorfeld von über hundert Interessent_innen gesprochen hatte - hier boten lediglich drei mit. Zwei Bieter waren im Saal anwesend, ein dritter nahm telefonisch teil und stieg sehr schnell wieder aus. In 10.000er-Schritten stieg der Preis auf lediglich 2,6 Mio. Euro an, dann fiel der Hammer und ein Bieter aus dem Raum Frankfurt/Main erhielt den Zuschlag.

MTK-SUVDer Typ war mit eigenem Anwalt anwesend und machte auf die Anwesenden Aktivist_innen eher den Eindruck eines spekulativen Zwischenhändlers. Im Saal wurde eine Person vom Sicherheitspersonal festgehalten und beiseite geführt, die die Bieter fotografiert haben soll. Schließlich machte der neue Eigentümer der Seifenfabrik sich mit seinem fetten Range Rover mit Kennzeichen MTK (Main-Taunus-Kreis) davon. Der an Konzernen reiche Vorort der Bankenzentrale ist einer der wohlhabendsten Landkreise der BRD. Unter anderem residiert hier aufgrund des niedrigen Gewerbesteuersatzes die Deutsche Bank AG.

Spreeufer bleibt Risikokapital

Dafür, dass im Auktionsprospekt die Seifenfabrik als Highlight gehandelt wurde, ist die Zahl er Bieter_innen ernüchternd. Nur wenige trauen sich offensichtlich an die risikobehafteten Spreeufer heran. Kein Wunder, sind in den letzten 20 Jahren doch einige spekulative Erwerber und Immobilienentwickler mit ihren Profiterwartungen und Bauplänen baden gegangen. Im Herbst z.B. steht eine Zwangsversteigerung des Nachbargrundstücks der Seifenfabrik an - hier ist ein Erwerber zweifelsohne Konkurs gegangen. Und er war bei weitem nicht der einzige. Dutzende Eigentümer_innen von Spreeufer-Grundstücken mussten in den letzten Jahren massive Wertberichtigungen der Grundstückswerte vornehmen, nach unten natürlich.

So kann es eben gut sein, dass spekulative Zwischenerwerber ein günstiges Schnäppchen witterten. Dass der Preis sehr nahe am Mindestgebot blieb, spricht z.B. dafür. Wir müssen also längst nicht erwarten, dass der Erwerber nun sehr bald mit konkreten Bauplänen und Investoren auf der Matte steht. Weiterhin wird es die Aufgabe der "Mediaspree versenken!"-Bewegung sein, interessierte Geldgeber_innen zu vergraulen und den Investitionsstandort Mediaspree so unattraktiv wie möglich zu machen.

Das Investorenvergraulen geht weiter

So kündigten die anwesenden Aktivist_innen auch gleich an, dass mit der Versteigerung kein Schlusspunkt unter das Thema Seifenfabrik gesetzt sei. Die Bewegung gegen Mediaspree laufe nach dem Ende der bezirklichen Sonderausschuss-Verhandlungen in diesem Jahr erst wieder an. Der Zuspruch und die Bereitschaft für neue Aktionen sei beeindruckend. Für die nächsten Monaten wurden zahlreiche Aktionen angekündigt, bei denen sicherlich auch der Seifenfabrik und ihren Eigentümer_innen genügend Aufmerksam zuteil werde. "Das wird ein heißer Sommer!" skandierten die Aktivist_innen zum Abschluss ihrer Protestkundgebung.


Presseecho danach:

Taz Berlin: Und noch ein Privatgrundstück
Berliner Zeitung: Der Bund verscherbelt die Seifenfabrik
RBB Abendschau: Versteigerung von Spree-Grundstück

Vorfeldberichte:
Tagesspiegel 16.6.: Schwere See an der Spree
Taz Berlin 18.6.: Noch ein Stück Spreeufer
Mediaspree entern: Am 18. Juni: Spreeufer-Privatisierung per Auktion
Mediaspree entern: Freitag: Kundgebung gegen Seifenfabrik-Privatisierung
Indymedia: Protest gegen Spreeufer-Privatisierung
Scharf Links: Freitag (18. Juni) 13:30: Kundgebung gegen weitere Privatisierung am Spreeufer
Kreativ-Kiez Neukölln: Haste mal 5 Millionen Euro?

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Ergänzungen

Plupp- ein Foto weggerutscht

Gräfin von Image 19.06.2010 - 16:16
...da isses noch mal:

Weitere Berichte zur Seifenfabrik

Doc. Umentor 19.06.2010 - 16:34
MS-versenken.org: Entern: Spreeufer in Mitte zu verkaufen - Achtung Autoverkehr!
 http://www.ms-versenken.org/index.php?option=com_content&view=article&catid=33%3Asonderausschuss-&id=249%3Aauktion-1862010&Itemid=55

Tagesspiegel: Ein Stück Spree-Ufer für 2,6 Millionen Euro
 http://www.tagesspiegel.de/berlin/ein-stueck-spree-ufer-fuer-2-6-millionen-euro/1862934.html

Grüne Partei Friedrichshain-Kreuzberg: Grüne für öffentliches Spreeufer auch in Mitte
 http://www.frieke.de/index/3395042.html

...und hier noch ein Bild der Seifenfabrik, das aus dem Auktionskatalog stammt:

Böses, böses Flugblatt!

Belichtungsbüro 19.06.2010 - 17:13
Ein Flugblatt war ja im Bericht oben bereits verlinkt, es hat aber noch ein weiteres gegeben, was vor dem Hotel an Gäste der Versteigerung verteilt worden ist. Hier findet ihr es höherer Auflösung:
 http://mediaspreeentern.blogsport.de/images/seife_fingerweg_561x800.png

B.Z. verzapfte auch nen Kurzartikel

Krittel Krattel 20.06.2010 - 19:48
Naja, die B.Z. halt, wie immer journalistische Qualität vom Feinsten: Schreibt uns von der Versteigerung "eines der begehrtesten Grundstücke an der Spree in Mitte" - so begehrt offensichtlich, dass es die Treuhand und ihre Nachfolge-Gesellschaften 20 Jahre lang nicht privatisiert bekommen haben und nun einen Preis von sage und schreibe der Hälfte des üblichen Wertes in dieser Lage einstreichen konnten. Äußert "begehrt" also.

B.Z.: Mann in Shorts ersteigert Millionen-Areal
 http://www.bz-berlin.de/archiv/mann-in-shorts-ersteigert-millionen-areal-article886864.html

Er kam in Military-Shorts und Schlappen - und zahlte 2,6 Millionen Euro für eines der begehrtesten Grundstücke an der Spree in Mitte.
Turbulente Versteigerung im Charlottenburger Abba-Hotel: Ein fast 5000 qm großes Grundstück mit der Ruine einer alten Seifenfabrik kam gestern unter den Hammer. Unter lautstarkem Protest von Gegnern der Mediaspree-Bebauung. Sie drohten, das Areal zu besetzen. Was der neue Eigentümer mit dem Gelände (neben der Strandbar Kiki Blofeld) vorhat - dazu gestern kein Kommentar. Auktionator Michael Plettner: "Das Objekt ist zwar in keinem guten Zustand, aber der Erwerber bekommt einen 1A-Standort. Der Kaufpreis ist gut angelegt."

"Shorts und Schlappen" hat bei dem Käufer übrigens niemand von den anwesenden Beobachter_innen gesehen...

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